Monats-Archive: Juni 2015

Linke Liste fordert: Wohnungsleerstand sofort ermitteln!

Leerstand_kein_zustand426_01Konstanz braucht deutlich mehr Wohnungen als im “Handlungsprogramm Wohnen” vorgesehen, und es braucht sie schneller als von der Stadtverwaltung geplant. Dazu trägt neben der ohnehin schon hohen Nachfrage nach Wohnraum auch die steigende Zahl an Flüchtlingen bei, die von der Stadt untergebracht werden müssen.

Aus Verwaltungskreisen war mehrfach zu hören, dass in Konstanz Gewerbeflächen, Wohnungen und ganze Häuser leer stehen. So werden in Konstanz derzeit rund 35 000 Quadratmeter vorhandene Gewerbefläche nicht genutzt, wie das Büro Dr. Acocella jüngst in einem Gutachten ermittelt hat. Wir fordern die Verwaltung auf, diese Zahl genau zu beziffern und mitzuteilen, ob zumindest einige dieser Flächen mit vertretbarem Aufwand in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden könnten.

Außerdem ist eine Auflistung der leerstehenden Wohnungen und Wohnhäuser dringend nötig. Die LLK hat eine solche Erfassung schon mehrmals vorgeschlagen und fordert sie hiermit erneut. Dabei geht es vorrangig nicht darum, diese Immobilienbesitzer wegen eines Verstoßes gegen das Zweckentfremdungsverbot zu brandmarken.

Wir wissen vielmehr, dass manche Immobilieneigentümer aus finanziellen Gründen davor zurückschrecken, ihre Wohnungen und Häuser so zu renovieren, dass sie zur Vermietung angeboten werden können. Unser Vorschlag: Die Stadt sollte mit diesen Immobilienbesitzern in Verhandlung treten und ihnen anbieten, sich an der Sanierung des leerstehenden Wohnraums finanziell zu beteiligen. Im Gegenzug müssen sich die Besitzer verpflichten, ihre Immobilie nach der Renovierung langfristig und zu einem sozialen Preis der Stadt zur Vermietung zu überlassen.

Anders verhält es sich mit jenen Immobilieneigentümern, die ihren Wohnraum nachweislich aus Spekulationsgründen leer stehen oder gar verrotten lassen. In diesen Fällen muss das Zweckentfremdungsverbot unverzüglich zum Tragen kommen.

Wir hoffen, dass diese Maßnahmen dazu beitragen, den Konstanzer Wohnungsmarkt im Interesse der Bevölkerung zu entlasten, und fordern die Verwaltung zu schnellem Handeln auf.

Anke Schwede, Holger Reile
Linke Liste Konstanz (LLK)

Nazi-Monument zum antifaschistischen Denkmal umgestalten

Chérisy-Soldat1Die Linke Liste Konstanz (LLK) kritisiert seit Jahren die Untätigkeit der Stadt im Umgang mit dem Soldatenstandbild, das den Eingang zum Chérisy-Areal verunstaltet. Mehrfach haben die Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung Vorstöße beispielsweise der Konstanzer Friedensinitiative aber auch von Anwohnern ins Leere laufen lassen, die eine Auseinandersetzung mit diesem steinernen Relikt der nationalsozialistischen Barbarei forderten.

Wenn nun am kommenden Dienstag der Kulturausschuss das Thema erneut berät, erwarten wir endlich ein substantielles Ergebnis. Da aus denkmalschutzrechtlichen Gründen die Beseitigung der Statue nicht in Frage zu kommen scheint, fordert die LLK, dass das Nazi-Monument zu einem antifaschistischen Denkmal umgestaltet wird. Die von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Gedenktafel reicht dafür nicht aus. Der weichgespülte Textentwurf des Stadtarchivars Jürgen Klöckler für eine solche Tafel ist zudem völlig ungeeignet, um eine angemessene Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des verbrecherischen Regimes zu befördern. Er stuft das Standbild letztlich als X-beliebiges kunstgeschichtliches Zeugnis unter anderen ein und trägt damit mehr zur Verharmlosung als zur kritischen Auseinandersetzung bei.

Die LLK unterstützt deshalb den Vorschlag der Friedensinitiative, die eine breite öffentliche Diskussion darüber will, wie ein solches Denkmal zu gestalten wäre. An kundigen Historikern und kreativen Köpfen, die Vorschläge für eine angemessene Gestaltung erarbeiten können, fehlt es uns wahrlich nicht. Eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Wehrmacht und dem Schicksal der Deserteure sind aus unserer Sicht Themen, die aufgegriffen werden müßten.

Die Linke Liste weist außerdem darauf hin, dass das Denkmal inzwischen auch zu einem erheblichen Verkehrshindernis geworden ist. Das Wohnquartier Chérisy wächst seit Jahren, gegenwärtig entstehen zwei neue Studierendenwohnheime. Die Folge sind unter anderem ein zunehmender Rad- und Autoverkehr, dem der enge Eingangsbereich nicht mehr gewachsen ist. Eine Umgestaltung muss deshalb auch dafür genutzt werden, behindertengerechte Gehsteige und Fahrradwege anzulegen. Die ESG e.V. hat dafür Vorschläge entwickelt, die berücksichtigt werden sollten.

Anke Schwede, Holger Reile, Stadträte, Linke Liste Konstanz
Hans-Peter Koch, Marco Radojevic, Kreisräte, DIE LINKE. Konstanz

Gewerbesteuernachzahlung: Geld muss sozialem Wohnungsbau und Personal zugutekommen

Paukenschlag bei der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Donnerstag: Die Stadt Konstanz erhält eine Gewerbesteuer-Nachzahlung in Höhe von 16,3 Millionen Euro, von der voraussichtlich die Hälfte in die Stadtkasse fließen wird. Das ist das Ergebnis einer Nachprüfung des Finanzamts, das bei einem „großen Unternehmen“ – klar ist, es handelt sich um Takeda – noch einmal die Bücher geprüft hatte. Nach 2012 muss der Pharmakonzern nun also erneut Millionen nachzahlen, die er der Stadt mit Hilfe kreativer Buchführung vorenthalten wollte.

Dem Oberbürgermeister und den ihn stützenden Fraktionen gehen so langsam die Argumente für den rigiden Sparkurs der Verwaltung aus. Regelmäßig hat man die finanzielle Zukunft in den düstersten Farben gemalt und vor allem Investitionen im Sozialbereich mit dem Hinweis auf die angeblich miese Haushaltslage abgebügelt. Zwar wiegelte Stadtoberhaupt Uli Burchardt laut Südkurier bei der Ausschusssitzung gleich mit der Behauptung ab, das Geld sei „im Grunde bereits durch die Planung vervespert“, aber auch hartgesottenen Neoliberalen wie Jürgen Faden dämmert: Das Sparen werde nun wohl noch schwerer.

Die LLK-Stadträtin Anke Schwede hat auf Pressenachfrage völlig richtig umgehend zu Protokoll gegeben, die Mehreinnahmen – nach Abzug verschiedener Abgaben fließen voraussichtlich zwischen 8 und 9 Millionen ins Stadtsäckel – müssten eingesetzt werden, um “endlich soviel Personal in der Stadtverwaltung einzustellen, dass die jetzigen Angestellten entlastet werden und die Stadt ihre Aúfgaben verantwortungsbewusst erledigen kann”. Außerdem, so Schwede weiter, müsse vor allem in den sozialen Wohnungsbau investiert werden.

jüg

Uniwahlen: GOLL mit großem Zugewinn

GOLL-LogoDie Wahlen zum Studierendenparlament an der Universität Konstanz brachten ein hocherfreuliches Ergebnis für die überparteiliche Grüne Offene Linke Liste (GOLL), die sich als sozialökologisch, undogmatisch und emanzipatorisch einstuft. Die GOLL konnte bei dem Urnengang am 9. und 10. Juni ihr Ergebnis von 8,6 Prozent 2014 in diesem Jahr auf 14,4 Prozent steigern und erreichte damit den größten Zugewinn aller angetretenen Listen. Ins Studierendenparlament, es hat insgesamt 23 Mitglieder, entsendet die GOLL in dieser Legislaturperiode Marco Radojevic, Luise Schönemann und Michael Schiefelbein. Das Ergebnis ist gerade deshalb hocherfreulich, weil sich die GOLL-Kandidat_innen dafür entschieden hatten, im Gegensatz zu den anderen Listen auf Wahlkampfaktivitäten zu verzichten, um nicht auch noch die Universität der Logik der Parteipolitik zu unterwerfen.

Die GOLL wird 2015 wie schon im vergangenen Amtsjahr ihre Arbeitsschwerpunkte auf die politischen Bildung, die praktischen Flüchtlingssolidarität und die Bekämpfung des Primats der Ökonomie an der Universität legen. Wir laden jetzt schon alle anderen progressiven Listen dazu ein, gemeinsam an einer emanzipatorischen Bildung, einer politischen Studierendenschaft und dem Erhalt und Ausbau direktdemokratischer Elemente in der Studierendenschaft zu arbeiten. Diese Zusammenarbeit, die in der letzten Legislatur listenübergreifend meist hervorragend funktioniert hat, ist uns ein wichtiges Anliegen.

Kritisch wollen wir an die anderen Listen weitergeben, dass alle gemeinsam daran arbeiten müssen, die Wahlbeteiligung, sie lag bei niedrigen 10,7 Prozent, zu steigern. Nur so kann die Legitimation studentischen Engagements gestärkt werden. Wir glauben, dass sich in unserem Ergebnis auch widerspiegelt, dass Listen, die auf Kooperation statt auf kleinliche parteipolitische Außeinandersetzungen setzen, in der Studierendenschaft stärker nachgefragt werden. Deshalb sollten alle ernsthaft darüber nachdenken, ob man in Zukunft weiter Unmegen an Geld, Zeit und Papier für den Wahlkampf verschwenden will. Die GOLL jedenfalls sieht das außerordentlich gute Ergebnis als Ermutigung, ihre undogmatische links-emanzipatorische Arbeit fortzusetzen.

Marco Radojevic

Arbeitsgerichtsverfahren: Arbeiter will im Lohndumping-Fall sein Recht einklagen

Lohndumping auf Cherisy-Baustelle

Tatort Chérisy: 56 Stunden die Woche malochen für lau?

Prozessauftakt am Arbeitsgericht Radolfzell in Sachen Lohnbetrug auf einer Chérisy-Baustelle: Die Güteverhandlung zwischen Josip Knezevic, vertreten durch Rechtsanwalt Wirlitsch, und der SEN Bau GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Celic, startete mit erheblicher Verspätung und drehte sich erst einmal um eine Kündigung – über Lohndumping wird später verhandelt. Dennoch sorgte die Verhandlung für Brisanz und sogar Unterhaltung.

Wie bereits berichtet, entzünden sich die Streitigkeiten an einem Bauvorhaben im Chérisy-Areal. Die mit der Errichtung eines Wohngebäudes beauftragte Peter Grossbau GmbH hat dort als Generalunternehmer mehrere Subunternehmen mit Teilaufgaben des aufwändigen Gewerks betraut. Zu denen gehört die SEN Bau GmbH. Josip Knezevic, seit noch nicht ganz einem Jahr Mitarbeiter in diesem Unternehmen, und wohl einige weitere Kollegen beschwerten sich, dass Lohnrückstände in beträchtlichen Höhen aufgelaufen waren. Knezevic klagte daraufhin Katarina Frankovic, sprachbegabte Mitarbeiterin des DGB-Projekts „Faire Mobilität“, sein Leid und bekam Hilfe durch die engagierte Unterstützerin ausländischer Arbeitnehmer.

Wer darf die Kündigung aussprechen?

Gegenstand des Prozesses war nicht der Streit um den ausstehenden Lohn, thematisiert wurde erst einmal die Arbeitgeberreaktion: Statt den Mahnungen Knezevics nachzukommen, kündigte die SEN Bau GmbH diesen außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Gestritten wurde jetzt um die Wirksamkeit unter anderem dieser Kündigung. In einem Parallelverfahren, das für den 15.6.2015 um 16.40 Uhr am Arbeitsgericht Radolfzell angesetzt ist, macht der Kläger ausstehenden Lohn seit November 2014 (!) geltend.

Kündigungserklärungen können nicht einfach von jedermann abgegeben werden. Allein kündigungsberechtigte Personen können eine Kündigung aussprechen – eine vermeintlich selbstverständliche Tatsache. Allerdings verkompliziert sich dies, sobald ein Stellvertreter eingeschaltet wird. Im Grundsatz gilt: Für fast jedes Geschäft muss man nicht höchstpersönlich auftreten, sondern kann einen Anderen mit dessen Besorgung beauftragen. Allerdings muss man den Stellvertreter hierzu bevollmächtigen. Bei einseitigen Rechtsgeschäften, wie zum Beispiel der Kündigung, muss der Stellvertreter dem Gegenüber nachweisen – und das mit dem Original der Vollmacht –, dass eine Vollmacht bestand.

Josip Knezevic wurde ohne solch einen Hinweis gekündigt, die Kündigung wurde von Rechtsanwalt Wirlitsch unverzüglich zurückgewiesen und schon sah die Prozessgrundlage der Beklagten SEN Bau GmbH ziemlich schlecht aus.

Wer wusste wann vom ausstehenden Lohn?

Allerdings hatte diese noch eine zweite Kündigung erklärt, sodass sich die Prozessbevollmächtigten und die Vorsitzende über Vergleichsverhandlungen Gedanken machen konnten. Was im Hin und Her der Anwälte nicht zur Sprache kam: Es schien der Beklagten weit und breit an einem Kündigungsgrund zu fehlen. Stattdessen konnte man im Laufe der Erörterungen einen Anlass identifizieren: Knezevic hatte, nachdem er erfolglos Lohn von seiner Arbeitgeberin verlangt hatte, den Mut, die Peter Grossbau GmbH von den ausstehenden Löhnen zu informieren und verlangte seinen Lohn nun vom Generalunternehmer. Dies ist laut Mindestlohngesetz und Arbeitnehmer-Entsendegesetz sein gutes Recht. Für nicht gezahlten (Mindest-)Lohn hat der Generalunternehmer einzustehen.

Hierauf veranlasste die Peter Grossbau GmbH die Auflösung ihrer Geschäftsbeziehung zur SEN Bau GmbH, was dort naturgemäß nicht zum Wohlwollen gegenüber Herrn Knezevic beigetragen haben dürfte. Kurz darauf lag die erste Kündigung auf dem Tisch. Interessanterweise zeigte sich dabei eine Diskrepanz zu den Angaben der Generalunternehmerin gegenüber dem Gemeinderat. Nachdem Holger Reile, Linke Liste Konstanz, bei der Stadtverwaltung angefragt hatte, ob diese oder die beauftragte Bauunternehmerin etwas von den Problemen bei der Lohnzahlung der SEN Bau GmbH wisse, sagte die Peter Grossbau GmbH, von solchen Vorgängen würde sie vollkommen überrascht und hätte bis zur Anfrage des Stadtrats nichts gewusst. Diese Diskrepanz sollte aufgeklärt werden.

Wer bestimmt die Arbeitszeit?

Hier enden die zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalte und Prozessbeobachter geraten in ein Gewirr aus widerstreitenden Vorstellungen vom Arbeitsverhältnis zwischen der SEN Bau GmbH und Josip Knezevic.

Anwalt Celic bestritt für seine Mandantin, dass es mehrere solcher Fälle von unterbliebener Lohnzahlung gegeben habe. Unklar ist auch, wie viele Stunden pro Woche Knezevic arbeiten musste. Der Kläger behauptet, er wäre laut Arbeitsvertrag verpflichtet, 56 Std./Woche zu arbeiten. Die Beklagte trägt vor, sie würde ganz tariftreu maximal 40 Std./Woche fordern können. § 3 des Arbeitszeitgesetzes beschränkt die tägliche Arbeitszeit, mit Ausnahmen, auf maximal acht Stunden, sodass sich eine 6-tägige Arbeitswoche auf maximal 48 Stunden addieren kann. Demgegenüber scheinen im Juli und August 2014 tatsächlich gut 56 Wochenstunden abgerechnet und abgeleistet worden zu sein.

Die Streitfrage verschärft sich dadurch, dass Josip Knezevic keinen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten hat. Trotz mehrmaliger Nachfrage war die Beklagte bis zum Prozesstermin nicht in der Lage, einen schriftlichen Arbeitsvertrag vorzulegen. Strittig ist zwischen den Parteien auch die Höhe der zu zahlenden Vergütung: Knezevic sagt, er wurde auf dem Bau als Vorarbeiter eingesetzt, damit stehen ihm durch Tarifvertrag 14,20 €/Std. zu. Rechtsanwalt Celic meinte, er wäre vielmehr als Hilfsarbeiter tätig gewesen, was mit der niedrigsten Vergütungsstufe des Tarifvertrags von ca. 11 € zu entlohnen wäre.

Wie kam es zum überraschenden Vergleich?

Trotz dieser komplizierten und gerade für die Arbeitgeberin ungemütlichen Ausgangssituation einigten sich die Parteien auf einen Vergleich. Kläger Knezevic soll einen halben Monatslohn als Abfindung erhalten und das Arbeitsverhältnis zum 31.5. geendet haben. Da ja schon die Höhe des Monatslohns in Streit stand, konnte man nicht einfach einen Fixbetrag halbieren, sondern traf sich in der Mitte, was im Ergebnis 1600 € brutto bedeutet. Doch selbst diesen Betrag wollte Rechtsvertreter Celic nicht ohne Rücksprache mit seiner Mandantschaft vereinbaren, und so wurde der Vergleich unter Widerrufsvorbehalt gestellt. Sollte eine der beiden Seiten innerhalb von zwei Wochen schriftlich Widerruf beim Arbeitsgericht einlegen, trifft man sich am 21.7.2015, 12.00 Uhr zum Kammertermin.

Wenn man eine Prognose wagen darf…

Im streitigen Termin hätte die Beklagte SEN Bau GmbH wohl kaum eine Chance, siegreich aus dem Prozess hervorzugehen. Der abgeschlossene Vergleich ist wohl das Höchste, was aus solch einer verfahrenen Lage herauszuholen ist. Seit einigen Tagen bestünde Annahmeverzug, wäre die Kündigung wirksam, sodass rückwirkend einige tausend Euro an Lohnansprüchen auflaufen würden, ohne dass Josip Knezevic hätte dafür arbeiten müssen.

Für den Rechtsstreit in Sachen Lohnanspruch lässt sich festhalten: Der gesamte Prozess steht auf tönernen Füßen. Es scheint kaum eine Grundlage für eine gütliche Einigung zu geben, schließlich drohen im Hintergrund viele andere Kollegen und deren kommende Prozesse. Das gestrige Verfahren war nur der erste Streich: Wir freuen uns auf den Termin am 15.6.2015 um 16.40 Uhr und werden erneut berichten.

Simon Pschorr

Villingen: Rassisten wollen wieder marschieren

Die Grenzen verlaufen zwischen oben und untenFremdenfeindliche Kräfte verschiedenster Couleur aus der weiteren Region lassen nicht locker. Erneut hat die Rassistenvereinigung, die sich “Pegida Dreiländereck” nennt, für den 14. Juni einen Aufmarsch in Villingen angekündigt. Vor Ort rufen Antifaschist_innen wieder zur Gegenwehr auf. Die jüngsten Geschehnisse in Konstanz und Radolfzell, wo Unterstützer der Neonazi-Partei “Der dritte Weg” unter anderem Hetzpamphlete gegen Flüchtlinge in Briefkästen steckten und den 8. Mai zur Verherrlichung des Nationalsozialismus nutzen wollten, zeigen: höchste Wachsamkeit gegen die Versuche des braunen Sumpfs, sich in der Region zu etablieren, ist geboten. Wir dokumentieren den Aufruf des Offenes Antifaschistisches Treffens Villingen-Schwenningen zu Gegenaktionen am kommenden Sonntag.

Am Sonntag, den 14. Juni, will „Pegida Dreiländereck“ wieder in Villingen aufmarschieren. Dieses Mal kündigen sie allerdings anders als bisher eine Demonstration an.

In den vergangenen Wochen wurde nochmal besonders deutlich, wovor antifaschistische Kräfte schon seit Beginn der Pegida-Aufmärsche gewarnt hatten: Durch Pegida vernetzen sich nun rechte Kräfte in der Region. So hat sich am 14. Mai auf Facebook eine Gruppierung Namens „Freikorps Villingen Bodensee“ gegründet, die auch prompt am Pfingstsonntag in der Villinger Innenstadt einen Aufmarsch mit knapp 15 Personen organisierte. Mitglied dieser neuen Kameradschaft ist neben mehreren anderen Faschisten auch Tim Belz, Vorsitzender des Kreisverbands Konstanz-Bodensee der Nazipartei NPD.

Gerade deshalb ist es wichtig, den Rechten entgegenzutreten. Am 14. Juni will Pegida durch die Innenstadt marschieren und nicht mehr nur auf dem Münsterplatz ihren, von weit her angereisten, Hetzern lauschen. Mit diesem Konzept konnten sie zuletzt nur mit Promis wie Lutz Bachmann und Michael Stürzenberger die Teilnehmerzahlen halten. Wenn ihnen eine Demonstration durch die Villinger Innenstadt gelingt, gibt das den rassistischen und faschistischen Kräften in der Region Aufwind.

Darum gilt es gerade jetzt, sich den Faschisten und Rassisten entgegenzustellen und ihren Aufmarsch zu blockieren. Ob mit Sitzblockaden, Demonstrationen und anderen kreativen Aktionen – lasst uns verhindern, das Pegida am 14. Juni mit rechten Hetzparolen durch die Villinger Altstadt ziehen kann!

Anlaufpunkte für Gegenproteste am 14. Juni, jeweils ab 14:30 Uhr:
– Latschariplatz (Stadtmitte)
– Rietstraße (Höhe Franziskanermuseum)

Offenes Antifaschistisches Treffen Villingen-Schwenningen

Treffen jeden ersten Mittwoch im Monat ab 19 Uhr im Linken Zentrum Mathilde Müller (Jahnstr. 47/1, Schwenningen, Eingang Karlstr.)

www.antifatreffenvs.wordpress.com

Bankenrettung schiebt Kollaps nur hinaus

Die große Entwertung

Trenkle ist Co-Autor des 2012 im Unrast-Verlag erschienen Buchs.

Am Anfang eine gewagte These: Bankenrettung und die Wiederversorgung der internationalen Geldinstitute mit frischem, staatlichem Geld war die einzige Möglichkeit, einen Totalkollaps des Weltwirtschaftssystems aufzuschieben. Nur die Finanzwirtschaft hält das kapitalistische Wirtschaften überhaupt noch in Gang. Mit dieser Eingangsthese eröffnete Norbert Trenkle, Publizist und Mitglied des KRISIS-Kollektivs (http://www.krisis.org/), seinen Vortrag an der Universität, der im Rahmen der AStA-Ringvorlesung „Die Politik in der Krise“ (weitere Veranstaltungen hier) stattfand. Trenkle untermauerte diese These durch eine umfassende und schonungslose Analyse der herrschenden Dogmen sowohl der Politik als auch der Wirtschaftswissenschaften.

Kapitalismus als Arbeitsgesellschaft

Ausgehend von den Grundlagen der kapitalistischen Warenproduktion zeigte derer linke Ökonom auf, wie alle Wertschöpfung durch Arbeit entsteht. Arbeit generiert eine Ware, die jedoch einen von ihrem Gebrauchswert abstrakten, gesellschaftlich konstruierten (ökonomischen) Wert erhält – üblicherweise als Preis bezeichnet. Der entscheidende Faktor, um das eigene Ausgangsvermögen – das Kapital – bestmöglichst zu verwerten, ist die Arbeit, die im Kapitalismus ebenfalls als Ware gekauft und vernutzt wird. Unter dem Druck der Konkurrenz müssen deshalb immer mehr Waren von immer weniger Arbeitskräften produziert werden, um eine größtmögliche Verwertung des eingesetzen Kapitals zu erreichen.

Der Kapitalismus sieht sich also andauernd der Notwendigkeit ausgesetzt, entweder Arbeitskraft einzusparen oder die Warenmenge, beziehungsweise die Absatzmärkte, auszudehnen. Die klassische Wirtschaftswissenschaft nennt dies Erschließung neuer Märkte.

Ein historischer Schritt zu weit

Norbert Trenkle behauptet: Trotz all der bisherigen Krisen hat es der Kapitalismus bis in die 1970er Jahre hinein geschafft, sich durch immer größere Ausdehnung der realen Produktion und die Erfindung immer neuer, scheinbar notwendiger Konsumgüter am Leben zu erhalten.

In den 70ern jedoch verändern sich die Grundvoraussetzungen der Produktion schlagartig. Mit der sog. dritten industriellen Revolution wurden plötzlich zu viele Arbeitskräfte freigesetzt. Die Arbeit wird nun von Maschinen und datenverarbeitenden Systemen erbracht. Wachstum ist nun auch ohne menschliche Arbeit möglich. Dabei verliert die vertriebene Ware auch eine ihrer Kernfunktionen, nämlich die integrative Rolle, die sie für die Kommunikation und die Beziehungen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern spielt. Gleichzeitig stellt sich eine Saturierung der Absatzmärkte ein. Wer keine Arbeit hat, kann auch nichts konsumieren. Realwachstum wird plötzlich unmöglich. Norbert Trenkle formuliert es so: Der Kapitalismus wurde zu reich für sich selbst.

Placebo

Ein neues Placebo, ein neues Wachstum musste her, sonst würde der Kapitalismus an seinem eigenen Dogma scheitern: Wertschöpfung um der (Mehr)wertschöpfung willen. Dieses neue Placebo findet die globale Wirtschaft im Finanzsektor. Dort wird fiktives Kapital generiert. Mit diesem Begriff sind Werte gemeint, die nicht mehr mit bereits geleisteter Arbeit und damit mit einem real fassbaren Produkt der Arbeit zusammenhängen. Fiktives Kapital ist vielmehr die Erwartung, dass in Zukunft Arbeit erbracht und damit ein Wert geschöpft wird. Es lebt vom Vertrauen der Investoren auf die Wertigkeit und Prosperität des Unternehmens oder des Produkts, auf dem es basiert. Eine Aktie der Firma VW beispielsweise ist konzentriertes Vertrauen in zukünftiges Wachstum, d.h. zukünftige Realproduktion dieses Unternehmens.

Indem die Verkörperung dieses Vertrauens, im vorliegenden Beispiel das Wertpapier Aktie, handelbar wird, löst es sich von seinem Ausgangswert, also dem Unternehmen, und wird selbst zu einem Wert. Die Verkörperung bekommt einen Preis, der steigen, sinken stagnieren kann – und damit selbst wieder neues Kapital, also neues Wachstum generiert.

Die Krisengesellschaft ab den 1970er Jahren, so Trenkle, lebt von der fortwährenden künstlichen Schöpfung solchen Kapitals.

Grundlage: Vertrauen

Ein Einwand liegt da offensichtlich auf der Hand: Woher kommt dieses irrationale Vertrauen in zukünftige Prosperität? Wie kann jemand ernsthaft glauben, dass ein Unternehmer das zehn- oder mehrfache seines tatsächlichen Wertes jemals realisieren kann? Norbert Trenkle meint, zur Aufrechterhaltung dieses Vertrauens müsse es Anknüpfungspunkte in der Realität geben, die die berechtigte Erwartung auf gute Zeiten weckt. Um den Jahrtausendwechsel sei dies die Hoffnung auf neue Technologien wie die Bio-Chemie oder die Dotcom-Industrie gewesen. Danach hat man verstärkt auf Immobilienwerte gesetzt. Heute sind die meisten dieser Hoffnungsschimmer als irrationale Illusionen entlarvt.

Stattdessen treten vermehrt Staaten als Garanten absoluter Sicherheit ein. Diese schienen zumindest bisher als über jeden Zweifel erhaben und jedenfalls immer solvent, wenn’s hart auf hart kommt. Gleichzeitig sind die Staaten fundamental auf das Fortbestehen der Finanzwirtschaft angewiesen: Ohne die andauernde Generierung künstlichen Kapitals würde das gesamte Wirtschaftssystem zusammenbrechen, was verheerende soziale Folgen nach sich zöge. Es entsteht ein systemimmanenter Zwang, Banken zu retten und faule Kredite auf Kosten der Steuerzahler aufzukaufen.

Spätestens seit Argentinien und Griechenland steht fest: Auch Staaten bieten keine absolute Sicherheit. Diese müssen ihre Glaubwürdigkeit ab sofort durch Sparen, Sparen, Sparen nachweisen. Wissenschaftliche Grundlage: 0; Wirtschaftliche Zukunftschancen: 0; Systemerhaltung: Ausreichend, um die Krise zeitweise zu vertagen. Von diesem System profitieren einige wenige Nationen (vornehmlich Deutschland und China), deren Volkswirtschaften selbst noch im großen Stil Warenproduktion leisten und die damit als Geldgeber für die Finanzmärkte auftreten können. Doch auch diese rosige Perspektive hat nur eine kurze Zukunft. Bricht einmal das Vertrauen endgültig zusammen, wird das globale Weltwirtschaftssystem in sich zusammenstürzen, ist Norbert Trenkle überzeugt.

Statt des Systems: Ein neues Gesellschaftskonzept

Diese Logik ist zwingend, solange sich keine Alternative zum kapitalistischen Wirtschaftssystem durchgesetzt hat. Erst wenn wir gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht mehr nach den Gesetzen von Leistung und Gegenleistung, Kauf und Verkauf, also nach den Gesetzen des Marktes organisieren, werden diese Sachzwänge entfallen. Eine neue Gesellschaftsform der Solidarität, in der nach Notwendigkeit produziert wird, nicht nach maximaler Profitgenerierung, ist dafür allerdings Voraussetzung. Und dazu müsste niemand kürzer treten: Wir verfügen über genügend Arbeitskraft und Ressourcen, um für alle Wohlstand zu schaffen. Allein: Der Wunsch, mehr zu haben, als die anderen; das Bedürfnis nach dem Immer-Mehr, muss auf dem Altar der Zukunft geopfert werden.

Simon Pschorr

Technologiezentrum: Stadt und Ratsmehrheit verhökern Tafelsilber

TZKDas Konstanzer Technologiezentrum ist in die Jahre gekommen, die Sanierung des Gebäudekomplexes in der Blarerstraße dringend erforderlich. Dass die Stadtverwaltung dem Gemeinderat auf der letzten Sitzung das Thema zur Entscheidung vorlegte, war deshalb überfällig.

Dies gilt umso mehr, weil auch nach den Vorgaben des im letzten Jahr vom Rat beschlossenen städtischen Neubauprogramms Handlungsbedarf besteht: Für das Gebiet im Stadtteil Paradies sieht das „Handlungsprogramm Wohnen“ eine Mischnutzung vor – entstehen sollen dort neben Arbeitsstätten auch neue Wohnungen, angesichts der herrschenden Wohnraumknappheit auch das ein unterstützenswerter Entwicklungsansatz.

Ganz und gar nicht zu begrüßen ist jedoch, dass die Verwaltung auch in dieser Angelegenheit nach dem sattsam bekannten neoliberalen Muster verfahren will: Genuine Aufgaben der Stadtentwicklung legt man vertrauensvoll am liebsten in die Hände privater Investoren, vorgeblich um den kommunalen Haushalt zu schonen. Folgerichtig forderte die Verwaltung vom Rat deshalb ein Votum für den Verkauf des städtischen Grundstücks, auf dem das Technologiezentrum steht, an einen Privatinvestor. Eine zweite, daran angrenzende und ebenfalls städtische Fläche soll ebenfalls an den Investor gehen, der den Zuschlag erhält.

Lapidare Begründung der Verwaltung für diese Privatisierung öffentlichen Eigentums: „Da die Stadt Konstanz eine Sanierung des Gebäudes bzw. Umsetzung des dargestellten städtebaulichen Konzeptes nicht selbst realisieren kann, soll dies zweckmäßigerweise durch einen Investor erfolgen.“ Eine große Mehrheit segnete den Antrag folgsam ab. Wieder einmal votierte eine Ratsmehrheit damit für die Privatisierung eines Kernbereichs öffentlicher Aufgaben.

Die restriktive Finanzpolitik in Sachen Stadtentwicklung kann fatale Folgen haben, wie verschiedene Beispiele zeigen. Erinnert sei nur an das Kompetenzzentrum (nebenbei: selten sprach ein Name der Sache mehr Hohn), bei dem man nach ähnlichem Muster verfuhr – dort herrscht bis heute hauptsächlich gähnende Leere in den neuen Büroräumen. Diverse Anteilseigner der Investorenfirmen, die sich dort die Klinke in die Hand gaben, mögen sich mit dem Projekt eine goldene Nase verdient haben – vom erhofften frischen Wind in Sachen zukunftstechnologischer Standortförderung blieb noch nicht einmal ein laues Lüftchen.

Oder nehmen wir als weiteres Exempel den ebenfalls an Privat vergebenen Bau zweier Studierendenwohnheime auf dem Chérisy-Areal. Auch das Projekte, die in der Universitätsstadt Konstanz von nicht geringer Bedeutung für die Stadtentwicklung sind und deshalb eigentlich demokratisch gesteuert und kontrolliert gehören. Doch auch in diesem Fall haben Stadt und Ratsmehrheit die Neubauten undurchsichtigen Konsortien überlassen, von denen eines jüngst für Negativschlagzeilen sorgte, weil es nicht nur Arbeiter rechtswidrig für Elendslöhne beschäftigt, sondern in mehreren Fällen selbst darum noch betrogen hat. Die Kommunalpolitik ist in solchen Fällen weitgehend machtlos, weil sie mit der Teil- oder Komplettprivatisierung öffentlicher Aufgaben freiwillig die Zügel aus der Hand gegeben hat.

Doch Verwaltung und bürgerliche Ratsmehrheit scheint das alles nicht anzufechten – sie wollen diesen riskanten Weg unverdrossen weitergehen, wie jetzt die Pläne für das Technologiezentrum zeigen.

Dabei hätte es andere Möglichkeiten gegeben. Die Linke Liste brachte bei der Gemeinderatssitzung für das Areal eine Lösung ins Spiel, die nicht nur die städtischen Grundstücke in öffentlicher Hand belassen, sondern auch die öffentliche Steuerung des Projekts erleichtert hätte. Denn neben der lokalen Initiative „Areal 56“, bestehend unter anderem aus im Technologiezentrum angesiedelten Unternehmen, hatte auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wobak ihr Interesse an der Entwicklung des Areals angemeldet. Ideale Voraussetzungen eigentlich, sollte man meinen, für eine lokale Lösung in städtischer Regie.

LLK-Stadträtin Anke Schwede plädierte im Gemeinderat deshalb dafür, dass die Stadt mit der Wobak und „Areal 56“ über den Abschluss eines Erbbaurecht-Vertrags verhandelt, um das Modellprojekt Wohnen und Arbeiten in Kooperation zu realisieren. Eine Lösung, deren Vorteile für Schwede auf der Hand liegen: „Die Grundstücke bleiben in städtischer Hand und die Umsetzung durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft garantiert eine demokratisch legitimierte Projektsteuerung.“ So könnten Unwägbarkeiten vermieden werden, die mit der Vergabe an private Investoren verbunden sind. Die Pachtlösung würde dem Stadtsäckel auf Jahrzehnte hinaus zudem verlässlich planbare Einnahmen sichern. Matthias Heider (CDU) machte sich nach der vorhersehbaren Niederlage den LLK-Antrag zu eigen, allerdings ohne die Erbbaurecht-Klausel. Auch dieser Vorstoß scheiterte, zu verlockend war und ist offensichtlich die Aussicht, mit einem Verkauf weiteren Tafelsilbers schnelles Geld zu machen. Die bürgerliche Kommunalpolitik, die nicht nur in diesem Fall von der CDU bis zu den Grünen reicht, bleibt weiter ins Korsett neoliberaler Konzepte eingezwängt.

Jürgen Geiger