Regierungspräsidium: Grünes Licht für ECE in Singen

Autor | 16. Mai 2016

Das in Singen vom Hamburger Projektentwickler ECE geplante Einkaufszentrum erfüllt die Anforderungen des baden-württembergischen Raumordnungsrechts. Das teilte das zuständige Regierungspräsidium Freiburg (RP) am 15. Mai in einer Pressemitteilung mit. Die Behörde vertritt darin die Auffassung, die Region werde durch das Projekt „insgesamt aufgewertet“ und hält nur geringe Abstriche bei der Sortimentverteilung für nötig. Das geplante Einkaufszentrum mit Lage in der Innenstadt gegenüber dem Bahnhof erfülle “in hervorragender Weise die Ziele der Raumordnung und Landesplanung zur Stärkung der Stadtkerne”, behauptet das Regierungspräsidium.

Dass dabei zugunsten des Big Players ECE der vorhandene kleine Einzelhandel Schaden davontragen wird, nehmen die Freiburger Raumordnungsplaner billigend in Kauf: “Geschäftsschließungen, vor allem in schwächeren Standortlagen, können (…) nicht ausgeschlossen werden”. Städtebaulich sei das zwar ein Problem, aber nicht Sache der Raumordnung, heißt es in der RP-Begründung, sondern allein der Stadt Singen – zynischer geht’s kaum.

Können sich die für die Entscheidung Verantwortlichen beim drohenden Ladensterben zumindest formaljuristisch noch aus der Verantwortung stehlen, sieht das bei der Beurteilung der Auswirkungen eines neuen Einkaufsgiganten für den Einzelhandel der Region anders aus. Hier wäre das Regierungspräsidium eigentlich gehalten, die Folgen für die Einzelhandelslandschaft im Landkreis möglichst realistisch zu prognostizieren. Nach dem sogenannten Kongruenzgebot müssten die zu erwartenden Umsätze des neuen Zentrums zu einem wesentlichen Teil aus “dem im Landesentwicklungsplan festgelegten Verflechtungsbereich der als Mittelzentrum eingestuften Stadt Singen stammen”, wie es in der Stellungnahme selbst heißt. Als Anhaltspunkt gilt hier ein Anteil von 70 Prozent. Doch auch dass diese Marke laut vorliegenden Gutachten voraussichtlich nicht erreicht wird, wischen die Freiburger vom Tisch. Schon heute flöße schließlich “in hohem Maße Kaufkraft nach Singen”, so die Stellungnahme, außerdem verweist man auf den “großen Umfang” des Schweizer Einkaufstourismus.

Eine verräterische Argumentation, denn damit wird die Zulässigkeit des ECE damit begründet, dass der bestehende Einzelhandel schließlich funktioniere und floriere. Es handelt sich um eben jene, zum Teil inhabergeführte Geschäfte und Läden, für die man an anderer Stelle empfindliche Einbußen durch die übermächtige ECE-Konkurrenz voraussagt. Selbst beim verbohrtesten Regierungsbürokraten sollte das eigentlich die Erkenntnis dämmern lassen,  dass ein solches EKZ im besten Fall überflüssig ist. Doch das ficht die staatlichen Raumordnungs-Experten ebensowenig an wie die Tatsache, dass der behauptete Wirtschaftserfolg eines neuen Großeinkaufszentrum zum erheblichen Teil auf einer wackeligen Wette beruht: Man setzt darauf, dass die aktuelle Wechselkurskonstellation zwischen Euro und Franken noch über Jahre unverändert bleibt.

Mit der fragwürdigen Entscheidung des Regierungspräsidiums haben Investor und Stadtverwaltung eine weitere rechtliche Hürde für den Bau der ECE-Shoppingmall  genommen. Ende Mai soll nun der Singener Gemeinderat darüber entscheiden, ein Votum pro ECE gilt als sicher. Ob die Befürworter aus Wirtschaft und Kommunalpolitik den Konsumtempel politisch durchsetzen können, muss sich aber erst noch zeigen. Denn inzwischen hat sich am Hohentwiel eine breite Protestbewegung entwickelt, die auch im Rathaus Wirkung zeigt. Immerhin hat Oberbürgermeister Häusler angekündigt, er werde das Projekt in einem Bürgerentscheid zur Abstimmung stellen.

Jetzt wird es für die ECE-GegnerInnen darauf ankommen, den Druck möglichst noch zu erhöhen. Es geht um weitreichende Weichenstellungen für die künftige Stadtentwicklung. Für DIE LINKE ist klar: Singen hat keine Defizite im Einzelhandel, es braucht keinen Einkaufs-Monopolisten, der bestehende Läden vernichtet, prekäre Arbeitsverhältnisse fördert und für noch mehr Autoverkehr in der Innenstadt sorgt. Woran es in der Stadt vor allem fehlt, ist bezahlbarer Wohnraum, darum sollte sich die Kommunalpolitik endlich kümmern. – jüg

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