Linke Liste lehnt städtischen Haushalt ab / Akzente für sozialen Wohnungsbau fehlen

Autor | 21. Dezember 2015

RathausMit großer Mehrheit haben die Konstanzer Stadträte auf der letzten Gemeinderatssitzung den städtischen Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet. Die beiden einzigen Gegenstimmen kamen von den Räten der Linken Liste. Der Grund für das LLK-Nein: Trotz ausgezeichneter Kassenlage – u. a. gab es bei der Gewerbesteuer zusätzliche Einnahmen von 18 Mio. Euro – hat die Verwaltung erneut ein Zahlenwerk vorgelegt, das notwendige Investitionen in den Ausbau der sozialen Infrastruktur sträflich vernachlässigt. Insbesondere fehlen Akzente für den sozialen Wohnungsbau, der seit Jahren in der größten Stadt am Bodensee zum Erliegen gekommen ist. Dabei wächst die Wohnungsnot seit Jahren ständig, und zwar nicht in erster Linie wegen des erhöhten Zuzugs von Flüchtlingen. Auch einer nötigen Aufstockung des städtischen Personals, das wegen der gewachsenen Aufgabenfülle häufig unter starkem Druck steht, verweigerte man sich erneut. Darüber kann auch die Umwandlung von einigen wenigen befristeten Stellen in dauerhafte Arbeitsverhältnisse nicht hinwegtäuschen. Wir dokumentieren die Haushaltsrede der Linken Liste, die LLK-Stadtrat Holger Reile gehalten hat. – red


Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste.
Das Wichtigste vorab: Die Linke Liste wird dem vorliegenden Haushaltsentwurf der Verwaltung nach reiflicher Überlegung nicht zustimmen. Das mag manchen verwundern, legt die Verwaltung doch ein ausgeglichenes Zahlenwerk vor, das zudem auch noch ohne Nettoneuverschuldung auskommt. Das wiederum ist kein Wunder, denn die Kassenlage ist ja ausgezeichnet, die Einnahmesituation über die Erwartungen gut.

Die Stadt hätte also durchaus die finanziellen Spielräume, um bei den drängendsten Problemen wichtige Akzente zu setzen und mutigere Investitionen in den dringend erforderlichen Ausbau von Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge und insbesondere der sozialen Infrastruktur vorzunehmen.

Stattdessen aber wird beklagt, zur Finanzierung des längst beschlossenen Investitionsprogramms sei ein Rückgriff auf den vorhandenen Finanzierungsmittelbestand notwendig. Wir fragen uns: Wie anders soll es denn sonst gehen?

Wer die Stadtgesellschaft gestalten und weiterentwickeln will, kann das eben in den seltensten Fällen aus der Portokasse finanzieren. Zur Bewertung solcher Warnungen aus dem Rathaus sei übrigens an die Prognose des Oberbürgermeisters im vergangenen Jahr erinnert, der für den jetzigen Haushalt ein Defizit von 17 Millionen “plus X” vorausgesagt hatte. Im übrigen hat selbst das Regierungspräsidium Freiburg signalisiert, dass für die Jahre 2016 und 2017 jeweils eine Netto-Neuverschuldung von maximal 6 Millionen vertretbar sei.

Die Verwaltung sieht diese Aussage als Warnung vor Kreditaufnahmen und als Bestätigung dafür, dass jetzt bei den städtischen Finanzen endlich der Gürtel enger geschnallt werden müsse. Wir sehen das eher als Ermunterung, angesichts einer Nettoneuverschuldung Null im Jahr 2016 und einer prognostizierten Kreditaufnahme von rund 6,4 Millionen Euro im Jahr darauf, nicht zuletzt auch angesichts eines historisch niedrigen Zinsniveaus, mehr Mut bei Investitionen zu beweisen.

Zum Hauptthema Wohnungsnot:
Verschärft wurde diese Situation auch durch den Zuzug von Geflüchteten. Die Stadt muss, um Abhilfe zu schaffen und vorzusorgen, umgehend eine Wende einleiten: Wer die Wohnungsnot wirksam bekämpfen will, muss nicht in erster Linie zusätzliche Flächen abholzen, wie das jetzt im Fall Schwaketenwald zur Debatte steht.

Dieses geplante Vorgehen tragen wir nicht mit. Da über diesen Punkt Anfang diskutiert wird, dazu nur noch soviel: Wir sollten es bei diesem Thema alle tunlichst vermeiden, hochgekochte Emotionen vor die jeweiligen Pro- und Contra-Argumente zu stellen. Will heißen: Wer für das Projekt votiert, ist deswegen noch lange kein Umweltbanause ohne Sinn und Verstand – und wer sich dagegen ausspricht, soll auch nicht hören müssen, dass es ihm allein darum ginge, mit einer pathologischen Verweigerungshaltung den Bau günstigen Wohnraums zu verhindern. Damit würden wir uns auf ein vergiftetes Niveau begeben, das der Sache nicht angemessen ist.

Kolleginnen und Kollegen,
Wer gegen den Wohnungsmangel entschieden vorgehen will, muss vielmehr den Bau öffentlich geförderten, dauerhaft mietpreisgebundenen Wohnraums verstärkt ankurbeln. Mit der Wobak haben wir diesbezüglich einen verlässlichen Partner an der Seite, aber es ist noch Luft nach oben.

Wir brauchen dringend noch massivere Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. Dazu sollte aber das Gesamtpaket des Handlungsprogramms Wohnen erneut aufgeschnürt und grundlegend anders gewichtet werden. Der Anteil von dauerhaft preisgebundenen Wohnungen im sogenannten unteren Segment muss eine deutliche Erhöhung erfahren, unserer Meinung nach auf 50 Prozent. Die Stadt muss hier im Verbund mit der Wobak, aber auch regionalen genossenschaftlichen Einrichtungen entschlossener aktiv werden.

Kaum etwas von all dem findet sich im vorliegenden Haushaltsplanentwurf und auch nicht in der mittelfristigen Finanzplanung. Für Investitionen in den sozialen Wohnungsbau sind genau 0 Euro vorgesehen. Für Wohnungsbauförderung, respektive -versorgung, lediglich 1,1 Millionen Euro. Das ist angesichts der angespannten Lage noch nicht mal das vielzitierte Nasenwasser und ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die überteuerte Mieten zahlen oder vergebens nach einem Dach über dem Kopf suchen.

Kolleginnen und Kollegen,
Was für die Wohnungspolitik gilt, trifft für die Daseinsvorsorge insgesamt zu. Im Schulbereich sollen mit Ausnahme der neuen Gemeinschaftsschule, wo man an Vorgaben des Landes gebunden ist, praktisch alle wichtigen Investitionsmaßnahmen in Höhe von 15,4 Millionen Euro auf die Jahre 2021 folgende verschoben, also de facto zur Disposition gestellt werden.

Ein ähnliches Bild bei der vorschulischen Kinderbetreuung und Bildung, also bei Kindergärten und Kitas. Hier sieht die Mittelfristige Finanzplanung immerhin vor, von den erforderlichen 13,9 Millionen “nur” rund 7,4 Millionen auf die Jahre nach 2020 zu vertagen. Das ist umso unverständlicher, als insbesondere im Bereich der frühkindlichen Bildung nach wie vor viel zu wenig Plätze zur Verfügung stehen, auf die Eltern einen gesetzlichen Anspruch haben. Für uns gilt: Wir messen die Stadt an dem von ihr selbst formulierten Ziel einer Kleinkinder-Betreuungsquote von 43 Prozent bis 2016.

Beim notwendigen weiteren Ausbau der sozialen Infrastruktur hat die Stadt ebenfalls eher den Rückwärtsgang eingelegt. Eine Fortsetzung beziehungsweise die Erweiterung des Projekts Soziale Stadt ist offensichtlich nicht vorgesehen und auch weitere Projekte wie das Bewohnerzentrum Öhmdwiesen, bei dem es um gerade mal 1 Million Euro ging, sind entweder gestrichen oder auf nach 2021 verschoben worden.

Dabei wären solche Maßnahmen nicht nur im Berchengebiet erforderlich. Auch in anderen Stadtteilen gibt es soziale Brennpunkte, beispielsweise im Quartier Pfeifferhölzle oder auch in Petershausen. Doch im Rathaus scheinen die Verantwortlichen offenbar beschlossen zu haben, solche erfolgversprechenden Ansätze stillschweigend zu beerdigen.

Uns gefällt beispielsweise auch nicht, dass die Mittel für den Sozial- und Pflegeelternpass gegenüber den Vorjahren um mehr als 60 000 Euro gekürzt wurden – auch das ein falsches Signal.

Zwei Schlußbemerkungen noch:
Weitaus spendabler hingegen gibt man sich beim Bodenseeforum, für dessen Ausbau in diesem Jahr weitere 5,2 Millionen lockergemacht werden sollen, 2017 dann nochmal 2 Millionen – und ob es dabei bleibt, davon lassen wir uns dann alle mal überraschen. Einen überaus satten Etat stellt man für das mit viel Aufwand überblähte und überteuerte Konziljubiläum ein, das auch in diesem Jahr noch einmal mit 1,1 Millionen zu Buche schlagen wird.

Holger Reile

 

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