Echte Beteiligung und eine neue politische Kultur

Demokratie erschöpft sich nicht in der Teilnahme an Wahlen. Die Gemeinde ist der politische Nahbereich – die Welt in der wir leben, in der wir die Auswirkungen politischer Entscheidungen oder deren Fehlen direkt spüren. Wo, wenn nicht hier, sollte man sich für eine stärkere direkte Beteiligung der Bürger*innen – besser noch der Einwohner*innen – einsetzen? Denn hier ist tatsächlich jeder Expert*in des eigenen Lebens.

Dabei heißt Demokratie natürlich nicht, dass plötzlich alles möglich ist. Es gibt schwierige Rahmenbedingungen, Vorgaben einer höheren politischen Ebene oder schlicht Geldmangel. Aber nicht alles, was als alternativlos präsentiert wird, ist es auch. Gerade weil die öffentlichen Mittel der Kommunen beschränkt sind, bedarf es öffentlicher Diskussionen und transparenter Entscheidungen. Politik darf sich nicht in verschlossenen Räumen und über die Köpfe der Betroffenen hinweg abspielen. Der Gemeinderat soll nicht Ort einer imaginären Repräsentation, sondern der Diskussion sein. Demokratie bedeutet nicht, dass Probleme verschwinden, sondern, dass die Beteiligten für kompetent erachtet werden, sich eine eigene Meinung zu bilden und zu vertreten.

Dabei stellt das Baden-Württembergische Recht seit der Reform von 2015 durchaus weitgehende Möglichkeiten zur direkten Bürgerbeteiligung bereit. Diese gilt es zu nutzen. Dazu bedarf es einer neuen politischen Kultur, um Gefühlen der Ohnmacht und Ausgeschlossenheit zu begegnen. Um Politik- und Parteienverdrossenheit zu begegnen, bedarf es einer Stärkung der politischen Debatte. Nur so lässt sich begründeter Protest in konstruktive Beteiligung und die Verfolgung von Interessen in kommunikativen Austausch verwandeln.

Auch Beteiligung gibt es nicht zum Nulltarif. Engagement kostet mindestens Zeit. Aber genau hier sehen wir die Gemeinde in der Pflicht, mindestens niedrigschwellige Informationsangebote und Diskussionsforen zu schaffen und öffentliche Räume zu bieten. Eine moderne Verwaltung muss transparent und bürgernah arbeiten. Dieses demokratische Gebot darf auch nicht durch Stellenabbau und Überlastung der Beschäftigten konterkariert werden.

Wir fordern:

  • Die öffentliche Hand steht in der Pflicht, die kulturellen Einrichtungen zu erhalten und auszubauen.
  • Eine Erweiterung des kommunalen Wahlrechts auf alle, deren Lebensmittelpunkt sich in unserer Stadtgesellschaft befindet – unabhängig von Aufenthaltsstatus und Bürgerrecht.
  • Die Einführung auch des passiven Wahlrechts ab 16 Jahren.
  • Die Einrichtung eines Jugendgemeinderats mit Entsenderecht in alle Ausschüsse des Gemeinderats sowie Stimm- und Antragsrecht, wo immer es um jugendpolitische Themen geht. Analoge Strukturen müssen auch für analoge Interessengruppen diskutiert werden.
  • Öffentliche Bürger*innenversammlungen, auf denen zu aktuellen Themen alle Informationen bereitgestellt werden, die für eine kompetente Meinungsbildung erforderlich sind, zudem Alternativen vorgestellt und diskutiert werden können.
  • Verbindliche Bürger*innenbeteiligungsinstrumente unterhalb der Schwelle des Bürgerentscheids.
  • Gute Beschäftigungsverhältnisse und kompetente Ansprechpartner*innen in der kommunalen Verwaltung, damit Bürger*innenbeteiligung auch umgesetzt werden kann.