7. Klimaschutzbericht im Gemeinderat

Autor | 2. April 2023

Am 30. März debattierte der Gemeinderat über den siebten Konstanzer Klimaschutzbericht, eingebracht von der städtischen Stabsstelle Klimaschutz. Die halbjährliche überblicksartige Darstellung von Fortschritten und Schwierigkeiten bei den städtischen Klimaschutzbemühungen geht auf den Beschluss der Klimanotstandsresolution von 2019 zurück. Holger Reile nahm für die Linke Liste Konstanz Stellung zu dem 55-seitigen Bericht:

Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen:

Zuerst geht auch unser Dank an Lorenz Heublein und die beteiligten Organisationen für den aktuellen Klimaschutzbericht, der sehr deutlich aufzeigt, welche Anforderungen damit verbunden sind und was schlußendlich auf uns zukommt. Denn längst wissen wir nicht nur seit heute, dass in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu wenig getan wurde und wir jetzt unter massivem Zugzwang stehen. Da von meinen VorrednerInnen durchaus schon viel Richtiges vorgetragen wurde, möchte ich mich, um Wiederholungen zu vermeiden, auf einige wenige Anmerkungen beschränken.

Im Vorwort des vorliegenden Berichts ist beispielsweise zu lesen, ich zitiere: „Neben einer kurzfristigen Abfederung von Energiekrisenfolgen müssen folglich Strategien zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern energisch weiterverfolgt werden. Konkret bedeutet dies insbesondere, dass neue fossilfreie Wärmeversorgungsangebote unter anderem von unseren Stadtwerken entwickelt werden müssen“. Soweit diese klare Aussage. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehen wir auch so – müssen uns aber schon wundern, warum es unsere Stadtwerke sind, die mit der ThüGa, die in vielen Kommunen überwiegend fossil unterwegs ist – wegen einer strategischen Partnerschaft verhandeln. Das ist unserer Meinung nach der falsche Weg, den wir auch nicht mitgehen werden, denn die Stadtwerke müssen in Gänze in kommunaler Hand bleiben, und das aus mehreren und durchaus guten Gründen.

Beim Thema Klimaschutz müssen wir insgesamt ehrlich konstatieren: Es geht viel zu langsam, wie andernorts auch. Richtig – einiges bewegt sich durchaus, aber eben eher im Schneckentempo, und damit erreichen wir unsere Klimaziele sicher nicht. Da sollten wir uns nichts vormachen, denn Fakt ist beispielsweise: Laut unserer Klimaschutzstrategie will die Stadt die CO2-Emissionen bis 2035 auf rund 10 Prozent des Ausgangswerts von 2018 senken – doch von diesem Ziel sind wir sehr weit entfernt, wie Fridays for Future schon im Februar deutlich machte. Wir haben uns zwar überregional abfeiern lassen, als wir vor einigen Jahren den Klimanotstand erklärten, hinken aber den eigenen Zielen gewaltig hinterher. Vor allem die großen Bereiche Stromversorgung, Heizen und Verkehr sind hauptsächlich für unsere CO2-Emissionen verantwortlich. Weitgehend sind wir uns ja darüber einig, dass der Anteil an erneuerbarer Energie, vor allem im Bereich der Photovoltaik deutlich steigen muss, natürlich auch auf Freiflächen. Groteskes am Rande: Ein Konstanzer Bürger installierte eine PV-Anlage an seinem Balkon – wird aber seitdem in den Senkel gestellt und juristisch schikaniert. Das ist schon ziemlich irrwitzig, denn in anderen Städten wie Heidelberg oder Singen, um nur einige wenige zu nennen, gibt es für diese Anlagen sogar staatliche Zuschüsse. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen ….

Auch der aktuelle Stand zur beabsichtigten Wärmewende inklusiv Wärmeplan der Stadt ist richtigerweise auf dem Prüfstand: Wann und wo in Konstanz ist mit Wärmenetzen, die auf unserer Gemarkung geplant sind, überhaupt zu rechnen? Wo ist das umsetzbar und wo nicht? Fragen über Fragen, die auf Antworten und auch auf Umsetzung warten. Zum Bereich Verkehr: Auch hier möchte man die Anzahl des motorisierten Autoblechs deutlich reduzieren und zwar bis 2035 um etwa die Hälfte. Ein löbliches Vorgehen, aber wir haben unsere Zweifel daran, ob das beispielsweise mit dem angedachten C-Konzept auch klappt. Und was ist von der gewünschten Verkehrswende zu halten, wenn derzeit die Anzahl der Autos in Konstanz sogar zunimmt und im Vergleich zu anderen Städten eher schlecht abschneidet?

Dazu kommt erschwerend, dass auf dem Döbele ein zum Teil öffentliches Parkhaus geplant ist und somit weiter mit verkehrspolitischen Chaos-Tagen zu rechnen ist. Klar ist für uns aber auch: Wollen wir die PKW-Flut zumindest deutlich eindämmen, müssen wir unseren Bürgerinnen und Bürgern vernünftige Alternativen anbieten. Und die sollten unserer Meinung nach beispielsweise sein: Noch besser vertakteter Busverkehr – weg mit dem Tarif-Dschungel – hin zu einem sozialverträglichen Preis, am besten sogar zum Nulltarif, wie es andere Städte zum Teil schon vormachen. Das wird unser Verkehrsproblem nicht gänzlich lösen, aber sicher dazu beitragen, die Situation deutlich zu entschärfen und halbwegs in die richtigen Bahnen zu lenken. Natürlich ist auch der Ausbau weiterer Fahrradstraßen, verbunden mit einer deutlich verbesserten Rad-Infrastruktur, schnellstmöglich voranzutreiben, und auch die berechtigten Belange unserer FußgängerInnen, die oft in den Hintergrund geraten, sind zu berücksichtigen.

Kolleginnen und Kollegen: Wir stehen fraglos vor einem gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess, wie ihn auch unsere Stadt in den vergangenen Jahrzehnten so noch nicht erlebt hat. Und der erfordert mutige und vorausschauende Entscheidungen, wenn wir unseren Nachkommen eine halbwegs lebenswerte Welt übergeben wollen. Dazu eine Anmerkung zum Schluß: Wir sollten die jungen Aktivisten und Aktivistinnen von Fridays for Future und auch der letzten Generation sehr ernst nehmen und sie weitestmöglich in Beteiligungs- und Entscheidungsprozesse mit einbinden. Über diverse Aktionsformen der jungen Leute kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber sie – wie auch in unseren Breitengraden festzustellen ist – sogar unter Terrorismusverdacht zu stellen, ist völlig neben der Spur und trägt nur zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft bei. Und daran kann uns nicht gelegen sein.

Holger Reile

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