Straße in Konstanz behält den Namen eines Kriegsverbrechers

Autor | 26. Juni 2015

General_von_EmmichDen Beschluss, die Von-Emmich-Straße in Georges-Ferber-Straße umzubenennen, hatte der Konstanzer Gemeinderat nach jahrelangem Hin und Her bereits mehrmals gefasst, zuletzt vor drei Jahren. Umgesetzt wurde dieser Beschluss jedoch bis heute nicht. Die Verwaltung verwies auf den Widerstand einiger Anwohner_innen, die den Aufwand und die Kosten für die fällige Adressänderung nicht tragen wollten. Inzwischen wären durch die Neubaumaßnahmen im Quartier um die 300 Bewohner_innen und mehrere Gewerbebetriebe von der Maßnahme betroffen. Insbesondere in den bürgerlichen Fraktionen mögen Einzelne auch mit der Einordnung des Generals als Kriegsverbrecher nicht einverstanden gewesen sein.

Nun stand das Thema am Donnerstag wieder auf der Tagesordnung einer Ratssitzung. Die Straßenbennungskommission, in die man den Fall verwiesen hatte, votierte zuvor erneut für die Umbenennung der Straße, eine Hinweistafel sei nicht ausreichend. Eine Mehrheit des Ratsgremiums sah das am Donnerstag anders. 22 von 34 anwesenden Räte lehnten den Antrag ab. Mehrheitlich angenommen wurde lediglich der alternativ zur Abstimmung gestellte Antrag, die Straßenschilder mit einer Hinweistafel zu versehen.

Die Linke Liste hatte sich von Beginn an dafür eingesetzt, den Namen des Militaristen von Emmich aus dem Konstanzer Straßenbild zu verbannen. Sie fordert darüberhinaus eine finanzielle Unterstützung der Anwohner durch die Stadt, damit die nicht auf den anfallenden Kosten sitzen bleiben. LLK-Stadtrat Holger Reile begründete auf der Sitzung nocheinmal, warum er dafür ist, den Namen von Emmich aus dem Stadtbild zu tilgen.

„Die Diskussion über die Umbenennung der von Emmich-Straße hat sich im Laufe der Jahre zu einem Dauerbrenner entwickelt. Ich möchte nicht nochmal alles aufzählen, erinnere aber daran, dass dieser Rat hier vor über drei Jahren eine Umbenennung mehrheitlich beschlossen hat. Sie wurde dann aber nicht umgesetzt, die Gründe waren meiner Meinung nach mehr als fadenscheinig. Die Straßenbenennungskommission hat sich erneut damit beschäftigt und ebenso erneut eine Umbenennung empfohlen. Wir, die Linke Liste, werden auch heute für eine Umbenennung stimmen, denn der bürokratische Aufwand für die Anwohner ist unserer Meinung nach verkraftbar und zweitrangig.

Noch einige Anmerkungen zum Thema. Schauen wir über unseren lokalen Tellerrand hinaus und stellen folgendes fest: Gerade die weltweite aktuelle Situation ist Anlass genug, die Namen sogenannter Kriegshelden, an deren Händen viel Blut klebt, aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. An allen Ecken und Enden auf diesem Globus werden Kriege geführt – Millionen Menschen sind auf der Flucht, weil ihre Heimatländer in Schutt und Asche gelegt werden und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Im Gegensatz dazu reibt sich die internationale Waffenindustrie, ganz vorne mit dabei auch die deutsche, genüsslich ihre Hände und verzeichnet gigantische Umsatzzuwächse bei ihrem Geschäft mit Elend, Tod und Verderben.

Die Machtblöcke auf beiden Seiten rüsten zur Zeit in einem unverantwortlichen Maß auf, wie man es sich vor kurzem noch gar nicht hat vorstellen können. Neue Atomwaffen sollen auch in Europa stationiert werden und wer glaubt, wir näherten uns lediglich dem Kalten Krieg, hat die Zeichen dieser unseligen Zeiten nicht verstanden – denn die Skrupellosigkeit der Kriegstreiber und ihrer Profiteure hat längst dazu geführt, dass wir uns in einer Situation befinden, die meiner Meinung nach gefährlicher nicht sein könnte und die jederzeit eskalieren kann.

So gesehen hat für mich die Umbenennung dieser kleinen Straße, tief im Südwesten unseres Landes durchaus Symbolcharakter, vielleicht vergleichbar mit dem alten Spruch der Friedensbewegung, die einst Schwerter zu Pflugscharen machen wollte und darüberhinaus erklärte, sie würde heute noch einen Apfelbaum pflanzen, auch wenn sie wüsste, dass morgen diese unsere Welt aus den Angeln gehoben wird.

Sie mögen diesen Hinweis pathetisch nennen – finden Sie ihn auch verfehlt, frage ich Sie alle. Und ja, es stimmt: Ich will die Namen der von Emmichs und die vieler anderer nicht mehr lesen und bitte Sie hiermit eindringlich, der Umbenennung ein zweites Mal zuzustimmen.“

DOKUMENTIERT | Wer etwas über den deutschen General von Emmich erfahren will, kann sich unter anderem beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam kundig machen, das nicht gerade im Verdacht linker Nestbeschmutzung steht. Dort heißt es: „Als General der Infanterie und Kommandierender General des X. Armee-Korps war Emmich an dem völkerrechtswidrigen Überfall auf Belgien beteiligt. Bei den von ihm geführten Kämpfen um die Festung Lüttich (Liège) im August 1914 sowie beim weiteren Vormarsch der deutschen Truppen kam es zu Ausschreitungen gegen und Hinrichtungen von Zivilisten durch deutsche Soldaten, die in der neueren Forschung als kriegsvölkerrechtswidrig gewertet werden.“

jüg / Bild: Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv, Freiburg via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

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