Aus dem Gemeinderat: Infostände, die dritte

Autor | 25. November 2016

Es hat in letzter Zeit viel Protest gegen erheblich höhere städtische Gebühren für die Infostände zivilgesellschaftlicher Gruppierungen gegeben. Dagegen hatte die Linke Liste (LLK) einen Antrag gestellt, der auf Kostenfreiheit für solche Stände hinauslaufen sollte und zu längeren Diskussionen führte. Ergebnis der Debatte im Gemeinderat gestern: Der Antrag der LLK war schlecht formuliert, aber die Verwaltung entschuldigt sich für Fehler bei der Gebührenberechnung und gelobt Besserung.

Verwaltungsjuristerei ist ein Feld, das aus laienhafter Sicht immer wieder Züge von schwarzer Magie trägt: Da schlagen Absichten unvermerkt ins blanke Gegenteil um, gefühlt glasklare Verordnungen lassen zahlreiche Interpretationen zu, und nach klärenden Ausführungen des juristischen Fachpersonals ist für die meisten Gemeinderätinnen und -räte, von den Menschen im Zuhörerraum ganz zu schweigen, jede Klarheit endgültig beseitigt.

Infostände wurden erheblich teurer

Die Stadt verlangte seit etwa einem halben Jahr von Bürgerinitiativen und ähnlichen Organisationen plötzlich erheblich mehr Geld für deren Infostände, angeblich, weil die Verwaltung bisher über Jahre hinweg irrigerweise zu wenig berechnet hätte. Neben den Verwaltungsgebühren wollte sie jetzt zusätzlich auch die Kosten für die jeweils notwendige Sondernutzungserlaubnis berechnen. Zum Verständnis: Die Verwaltungsgebühr ist der Betrag, der dafür anfällt, das jemand in der Verwaltung daran arbeitet, den Antrag auf einen Infostand entgegenzunehmen und einen Bescheid auszustellen; dafür berechnet die Stadt pro begonnene Viertelstunde derzeit 12,50 €. Die zusätzlichen Kosten für die Sondernutzungserlaubnis hingegen fallen für das zusätzlich erforderliche Erteilen des Rechtes an, öffentlichen Grund und Boden zum Aufstellen eines Infostandes zu benutzen.

Der neu berechnete, oft wesentlich höhere Preis ging einigen Initiativen an die Substanz und schuf erhebliche Verbitterung, weil es so aussah, als solle hier insbesondere das Bündnis gegen TTIP, CETA und TiSA durch eine bekennend unternehmer- und freihandelsfreundliche Verwaltungsspitze auf dem Gebührenwege mundtot gemacht werden.

Antrag der LLK

Die LLK hielt dagegen. Kernpunkte ihres Antrages vom 1. September:

“1. Die Stadt Konstanz verzichtet auf die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für Informationsstände zivilgesellschaftlicher Gruppen.

2. Die Stadtverwaltung prüft von zivilgesellschaftlichen Gruppen gewünschte Standorte für Infostände in jedem Einzelfall.

3. Die Stadtverwaltung prüft die rechtlichen Möglichkeiten, Infostände zivilgesellschaftlicher Gruppen generell kostenfrei zu genehmigen.”

Mit anderen Worten: Die Stadt soll auf beide Gebührenarten ganz – oder, wenn’s juristisch nicht anders geht, zumindest teilweise – verzichten.

Holger Reile betonte für die LLK in der gestrigen Sitzung, Ziel des Antrages sei es, die Gebührensatzung so zu ändern, dass alle zivilgesellschaftlichen, d.h. ehrenamtlichen, nicht gewerblichen usw. Gruppen ihre Stände kostenlos oder zumindest für ein Nasenwasser aufklappen dürfen.

Antrag schlecht formuliert

Ihm fuhr, und das mit sichtlichem Genuss, OB Uli Burchardt in die Parade: Dann sei aber der Antrag der LLK falsch formuliert. Erstens sei im Antrag ausdrücklich von einer Einzelfallprüfung die Rede, während Reile heute eine pauschale Lösung anmahne, und zweitens hätte der Antrag dann dahingehend lauten müssen, man möge doch bitte die Gebührensatzung der Stadt Konstanz ändern. Ihm, dem OB, sei durchaus klar gewesen, was der Zweck dieses Antrages gewesen sei, aber der Antrag habe das eben nicht in verwertbarer Form zum Ausdruck gebracht und damit sei er handwerklich mangelhaft.

Die Gebührensatzung sei in der vorliegenden Form irgendwann vom Gemeinderat beschlossen worden, und wenn man sie ändern wolle, müsse man das eben auch so beantragen. Er als OB sehe es nicht als seine Aufgabe an, dem Reile beim Formulieren vernünftiger Anträge aufs Pferd zu helfen, wenn er sehe, dass der Reile sich vergaloppiert habe. Außerdem, so erläuterte Silvia Löhr, Leiterin des Justiziariats der Stadt, sei der Begriff “zivilgesellschaftliche Gruppe” im Verwaltungsdeutsch einfach nicht vorgesehen, weil er als zu schwammig erachtet wird.

Politischer Rückhalt

Das Anliegen der LLK selbst allerdings fand im Gemeinderat viel Unterstützung. RednerInnen von FGL bis JFK sprachen sich für möglichst niedrige Gebühren aus. Insbesondere Anne Mühlhäußer (FGL) betonte die Bedeutung des gesellschaftlichen Engagements der BürgerInnen für eine funktionierende Demokratie und erinnerte an jene Länder, in denen ein solches Engagement überhaupt nicht möglich sei. Jan Welsch (SPD) unterstützte die Absichten der LLK und stellte den letztlich erfolgreichen Antrag, die Verwaltung möge einen juristisch wasserdichten Vorschlag vorlegen, in der Gebührensatzung die Sondernutzungsgebühren auf 0-100 € festzulegen. Es ist juristisch scheint’s ein erheblicher Unterschied, ob man jemandem nichts abnimmt oder aber eine Gebühr von null € erhebt.

Doch es gab auch andere Stimmen. Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) wollte das Thema zum Zwecke ausgiebiger Prüfung für sechs Monate vertagen. Ewald Weisschedel (FWK) hingegen, der als Mediziner natürlich in anderen Einkommenskategorien lebt und fühlt, wandte ein, an Geld für Standgebühren werde es engagierten Bürgerinnen und Bürgern ja kaum mangeln. Wer erlebt hat, mit welchem Ungestüm Weisschedel vorgestern auf seinem Fahrrad zum Brahms-Abend am Konzil vorfuhr, weiß, dass dieser Mann selbst die Zerstörung eines historischen Gemäuers durch den von ihm verursachten Überschallknall wohl locker von seinem Handy-Guthaben bezahlen könnte.

Verwaltung hat Fehler gemacht

Die aktuelle Gebührensatzung sieht es so, dass Organisationen oder Initiativen, deren Anliegen unter eine der drei alternativen Voraussetzungen: 1. “überwiegend im öffentlichen Interesse”, 2. “gemeinnützig” oder 3. “sonst förderungswürdig” fällt, gebührenfrei bleiben. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Das hört sich an, als hätten die meisten Initiativen durchaus Chancen, weitgehend oder komplett gebührenfrei davonzukommen.

Und dann kam eine echte Überraschung: Die Verwaltung drehte sich gegenüber ihrer früheren Position um 180 Grad und entschuldigte sich, ihre Gebührenberechnung nicht nur in den letzten Monaten sei fehlerhaft gewesen. Die Erhöhung der Gebühren sei also nicht auf eine vielleicht widersprüchliche Gebührenordnung zurückzuführen gewesen, sondern auf deren falsche Anwendung. Frank Conze, Abteilungsleiter Verkehrswesen in der Straßenverkehrsbehörde, gab ohne Not und sichtbaren äußeren Zwang zu, dass es seit längerem Fehler in den Gebührenbescheiden gegeben habe. Man habe die starken Befreiungstatbestände der Satzung nicht richtig bewertet. Will wohl heißen, man hat den Initiativen zu viel abgenommen? Jetzt aber seien die Probleme erkannt und abgestellt, und er könne sich nur entschuldigen und um Vertrauen in die reumütige Verwaltung bitten.

Das ist letztlich ein Sieg der zivilgesellschaftlichen Gruppen (und der LLK, auch wenn sie Federn lassen musste), denn ohne deren gemeinsames Einschreiten hätte sich an der derzeitigen Verwaltungspraxis so schnell wohl nichts geändert. Über die früheren Motive der Verwaltung, die den Engagierten plötzlich wesentlich höhere Gebühren abknöpfte, muss man spekulieren, dazu war nichts zu hören.

Uli Burchardts sehr persönliches Schlusswort zur Abstimmung jedenfalls, die Verwaltung habe einen Haufen Arbeit und wolle mit allem Geld verdienen, hörte sich weniger nach dem Chef einer öffentlichen Verwaltung als vielmehr nach dem Manager eines gewinnorientierten Privatunternehmens an. Für letzteren allerdings wären die Gebühren für Infostände wohl noch nicht einmal Peanuts gewesen.

O. Pugliese

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