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Eine Idee wird beerdigt: So sieht eine Bürgerbeteiligung à la Burchardt aus

simon-pschorr-2Simon Pschorr beteiligte sich als Vertreter der Linken Liste an der Projektgruppe Bürgerbeteiligung. In diesem Beitrag rechnet der Jurist, den die LINKE im November zum Bundestagskandidaten für den Konstanzer Wahlkreis gekürt hat, mit dem von der Verwaltung als Ergebnis präsentierten “Leitlinien für Bürgerbeteiligung” ab. Am vergangenen Donnerstag hieß sie der Gemeinderat gut, dagegen votierte einzig die Linke Liste. – red

Zweieinhalb Jahre für ein entkerntes Papier. Wenn man sich bürgerschaftlich engagiert, dann fragt man sich manchmal schon: Wofür tue ich das eigentlich? Einen solchen Moment erlebte ich am letzten Donnerstag. Der Gemeinderat stimmte über die „Leitlinien für Bürgerbeteiligung“ ab und beendete damit einen langwierigen und frustrierenden Prozess. Für mich gleicht dieser Abschluss eher einem Grabstein denn einem Schlussstein in einem verwaltungsarchitektonischen Prachtbau.

Warum ich so pessimistisch und enttäuscht bin? Nun, ich habe den Prozess als Mitglied der Projektgruppe Bürgerbeteiligung selbst von Anfang an begleitet und möchte Ihnen einfach mal erzählen, wie die jetzigen Leitlinien zustande kamen und woran sie meiner Meinung nach kranken.

Katz und Maus mit ungleichen Akteuren

Die Initiative zum Bürgerbeteiligungsprozess kam 2014 von Oberbürgermeister Burchardt. Er hatte im Wahlkampf versprochen, die Konstanzer Bürgerschaft in alle Entscheidungen der Kommune einzubeziehen und für Transparenz und Offenheit zu sorgen. Deshalb sollte ein Papier zur Beteiligung der Bürgerschaft her – und wie könnte man ein solches Papier besser erstellen als in einem gemeinschaftlichen Akt von Verwaltung und Bürgern? Deshalb wurde die „Projektgruppe Bürgerbeteiligung“ geschaffen, die sich aus Vertretern der Gemeinderatsfraktionen, Interessengruppen der Bevölkerung und einigen Verwaltungsvertretern zusammensetzte.

Die Projektgruppe machte sich voller Elan ans Werk. Martin Schröpel, Koordinator des Prozesses und Vorkämpfer für einen neuen Arbeitsstil im Verwaltungskorpus, sei hier noch einmal ausdrücklich für sein unermüdliches Engagement gedankt. Er hatte die leidvolle Aufgabe, die vielen, teilweise widersprüchlichen und vor Kreativität blühenden Ideen aller Beteiligten nach innen zu kommunizieren und in einem verwertbaren Text zu bündeln.

Doch der erste Schock kam Mitte des Jahres 2015. Zu diesem Zeitpunkt fand – entgegen aller Planung – das erste Treffen mit dem Oberbürgermeister statt. Anstatt von Anfang an gemeinsam mit dem OB an einem Text zu arbeiten, hatte die Projektgruppe einen vollständigen und schlagkräftigen Entwurf vorgelegt. Dieser wurde von OB Burchardt rundum verworfen. Die Projektgruppe, so sagte er, hätte ihren Auftrag vollkommen missverstanden. Von einem eigenen Entwurf sei nie die Rede gewesen. Wenn, dann könne ein Entwurf zur Bürgerbeteiligung nur aus den Reihen der Verwaltung kommen, die mit den Ideen der Projektgruppe sowieso nichts anfangen könne.

Ab diesem Moment fochten wir Rückzugsgefechte. Stückchen für Stückchen wurden die Kernelemente der “Leitlinien Bürgerbeteiligung” vom Oberbürgermeister und den mittlerweile fast vollständig abwesenden Mitarbeitern der Verwaltung zerpflückt. Mitte des Jahres 2016 drohte das Projekt gänzlich zu scheitern – zu groß war die Angst der Gemeinderäte, das Papier in seiner unangetasteten Form in den Gemeinderat einzubringen und zu sehr die Luft raus, um erneut einen eigenen Vorschlag vorzulegen. Das in der Rückschau traurige Ergebnis dieses „Beteiligungsprozesses“ liegt Ihnen nun vor und wurde vom Gemeinderat beschlossen.

Defizite des Papiers

Das vorliegende Papier krankt an einigen zentralen Stellen. Beginnen wir mit der Rechtsqualität des Konstrukts im Ganzen: Das vorliegende Papier bezeichnet sich selbst als “Leitlinien”. Dies ist ein Terminus, der keine verwaltungsrechtliche Bedeutung kennt. Im Verwaltungsrecht gibt es einerseits Satzungen und Verordnungen – das sind bindende Rechtsakte, die Gesetzeswirkung entfalten – und andererseits Verwaltungsvorschriften. Verwaltungsvorschriften wirken als Anleitung für die Verwaltung und geben intern eine Richtung vor.

Noch unterhalb dieser Ebene steht die Leitlinie. Im Ergebnis ist sie ein rechtliches Nichts, eine Handlungsempfehlung ohne jedwede Bindungswirkung. Die Verwaltung kann sich daran halten oder sie einfach ignorieren. Konsequenzen? Keine. Auch die Tatsache, dass der Gemeinderat hierüber einen Beschluss gefasst hat, ändert daran nichts – er hat ja schließlich selbst entschieden, ein solches Nichts zu beschließen. In der von der Projektgruppe vorgelegten Fassung war vorgesehen, die Kernelemente der Leitlinien in einer rechtlich bindenden Satzung festzuschreiben und damit deutschlandweit Vorreiter zu werden. Doch daraus sollte nichts werden.

So wenig, wie die Verwaltung durch die jetzt verabschiedeten Leitlinien rechtlich bindend verpflichtet wird, so wenig binden sich damit die einzelnen Organe der Stadtpolitik. Weder der Gemeinderat noch, allen voran, der Oberbürgermeister unterwerfen sich dem Votum der Bürgerinnen und Bürger. Die Letztentscheidungskompetenz bleibt beim Gemeinderat, respektive in seinem Hoheitsbereich beim Oberbürgermeister. Beiden Organen wird durch die Leitlinien ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, die Bürgermeinung vollständig zu ignorieren und gegenteilig zu entscheiden. Der Oberbürgermeister wehrt sich auch strikt gegen einen Einfluss des Gemeinderates über das zentrale Hilfsmittel der Vorhabenliste. Auch dies war in den früheren Entwürfen anders vorgesehen.

Doch Silvia Löhr, Justiziarin der Stadt, äußerte juristische Bedenken. Wie von der Projektgruppe vorgeschlagen, neben dem vertrauten Bürgerentscheid neue Mittel einer wirksamen Bürgerbeteiligung zu etablieren, verstieße Ihrer Meinung nach gegen die Gemeindeordnung. Allerdings: Eine entsprechende wegweisende Gerichtsentscheidung dazu gibt es nicht. Warum? Es hat sich einfach noch nie eine Kommune in Deutschland getraut. Im Wege der freiwilligen Selbstbindung hätte der Gemeinderat meiner Meinung nach auch ohne Verstoß gegen die Gemeindeordnung zumindest die Richtung seiner Entscheidung vorgeben können und ein „Soll“ der Zustimmung begründen können. Der Gemeinderat hätte nach grundsätzlich freiwillig an das Ergebnis der Bürgerbeteiligung binden können, ohne gegen die Gemeindeordnung zu verstoßen. So muss der Gemeinderat nicht einmal sein abweichendes Votum separat begründen – das steht ja alles in den Beschlussprotokollen der Sitzungen.

Die Angst in der Verwaltung ist zu groß

Womit wir beim „Soll“ sind: Dieses Papier strotzt nur so von Ermessens-Normen und vermeidet „Ist“-Bestimmungen, die klare Handlungsanweisungen an die Verwaltung zum Ausdruck gebracht hätten. Stattdessen wird der Verwaltung allenthalben die Freiheit eingeräumt, Bürgerbeteiligung doch nicht durchzuführen. Eine Überwachung ihres Arbeitsprozesses findet nach den Leitlinien nicht statt. In einer älteren Version war vorgesehen, dass nicht das jeweilige Fachamt, sondern eine übergeordnete “Fachstelle Bürgerbeteiligung“ über Art und Ablauf des Beteiligungsprozesses im Rahmen des Gemeinderatsbeschlusses entscheidet. Diese Stelle sollte mit Fachleuten für Bürgerbeteiligungsprozesse besetzt werden. Übrig geblieben ist davon heute nur noch eine Anlaufstelle für hilfesuchende Fachämter. Zu groß war wohl die Angst vor einem „Superministerium“.

Und wenn den Bürgerinnen und Bürgern das alles nun nicht passt? Was ist, wenn sie selbst auf die Idee kommen, Bürgerbeteiligung anzuregen? Die vorliegenden Leitlinien geben der Bürgerschaft dieses Recht. Dazu müssen in ganz Konstanz 800 Unterschriften gesammelt werden. Betrifft eine Entscheidung nur einen Stadt-/Ortsteil, dann reichen 200 Unterschriften aus diesem Ortsteil aus.

Meines Erachtens sind das ziemlich hohe Hürden. Man beachte allerdings, in welcher Zeit die Unterschriften beizubringen sind: Nach Veröffentlichung der Vorhabenliste, dem Kernstück Burchardtscher Transparenzpolitik, kann innerhalb von drei Wochen eine Bürgerinitiative angemeldet werden. Danach werden weitere vier Wochen eingeräumt, um die Unterschriften beizubringen. Mehr nicht. Wird eine dieser Fristen versäumt, ist Bürgerbeteiligung gestorben. Ausschlussfristen für Bürgerbeteiligung? Geht’s noch?

Fristen zur Verhinderung

Kommt unter dem Jahr eine Frage oder ein Vorhaben auf, das nicht auf der Liste steht, bei dem sich die Bürgerschaft aber denkt, man könne doch mal beteiligt werden, so scheitert ein entsprechendes Begehr schon daran, dass nur drei Wochen nach der Veröffentlichung der Vorhabenliste begehrt werden darf. Ansonsten ist die Bürgerschaft auf das gnädige Entgegenkommen der Verwaltung angewiesen, ihre Vorhabenliste zu ändern. Ab dem Zeitpunkt laufen die gleichen Fristen.

Dieselben Hürden bestehen auch für organisierte Gruppierungen der Bürgerschaft. Hier seien vorrangig die Bürgergemeinschaften und Ortsvereine genannt. In einer Vorgängerversion waren diese bevorzugt. Man hat ausdrücklich das Engagement und die Repräsentativität solcher Gemeinschaften für ihre jeweiligen Stadtteile anerkannt und ihnen ein Initiativrecht eingeräumt. Das aber hat OB Burchardt verhindert. Er sieht darin eine ungerechte Ungleichbehandlung der Engagierten gegenüber all den schweigenden Bürgern. Ja – natürlich ist das eine Ungleichbehandlung. Aber eine Ungleichbehandlung wesentlich Ungleicher.

Die Bürgergemeinschaften tragen zur Gestaltung unserer Stadt bei und sind eine bedeutende Stimme im öffentlichen Diskurs. In ihren Gremien findet demokratische Meinungsbildung statt. Sie bilden sich nicht ad hoc nach dem Geschrei des Lautesten, sondern diskutieren Fragen intern aus, bevor sie an die Öffentlichkeit gehen. Ich sage: Es wäre ein Zeichen des Respekts vor diesem ehrenamtlichen Engagement und ein Symbol des Vertrauens in Bürgerorganisationen gewesen, diese Gruppierungen besser einzubinden.

Chancen wurden verschenkt

Leider haben wir die Möglichkeiten, die Konstanz als Stadt offenstanden, verschenkt. Die Stadt am Bodensee hätte zur Keimzelle einer neuen Politik der Offenheit und Transparenz werden können. Es bestand die Chance, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mitzunehmen, einzubinden und am politischen Leben teilhaben zu lassen. Ein besseres Mittel gegen Angst, Hass und Politikverdrossenheit gibt es kaum. Stattdessen haben versteinerte Strukturen gewonnen. Wir werden sehen, ob das am Donnerstag gegebene Versprechen in Zukunft Konsequenzen hat oder sich als leer erweist. Ich jedenfalls höre mit meiner Arbeit nicht auf.

Simon Pschorr
Mitglied der Projektgruppe Bürgerbeteiligung,
Bundestagskandidat DIE LINKE Wahlkreis Konstanz

Todesdrohung gegen Erdogan-Gegner in der Moschee

Eigentlich wollte Salih Gunes im Supermarkt in der Reichenaustraße 30 in Konstanz an diesem Donnerstag vor zwei Wochen wie schon öfter zuvor nur eine Kleinigkeit einkaufen. Doch dann sah sich der aus der Türkei stammende 60-jährige Rentner im Erdgeschoss der Mevlana-Moschee unvermittelt mit massiven Drohungen von Landsleuten konfrontiert.

Hintergrund des Vorfalls war offensichtlich eine Demonstration gegen die diktatorische Politik des türkischen Staatspräsidenten und seines AKP-Regimes, an der sich am 11. November auf der Marktstätte rund 150 Menschen beteiligt hatten. Gunes, seit einiger Zeit in Kreuzlingen lebender, langjähriger Aktivist für Menschenrechte in seinem Land, engagiert sich im jüngst gegründeten “Verein demokratische ArbeiterInnen und Jugendliche Bodensee e.V.” (VdAJ), der zu den Organisatoren der Protestaktion gehörte. Der “Südkurier” hatte im Vorfeld über die Hintergründe der Demo berichtet, in dem Artikel war auf einem Foto, das einige der DemoaufruferInnen zeigt, auch Gunes zu erkennen.

Das Lebensmittelgeschäft an der Reichenaustraße, das Salih Gunes an diesem Donnerstag aufgesucht hatte, befindet sich zusammen mit einem Döner-Imbiss im Erdgeschoss der Konstanzer Mevlana Moschee, ihre Betreiber haben Mietverträge mit der Türkisch-Islamischen Gemeinde DITIB Konstanz. Der Mieter der Imbissbude nun sprach Gunes unvermittelt an und verwickelte ihn, unterstützt von einem Unbekannten, in ein Gespräch über die Demonstration, das in der offenen Drohung gipfelte, “Terroristen” wie ihn müsse man alle umbringen.

Anruf vom Konsulat?

Im Verlauf des Disputs plauderte der Mann, der – so Gunes’ Eindruck – über gute Beziehungen zum Vorstand des Moscheevereins zu verfügen scheint, gegenüber dem perplexen Erdogan-Gegner brisante Details aus. Einen Tag nach dem Erscheinen des Südkurier-Berichts, behauptete der Ladenbetreiber, habe das zuständige türkische Konsulat telefonisch Kontakt mit dem Vorstand der Mevlana-Moschee aufgenommen. Die Forderung der Staatsbeamten: Der Moscheeverein solle versuchen, die Anti-Erdogan-Demo zu sabotieren. Tatsächlich waren dort einige wenige AKP-Anhänger aufgetaucht, die nach Aussage von Landsleuten dem Moschee-Umfeld zuzurechnen sind. Zu Störungen kam es dann aber nicht, zu gering war wohl die Zahl der türkischen Nationalisten.

Zurück zur Attacke auf Salih Gunes im Gebäude der Mevlana Moschee. Bei drohenden Worten sollte es dabei vermutlich nicht bleiben. Denn der unbekannte zweite Gesprächsteilnehmer rief nach einigen Minuten des verbalen Schlagabtauschs per Mobiltelefon Unterstützung herbei – aus den Räumlichkeiten der Moschee. Zwei jüngere Männer näherten sich dem Rentner in unverkennbar aggressiver Haltung, so dass Gunes schließlich den Rückzug auf die Straße antreten musste.

Am Gängelband des Regimes?

Der Vorfall wirft kein gutes Licht auf die Konstanzer Moschee-Gemeinde, die sich nach außen hin gern weltoffen und tolerant zeigt. Schon in den letzten Monaten war an den Verantwortlichen in der Reichenauer Straße immer wieder Kritik laut geworden, weil sie zu den offenkundigen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei eisern schweigen. Der jüngste Zwischenfall nährt nun erneut Befürchtungen, dass hinter dieser Fassade Kräfte agieren, die fest am Gängelband des türkischen Regimes hängen, und auch vor massiven Einschüchterungsversuchen kritischer Landsleute nicht zurückschrecken.

Verwunderlich wäre das nicht. DITIB, die bundesweit agierende Trägerorganisation, der auch die Konstanzer Einrichtung angehört, steht unter direkter Aufsicht des türkischen Staates, die Imame werden in der Regel von der Religionsbehörde in Ankara in die deutschen Gemeinden entsandt. Deutschlandweit häufen sich inzwischen Berichte, denen zufolge in den vom türkischen Staat finanzierten und gelenkten Gebetshäusern nicht nur der türkisch-islamische Nationalismus à la Erdogan angeheizt wird, sondern auch fundamentalistische Hasspredigten längst keine Ausnahmen mehr sind.

Der Moscheeverein weiß von nichts

Immerhin: Auf eine Anfrage zu diesem Zwischenfall reagierte Peyman Özen, die Vorsitzende des Konstanzer Moscheevereins, prompt. Sie habe heute zum ersten Mal davon gehört, “dass in der Moschee so was passiert sein soll”, beteuerte Özen und sicherte zu, dem nachgehen zu wollen. Allerdings sei der Imbissbetreiber nur ein Mieter, der in keiner weiteren Verbindung zum Vorstand stehe. Auch eine Intervention des türkischen Konsulats im Vorfeld der Demonstration stritt die Vorsitzende entschieden ab.

Salih Gunes jedenfalls will wegen des Vorfalls nach reiflicher Überlegung und Gesprächen mit Freunden nun Anzeige erstatten. Der VdAJ fordert den Vorstand der Mevlana-Moschee auf, umgehend öffentlich Stellung zu nehmen und vor allem dafür zu sorgen, dass sich solche Einschüchertungsversuche nicht wiederholen.

J. Geiger

Ein letzter Zuschuss fürs Zeltfestival?

Wieder einmal ums Zeltfestival ging es in der letzten Gemeinderatssitzung, als die SPD die Auszahlung des geplanten städtischen Zuschusses über 10 000 € an den Veranstalter KoKo wegen ungenügender Abrechnungen zu blockieren versuchte. Deutlich wurde im Gemeinderat bei dieser Gelegenheit, dass es höchste Zeit für eine Debatte über die Zukunft der Konstanzer Großveranstaltungen ist.

Hinter dem Tagesordnungspunkt “Zeltfestival 2016” schien sich nur eine Formalie zu verbergen: “Der Gemeinderat nimmt die Abrechnung des Zeltfestivals 2016 zur Kenntnis und stimmt der Aufhebung des Sperrvermerkes über 10.000 € zu.” Dieses Geld zahlt die Stadt nämlich nur dann aus, wenn die Festivalmacher durch eine detaillierte Abrechnung belegen, dass ihre Veranstaltung Verluste eingefahren hat.

Es kam ein wenig überraschend, als Jan Welsch für seine SPD-Fraktion forderte, diesen Sperrvermerk nicht aufzuheben und damit die 10 000 € nicht freizugeben, ehe die Festivalveranstalter auch noch die Abrechnung des Caterings vorgelegt haben, die allein noch aussteht, während sonstige Rechnungsbelege bereits bergeweise von der Verwaltung geprüft wurden. Bürgermeister Andreas Osner sprach sich für die Auszahlung des Geldes aus, weil alle sonstigen Unterlagen auf einen herben Verlust hinweisen, der auch durch ein noch so profitables Catering nie und immer ausgeglichen werden könne. Sechs SPDler stimmten gegen die Auszahlung, 29 Gemeinderätinnen und -räte aber dafür.

Wie weiter mit dem Festival?

Nach dem Eigentümerwechsel beim Veranstalters KoKo zeichnet sich deutlich ab, dass der neue Besitzer das traditionsreiche Zeltfestival nicht fortführen will, und auch der bisherige Eigentümer plant nicht, hier quasi als Privatveranstalter wieder tätig zu werden. Die Stadt bedauerte diese Entscheidung ausdrücklich. Laut Osner sind die bereits bewilligten Zahlungen für die Festivaljahre 2017 und 2018 an das Unternehmen KoKo gebunden, die Stadt spreche aber natürlich mit etwaigen InteressentInnen und werde gegebenenfalls eine Lösung suchen.

Manfred Hölzl (CDU), als Konzilwirt selbst ein Mann vom Veranstaltungsfach, nannte das bisherige Zeltfestival “zu kurz und zu teuer”. Er forderte, erst einmal über die Zukunft des Festivals nachzudenken, und führte als erfolgreiche Modelle des Kulturufer in Friedrichshafen und das Tollwood-Festival in München an. Nach Osners Worten soll der Gemeinderat im nächsten Frühjahr eine Neuausrichtung der gesamten Konstanzer Festivallandschaft besprechen, zu der zum Beispiel auch Seenachtfest und Weihnachtsmarkt gehören. Man müsse sich irgendwann auch entscheiden, ob man solche Großveranstaltungen dem freien Markt überlassen oder mit städtischen Zuschüssen unterstützen wolle.

O. Pugliese

LLK gegen Security durch die Haushalts-Hintertür

Die Stadtverwaltung plant einen erneuten Vorstoß für die Finanzierung eines privaten Security-Dienstes, der am Seerhein im Bereich Herosé zum Einsatz kommen soll. Das hat eine Anfrage der Linken Liste Konstanz (LLK) bei Oberbürgermeister Uli Burchardt ergeben. Die Stadträte Anke Schwede und Holger Reile wollten wissen, warum im städtischen Entwurf des Doppelhaushalts 2017/2018 im Teilhaushalt 2 ein Posten „Security Herosé Park“ auftaucht, für den jeweils 50.000 Euro eingeplant sind.

In seinem Antwortschreiben erklärt der OB dazu, Hintergrund seien verwaltungsinterne Planungen, im ersten Quartal 2017 einen Vorschlag vorzulegen, „in dem wir möglicherweise erneut den Einsatz von Security im Bereich Herosé vorschlagen werden“. Näheres werde sich wohl erst Anfang nächsten Jahres klären, so Burchardt weiter.

Die LLK protestiert gegen diesen Versuch der Verwaltungsspitze, durch die Hintertür Fakten in Sachen Herosé-Security zu schaffen. „Es ist nicht akzeptabel, dass die Verwaltung jetzt auf dem Umweg über den Haushalt Pflöcke einschlagen will“, kritisiert Anke Schwede. Schon Anfang 2014 habe der Gemeinderat einen entsprechenden Vorstoß mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, mit gutem Grund: „Der Herosé-Park ist öffentlicher Raum und damit für alle da“, so Schwede weiter. Die LLK wendet sich strikt dagegen, dass jetzt erneut der Versuch unternommen wird, Konflikte mit Law-and-Order-Methoden einer kommerziellen Security zu bereinigen, und das auch noch finanziert mit öffentlichen Mitteln. Es werde keinerlei Unterstützung für private Ordnungskräfte geben, weder am Seerhein noch an anderen Plätzen in Konstanz und schon gar nicht durch die Hintertür.

Die Linke Liste fordert mehr Geld für attraktive Begegnungsmöglichkeiten und Quartierszentren für Jugendliche statt autoritärer Reflexe. Daher werden wir in der Haushaltsdebatte beantragen, die vorgesehenen 50.000 Euro für Jugendprojekte zu verwenden.

Anke Schwede, Holger Reile
Linke Liste Konstanz (LLK)

Linke Liste im Gemeinderat

Rathaus_KonstanzZu drei Themen nahm Stadtrat Holger Reile für die Linke Liste bei der Gemeinderatssitzung am 24.11. mit ausführlichen Redebeiträgen Stellung. Darunter natürlich die Begründung unseres Antrags zu den von der Stadt erhobenen Gebühren für Infostände. Die LLK will, dass die für zivilgesellschaftliche Gruppen künftig kostenfrei genehmigt werden, zumindest sollten aber die Sondernutzungsgebühren entfallen, die das zuständige Straßenverkehrsamt seit Jahresbeginn z.B. für das Konstanzer Bündnis gegen TTIP erhoben hat (siehe auch Aus dem Gemeinderat: Infostände, die dritte). Außerdem begründete Holger Reile, warum die LLK den Verwaltungsantrag für die Bürgerbeteiligung ablehnt: Er missachte die Erwartungen der Bürgerschaft und habe allenfalls Feigenblattfunktion. Schließlich die Replik auf eine Anfrage der FDP-Fraktion zum Zweckentfremdungsverbot, die wohl in der Hoffnung gestellt wurde, der ungeliebten Maßnahme die Wirksamkeit zu bestreiten. Alles zum Nachlesen. – red


Infostände

Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, wir sind nicht zufrieden, wie die Verwaltung mit unserem Antrag umgeht. Man will uns hier mit einer Stellungnahme der Stadt zu den von uns gestellten drei Punkten abspeisen, die der Rat lediglich zur Kenntnis nehmen soll. Wir bestehen darauf, dass über die von uns formulierten 3 Punkte auch abgestimmt wird.

In Ihrer Vorlage kommen Sie uns mit Zitaten aus den entsprechenden Passagen der geltenden Gebührenordnung. Danke dafür, aber lesen können wir auch. Unser Antrag zielte ja gerade darauf, die bisher geltenden Regelungen so abzuändern, dass für ehrenamtliche, nichtgewerbliche Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern – wir haben den durchaus geläufigen Begriff “zivilgesellschaftlich” dafür verwendet – künftig GENERELL zumindest keine Sondernutzungsgebühren mehr erhoben werden. Es geht uns darum, hier eine klare, belastbare Regelung festzuschreiben, die die Kostenfrage nicht an eine wodurch auch immer motivierte Einzelfallentscheidung knüpft.

Das geht, wie das Beispiel Reutlingen zeigt: Dort heißt es auf der offiziellen Website der Stadt unter “Dienstleistungen” zur Erteilung von Genehmigungen für Informationsstände: “Wer im Stadtgebiet einen Informationsstand auf öffentlicher Verkehrsfläche aufstellen will, benötigt dazu eine Erlaubnis.” Zu den Kosten wird dann lediglich vermerkt: “Die Erlaubnis wird gebührenfrei erteilt” – das entsprechende Formular kann an Ort und Stelle heruntergeladen werden. Wir wollen, dass geprüft wird, welche satzungsrechtlichen Änderungen dafür vorgenommen werden müssen.

Zusammenfassend: Wir wollen, dass der Rat heute über unseren Antrag abstimmt, die Stadt Konstanz möge künftig auf die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für Informationsstände zivilgesellschaftlicher Gruppen verzichten. Wenn Sie sich am Begriff “zivilgesellschaftlich” stören, sind wir gerne bereit, ihn durch einen anderen zu ersetzen – von der Sache her geht es um ehrenamtlich tätige Gruppen, die mit den Infoständen für nicht-gewerbliche Ziele werben. Betroffen davon ist – nach unserer Meinung – der Paragraph 4, Abs. 2 der „Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen“. Dort soll am Ende ein Satz eingefügt werden, der lautet: „Bei ehrenamtlich tätigen Gruppen, die nicht-gewerbliche Zwecke verfolgen, wird von einer Gebühr abgesehen.“

Außerdem beantragen wir eine Abstimmung über die Forderung nach Prüfung von Möglichkeiten, Infostände für solche Gruppen nicht nur von der Sondernutzungsgebühr zu befreien, sondern generell kostenfrei zu genehmigen. Dass das die gegenwärtig gültige „ Satzung der Stadt Konstanz über die Erhebung von Verwaltungsgebühren“ nicht her gibt, haben wir vorher gewußt, und ist kein Argument. Satzungen sind ja nicht sakrosankt und sie können geändert werden – siehe Reutlingen.
Falls bei der anschließenden Diskussion über dieses Thema jemand mit dem Argument kommen sollte, man handle sich damit womöglich auch Infostände von dubiosen rechten oder sektiererischen Gruppen ein: Damit muss eine demokratische Gesellschaft umgehen können, schließlich gibt es das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit. Sowieso sind Gebührenordnungen das denkbar ungeeignetste Instrument, um z.B. rassistische oder homophobe Hetze zu unterbinden. Dafür gibt es das Strafrecht und – nicht zu vergessen – hat der Gemeinderat ja die “Konstanzer Erklärung” verabschiedet, die in solchen Fällen eine nachvollziehbare Handhabe bietet.


Leitlinien für Bürgerbeteiligung

Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, wir werden dem Konzept Bürgerbeteiligung und auch der nachgeschobenen Erweiterung der Leitlinien unsere Zustimmung verweigern. Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, denn die Einbindung des freiwilligen Engagements aus der Bürgerschaft ist auch für uns von großer Bedeutung. Das ganze Projekt startete erstmal hoffnungsvoll und hätte durchaus bundesweit eine Art Vorreiterrolle mit Strahlkraft einnehmen können. Allzu schnell aber legte der gute Ansatz dann seinen Verwaltungsbauch in Falten und verschwand fast gänzlich darin. Man könnte auch sagen, die löbliche Idee hob als fauchender Tiger ab und landete schließlich als verfilzter Teppichvorleger auf den harten Planken der hiesigen Bürokratie. Und das, Kolleginnen und Kollegen, ist in der Tat jammerschade und spricht dem ganzen Aufwand Hohn.

Ich will Ihnen kurz die wesentlichen Gründe für unser Nein zur Vorlage erläutern.

1. Die beabsichtigte Einbindung der Bürgerschaft ist auf halber Strecke – ich wiederhole mich hier ganz bewusst – zum Stillstand gekommen und schier verhungert. Alle Prozesse sind überwiegend von der Verwaltung her gedacht. Sie, die Verwaltung, entscheidet über Art, Umfang und den Ablauf eines Beteiligungsprozesses. Dazu kommen die hohen Hürden eines strengen Quorums und eine knappe Frist, die den Bürgerinnen und Bürgern den Beteiligungsprozess unnötig erschwert oder gar unmöglich macht.

2. Die rechtliche Bindungswirkung ist mangelhaft und es soll dem Gemeinderat, sprich den jeweiligen Fachämtern, überlassen bleiben, den letzten Schritt zu machen und darüber zu entscheiden, wann Bürgerbeteiligung überhaupt zugelassen wird und in welcher Form diese stattfinden darf. Das war und ist nicht in unserem Sinne. Auch wenn die Variante Eins in der Erweiterung mit dem, wie es heißt „mittelbaren Anregungsrecht“ – übrigens ein nahezu absurder Begriff – durchkommen sollte, macht das die Sache nicht besser, im Gegenteil.

3. Ein weiterer Punkt: Wenn schon die Verwaltung selbst entscheidet, ob, wann und wie Bürgerbeteiligung durchgeführt werden soll und diese Entscheidung aufgrund fehlender rechtlicher Bindung nicht einmal klagbar ist, dann erwartet man doch wenigstens, dass die Wirksamkeit eines entsprechenden Papiers durch die interessierte Bürgerschaft überprüft werden kann. Aber auch hier Fehlanzeige – die langjährig tagende Projektgruppe, die um jedes Wort in diesem Elaborat gerungen hat, soll handstreichartig aufgelöst werden. Stattdessen will sich die Verwaltung selbst evaluieren – und das, Kolleginnen und Kollegen ist ja nun ziemlich grotesk.

Ich fasse zusammen: Die uns angebotene Bürgerbeteiligung überzeugt uns nicht und hat bestenfalls Feigenblatt-Charakter. Ein Schritt vor, dann einen zurück – Michael Jackson-Fans nannten das den Moon-Walk. Sieht gut aus, bringt uns aber im vorliegenden Fall nicht weiter – zementiert lediglich einen bedauerlichen Stillstand und missachtet weitgehend die Erwartungen der Bürgerschaft. Kurz und schlecht: Die Linke Liste wird sich an diesem Beamtenmikado nicht beteiligen.


Bericht über die Wirksamkeit des Zweckentfremdungsverbotes

Kollegen der FDP, Ihre Anfrage war zu erwarten, denn Sie haben sich ja des öfteren vehement gegen die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbotes ausgesprochen und waren auch dagegen, dafür eine halbe Stelle einzurichten. Vernünftige, sprich sozial ausgewogene Wohnungspolitik war ja nachweislich noch nie Ihre Stärke und mit Ihrer Verweigerungshaltung haben Sie lediglich Ihrer ureigensten Klientel das Wort geredet und ihr kräftig Honig ums Maul geschmiert.

Ihre Fragen sind ja nun wohl eindeutig beantwortet, wie Sie der Vorlage entnehmen können. Neun Wohneinheiten wurden sozusagen „zurückerobert“, für weitere 30 Wohneinheiten wurden Instandsetzungsanordnungen erlassen – das zeigt, dass sich der Aufwand lohnt und die dafür eingerichtete halbe Stelle durchaus Sinn macht – obwohl der betreffende Mitarbeiter teilweise auch mit anderen Aufgaben betreut worden ist. Und auch Ihre schon mehrmals vorgetragenen Befürchtungen und Horrorszenarien, die Stadt müsse mit teuren und aufwändigen Gerichtsverfahren rechnen, haben sich bislang nicht mal im Ansatz bewahrheitet. Ich bedauere lediglich, dass es, wie andernorts festzustellen, nicht auch in Konstanz Instandbesetzungen gibt.

Sicher ist die Anwendung des Zweckentfremdungsverbots angesichts der eklatanten Wohnungsnot nur ein heißer Tropfen auf den Stein, aber es war die richtige Entscheidung, denn wir müssen in dieser Stadt um jeden einzelnen Quadratmeter Wohnraum kämpfen. Bleibt zu hoffen, dass bei Ihnen diese Erkenntnis auch mal ankommt und Sie langsam einsehen, dass das gesetzliche Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum auch in Konstanz der richtige Schritt war und Ihre Vorab-Schwarzmalerei unnötig und kontraproduktiv war. Gesundheit!


Aus dem Gemeinderat: Infostände, die dritte

Es hat in letzter Zeit viel Protest gegen erheblich höhere städtische Gebühren für die Infostände zivilgesellschaftlicher Gruppierungen gegeben. Dagegen hatte die Linke Liste (LLK) einen Antrag gestellt, der auf Kostenfreiheit für solche Stände hinauslaufen sollte und zu längeren Diskussionen führte. Ergebnis der Debatte im Gemeinderat gestern: Der Antrag der LLK war schlecht formuliert, aber die Verwaltung entschuldigt sich für Fehler bei der Gebührenberechnung und gelobt Besserung.

Verwaltungsjuristerei ist ein Feld, das aus laienhafter Sicht immer wieder Züge von schwarzer Magie trägt: Da schlagen Absichten unvermerkt ins blanke Gegenteil um, gefühlt glasklare Verordnungen lassen zahlreiche Interpretationen zu, und nach klärenden Ausführungen des juristischen Fachpersonals ist für die meisten Gemeinderätinnen und -räte, von den Menschen im Zuhörerraum ganz zu schweigen, jede Klarheit endgültig beseitigt.

Infostände wurden erheblich teurer

Die Stadt verlangte seit etwa einem halben Jahr von Bürgerinitiativen und ähnlichen Organisationen plötzlich erheblich mehr Geld für deren Infostände, angeblich, weil die Verwaltung bisher über Jahre hinweg irrigerweise zu wenig berechnet hätte. Neben den Verwaltungsgebühren wollte sie jetzt zusätzlich auch die Kosten für die jeweils notwendige Sondernutzungserlaubnis berechnen. Zum Verständnis: Die Verwaltungsgebühr ist der Betrag, der dafür anfällt, das jemand in der Verwaltung daran arbeitet, den Antrag auf einen Infostand entgegenzunehmen und einen Bescheid auszustellen; dafür berechnet die Stadt pro begonnene Viertelstunde derzeit 12,50 €. Die zusätzlichen Kosten für die Sondernutzungserlaubnis hingegen fallen für das zusätzlich erforderliche Erteilen des Rechtes an, öffentlichen Grund und Boden zum Aufstellen eines Infostandes zu benutzen.

Der neu berechnete, oft wesentlich höhere Preis ging einigen Initiativen an die Substanz und schuf erhebliche Verbitterung, weil es so aussah, als solle hier insbesondere das Bündnis gegen TTIP, CETA und TiSA durch eine bekennend unternehmer- und freihandelsfreundliche Verwaltungsspitze auf dem Gebührenwege mundtot gemacht werden.

Antrag der LLK

Die LLK hielt dagegen. Kernpunkte ihres Antrages vom 1. September:

“1. Die Stadt Konstanz verzichtet auf die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für Informationsstände zivilgesellschaftlicher Gruppen.

2. Die Stadtverwaltung prüft von zivilgesellschaftlichen Gruppen gewünschte Standorte für Infostände in jedem Einzelfall.

3. Die Stadtverwaltung prüft die rechtlichen Möglichkeiten, Infostände zivilgesellschaftlicher Gruppen generell kostenfrei zu genehmigen.”

Mit anderen Worten: Die Stadt soll auf beide Gebührenarten ganz – oder, wenn’s juristisch nicht anders geht, zumindest teilweise – verzichten.

Holger Reile betonte für die LLK in der gestrigen Sitzung, Ziel des Antrages sei es, die Gebührensatzung so zu ändern, dass alle zivilgesellschaftlichen, d.h. ehrenamtlichen, nicht gewerblichen usw. Gruppen ihre Stände kostenlos oder zumindest für ein Nasenwasser aufklappen dürfen.

Antrag schlecht formuliert

Ihm fuhr, und das mit sichtlichem Genuss, OB Uli Burchardt in die Parade: Dann sei aber der Antrag der LLK falsch formuliert. Erstens sei im Antrag ausdrücklich von einer Einzelfallprüfung die Rede, während Reile heute eine pauschale Lösung anmahne, und zweitens hätte der Antrag dann dahingehend lauten müssen, man möge doch bitte die Gebührensatzung der Stadt Konstanz ändern. Ihm, dem OB, sei durchaus klar gewesen, was der Zweck dieses Antrages gewesen sei, aber der Antrag habe das eben nicht in verwertbarer Form zum Ausdruck gebracht und damit sei er handwerklich mangelhaft.

Die Gebührensatzung sei in der vorliegenden Form irgendwann vom Gemeinderat beschlossen worden, und wenn man sie ändern wolle, müsse man das eben auch so beantragen. Er als OB sehe es nicht als seine Aufgabe an, dem Reile beim Formulieren vernünftiger Anträge aufs Pferd zu helfen, wenn er sehe, dass der Reile sich vergaloppiert habe. Außerdem, so erläuterte Silvia Löhr, Leiterin des Justiziariats der Stadt, sei der Begriff “zivilgesellschaftliche Gruppe” im Verwaltungsdeutsch einfach nicht vorgesehen, weil er als zu schwammig erachtet wird.

Politischer Rückhalt

Das Anliegen der LLK selbst allerdings fand im Gemeinderat viel Unterstützung. RednerInnen von FGL bis JFK sprachen sich für möglichst niedrige Gebühren aus. Insbesondere Anne Mühlhäußer (FGL) betonte die Bedeutung des gesellschaftlichen Engagements der BürgerInnen für eine funktionierende Demokratie und erinnerte an jene Länder, in denen ein solches Engagement überhaupt nicht möglich sei. Jan Welsch (SPD) unterstützte die Absichten der LLK und stellte den letztlich erfolgreichen Antrag, die Verwaltung möge einen juristisch wasserdichten Vorschlag vorlegen, in der Gebührensatzung die Sondernutzungsgebühren auf 0-100 € festzulegen. Es ist juristisch scheint’s ein erheblicher Unterschied, ob man jemandem nichts abnimmt oder aber eine Gebühr von null € erhebt.

Doch es gab auch andere Stimmen. Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) wollte das Thema zum Zwecke ausgiebiger Prüfung für sechs Monate vertagen. Ewald Weisschedel (FWK) hingegen, der als Mediziner natürlich in anderen Einkommenskategorien lebt und fühlt, wandte ein, an Geld für Standgebühren werde es engagierten Bürgerinnen und Bürgern ja kaum mangeln. Wer erlebt hat, mit welchem Ungestüm Weisschedel vorgestern auf seinem Fahrrad zum Brahms-Abend am Konzil vorfuhr, weiß, dass dieser Mann selbst die Zerstörung eines historischen Gemäuers durch den von ihm verursachten Überschallknall wohl locker von seinem Handy-Guthaben bezahlen könnte.

Verwaltung hat Fehler gemacht

Die aktuelle Gebührensatzung sieht es so, dass Organisationen oder Initiativen, deren Anliegen unter eine der drei alternativen Voraussetzungen: 1. “überwiegend im öffentlichen Interesse”, 2. “gemeinnützig” oder 3. “sonst förderungswürdig” fällt, gebührenfrei bleiben. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Das hört sich an, als hätten die meisten Initiativen durchaus Chancen, weitgehend oder komplett gebührenfrei davonzukommen.

Und dann kam eine echte Überraschung: Die Verwaltung drehte sich gegenüber ihrer früheren Position um 180 Grad und entschuldigte sich, ihre Gebührenberechnung nicht nur in den letzten Monaten sei fehlerhaft gewesen. Die Erhöhung der Gebühren sei also nicht auf eine vielleicht widersprüchliche Gebührenordnung zurückzuführen gewesen, sondern auf deren falsche Anwendung. Frank Conze, Abteilungsleiter Verkehrswesen in der Straßenverkehrsbehörde, gab ohne Not und sichtbaren äußeren Zwang zu, dass es seit längerem Fehler in den Gebührenbescheiden gegeben habe. Man habe die starken Befreiungstatbestände der Satzung nicht richtig bewertet. Will wohl heißen, man hat den Initiativen zu viel abgenommen? Jetzt aber seien die Probleme erkannt und abgestellt, und er könne sich nur entschuldigen und um Vertrauen in die reumütige Verwaltung bitten.

Das ist letztlich ein Sieg der zivilgesellschaftlichen Gruppen (und der LLK, auch wenn sie Federn lassen musste), denn ohne deren gemeinsames Einschreiten hätte sich an der derzeitigen Verwaltungspraxis so schnell wohl nichts geändert. Über die früheren Motive der Verwaltung, die den Engagierten plötzlich wesentlich höhere Gebühren abknöpfte, muss man spekulieren, dazu war nichts zu hören.

Uli Burchardts sehr persönliches Schlusswort zur Abstimmung jedenfalls, die Verwaltung habe einen Haufen Arbeit und wolle mit allem Geld verdienen, hörte sich weniger nach dem Chef einer öffentlichen Verwaltung als vielmehr nach dem Manager eines gewinnorientierten Privatunternehmens an. Für letzteren allerdings wären die Gebühren für Infostände wohl noch nicht einmal Peanuts gewesen.

O. Pugliese

LLK: Umsteuern in der SeniorInnenpolitik ist überfällig

Die Linke Liste Konstanz (LLK) bedauert den Rücktritt von Dorothée Schmidt vom Amt der Vorsitzenden des Konstanzer Seniorenrats außerordentlich. Wir haben Frau Schmidt bei vielen Gelegenheiten als engagierte und kämpferische Streiterin für die Interessen älterer Menschen in der Stadt kennengelernt, ihre Sachkenntnis hat uns nicht selten bei unserer Meinungsbildung geholfen.

Dieser Abschied ist aber vor allem ein Weckruf für die Führungsspitze der Stadt. Völlig zu Recht hat Dorothée Schmidt in ihrem Brief an den Oberbürger­meister und die Dezernenten darauf hingewiesen, dass man im Rathaus den Seniorenrat, der ein Viertel der Konstanzer Einwohnerschaft vertritt, seit Jahren nicht angemessen bei kommunalpolitischen Entscheidungen einbindet.

Eines der gravierendsten Negativbeispiele: Seit mehr als vier Jahren bemüht sich der Stadtseniorenrat vergeblich um ein Mitspracherecht in verschiedenen Ausschüssen, wenn es dort um die Belange älterer Menschen geht – ein berechtigtes Anliegen, für das sich auch die Linke Liste immer wieder stark gemacht hat. Im Spitalausschuss und einigen weiteren Ausschüssen sollen sich die VertreterInnen des Stadtseniorenrats zwar künftig beteiligen können, in welcher Form und ab wann ist aber immer noch ungewiss. Ein weiteres Beispiel: mehrfach hatten wir uns dafür stark gemacht, dass die SeniorenvertreterInnen städtische Hilfestellung für ihre Website erhalten, die seit mehreren Monaten nicht funktioniert und deren Verlinkung unlängst von der städtischen Webpräsenz genommen wurde. Auch das verweigerte die Verwaltung zuletzt im Sozialausschuss. Guter Wille und Respekt vor dem gewählten Gremium sehen anders aus.

Für uns ist das Agieren der Stadtspitze in Seniorenfragen ein weiterer Beleg für die mangelhafte Beteiligung von BürgerInnen an kommunalen Prozessen und Entscheidungen. Der Rücktritt der engagierten Seniorenrats-Vorsitzenden sollte ein Signal für den Oberbürgermeister und den Gemeinderat sein: Konstanz muss in der SeniorInnenpolitik umsteuern.
Wir wünschen Dorothée Schmidt alles Gute für die Zukunft und uns, dass ihre Stimme auch künftig in Sachen SeniorInnenpolitik zu hören sein wird.

Anke Schwede, Holger Reile, Linke Liste Konstanz (LLK)

„Erdogan muss weg“

Mehr als 150 Menschen protestierten am Freitagabend auf der Konstanzer Marktstätte gegen die diktatorische Politik des türkischen Präsidenten Erdogan und bekundeten ihre Solidarität mit der HDP, deren Vorsitzende inzwischen ebenso im Knast sitzen wie neun ihrer Parlamentsabgeordneten. Mehrere RednerInnen forderten von der Bundesregierung, sie müsse die Unterstützung Erdogans und seines AKP-Regimes beenden. Unter den DemonstrantInnen auch viele KurdInnen, die auf den Krieg aufmerksam machten, den der türkische Staat gegen ihre Landsleute führt. Das Online-Magazin seemoz berichtet heute über die Protest- und Solidaritätsaktion:

Der Kaiserbrunnen war geschmückt mit kurdischen Fahnen, die die Jugendlichen stolz schwenkten. Gut 150 Menschen trafen sich letzten Freitag auf der Konstanzer Markt­stätte, um gegen den anti­demo­krati­schen, türkischen Staatspräsidenten Erdogan und für die von ihm bedrängte HDP-Partei zu demonstrieren. Deutsche Unterstützer der HDP, der türki­schen, linken Oppositions­partei, waren Linke, Jusos, Kreuzlinger Sozialdemokraten, Kurden und KonstanzerInnen.

   

17 Uhr und über die Marktstätte schallt „Hoch die internationale Solidarität“ und „Erdogan muss weg“. Hakan Sanli vom Vorstand des Cafés Mondial, Jürgen Geiger von den Konstanzer Linken, Julian Fitze von den Thurgauer Sozialdemokraten, die Kurdin Meltem Cicek vom Verein demokratischer ArbeiterInnen und Jugendlicher Bodensee sowie ein Live-Telefonat mit einem Freund aus Istanbul machen auf die derzeitige, längst antidemokratische Situation in der Türkei aufmerksam.

Die Festnahme des Herausgebers Atalay der Oppositionszeitung „Cumhuriyet“am selbigen Tag verdeutlicht die Aktualität und Dringlichkeit, der Willkürherrschaft Erdogans entgegen zu treten. Erdogan betitelt Anhänger der Oppositionspartei HDP als Terroristen und übergibt diese Menschen als Wildfleisch dem Militär. Erdogans Ziel, die Türkei unter seiner diktatorischen Herrschaft zu führen, kennt offensichtlich keine Grenzen.

Wie kann Deutschland ein solches Handeln eines EU Kandidaten hinnehmen?

Simon Pschorr als Sprecher der LINKEN macht die Gründe hierfür an drei Punkten fest. Erstens, die Türkei als fester Handelspartner ist für die deutsche Rüstungswirtschaft wohl wichtig. „Allein im ersten Halbjahr diesen Jahres hat Deutschland den Absatz von Rüstungsexporten in die Türkei auf  76 Millionen Euro gesteigert“. Die Türkei ist mittlerweile von Platz 25 der wichtigsten Abnehmer deutscher Waffenlieferungen auf Platz 8 gerückt, so Pschorr, der ein sofortiges Ende solcher Unterstützung fordert. An zweiter Stelle nennt er die Mitgliedschaft in der NATO. Die Türkei sei demnach ein „angeblich wichtiger militärischer Partner“. Er verlangt stattdessen den sofortigen Rückzug der vor Ort stationierten Bundeswehr. Dritter und letzter Punkt der deutschen Zurückhaltung: der Flüchtlingsdeal. Der türkische Staat als instrumentalisiertes Grenzbollwerk gegen Flüchtlinge – auch das müsse aufhören, so Simon Pschorr.

Beate Fleischhauer, Fotos: Franziska Spanner und hpk

Abschiebungen: Mit „Herz und Härte“ zurück ins Elend

Den Vollzug von über 3000 Abschiebungen bis Ende Oktober 2016 meldet Innenminister Strobl und betont, dass Baden-Württemberg damit das Abschiebe-Niveau Bayerns erreicht habe. Das sei noch nicht genug, es müsse weiter mit „neuer Konsequenz“ und “Herz und Härte“ abgeschoben werden. Im Klartext: „Einen Winterabschiebstopp wird es bei uns nicht geben“.

Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, erklärt dazu:

„Innenminister Strobel bläst zum großen Abschiebe-Wettbewerb unter den Bundesländern und führt konsequenter Weise schon jetzt die Liste der Bundesländer an, die eine Aussetzung von Winterabschiebungen ausschließen. Dabei jongliert er nach De Maizière-Manier mit Zahlen, die den angeblichen Abschiebedruck belegen sollen: 36 000 abgelehnte Asylbewerber seien in Baden-Württemberg ‚eigentlich ausreisepflichtig‘. Als Innenminister sollte er wissen, dass viele davon mit guten Grund und nach internationalem und nationalem Recht (!) nicht abgeschoben werden dürfen: Es liegen gerichtlich verfügte Abschiebeverbote z.B. wegen der Situation im Herkunftsland, wegen massiver gesundheitlicher Gefährdung und anderer schwerwiegenden Gründen vor.

Auch einen humanitär begründeten Abschiebestopp in den Winter soll es – wie auch unter der grün-roten Vorgängerregierung – nicht geben.

Damit ignoriert er die zahlreichen aktuellen Berichte über die katastrophale Situation der in die Balkanstaaten abgeschobenen Menschen: Diese Familien – mehrheitlich Roma – leben oft ohne jeglichen Zugang zu öffentlicher Versorgung, Arbeit und Bildung in Elendsverhältnissen. Der bevorstehende Wintereinbruch wird sie wieder an die Grenze des menschlich Erträglichen bringen. In diese Verhältnisse will Strobl und die Landesregierung Kinder, Frauen und Männer ungerührt mit ‚neuer Konsequenz‘ abschieben.

Die Abgeordnete Annette Groth (Bodensee) fragt: „Wo bleibt bei einer solchen Politik das ‚Herz‘ oder besser die Menschlichkeit?“ und fordert von der Landesregierung:

„Der vielbeschworenen Grundsatz vom Vorrang der Humanität darf nicht weiter zur Sprechblase bei Sonntagsreden für ehrenamtliche Flüchtlings-Helferinnen und -Helfer verkommen. Er muss Praxis werden und die Familien wenigstens in den schlimmsten Wintermonaten vor einer Abschiebung in Elend und Not schützten!“

Kundgebung: Fr 11.11., 17 Uhr, Konstanz, Marktstätte

Solidarität mit der HDP!

Schluss mit der Unterstützung des Erdogan-Regimes!

In der Nacht des 4. November haben in der Türkei Sondereinheiten der Polizei Selahattin Demirtas und Figen Yüksedag verhaftet, die beiden Vorsitzenden der HDP (Demokratische Partei der Völker), neun weitere Abgeordnete der drittstärksten Partei im türkischen Parlament wurden ebenfalls festgenommen. Mit diesem vorläufig letzten Höhepunkt eines seit Monaten währenden Feldzugs gegen die demokratische, linke und kurdische Opposition demonstriert der türkische Staats­präsident Erdogan unmissverständlich, dass er eine Diktatur unter seiner Führung errichten will. Weiterlesen