Obdachlosigkeit: Stadt und WOBAK reden Probleme schön

Autor | 19. Oktober 2016

abriss-litzelstettenAnfang August stürmte ein Sondereinsatzkommando der Polizei ein Haus im Konstanzer Ortsteil Litzelstetten. Der martialische Aufmarsch von um die 40 Beamten in Kampfmontur richtete sich nicht etwa gegen das organisierte Verbrechen oder Terrorismusverdächtige – sie setzten im Auftrag der WOBAK, der das Anwesen im St. Katharinen-Weg 19 gehört, eine Zwangsräumung durch. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft hatte dem Bewohner, einem dort von der Stadt unterbrachten 84-jährigen Rentner, gekündigt, weil das Gebäude einem Neubau Platz machen sollte. Auf dessen nicht unverständliche Weigerung, das langjährige Heim zu verlassen, reagierte man dann mit dem SEK. Begründet wurde der massive Einsatz von Seiten der Behörden damit, eine Gruppe von Unterstützern habe die Räumung gewaltsam verhindern wollen. Uns stellt sich allerdings schon die Frage nach der Verhältnismäßigkeit dieses brachialen Vorgehens, bei dem der 84-jährige verletzt wurde. Gerade die Stadt und ihre Wohnungsbaugesellschaft sehen wir in der Pflicht, solche Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen.

Unabhängig davon wollte die LLK-Stadträtin Anke Schwede in der Gemeinderatssitzung am 27.9. wissen, welche Pläne die WOBAK denn für das Grundstück habe und insbesondere, ob daran gedacht sei, an dieser Stelle wieder preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Auf diese Anfrage hat das Baudezernat nun am 12.10. geantwortet. Danach soll dort laut Beschluss des WOBAK-Aufsichtsrats ein Neubau mit fünf Mietwohnungen im “mittleren Preissegment” entstehen. Ein Verlust an Wohnraum für Menschen mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche sei damit nicht verbunden. “Für diesen Personenkreis”, heißt es in der Stellungnahme weiter, „findet die WOBAK in der Regel, in Absprache mit der Stadt Konstanz, Wohnraum in ihrem Wohnungsbestand und in Wohnanlagen, in denen sie mit den Trägern der Wohlfahrtspflege zusammenarbeitet“.

Diese Antwort kann nicht zufriedenstellen, redet sie doch die extrem angespannten Verhältnisse auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt schön, die besonders für arme Leute immer häufiger in der Obdachlosigkeit münden. Zwar hat die Stadt mit dem Neubau von Wohnungen im Mühlenweg und der neuen Unterkunft in der Hafenstraße einige zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten für Menschen in prekärer Lebenssituation geschaffen, das ist aber angesichts des wachsenden Bedarfs nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Eine Einschätzungen, die man auch beim Bürgeramt zu teilen scheint, das bekanntlich im Juli eine außerplänmäßige Erhöhung der Mittel für die Unterbringung von obdachlos gewordenen Personen um 180.000 auf 300.000 Euro beantragen musste. Die Wohnungsknappheit, hieß es in der Begründung, schlage sich “in den letzten Jahren und insbesondere in den letzten Monaten auch immer mehr auf die Verfügbarkeit von städtischen Notunterkünften nieder”. Mitte des Jahres waren es bereits 161 Menschen, die untergebracht werden mussten und, so das Bürgeramt weiter, “wöchentlich schlagen neue Notfälle bei uns auf”.

Deutlicher kann man kaum formulieren, dass es Aufgabe der Stadt und ihrer Wohnungsbaugesellschaft sein müsste, den Fokus ihrer Baupolitik endlich weit mehr als bisher auf den unteren und untersten Einkommenssektor auszurichten. Für die LLK sind die Vorgänge um den St. Katharinen-Weg 19 ein weiteres Beispiel für die verfehlte städtische Wohnungspolitik. Wir brauchen endlich deutlich mehr Mittel für den sozialen Wohnungsbau und einen Ausbau der Unterbringungsmöglichkeiten für Menschen, die der Markt in die Obdachlosigkeit gestoßen hat. Die LLK wird sich in der Haushaltsdebatte dafür stark machen. – jüg

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