Offener Brief der Linken Liste: Das Boot ist auch in Konstanz nicht voll

Autor | 19. September 2015

Die Linke Liste wendet sich mit einem Brief an Oberbürgermeister Uli Burchardt, in dem sie dessen jüngst bekannt gewordenen Äußerungen widerspricht, Konstanz könne keine weiteren Flüchtlinge mehr unterbringen. Sie fordert in dem Schreiben weiter, die Stadtverwaltung müsse angesichts der Flüchtlingskrise in der Wohnungspolitik endlich umsteuern. Die soziale Schieflage des  Handlungsprogramms Wohnen erfordere mehr denn je eine Korrektur, um den nun noch einmal gestiegenen Bedarf an Sozialwohnungen decken zu können. Eine solche Kursänderung sei auch ein Mittel, um nationalistischen und rassistischen Kräften den Wind aus den Segeln zu nehmen. Darüberhinaus verlangt die LLK von der Verwaltung unter anderem energische Schritte gegen den Leerstand in der Stadt, eine Personalaufstockung und ein städtisches Programm, mit dem die Integration der Neubürger_innen gefördert werden soll. Die Liste kritisiert außerdem die fehlende Transparenz bei den Planungen. Die Größe der Aufgabe mache es unumgänglich, die Bürger_innen einzubeziehen. Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
laut einem Medienbericht haben Sie bei einer Zusammenkunft von Kommunalpolitikern im Landkreis Konstanz geäußert, Sie sähen angesichts des zu erwartenden Zuzugs von Geflüchteten für Konstanz „nur die Chance der Aussiedlung der Flüchtlinge ins Umland“, da in der Stadt eine weitere Verdichtung nicht möglich sei.

Dem widerspricht die Linke Liste Konstanz energisch. Sollte damit angedeutet werden, welche Linie Sie der Konstanzer Verwaltung künftig für den Umgang mit Geflüchteten vorgeben wollen, die gezwungen sind, bei uns Schutz zu suchen, so halten wir das für vollkommen inakzeptabel. Nicht nur, dass eine solche Position von einer unsolidarischen Missachtung der Anstrengungen zeugt, die andere Kommunen im Kreis unternehmen, um die Hilfesuchenden aufzunehmen. Sie lenkt unserer Überzeugung nach vor allem auch davon ab, dass die Konstanzer Verwaltung längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die anstehenden Aufgaben bei der Flüchtlingsunterbringung zu erledigen.

Nicht nur die LLK hat seit langem immer wieder darauf hingewiesen, dass – angesichts der Zunahme wirtschaftlicher Verheerungen und militärischer Abenteuer, an denen auch die Bundesrepublik beteiligt ist – die brutale Abschottungspolitik der EU zum Scheitern verurteilt ist. Die jetzige Krise kommt also keineswegs überraschend.

Richtig ist, dass der Bund und das Land die Kommunen in der Flüchtlingspolitik seit Jahren völlig verantwortungslos im Regen stehen lassen, finanziell, logistisch und personell. Energischen Protest dagegen haben wir aber in Konstanz nicht vernommen, weder von der Stadtspitze noch von den bürgerlichen Mehrheitsfraktionen im Gemeinderat, deren Parteifreunde in Stuttgart und Berlin diese desaströse Politik zu verantworten haben. Daran hat sich bis heute wenig geändert; die beschlossene Aufstockung von Bundes- und Landesmitteln, zu der sich Spitzenpolitiker unter dem Druck der Elendsbilder genötigt sahen, reicht bei weitem nicht aus.

Ungeachtet dessen hat die wohlhabende Stadt Konstanz jedoch durchaus noch Spielräume. Um sie zu nutzen, ist für die Linke Liste vor allem ein Umsteuern in der Wohnungspolitik nötig. Denn die Flüchtlingskrise verschärft nur ein schon lange bestehendes Problem: Es mangelt an erschwinglichem Wohnraum. Die LLK hat deshalb immer wieder darauf hingewiesen, dass das beschlossene „Handlungsprogramm Wohnen“ eine deutliche soziale Schieflage aufweist. Konstanz fehlen vor allem Wohnungen für Menschen mit niedrigen Einkommen. Die LLK fordert in der jetzigen Lage deshalb, dass dieses Programm aufgeschnürt und die Akzente deutlich anders gesetzt werden: Die Stadt muss vor allem in den sozialen Wohnungsbau investieren, um die gestiegene Nachfrage nach günstigem Wohnraum zu befriedigen. Eine solche Kurskorrektur in der Wohnungspolitik ist aus unserer Sicht nicht nur überfällig, sondern gleichzeitig auch ein Mittel, um nationalistischen und rassistischen Kräften den Wind aus den Segeln zu nehmen, die die Krise nutzen wollen, um arme Leute gegen noch ärmere aufzuhetzen.

Darüber hinaus fordern wir:

  • Die Verwaltung muss endlich weit energischer als bisher gegen Leerstand vorgehen. Es kann nicht sein, dass in der jetzigen Lage Wohn- oder Gewerberäume als Spekulationsobjekte benutzt werden, um private oder institutionelle Gewinne zu maximieren.
  • Alle in Frage kommenden Flächen bzw. Gebäude müssen auf ihre Tauglichkeit geprüft werden. Das gilt nicht nur für städtische Liegenschaften, auch Bundes-, Landes-, kirchliche und private Einrichtungen sind einzubeziehen.
  • Für bestehende bzw. neu zu schaffenden Unterkünfte hat der Grundsatz zu gelten: so dezentral wie möglich, so umfangreich wie nötig. Sammelunterkünfte sollten die Ausnahme bleiben, wo immer realisierbar fordern wir eine dezentrale Unterbringung, die soziale Mindeststandards gewährleistet und in die örtliche Infrastruktur eingebunden ist.
  • Die bisherige Praxis der Verwaltung, die Planungen weitgehend hinter verschlossenen Türen voranzutreiben und die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen zu stellen, ist nicht akzeptabel. Die Größe der Aufgabe macht es unumgänglich, die BürgerInnen in die Diskussion um die Flüchtlings­unterbringung einzubeziehen. Das gilt natürlich vor allem auch für zivilgesellschaftliche, gewerkschaftliche und karitative Gruppierungen und Einrichtungen.
  • Angesichts der zu bewältigenden Aufgaben halten wir eine weitere Personalaufstockung in den involvierten Abteilungen der Stadtverwaltung für unumgänglich. Die Integration der Flüchtlinge ist Aufgabe der Stadt, der sie gegenwärtig nur recht und schlecht nachkommen kann und auch das nur, weil es ein breites ehrenamtliches Engagement der Bevölkerung für die Flüchtlinge gibt.
  • Die Stadt muss, über den gesetzlich vorgegebenen Rahmen hinaus, ein Integrationsprogramm für die NeubürgerInnen erarbeiten, das es den Betroffenen ermöglicht und erleichtert, am gesellschaftlichen Leben in Konstanz teilzuhaben.

Mit freundlichen Grüßen,
Anke Schwede, Holger Reile
Linke Liste Konstanz

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