Im Technischen und Umweltausschuss wurden gestern Weichen für die städtebauliche Weiterentwicklung von Konstanz gestellt. Es ging um die Zukunft des Areals Schottenplatz/ Vincentius-Krankenhaus. Die Fläche ist meistbietend an die Immobilientochter der LBBW gegangen, die dort zehn Häuser sowie eine doppelstöckige Tiefgarage errichten will.
Die Diskussion im TUA war eher ein Spiegelfechten, denn eigentlich ist alles klar: Die Verträge zwischen der Stadt und den Immobilienentwicklern (im Volksmund auch liebevoll „Immobilienhaie“ genannt) sind bis ins Detail ausgehandelt. Man ist sich einig: Hier soll ein Schmuckstück urbanen Wohnens entstehen, das Normalverdiener nur von außen kennenlernen werden. Oder?
Von Anfang an: Das Bauvorhaben hat klare Konturen, es gibt auch schon viele hübsche Bilder, wie das alles bei schönem Wetter einmal aussehen soll. Im Architektenneusprech: Hier wird ein Puffer zwischen den gründerzeitlichen Bauten im Paradies und der mittelalterlichen Altstadt geschaffen, ein Solitär, der zugleich den urbanen Raum neu definiert. Was jetzt nur noch fehlt, ist die Änderung des Bebauungsplanes.
Heute ist die Fläche als Gemeinbedarfsfläche für das Vincentius-Krankenhaus ausgewiesen. Da das Krankenhaus wegzieht, muss die Fläche per Bebauungsplan in eine Fläche fürs Wohnen umgewidmet werden, sonst wird das nichts mit dem Neubau. Es geht also um Innenentwicklung und Nachverdichtung zur Schaffung von Wohnraum dort unten an der Laube neben dem Humboldt-Gymnasium. Aufgabe des TUA und des Gemeinderats in der nächsten Woche ist es nun, diesen formalen Beschluss zur Änderung des Bebauungsplans zu fassen.
Glückauf!
Eine gute Gelegenheit also, das Projekt zu bewerben und zu diskutieren, und dem widmete man sich denn im TUA auch mit Leidenschaft. Die LBBW war mit etlichen VertreterInnen angerückt, die sämtliche Facetten ihres Projektes ins beste Licht zu rücken verstanden. Es sollen 10 Häuser („Module“) mit sechs Stockwerken errichtet werden. Die oberen Stockwerke sollen Maisonette-Wohnungen und Dachterrassen oder Dachgärten erhalten. Ansonsten soll der Bau so ziemlich alles von der Einraum-Zelle bis zur Familienwohnung abdecken. Dazu kommen ein eigener, begrünter Innenhof sowie Flächen für die Öffentlichkeit. Außerdem hat man so geplant, dass die Bäume weitgehend erhalten bleiben, nur untergeordnete Bäume werden vernichtet („entnommen“). Dazu kommt eine zweistöckige Tiefgarage mit 165 Stellplätzen.
Laut Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn war letzteres eine Auflage der Stadt, die LBBW hätte aus Kostengründen gern weniger gebaut. Hier wird mit 1,5 Stellplätzen pro Wohnung geplant, so dass auf jeden Fall niemand, der dort wohnt, oberirdisch parken muss. Man hofft im Stillen wohl auch darauf, dass überzählige Stellplätze an Anwohner aus der Gegend vermietet werden. Das alles soll jetzt schnell in die Wege geleitet werden: „Die Verwaltung wird beauftragt, auf der Grundlage der vorliegenden Planungen die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange durchzuführen.“ Wenn dann im Sommer 2018 das Vincentius wegzieht, sind die Archäologen dran, denn auf dem Gelände befand sich früher ein Schottenfriedhof, dessen Überreste gesichert werden sollen. Und danach kann’s losgehen.
Wie sozial ist sozial?
Im Prinzip waren so ziemlich alle Mitglieder des TUA für das Projekt, und es lässt sich absehen, dass es am nächsten Donnerstag auch mit großer Mehrheit durch den Gemeinderat kommen wird. Peter Müller-Neff (FGL) wies einerseits auf die höchst attraktive Wohnlage hin, sagte andererseits aber horrende Quadratmeterpreise vorher. Dass die Gebäude sechs Geschosse haben, störe die Grünen nicht, weil der Käufer ja den hohen Kaufpreis wieder hereinholen müsse. So sind unsere Grünen: Wenn’s den Bauherren nur zupass kommt, stimmen sie am Ende auch fürs Waterboarding an aussterbeunwilligen Fledermäusen, sofern das dabei verwendete Wasser nicht kälter als 12 Grad ist.
Derzeit sind für das Bauvorhaben wie im Handlungsprogramm Wohnen festgeschrieben 20% geförderter und 10% preisreduzierter Wohnraum vorgesehen. Müller-Neff stellte für die FGL den Antrag, statt 10% doch 20% preisgedämpften Wohnraums zu errichten. Er beklagte zurecht, dass dieser Anteil angesichts der realen Marktentwicklung nicht ausreiche.
Holger Reile begrüßte für die LLK, dass am Schottenplatz Wohnraum entsteht. Er erinnerte aber daran, dass die LBBW jüngst 20 000 Wohnungen gnadenlos an Heuschrecken verscherbelt hat, darunter auch 700 Wohnungen in Konstanz. Mit den zu erwartenden Folgen für die Mieter, versteht sich. Angesichts der 10 Millionen €, die die LBBW nach seinen Angaben für das Areal gezahlt hat, rechnet er mit Kaltmieten um die 14 € und mit 5000 € pro Quadratmeter für Eigentumswohnungen. Darum beantragte er, den Anteil an gefördertem Wohnraum auf 50% zu erhöhen, weil das bisher Geplante am wirklichen Bedarf und der großen Not der Wohnungssuchenden vorbeigehe.
Was die 20 000 Wohnungen anbelangt, wandten die LBBW-Vertreter ein, dass das Unternehmen sie gern behalten hätte. Allerdings habe die EU den Verkauf der Wohnungen im Zusammenhang mit der Finanzkrise zwangsweise angeordnet. Sie barmten jedenfalls ordentlich.
CDU und SPD wiesen die Änderungsanträge von Müller-Neff und Reile übrigens erwartungsgemäß zurück: Für sie ist die Verlässlichkeit der Stadt Konstanz wichtig, und die Quotierung, die den Verträgen mit der LBBW zugrunde liege, sei unantastbar.
Was wird aus dem Handlungsprogramm Wohnen?
Die Verwaltung gab sich lernbereit: Karl Langensteiner-Schönborn weiß, dass das Handlungsprogramm Wohnen in der 2014 beschlossenen Form nicht ausreicht. Aber er verweist auf die Beschlusslage. Der (wenn ich mich recht entsinne: einstimmige) Gemeinderatsbeschluss lautete damals auf 50 % geförderten Wohnraum bei Wohnbauprojekten auf städtischen Grundstücken sowie 30 % bei solchen auf privaten Grundstücken. Und daran sei die Verwaltung gebunden und auf dieser Grundlage schließe sie auch die Verträge etwa mit der LBBW ab. Das Handlungsprogramm Wohnen müsse aber über die vorgesehenen 5 300 Wohnungen hinaus fortgeschrieben werden, und bei der Gelegenheit können man dann auch über einen geänderten Schlüssel für sozialen Wohnungsbau befinden. Solange aber der Gemeinderatsbeschluss in der bisherigen Form gültig sei, werde er auch danach handeln. Außerdem warnte er davor, dass durch einen zu hohen Anteil an sozialem Wohnungsbau Sozialghettos entstehen könnten.
Gut gebrüllt, Löwe, möchte man da als Zuhörer anmerken, aber es dürfte heutzutage gerade in sozial halbwegs stabilen Gegenden wie Konstanz wohl Lösungen geben, durch hochwertigen, sozialen Wohnungsbau Erscheinungen wie die Hochhaus-Ghettos vergangener Jahrzehnte zu verhindern. Der Mensch ist das Maß für den Städtebau – und der Mensch in Konstanz braucht eben mehrheitlich bezahlbaren Wohnraum, da werdet Ihr Planer auch 50 % sozialverträglich hinkriegen, oder?
Nicht einsichtig ist dem Betrachter allerdings, wieso manche PolitikerInnen sowohl im Gemeinderat als auch in den Ausschüssen immer wieder betonen, dass sie das Handlungsprogramm Wohnen für überholt halten, aber nichts tun. Was könnten sie tun? Natürlich lassen sich Bauprojekte rückwirkend nicht mehr ändern. Aber warum hat trotz des Gemurres über die soziale Schieflage bisher noch niemand den Antrag gestellt, das Handlungsprogramm Wohnen zu verändern? Wer Gemeinderatsbeschlüsse wie das HaPro ändern will, muss sinnvollerweise das Gesamtkonzept zu verändern suchen, statt bei Einzelprojekten aussichtslose Änderungsanträge zu lancieren. Also: Her mit dem Antrag zur Änderung des HaPro Wohnen in 50 % sozialen Wohnungsbau statt 30 %, und das auch für Private. Oder her mit einem Beschluss zum verstärkten Engagement der Wobak.
Es gab ein paar weitere, oft kenntnisreiche Beiträge zum Thema, vor allem von Johann Hartwich (FDP), der unter anderem darauf hinwies, dass in der Kapelle des Vincentius wertvolle Arbeiten des Bildhauers Klaus Ringwald hängen, für die man vor dem Abriss des Gebäudes einen neuen Platz suchen müsse. Das Schlusswort aber mag einmal mehr dem stillen Rebellen Klaus-Peter Kossmehl (Freie Wähler) gehören, den es sichtlich ärgerte, dass er dereinst acht Stunden in einer Sitzung verbrachte, in der es mit viel Hin und Her um die Vergaberichtlinien für das Vincentius-Gelände ging: „Erst hocken wir da stundenlang in der Sitzung, und wie’s am Ende gelaufen ist, hätte man’s auch gleich versteigern können.“
O. Pugliese