Nur 10 Nazis marschierten in Radolfzell

Autor | 30. Juni 2016

kein-recht-auf-nazi-propagandaAm Samstag, den 25.6.2016 liefen ganze 10 (!) Neonazis durch die Radolfzeller Innenstadt und wurden als solche benannt.
Ca. 40 AntifaschistInnen störten den Aufmarsch mit lautstarken Parolen. Wer dachte, nach dem rechten Mobilisierungsdesaster vor zwei Wochen, bei dem sich gerade mal 23 FaschistInnen zu einer Kundgebung in Tuttlingen verirrten, könne es – für sie – nicht schlimmer werden, irrte: In Radolfzell versammelte der regionale Wanderzirkus nur noch 10 Nasen.

Es waren nicht viel mehr als ein paar Vertreter der NPD Konstanz-Bodensee und der Kameradschaft Höri-Bodensee gekommen. U.a. gaben sich auch die beiden NPD Landtagskandidaten Tim Belz und Siegfried Pauly die Ehre.

Kaum hatten sich die Rechten auf dem Marktplatz in Stellung gebracht, dröhnten ihnen auch schon die lautstarken Proteste ihrer GegnerInnen entgegen. Die Polizei warf sich eilig dazwischen.

Sobald die Nazis durch die Sprechchöre „Alerta, Alerta, Antifascista!“, „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!“ oder „Nazis vertreiben, Refugees bleiben!“ deutlich als das geoutet wurden, was sie letztlich sind, ließen sie ihre Fassade der „besorgten Bürger“ einfach fallen und verhielten sich wie erwartet: als Naziparolen-grölende Stiefelfaschos.

Die vermutlichen Adressaten ihrer Kundgebung, ein paar versprengte Sommertouristen, nahmen so schnell reißaus. Der Radolfzeller Marktplatz wäre wie leergefegt gewesen, wären da nicht völlig überdimensioniert viele Polizisten im Einsatz gewesen – es müssen über hundert gewesen sein.

Die Nazis hatten keine Lautsprecheranlage, kein (funktionierendes?) Megafon und, was schwerer wog, auch keine Inhalte kundzutun. Einfallslos reagierten sie irgendwann nur noch reflexhaft auf die durchaus phantasievollen Störrufe ihrer GegnerInnen, die gut 50 Meter von ihnen entfernt standen und von einer Polizeikette zurückgehalten wurden.

Immer öfter entstanden bei den Rechten lange Pausen, wo kaum was von ihnen zu hören war und sogleich kamen Rufe mit „Ihr könnt nach Hause gehen“ auf – Rufe, die sonst erst gegen Ende eines Naziaufmarsches erklingen.

Irgendwann erbarmte sich jemand und befahl die Aufstellung zur Minidemo, genannt „Nachmittagsspaziergang“: drei in einer Reihe, drei Reihen hintereinander – oder waren es fünf Reihen zu zweit?

Ihre angemeldete Route führte vom Radolfzeller Marktplatz in die Seetorstraße, nach ein paar Metern rechts in die Seestraße, vor bis zur Poststraße und auf der wieder zurück. Insgesamt ca. 500 Meter. Am Ende der Seestraße mussten sie unvermittelt warten bis die Polizei die GegendemonstrantInnen mit Pfefferspray bedroht und zurückgedrängt hatte. Diese liefen nämlich die ganze Zeit in den Parallelstraßen mit, riefen aus den Seitengassen und kamen ihnen an eben dieser Stelle entgegen.

Auch als die Nazis wieder auf dem Marktplatz waren, war wiederum von einer Kundgebung nichts zu hören. Gegen 17 Uhr packten sie ihr weniges Hab und Gut (ein paar Fahnen) zusammen und wurden zum Bahnhof eskortiert wo die Polizei abermals ihre GegnerInnen zurückhalten musste, bis alle Tickets gelöst waren und sie endlich in den Zügen verschwanden.

Was bleibt? Laut Polizeibericht eine Anzeige für den Anmelder wegen einem Verstoß gegen die Auflagen der Stadt. Und die Hoffnung, dass der gegenwärtige Trend sich fortsetzt, die Teilnehmerzahlen bei den regionalen Naziaufmärschen bald die Nulllinie unterschreiten und ins Negative drehen.

Quelle: LinksRhein

Nachlese

(…) Aus Radolfzell selbst ließen sich leider nur wenige GegnerInnen der Nazis sehen. Ursache dafür war auch das Zurückhalten der Nachricht durch der Stadtverwaltung bei der die Anmeldung bereits am 29. Mai eingegangen war, sowohl gegenüber dem Gemeinderat und gegenüber der Presse. Der Südkurier schreibt: “Dabei gab es bereits am 14. Juni in öffentlicher Gemeinderatssitzung eine Anfrage der FGL-Stadträtin Beate Giesinger, ob die Stadtverwaltung etwas über die Planung einer derartigen Kundgebung wisse – dies wurde verneint.”

Die Stadt ordnete die Organisatoren dem III. Weg zu. Am 23.6. wusste sie: “Offenbar hat der Dritte Weg die Demonstration am 25. Juni in Radolfzell für sich okkupiert und leitet die Information via Facebook in überdurchschnittlich hoher Anzahl weiter.” (Südkurier) Trotz Anmeldung wurden von den Nazis keine Reden gehalten. Es sah für uns so aus, als sei ihnen von der Polizei untersagt worden, dass sie das Megafon, dass sie dabei hatten, zu benutzen.

Es war nicht, wie zunächst vermutet, nur eine stationäre Kundgebung sondern sie konnten tatsächlich im Quarré etwa 500 Meter durch die Innenstadt laufen. Ihre angemeldete Route führte vom Marktplatz in die Seetorstraße, nach ein paar Metern rechts in die Seestraße, vor bis zur Poststraße und auf der wieder zurück. In der Seestraße liefen sie also vorbei an den Stolpersteinen für Ernst Gnirss, Alma und Ludwig Deuring und in der Poststraße tangierte ihre Route den Verlegeort der Steine für Lotte und Josef Bleicher.

Es gab einen polizeilichen Großeinsatz (über 100 PolizistInnen). Von der Presse war niemand zu sehen.

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