Linke Liste im Gemeinderat

Autor | 25. November 2016

Rathaus_KonstanzZu drei Themen nahm Stadtrat Holger Reile für die Linke Liste bei der Gemeinderatssitzung am 24.11. mit ausführlichen Redebeiträgen Stellung. Darunter natürlich die Begründung unseres Antrags zu den von der Stadt erhobenen Gebühren für Infostände. Die LLK will, dass die für zivilgesellschaftliche Gruppen künftig kostenfrei genehmigt werden, zumindest sollten aber die Sondernutzungsgebühren entfallen, die das zuständige Straßenverkehrsamt seit Jahresbeginn z.B. für das Konstanzer Bündnis gegen TTIP erhoben hat (siehe auch Aus dem Gemeinderat: Infostände, die dritte). Außerdem begründete Holger Reile, warum die LLK den Verwaltungsantrag für die Bürgerbeteiligung ablehnt: Er missachte die Erwartungen der Bürgerschaft und habe allenfalls Feigenblattfunktion. Schließlich die Replik auf eine Anfrage der FDP-Fraktion zum Zweckentfremdungsverbot, die wohl in der Hoffnung gestellt wurde, der ungeliebten Maßnahme die Wirksamkeit zu bestreiten. Alles zum Nachlesen. – red


Infostände

Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, wir sind nicht zufrieden, wie die Verwaltung mit unserem Antrag umgeht. Man will uns hier mit einer Stellungnahme der Stadt zu den von uns gestellten drei Punkten abspeisen, die der Rat lediglich zur Kenntnis nehmen soll. Wir bestehen darauf, dass über die von uns formulierten 3 Punkte auch abgestimmt wird.

In Ihrer Vorlage kommen Sie uns mit Zitaten aus den entsprechenden Passagen der geltenden Gebührenordnung. Danke dafür, aber lesen können wir auch. Unser Antrag zielte ja gerade darauf, die bisher geltenden Regelungen so abzuändern, dass für ehrenamtliche, nichtgewerbliche Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern – wir haben den durchaus geläufigen Begriff “zivilgesellschaftlich” dafür verwendet – künftig GENERELL zumindest keine Sondernutzungsgebühren mehr erhoben werden. Es geht uns darum, hier eine klare, belastbare Regelung festzuschreiben, die die Kostenfrage nicht an eine wodurch auch immer motivierte Einzelfallentscheidung knüpft.

Das geht, wie das Beispiel Reutlingen zeigt: Dort heißt es auf der offiziellen Website der Stadt unter “Dienstleistungen” zur Erteilung von Genehmigungen für Informationsstände: “Wer im Stadtgebiet einen Informationsstand auf öffentlicher Verkehrsfläche aufstellen will, benötigt dazu eine Erlaubnis.” Zu den Kosten wird dann lediglich vermerkt: “Die Erlaubnis wird gebührenfrei erteilt” – das entsprechende Formular kann an Ort und Stelle heruntergeladen werden. Wir wollen, dass geprüft wird, welche satzungsrechtlichen Änderungen dafür vorgenommen werden müssen.

Zusammenfassend: Wir wollen, dass der Rat heute über unseren Antrag abstimmt, die Stadt Konstanz möge künftig auf die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für Informationsstände zivilgesellschaftlicher Gruppen verzichten. Wenn Sie sich am Begriff “zivilgesellschaftlich” stören, sind wir gerne bereit, ihn durch einen anderen zu ersetzen – von der Sache her geht es um ehrenamtlich tätige Gruppen, die mit den Infoständen für nicht-gewerbliche Ziele werben. Betroffen davon ist – nach unserer Meinung – der Paragraph 4, Abs. 2 der „Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen“. Dort soll am Ende ein Satz eingefügt werden, der lautet: „Bei ehrenamtlich tätigen Gruppen, die nicht-gewerbliche Zwecke verfolgen, wird von einer Gebühr abgesehen.“

Außerdem beantragen wir eine Abstimmung über die Forderung nach Prüfung von Möglichkeiten, Infostände für solche Gruppen nicht nur von der Sondernutzungsgebühr zu befreien, sondern generell kostenfrei zu genehmigen. Dass das die gegenwärtig gültige „ Satzung der Stadt Konstanz über die Erhebung von Verwaltungsgebühren“ nicht her gibt, haben wir vorher gewußt, und ist kein Argument. Satzungen sind ja nicht sakrosankt und sie können geändert werden – siehe Reutlingen.
Falls bei der anschließenden Diskussion über dieses Thema jemand mit dem Argument kommen sollte, man handle sich damit womöglich auch Infostände von dubiosen rechten oder sektiererischen Gruppen ein: Damit muss eine demokratische Gesellschaft umgehen können, schließlich gibt es das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit. Sowieso sind Gebührenordnungen das denkbar ungeeignetste Instrument, um z.B. rassistische oder homophobe Hetze zu unterbinden. Dafür gibt es das Strafrecht und – nicht zu vergessen – hat der Gemeinderat ja die “Konstanzer Erklärung” verabschiedet, die in solchen Fällen eine nachvollziehbare Handhabe bietet.


Leitlinien für Bürgerbeteiligung

Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, wir werden dem Konzept Bürgerbeteiligung und auch der nachgeschobenen Erweiterung der Leitlinien unsere Zustimmung verweigern. Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, denn die Einbindung des freiwilligen Engagements aus der Bürgerschaft ist auch für uns von großer Bedeutung. Das ganze Projekt startete erstmal hoffnungsvoll und hätte durchaus bundesweit eine Art Vorreiterrolle mit Strahlkraft einnehmen können. Allzu schnell aber legte der gute Ansatz dann seinen Verwaltungsbauch in Falten und verschwand fast gänzlich darin. Man könnte auch sagen, die löbliche Idee hob als fauchender Tiger ab und landete schließlich als verfilzter Teppichvorleger auf den harten Planken der hiesigen Bürokratie. Und das, Kolleginnen und Kollegen, ist in der Tat jammerschade und spricht dem ganzen Aufwand Hohn.

Ich will Ihnen kurz die wesentlichen Gründe für unser Nein zur Vorlage erläutern.

1. Die beabsichtigte Einbindung der Bürgerschaft ist auf halber Strecke – ich wiederhole mich hier ganz bewusst – zum Stillstand gekommen und schier verhungert. Alle Prozesse sind überwiegend von der Verwaltung her gedacht. Sie, die Verwaltung, entscheidet über Art, Umfang und den Ablauf eines Beteiligungsprozesses. Dazu kommen die hohen Hürden eines strengen Quorums und eine knappe Frist, die den Bürgerinnen und Bürgern den Beteiligungsprozess unnötig erschwert oder gar unmöglich macht.

2. Die rechtliche Bindungswirkung ist mangelhaft und es soll dem Gemeinderat, sprich den jeweiligen Fachämtern, überlassen bleiben, den letzten Schritt zu machen und darüber zu entscheiden, wann Bürgerbeteiligung überhaupt zugelassen wird und in welcher Form diese stattfinden darf. Das war und ist nicht in unserem Sinne. Auch wenn die Variante Eins in der Erweiterung mit dem, wie es heißt „mittelbaren Anregungsrecht“ – übrigens ein nahezu absurder Begriff – durchkommen sollte, macht das die Sache nicht besser, im Gegenteil.

3. Ein weiterer Punkt: Wenn schon die Verwaltung selbst entscheidet, ob, wann und wie Bürgerbeteiligung durchgeführt werden soll und diese Entscheidung aufgrund fehlender rechtlicher Bindung nicht einmal klagbar ist, dann erwartet man doch wenigstens, dass die Wirksamkeit eines entsprechenden Papiers durch die interessierte Bürgerschaft überprüft werden kann. Aber auch hier Fehlanzeige – die langjährig tagende Projektgruppe, die um jedes Wort in diesem Elaborat gerungen hat, soll handstreichartig aufgelöst werden. Stattdessen will sich die Verwaltung selbst evaluieren – und das, Kolleginnen und Kollegen ist ja nun ziemlich grotesk.

Ich fasse zusammen: Die uns angebotene Bürgerbeteiligung überzeugt uns nicht und hat bestenfalls Feigenblatt-Charakter. Ein Schritt vor, dann einen zurück – Michael Jackson-Fans nannten das den Moon-Walk. Sieht gut aus, bringt uns aber im vorliegenden Fall nicht weiter – zementiert lediglich einen bedauerlichen Stillstand und missachtet weitgehend die Erwartungen der Bürgerschaft. Kurz und schlecht: Die Linke Liste wird sich an diesem Beamtenmikado nicht beteiligen.


Bericht über die Wirksamkeit des Zweckentfremdungsverbotes

Kollegen der FDP, Ihre Anfrage war zu erwarten, denn Sie haben sich ja des öfteren vehement gegen die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbotes ausgesprochen und waren auch dagegen, dafür eine halbe Stelle einzurichten. Vernünftige, sprich sozial ausgewogene Wohnungspolitik war ja nachweislich noch nie Ihre Stärke und mit Ihrer Verweigerungshaltung haben Sie lediglich Ihrer ureigensten Klientel das Wort geredet und ihr kräftig Honig ums Maul geschmiert.

Ihre Fragen sind ja nun wohl eindeutig beantwortet, wie Sie der Vorlage entnehmen können. Neun Wohneinheiten wurden sozusagen „zurückerobert“, für weitere 30 Wohneinheiten wurden Instandsetzungsanordnungen erlassen – das zeigt, dass sich der Aufwand lohnt und die dafür eingerichtete halbe Stelle durchaus Sinn macht – obwohl der betreffende Mitarbeiter teilweise auch mit anderen Aufgaben betreut worden ist. Und auch Ihre schon mehrmals vorgetragenen Befürchtungen und Horrorszenarien, die Stadt müsse mit teuren und aufwändigen Gerichtsverfahren rechnen, haben sich bislang nicht mal im Ansatz bewahrheitet. Ich bedauere lediglich, dass es, wie andernorts festzustellen, nicht auch in Konstanz Instandbesetzungen gibt.

Sicher ist die Anwendung des Zweckentfremdungsverbots angesichts der eklatanten Wohnungsnot nur ein heißer Tropfen auf den Stein, aber es war die richtige Entscheidung, denn wir müssen in dieser Stadt um jeden einzelnen Quadratmeter Wohnraum kämpfen. Bleibt zu hoffen, dass bei Ihnen diese Erkenntnis auch mal ankommt und Sie langsam einsehen, dass das gesetzliche Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum auch in Konstanz der richtige Schritt war und Ihre Vorab-Schwarzmalerei unnötig und kontraproduktiv war. Gesundheit!


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