Kreisräte der LINKEN stimmen Haushalt nicht zu

Autor | 1. Februar 2017

Der Konstanzer Kreistag hat am 29. Januar den Haushalt des Landkreises für das laufende Jahr verabschiedet. Das Zahlenwerk, das Landrat Hämmerle vorgelegt hatte, stieß auf die Zustimmung fast aller Fraktionen des Kreisparlaments. Die beiden Kreisräte der LINKEN enthielten sich bei der Abstimmung der Stimme. Marco Radojevic begründete das in seiner Haushaltsrede mit der sozialen Schieflage des Haushalts, er forderte ein Sozialticket im öffentlichen Nahverkehr und mehr Mittel für die Kultur. Die Rede im Wortlaut:


Sehr geehrter Herr Landrat, Liebe Kolleginnen und Kollegen,
dies ist nun meine dritte Haushaltsdebatte im Kreistag und ich muss gestehen, dass ich dieses byzantinische Ritual aus Kennziffern, Personalsteigerungs-Vorgaben und Kreisumlagen-Voodoo immer noch nicht ganz verstanden habe. Persönlich glaube ich aber auch, dass es vielen hier ähnlich geht.

Lassen Sie mich das mal an einem Beispiel fest machen: Dieses Gremium hat der Verwaltung die Vorgabe gegeben, dass das Personal von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr nicht mehr als 1 Prozent steigen darf. Nun war ich nicht dabei als diese Entscheidung getroffen wurde, doch erschließt sich mir die haushälterische Weisheit dieser Zahl nicht. Warum nicht 2 Prozent, 0,5 Prozent oder 1,37 Prozent Personalsteigerung pro Jahr und vor allem warum überhaupt so eine Vorgabe? Die Qualität öffentlicher Verwaltung misst sich zwar nicht nur am Personalbudget, aber eben auch am Personalbudget. Ein gesunder kritischer Blick auf die Personalwünsche der Verwaltung ist sicherlich angebracht, doch warum man dies an einer scheinbar willkürlich gewählten Kennziffer festmacht, anstatt die Verwaltung den aus ihrer Sicht benötigten Personalbedarf anmelden zu lassen und diesen dann kritisch zu prüfen erschließt sich mir nicht. Gerade so etwas sollte ja die originäre Aufgabe eines politischen Gremiums sein. Doch wie man bei anderen Debatten bereits vernommen hat, scheint hier bei einigen geradezu Angst davor zu herrschen, sich wie ein politisches und kein reines Verwaltungsgremium zu verhalten.

Lassen Sie mich auf einen zweiten Punkt kommen:

Das Budget für die Einrichtung neuer Unterkünfte wird von 7,9 Millionen Euro auf 500 000 Euro reduziert. Das ist doch wirklich ein wenig zu kurzfristig gedacht. Die Krisenherde, Kriege und Bürgerkriege aus denen die Menschen in den letzten Jahren nach Europa und Deutschland geflohen sind nicht bewältigt, sondern fordern nach wie vor zahlreiche Todesopfer und treiben Menschen auf die Flucht. Ich möchte auch ebenso darauf hinweisen, dass die starke Reduzierung der Flüchtlingszahlen auch auf den politisch mehr als fragwürdigen Deal mit Erdogan zurückzuführen ist. Jeder und jede der aufmerksam die Nachrichten verfolgt, weiß wie instabil die politische Lage in der Türkei ist und wie schnell sich dort die politische Stimmung ändern kann. Dieser Deal steht also auf mehr als wackligen Füßen. Was machen wir denn, wenn die Anzahl der Menschen, die auch hier im Landkreis Konstanz Schutz suchen wieder dramatisch steigt? Wir nehmen uns damit de facto die Möglichkeit, kurzfristig auf Änderungen der politischen Großwetterlage zu reagieren, die so instabil ist wie seit Jahren nicht mehr. Was mich hierbei ja noch mehr wundert ist, dass Herrn Landrat Hämmerle diese Situation ja offensichtlich bewusst ist. Ich zitiere aus dem Brief des Landrats an Innenminister de Maiziere: „Mit Blick auf die aktuelle politische Lage mit der Entscheidung des EU-Parlaments und den daraus resultierenden Drohungen von Herr Präsident Erdogan, das EU-Flüchtlingsabkommen aufzukündigen, sind die Auswirkungen für den Landkreis unklar“.

Den Haushalt in diesem Bereich zu kürzen und gleichzeitig den Innenminister vor der politischen Instabilität der Situation zu warnen, ist doch ein wenig paradox. Da wurde aus unserem vom Südkurier gekürten Klartext-Landrat, jetzt dann doch noch die Sphinx des Landratsamtes.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
es wird sie nicht wundern, wenn ich sage, dass DIE LINKE in Haushaltsfragen doch andere Positionen hat als die Mehrheit hier in diesem Saal. Wir können und wollen nicht bei dem alljährlichen Ritual teilhaben, bei dem man sich gegenseitig auf die Schultern klopft, wenn man die Nettoneuverschuldung mal wieder auf Null gedrückt hat, gerade dann nicht, wenn der Kreis stärker politisch gestalten könnte als er das bisher tut. Wir wissen, dass wir zwei LINKEn Kreisräte politisch zu wenig Einfluss haben, um alle aus unserer Sicht wichtigen Projekte in den Haushalt zu bekommen. Zwar arbeiten wir mit Nachdruck daran, dass sie im nächsten Kreistag die Freude haben, mit ein paar mehr von uns zu diskutieren zu dürfen, aber die einsame Zweisamkeit vom Kollegen Koch und mir ist ja leider Realität. Deshalb beschränke ich mich jetzt nur auf zwei Projekte die aus unserer Sicht in jeden Haushalt gehören und die Ihnen hoffentlich nicht den haushälterischen Angstschweiß auf die Stirn treiben:

  1. Die Einführung eines kreisweiten Sozialtickets. Wir haben in unserem Landkreis die besondere Situation, dass die größte Stadt fernab des geografischen Zentrums des Kreises gelegen ist. Ich möchte jetzt den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Gemeinden nicht auf den Schlips treten, aber Konstanz bietet praktisch in allen relevanten Bereichen – hier sei insbesondere die Kultur erwähnt – das größte Angebot im Kreis. Wenn wir Menschen die auf Hartz IV angewiesen sind, Aufstocken oder einen niedrigsten Lohn verdienen, nicht völlig vom gesellschaftlichen politischen und kulturellen Leben in unserem Kreis ausschließen wollen, dann sollten wir uns in Sachen Sozialticket schnellstens bewegen. Mobilität ist gerade in den ländlicheren Teilen unseres Kreises keine Kür, sondern Pflicht.
    Uns ist bewusst, dass es hier bereits Vorstöße gab. Leider haben diese zu nichts geführt. Wir von der LINKEN werden weiterhin für die Einführung eines Sozialtickets kämpfen und ich glaube spätestens die anstehende Neugestaltung unseres regionalen Verkehrs in den nächsten Jahren wäre der richtige Anlass, hier als Kreis aktiv zu werden.
  1. Wir sollten als Kreis, um die Kultur in unserem Landkreis zu stärken einen Kulturfördertopf einrichten. Wir haben in unserem Kreis zahlreiche Künstler und junge und alte Kreative, welche die kulturelle Landschaft im Landkreis Konstanz bereichern könnten, denen aber die nötigen finanziellen Mittel fehlen, um ihre Ideen und Werke einem breiten Publikum vorzustellen. Ich glaube, hier könnte der Kreis ohne großen finanziellen Aufwand viel bewirken. Hier sollten wir dem Beispiel von zahlreichen Städten, u.a. Konstanz, folgen, denn ein mehr an Kultur muss immer Zweck eines demokratischen Gemeinwesens sein. Einen entsprechenden Antrag werden wir dieses Jahr einreichen.

Sie sehen also, eigentlich ist es ganz einfach, die Zustimmung von Hans-Peter Koch und mir für einen Kreishaushalt zu bekommen. Und wenn sie nicht für die ewige Zuneigung und Zustimmung von mir und Hans-Peter Koch ein Sozialticket und einen Kulturfördertopf einrichten wollen, dann tun sie das wenigstens für die Menschen, die nicht genug Geld haben, sich frei in unserem Kreis bewegen zu können, und für die Menschen die sich mehr Kultur in unserem Kreis wünschen.

Beim Thema Geburtsklinik werden wir in der kommenden Abstimmung hoffentlich zeigen, dass der Kreis auch den Willen dazu hat politisch zu steuern und die öffentliche Daseinsvorsorge abseits von Wirtschaftlichkeitsrechnungen bereitzustellen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Menschen, die uns in den Kreistag gewählt haben, interessieren sich am Ende nicht für das eine Prozentpunkt mehr oder weniger bei der Kreisumlage oder für die schwarze Null im Kreishaushalt. Diese Menschen nehmen den Kreis durch seine Angebote und sein Engagement wahr, den Kreis zu einem lebenswerteren Ort zu machen. Ich habe zwei Projekte genannt, wie wir diesem Anspruch der Menschen an uns gerechter werden können. Solange wir aber solche zentralen Projekte nicht verwirklicht sehen, können wir einem Kreishaushalt auch keine Zustimmung geben.

Daher werden wir uns bei der kommenden Abstimmung enthalten.

Dankeschön.

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