Konstanzer Sozialpass: “Nägel mit Köpfen machen”

Autor | 14. November 2015

AnkeSchwedeEin wichtiges Thema, das den Sozialausschuss bei der Sitzung am Mittwoch beschäftigte, war der städtische Sozialpass. Immer mehr Menschen in Konstanz müssen für kommunale Leistungen die Ermäßigungen in Anspruch nehmen, die es bei Vorlage des Passes in städtischen Einrichtungen gibt, ein deutliches Zeichen für die wachsende Armut in der Stadt. Seit seiner Einführung hat die Zahl der InhaberInnen stark zugenommen: um 150 Prozent von 809 auf inzwischen 2090 Personen. Der Kreis der eigentlich An­spruchs­berechtigten – Hartz IV- und SozialhilfeempfängerInnen sowie BezieherInnen von Wohngeld – ist noch deutlich größer.

Zu den Leistungen gehören unter anderem Vergünstigungen für Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie den öffentlichen Personennahverkehr. Der Sozialausschuss beschloss am Mittwoch mit großer Mehrheit eine Ausweitung der Ermäßigung für einige Leistungen auf 80 Prozent. Diesen Anteil will die Stadt PassinhaberInnen vom 1. Januar 2016 an für kostenpflichtige Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit, für Ausstellungen im Kulturzentrum sowie in Stadtteilzentren und Senioreneinrichtungen erlassen.

Anke Schwede, Stadträtin der Linken Liste, ging das nicht weit genug. Sie forderte, “Nägel mit Köpfen zu machen” und den Nulltarif einzuführen. Die Ausschussmitglieder lehnten diesen Antrag zwar ab (9 Nein-Stimmen), immerhin je ein Mitglied von FGL, SPD und CDU enthielten sich allerdings und gaben damit zu erkennen, dass sie – entgegen der Mehrheitsmeinung in ihren Fraktionen – einer solchen Regelung durchaus nicht ablehnend gegenüberstehen. Auch die Vertreterinnen der AWO und des Diakonischen Werks stimmten mit Enthaltung.

WORTLAUT | Anke Schwede | Die Linke Liste begrüßt jede Initiative, die eine Ausweitung der Sozialpass-Leistungen darstellt. Der Pass ist weiterhin ein – bitteres – Erfolgsmodell, denn die Zahl der InhaberInnen ist seit 2009 um satte 150 Prozent angewachsen (von 809 auf 2090). Bitter, weil die Zahlen belegen, dass das Thema Armut auch im finanziell gut gestellten Konstanz immer drängender wird. Das hängt zwar auch damit zusammen, dass der Sozialpass bekannter geworden ist und deshalb mehr in Anspruch genommen wird; in erster Linie spiegeln diese Zahlen aber das Anwachsen von Armut in einer reichen Gesellschaft wider.

Die Teilnahmeentgelte für Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, Senioreneinrichtungen und für den Besuch von Ausstellungen des Kulturzentrums sollen nun auf einen Euro reduziert bzw. zu 80 Prozent erstattet werden. Das ist zwar richtig, aber reicht unseres Erachtens nicht aus. Wir beantragen daher, Nägel mit Köpfen zu machen und eine Reduktion von 100% zu beschließen, also kostenfreien Eintritt für diese Einrichtungen.

Davon abgesehen will ich wieder auf die zentrale Bedeutung von Mobilität für Konstanzerinnen und Konstanzer mit geringem Einkommen hinweisen. Unser Ziel bleibt es, dass der öffentliche Personennahverkehr, also Bus- und Fährefahren in Konstanz, zum Nulltarif möglich ist.

Für  Verblüffung sorgte CDU-Mann Matthias Heider, der die Einführung des Passes kurzerhand für die CDU-Fraktion rekla­mierte. Damit schmückte er sich allerdings mit fremden Federn, wie LLK-Rätin Schwede klarstellte. Sie wies darauf hin, dass der Sozialpass in seiner jetzigen Form 2008 vor allem aufgrund des beharrlichen Engagements der Linken Liste und gegen den Widerstand des damaligen CDU-Bürgermeisters Boldt durch­gesetzt worden war. – jüg

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