Monats-Archive: Juni 2015

Ein/e Flüchtlingsbeauftragte/r für Konstanz

Auf seiner Sitzung am Donnerstag beschloss der Konstanzer Gemeinderat, weit über den Antrag der Verwaltung hinausgehend, sofort eine 100%-Stelle für eine/n Flüchtlingsbeauftragte/n einzurichten, um die Flüchtlingsbetreuung vor allem zwischen Stadt und Landkreis zu koordinieren. Die zusätzliche Bezuschussung einer 75%-Stelle bei einem freien Träger wurde zurückgestellt, bis die/der Flüchtlingsbeauftragte der Stadt gefunden und deren/dessen Aufgabenbereich klar abgegrenzt ist.

Angesichts der dramatischen Lage der Flüchtlinge im Landkreis Konstanz und angesichts des Kompetenzwirrwarrs in Flüchtlingsfragen ist die oder der künftige Flüchtlingsbeauftragte schon jetzt nicht zu beneiden. Sie/er soll die Arbeit vor allem von Stadt und Landkreis koordinieren und – das steht allerdings noch in den Sternen – vielleicht auch die freien Träger wie Caritas oder Arbeiterwohlfahrt und die ehrenamtlich Engagierten sinnvoll mit einbeziehen.

Halbherziger Vorschlag

Bisher wird die Flüchtlingsarbeit städtischerseits von der Integrationsbeauftragten miterledigt, sie hat aber mittlerweile einen derartigen Umfang erreicht, dass die eigentliche Integrationsarbeit weitgehend darniederliegt: Aus geplanten 3% der Arbeitszeit des Integrationsbüros sind satte 75% geworden, und die Flüchtlingszahlen explodieren weiter.

Die Verwaltungsspitze hat das Problem zwar – mit einiger Zeitverzögerung – erkannt, wollte allerdings erst noch mal ausgiebig nachdenken und stellte den Antrag, „die Einrichtung einer Stabsstelle Flüchtlingsbeauftragte/r mit einem Stellenumfang von 75% zu prüfen. Das Ergebnis der Prüfung wird dem Gemeinderat zusammen mit den Ergebnissen zur Aufgabenkritik und Geschäftsprozessoptimierung im Oktober 2015 vorgelegt.“

Oktober klingt zwar nicht ganz nach Sankt-Nimmerleins-Tag, spricht aber doch dafür, dass die Verwaltung wie so oft in sozialen Fragen und wenn es um die Belange der Schwächsten der Gesellschaft geht, wenig Eile zeigt. Da sich an den Beschluss ja noch das Bewerbungsverfahren anschließt, wollte Oberbürgermeister Uli Burchardt die Stelle einer/s Flüchtlingsbeauftragen also offensichtlich erst im Jahr 2016 einrichten. Man vergesse in diesem Zusammenhang nicht, dass es dem Oberbürgermeister hingegen bei allem, was mit dem Kongresshaus zu tun hat, nicht schnell genug gehen kann und er sich dann auch nicht scheut, den Gemeinderat ganz ungehörig unter Druck zu setzen, um noch am selben Tag ein ihm genehmes Ergebnis zu erzielen.

Sofortige Lösung

Mit dieser Hinhaltetaktik kam der OB aber bei großen Teilen des Gemeinderates schlecht an. Während aus dem bürgerlichen Lager Stimmen laut wurden, man müsse die Stelle erst mal genau definieren, versicherte Bürgermeister Andreas Osner, er brauche gerade mal zwei Tage für eine vernünftige Stellenbeschreibung, die man auch der Ausschreibung zugrunde legen könne.

Der Gemeinderat hatte mehrheitlich keine Lust auf weiteres Zuwarten. Die Grünen forderten vehement eine sofortige 100%-Stelle bei der Stadt, und große Teile der SPD und die Linke Liste schlossen sich dem an. Gabi Weiner (FWK) sprach gar von einer „anderthalbjährigen Schieberei“, worauf der OB seine Hände in Unschuld wusch und dem Landkreis die Schuld gab.

Unterstützung für die Flüchtlingsarbeit

Anke Schwede (LLK) fasste die Stimmung der Mehrheit zusammen: „Unterstützung, Vermittlung und Koordination beim Thema Flüchtlinge ist unbedingt nötig. Denn erfreulicherweise gibt es in Konstanz zahlreiche Menschen, die sich für die Belange der Flüchtlinge engagieren und sich zu Initiativen und Unterstützungsgruppen zusammengeschlossen haben. Diese Stelle muss daher schnellstmöglich eingerichtet werden. Es wäre geradezu fahrlässig, bis Anfang Oktober zu ‚prüfen’, um diese Stelle dann vielleicht – je nach Ausgang der Personaldiskussion – zu schaffen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Millionen, die die Stadt Konstanz unlängst als Gewerbesteuerrückzahlung erhalten hat. Das Geld ist also da.“

In zwei Abstimmungen wurde am Ende mit jeweils großer Mehrheit beschlossen, die auf drei Jahre befristete Stelle sofort einzurichten und sie statt als 75%- gleich als 100%-Stelle anzulegen – gegen letzteres war neben der Mehrheit des bürgerlichen Lagers auch Alfred Reichle (SPD).

Brauner Mob im Internet

Holger Reile (LLK) warnte in einem Redebeitrag in diesem Zusammenhang davor, die Stimmung in der Stadt zu positiv darzustellen. Natürlich sei das Engagement vieler Einwohner_innen für Flüchtlinge zu loben, aber es gebe auch andere Stimmen: Seit Wochen seien auf den Interseiten des Südkuriers „meinungsstarke Hasstiraden“ zu lesen, die teils sogar Verknüpfungen zu rechtsradikalen Quellen enthielten oder gar die Waffen-SS lobten. Hier wüte ein brauner Mob hemmungslos gegen Schutz- und Hilfesuchende. Reile forderte Oberbürgermeister Uli Burchardt auf, gegen diese Volksverhetzung zu protestieren.

O. Pugliese

WORTLAUT | Anke Schwede: „Wir begrüßen die Einrichtung dieser Stelle sehr“

Wir alle wissen: die Zahl der Menschen, die ihre Heimat aufgrund von Kriegen, Verfolgung und eklatanter Diskriminierung verlassen müssen, steigt kontinuierlich an. Mit der wachsenden Zahl nehmen auch die Aufgaben im kommunalen Integrationsbüro und der Verwaltung zu; deshalb unterstützen wir die Einrichtung einer Stabsstelle Flüchtlingsbeauftragter. Unterstützung, Vermittlung und Koordination beim Thema „Flüchtlinge“ ist unbedingt nötig. Denn erfreulicherweise gibt es in Konstanz zahlreiche Menschen, die sich für die Belange der Flüchtlinge engagieren und sich zu Initiativen und Unterstützungsgruppen zusammengeschlossen haben.

Damit sich deren Aktivitäten nicht überschneiden und schlimmstenfalls behindern, begrüßen wir die Einrichtung dieser Stelle sehr. Ob aber eine 75%-Stelle ausreichen wird, wird sich erst in der nahen Zukunft zeigen; der Posten muss gegebenenfalls auf eine 100%-Stelle erweitert werden.

Denn dass Bedarf besteht zeigt die Tatsache, dass der auf 3% angelegte Tätigkeitsumfang im Bereich der Flüchtlingsarbeit inzwischen auf 75% angestiegen ist. Deshalb muss diese Stelle umgehend bzw. schnellstmöglich in der Verwaltung oder beim Büro der Integrationsbeauftragten eingerichtet werden. Es wäre geradezu fahrlässig, bis Anfang Oktober zu „prüfen“, um dann diese Stelle eventuell – je nach Ausgang der Personaldiskussion – einzurichten. Ich verweise an dieser Stelle auf die 16,3 Millionen, die die Stadt Konstanz unlängst als Gewerbesteuerrückzahlung erhalten hat.

Noch ein paar Worte zur Flüchtlingsunterbringung: die Linke Liste unterstützt die städtischen Pläne, auf dem ehemaligen Transco-Areal eine Erst- und im Zergle eine Anschlussunterbringung zu realisieren. Wichtig finden wir auch die Einrichtung von Gemeinschafts- und Begegnungsräumen, um das Kennenlernen und Miteinander der neuen Nachbarinnen und Nachbarn zu erleichtern.

Die schnell ansteigende Zahl der Flüchtlinge macht die Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften unumgänglich. Es ist jedoch auch anzustreben, möglichst viele der Geflüchteten dezentral unterzubringen. Das macht die Integration dieser Menschen in unsere Stadtgesellschaft wesentlich leichter. Ein aktuelles Gutachten des Büros Acocella belegt, dass es in Konstanz rund 56 000 Quadratmeter ungenutzte Gewerbeflächen gibt – davon 22 000 in städtischem Besitz; viele Gebäude stehen leer. Wir regen an, diesen Leerstand genau zu beziffern und mitzuteilen, ob zumindest einige dieser Flächen mit vertretbarem Aufwand in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden könnten.

Abschließend: eine Auflistung der leerstehenden Konstanzer Wohnungen und Wohnhäuser wäre sehr wünschenswert. Wir haben dies schon mehrmals vorgeschlagen und erneuern hiermit unsere Forderung, diese Zahl genau zu beziffern. Denkbar wäre nämlich, dass die Stadt mit den betreffenden Immobilienbesitzern in Verhandlung tritt und ihnen anbietet, sich an der Sanierung des leerstehenden Wohnraums finanziell zu beteiligen. Im Gegenzug sollen sie sich verpflichten, ihre Immobilie nach der Renovierung langfristig und zu einem sozialen Preis der Stadt zur Vermietung an Geringverdiener und Flüchtlinge zu überlassen.

Die Bevölkerung fragen? Undenkbar!

Aus gegebenem Anlass: Ein Kommentar von Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE vom 28. Juni 2015 zur Lage in und um Griechenland.

Die griechische Regierung plant eine Volksbefragung über die weiteren Kürzungsauflagen, die die Gläubiger von dem Land verlangen. Eigentlich ein vernünftiger Schritt – dem die Euro-Finanzminister eine klare Absage erteilen, allen voran Finanzminister Wolfgang Schäuble. Eine Volksbefragung jetzt findet er abwegig. Damit rückt ein Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone näher. Und die Bundesregierung demonstriert, wie sie sich Demokratie in Europa vorstellt.

fahne_akropolisNoch mal ganz in Ruhe und der Reihenfolge nach, um zu verstehen, was sich vor unseren Augen vollzieht: Um vor allem die deutschen Banken zu bedienen und die Finanzstabilität der Euro-Zone zu sichern, erhielt Griechenland seit 2010 Milliardenkredite von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Gegenzug musste es Ausgaben streichen, Steuern erhöhen, Hunderttausende Beschäftigte entlassen, die Löhne kürzen und so weiter. Es war das schärfste Kürzungsprogramm eines westlichen Staates seit dem Zweiten Weltkrieg.

Entgegen den Vorhersagen der Gläubiger führte dies in die – absehbare – Katastrophe, wie ein Rettungsring aus Blei: Die Wirtschaftsleistung Griechenlands schrumpfte um ein Viertel, die Arbeitslosenquote stieg nahezu bis 30 Prozent, ein Drittel aller Griechen gilt heute als arm. Aufwärts ging es dafür mit der Schuldenquote. Um diese Schulden zu bedienen, gaben EU und IWF immer mehr Kredite, für die sie weitere Kürzungen und Entlassungen forderten.

Im Januar 2015 kam zu Neuwahlen, bei denen das Linksbündnis Syriza gewann mit dem Versprechen, die tödliche Kürzungspolitik zu beenden und einen dringend notwendigen Schuldenschnitt einzufordern.

Monatelang wurde verhandelt. Die Gläubiger seien „frustriert“ von der griechischen Regierung, hieß es immer wieder. Das mag sein. Es mag auch sein, dass zuweilen die griechischen Delegierten ruppig auftraten, den Gläubigern Vorträge über Ökonomie hielten, keine Krawatte trugen und sich nicht mal das Hemd in die Hose steckten.

Es stimmt aber nicht, dass sich Athen in den Verhandlungen nicht bewegte. Tatsächlich ist die griechische Regierung weit auf die Gläubiger zugegangen. Der letzte Vorschlag von vergangener Woche beinhaltete so viele Kürzungen, dass zweifelhaft war, ob sie ihn überhaupt in der eigenen Fraktion und Partei durchkriegt. Doch den Gläubigern reichte das nicht, sie lehnten das Angebot ab und stellten Forderungen, die der griechischen Wirtschaft den Rest gegeben hätten. Das Volk sollte stärker belastet und Steuerhöhungen für Unternehmer gestrichen oder abgemildert werden.

Diesen Forderungen konnte die griechische Regierung nicht zustimmen. Daher will sie nun die Bevölkerung fragen, ob sie die Forderungen der Gläubiger akzeptiert. Um die Volksbefragung durchzuführen, hat Griechenland eine Verlängerung des Kreditprogramms um eine Woche beantragt. Eine Woche!

Doch die EU lehnt das ab. Mit der Volksbefragung, so heißt es von den Ober-Demokraten, sei das Vertrauen endgültig zerstört. Athen nehme die griechische Bevölkerung „in Geiselhaft“, wetterte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Eine irre Logik. Nebenbei bemerkt: Noch im Mai befand Schäuble, ein Referendum könne „sinnvoll“ sein.

Nun setzen EU und IWF die Daumenschrauben an, Kreditzusagen werden zurückgezogen, ein Euro-Austritt Griechenlands droht, besser gesagt: ein Euro-Rausschmiss. Niemand weiß, wie es jetzt weitergeht, Automatismen und Sachzwänge gibt es nicht.

Eindeutig ist jedoch die Botschaft, die die Bundesregierung an den Rest Europas sendet: Wir wollen, dass Kürzungsprogramme wie die Agenda 2010 und die massive Beschneidung des Rentensystems hierzulande als Graupause für Europa akzeptiert werden. Merkel und Schäuble verlangen, dass sich dem die anderen zu unterwerfen haben. Der Export deutscher Sozialkürzungen sei nicht verhandelbar. Es ist das alte Lied: Es gibt keine Alternative. Und eine linke oder eine soziale schon gar nicht. Das wird am Fall Syriza demonstriert – und Europa sollte genau zuhören.

WORTLAUT | Referendum in Griechenland – so geht Demokratie
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat angekündigt, die Bevölkerung Griechenlands über die Forderungen der Gläubiger per Referendum abstimmen zu lassen. “So geht Demokratie”, erklären die beiden Parteivorsitzenden der LINKEN, Katja Kipping und Bernd Riexinger.
Alexis Tsipras kämpft weiter entschlossen gegen die falsche Politik in Europa. Der Starrsinn von Bundeskanzlerin Merkel und den Institutionen, an der sinnlosen Austeritätspolitik festzuhalten, stürzt Europa in eine soziale Krise und kann die Steuerzahler in Deutschland bis zu 84 Mrd. € kosten. Dabei schwor die Bundeskanzlerin den Eid, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. Sie macht das Gegenteil! Die Fortsetzung der Austeritätspolitik, die sie im Bündnis mit den Institutionen Griechenland aufzwingen will, ist gescheitert. Alexis Tsipras hat mit dem Referendum eine demokratische und weise Antwort auf das undemokratische Troika-Unwesen gefunden. Jetzt sprechen diejenigen, die von den Kürzungsdiktaten der Institutionen auch betroffen sein werden. EU-Eliten aufgepasst, so geht Demokratie! Die deutsche Bundeskanzlerin und die Technokraten der Institutionen müssen endlich begreifen, dass die Menschen über ihr Schicksal entscheiden müssen und nicht die Banken. Als deutsche LINKE werden wir Druck auf die Bundesregierung machen, die demokratische Entscheidung der Griechinnen und Griechen zu respektieren.

LLK-Stadtrat: “Unerträgliche Volksverhetzung” beim Südkurier nicht mehr zulassen

Gegen RassismusMit einer nicht ganz alltäglichen Bitte wandte sich LLK-Stadtrat Holger Reile bei der letzten Gemeinderatssitzung an seine Ratskolleg_innen und den Oberbürgermeister. Er bat sie, auf die Verantwortlichen beim Südkurier einzuwirken, fremdenfeindliche Hassbotschaften wie sie auf den Online-Seiten der örtlichen Tageszeitung seit Monaten als Kommentare erscheinen, künftig nicht mehr zu zuzulassen. Sein Appell:

WORTLAUT | Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
aus aktuellem Anlass möchte ich Sie und auch uns alle bitten, zu intervenieren. Es geht um Folgendes: Seit Monaten treiben anonyme Hassprediger auf den Online-Seiten der hiesigen Tageszeitung ihr widerliches Unwesen– die seriös berichtenden Kolleginnen und Kollegen aus der Printabteilung haben damit nichts zu tun und seien von meiner Kritik ausgenommen. Vor allem wenn es um das Thema Flüchtlinge geht, werden Kommentare frei geschaltet, die rassistischer und menschenverachtender kaum sein könnten. Von, Zitat, „afrikanischen und kosovarischen Sozialtouristen“ war da die Rede, und auch davon, dass Romafamilien nur zu uns kämen, um uns – ebenfalls Zitat „auszurauben und zu bestehlen“. Ganze Ethnien werden seit Wochen aufs übelste verunglimpft und diskriminiert.

Vorletzte Woche war übrigens zu lesen, Zitat: „Vergewaltigung ist bei Afrikanern ein Volkssport“. Dazu ließ die Redaktion Linkverweise auf rechtsradikale Publikationen zu und erlaubte Werbung für Pegida. Nach Angabe der Verlagsleitung erreicht die Online-Ausgabe täglich mehr als 20 000 Leserinnen und Leser. Äußerungen der übelsten Art blieben oft tagelang stehen und wurden erst später gelöscht. Doch Kontrollfunktionen scheint es bei der zuständigen Redaktion nicht zu geben: Letzte Woche durfte ein rechtsradikaler Schmutzfink in aller Breite sogar die Waffen-SS verherrlichen. Die Belege liegen vor, falls Sie Einsicht nehmen wollen.

Es ist selbstverständlich einer freien Presse überlassen, was sie veröffentlicht und was nicht und da verbietet sich weitgehend eine Einmischung. Aber was auf den Online-Seiten frei geschaltet wurde und zum Teil immer wieder Eingang findet, hat rein gar nichts mit Meinungsvielfalt oder Pressefreiheit zu tun. Hier hetzt ein brauner Mob im Dickicht der Anonymität gegen Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen. Konstanz versteht sich dankenswerter Weise als offene und liberale Kommune, die sich eine Willkommenskultur auf die Fahnen geschrieben hat und auch wir in diesem Gremium haben eine Resolution gegen Rassismus und völkischen Nationalismus beschlossen.

Aus diesem Grund, Herr Oberbürgermeister, wollte ich Sie bitten, bei der Verlagsleitung gegen diese Art von unerträglicher Volksverhetzung zu protestieren und darauf zu drängen, dass diesem Tun endgültig ein Riegel vorgeschoben wird.

red

Sperrzeiten: Auch LLK stimmt für Kompromiss – DGB gegen Verlängerung der Öffnungszeiten

Auf der letzten Gemeinderatssitzung wurde (hoffentlich) abschließend das Thema „Verkürzung der Sperrzeiten in der Konstanzer Gastronomie“ behandelt. Nach der kontrovers im Haupt- und Finanzausschuss geführten Debatte stimmte der Rat nun mehrheitlich für den Kompromiss der Freien Wähler, der eine Verlängerung der Öffnungszeiten von zwei auf drei Uhr in der Nacht auf Samstag im linksrheinischen Stadtgebiet ermöglicht. Zudem können Biergärten künftig nicht nur von Juni bis August, sondern auch im Mai und September bis Mitternacht besucht werden. Auch die Linke Liste stimmte für diesen Kompromiss.

Ursprünglich hatte das JFK eine weitgehende Verlängerung der Kneipenöffnungszeiten beantragt. Für uns stehen aber klar die Interessen der ArbeitnehmerInnen und Innenstadt-BewohnerInnen im Vordergrund, denn deren Belastung durch Nachtarbeit bzw. eine ungestörte Nachtruhe haben für uns eine größere Bedeutung als die Feierlust von NachtschwärmerInnen. Deswegen forderten wir auf der gemeinderätlichen Sitzung im März und der Mai-Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses auch eine Stellungnahme des DGB ein, die die Stadt für die aktuelle Debatte nun vorlegte. Hier der Text des DGB-Kreisvorsitzenden Klaus Mühlherr im Wortlaut:

WORTLAUT | Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Anträgen auf Änderung der Sperrzeitrechtsverordnung. Als satzungsgemäß zuständiges Gremium des DGB äußert sich der Vorstand des DGB Kreisverbands Konstanz wie folgt:

lm Hinblick auf die Belange der Arbeitnehmer_innen in der Gastronomie lehnt der DGB-Kreisvorstand Konstanz eine Einschränkung der Sperrzeiten bzw. eine Ausweitung der Öffnungszeiten ab.

Nachtarbeit ist der Gesundheit abträglich und sollte daher so weit als möglich vermieden werden. Eine Notwendigkeit der Ausdehnung der Nachtarbeit in der Gastronomie in Konstanz können wir jedoch nicht erkennen. Zudem ist zu bedenken, dass der Alkoholpegel bei Gästen im Laufe des Aufenthalts in der Gaststätte in der Regel steigt, was die Arbeitssituation von Gastronomie-Beschäftigten verschlechtert. Eine Ausweitung der Öffnungszeiten in die frühen Morgenstunden würde auch diese Belastung erhöhen.

Die Antragsteller begründen ihr Anliegen mit ,,Erhalt und Förderung der Lebensqualität“ in der Stadt. Dem ist entgegenzuhalten, dass zur Lebensqualität in der Stadt auch zählt, ob die Innenstadt ein attraktiver Wohnort für diejenigen bleibt, die ein Mindestmaß an Nachtruhe brauchen und früh aufstehen müssen, z. B. Familien mit Kindern, Erwerbstätige etc. Dass die Zahl derjenigen, die auch am Samstag bzw. auch an Samstagen und Sonntagen arbeiten, nicht unbeträchtlich ist, ist vielen oft nicht bewusst (z. B. in Handel, Pflege, Verkehrsbetrieben, Krankenhäusern, Gastronomie, Polizei etc.). Da nicht zu erwarten ist, dass der Nachhauseweg bei längeren Öffnungszeiten von den Gaststättenbesucher_innen geräuschlos angetreten wird, ist von einer deutlich längeren Lärmbelastung der Anwohnerinnen und Anwohner auszugehen. Auch aus diesem Grund sprechen wir uns für die Beibehaltung der derzeit geltenden Sperrzeiten aus.

Mit freundlichen Grüßen, Klaus Mühlherr

red

 

Straße in Konstanz behält den Namen eines Kriegsverbrechers

General_von_EmmichDen Beschluss, die Von-Emmich-Straße in Georges-Ferber-Straße umzubenennen, hatte der Konstanzer Gemeinderat nach jahrelangem Hin und Her bereits mehrmals gefasst, zuletzt vor drei Jahren. Umgesetzt wurde dieser Beschluss jedoch bis heute nicht. Die Verwaltung verwies auf den Widerstand einiger Anwohner_innen, die den Aufwand und die Kosten für die fällige Adressänderung nicht tragen wollten. Inzwischen wären durch die Neubaumaßnahmen im Quartier um die 300 Bewohner_innen und mehrere Gewerbebetriebe von der Maßnahme betroffen. Insbesondere in den bürgerlichen Fraktionen mögen Einzelne auch mit der Einordnung des Generals als Kriegsverbrecher nicht einverstanden gewesen sein.

Nun stand das Thema am Donnerstag wieder auf der Tagesordnung einer Ratssitzung. Die Straßenbennungskommission, in die man den Fall verwiesen hatte, votierte zuvor erneut für die Umbenennung der Straße, eine Hinweistafel sei nicht ausreichend. Eine Mehrheit des Ratsgremiums sah das am Donnerstag anders. 22 von 34 anwesenden Räte lehnten den Antrag ab. Mehrheitlich angenommen wurde lediglich der alternativ zur Abstimmung gestellte Antrag, die Straßenschilder mit einer Hinweistafel zu versehen.

Die Linke Liste hatte sich von Beginn an dafür eingesetzt, den Namen des Militaristen von Emmich aus dem Konstanzer Straßenbild zu verbannen. Sie fordert darüberhinaus eine finanzielle Unterstützung der Anwohner durch die Stadt, damit die nicht auf den anfallenden Kosten sitzen bleiben. LLK-Stadtrat Holger Reile begründete auf der Sitzung nocheinmal, warum er dafür ist, den Namen von Emmich aus dem Stadtbild zu tilgen.

„Die Diskussion über die Umbenennung der von Emmich-Straße hat sich im Laufe der Jahre zu einem Dauerbrenner entwickelt. Ich möchte nicht nochmal alles aufzählen, erinnere aber daran, dass dieser Rat hier vor über drei Jahren eine Umbenennung mehrheitlich beschlossen hat. Sie wurde dann aber nicht umgesetzt, die Gründe waren meiner Meinung nach mehr als fadenscheinig. Die Straßenbenennungskommission hat sich erneut damit beschäftigt und ebenso erneut eine Umbenennung empfohlen. Wir, die Linke Liste, werden auch heute für eine Umbenennung stimmen, denn der bürokratische Aufwand für die Anwohner ist unserer Meinung nach verkraftbar und zweitrangig.

Noch einige Anmerkungen zum Thema. Schauen wir über unseren lokalen Tellerrand hinaus und stellen folgendes fest: Gerade die weltweite aktuelle Situation ist Anlass genug, die Namen sogenannter Kriegshelden, an deren Händen viel Blut klebt, aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. An allen Ecken und Enden auf diesem Globus werden Kriege geführt – Millionen Menschen sind auf der Flucht, weil ihre Heimatländer in Schutt und Asche gelegt werden und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Im Gegensatz dazu reibt sich die internationale Waffenindustrie, ganz vorne mit dabei auch die deutsche, genüsslich ihre Hände und verzeichnet gigantische Umsatzzuwächse bei ihrem Geschäft mit Elend, Tod und Verderben.

Die Machtblöcke auf beiden Seiten rüsten zur Zeit in einem unverantwortlichen Maß auf, wie man es sich vor kurzem noch gar nicht hat vorstellen können. Neue Atomwaffen sollen auch in Europa stationiert werden und wer glaubt, wir näherten uns lediglich dem Kalten Krieg, hat die Zeichen dieser unseligen Zeiten nicht verstanden – denn die Skrupellosigkeit der Kriegstreiber und ihrer Profiteure hat längst dazu geführt, dass wir uns in einer Situation befinden, die meiner Meinung nach gefährlicher nicht sein könnte und die jederzeit eskalieren kann.

So gesehen hat für mich die Umbenennung dieser kleinen Straße, tief im Südwesten unseres Landes durchaus Symbolcharakter, vielleicht vergleichbar mit dem alten Spruch der Friedensbewegung, die einst Schwerter zu Pflugscharen machen wollte und darüberhinaus erklärte, sie würde heute noch einen Apfelbaum pflanzen, auch wenn sie wüsste, dass morgen diese unsere Welt aus den Angeln gehoben wird.

Sie mögen diesen Hinweis pathetisch nennen – finden Sie ihn auch verfehlt, frage ich Sie alle. Und ja, es stimmt: Ich will die Namen der von Emmichs und die vieler anderer nicht mehr lesen und bitte Sie hiermit eindringlich, der Umbenennung ein zweites Mal zuzustimmen.“

DOKUMENTIERT | Wer etwas über den deutschen General von Emmich erfahren will, kann sich unter anderem beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam kundig machen, das nicht gerade im Verdacht linker Nestbeschmutzung steht. Dort heißt es: „Als General der Infanterie und Kommandierender General des X. Armee-Korps war Emmich an dem völkerrechtswidrigen Überfall auf Belgien beteiligt. Bei den von ihm geführten Kämpfen um die Festung Lüttich (Liège) im August 1914 sowie beim weiteren Vormarsch der deutschen Truppen kam es zu Ausschreitungen gegen und Hinrichtungen von Zivilisten durch deutsche Soldaten, die in der neueren Forschung als kriegsvölkerrechtswidrig gewertet werden.“

jüg / Bild: Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv, Freiburg via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Zelte, Turnhallen, Container – Flüchtlingselend wächst – Unterkünfte fehlen – jede Hilfe willkommen

Die Lage ist dramatisch: Die Zustände in vielen Ländern Europas und der angrenzenden Gebiete treiben immer mehr Menschen in die Flucht. Für die Stadt und den Landkreis Konstanz heißt das, eine rasant steigende Zahl an Flüchtlingen teils langfristig und möglichst auch menschenwürdig unterbringen zu müssen. In der Gemeinderatssitzung am Donnerstag gab die Verwaltung einen Überblick über ihre Sicht auf die hochdramatische Lage.

Der Föderalismus in Deutschland zeigt seine teils skurrilen Seiten bei der Unterbringung der Flüchtlinge sehr deutlich: Zuständig für die Schaffung von Erst- wie auch Anschlussunterkünften sind am Ende die Landkreise und Kommunen, und da die Landkreise als reine Verwaltungseinheiten keine eigenen Grundstücke besitzen, ist es Aufgabe der Städte und Gemeinden, den Landkreisen Grundstücke zur Verfügung zu stellen, auf denen die Landkreise Gebäude etwa für Flüchtlinge errichten können.

Da die Städte und Gemeinden die Landkreise über eine Kreisumlage finanzieren, sorgen sie indirekt auch für die Finanzierung der Gebäude und sonstigen Unterbringungskosten für die Flüchtlinge. Dafür wiederum erhalten sie und/oder die Landkreise von Bund und Ländern bestimmte Mittel, die aber von hinten bis vorn kaum für eine menschenwürdige Unterbringung dieser oft traumatisierten Menschen ausreichen. Diese zerstörten Menschen, die teils direkt aus Kriegsgebieten kommen, werden zusätzlich auch noch von der Arbeiterwohlfahrt, der Caritas und anderen „freien Trägern“ betreut, die dafür aber wieder bei Kreisen und Kommunen kassieren – glauben Sie bloß nicht, dass die das umsonst tun oder gar Rabatt geben – aber immerhin, sie tun, was sie können, und wovor sich die Kommunen gern drücken. Verstehen Sie dieses System? Ich auch nicht.

Konstanz bleibt seinen Anteil bisher schuldig

Im Idealfall sollen alle Städte und Gemeinden eines Landkreises einen gleichen Anteil leisten, und Konstanz als größte Kommune des Landkreises Konstanz muss dementsprechend 1/3 der dem Landkreis zugewiesenen Flüchtlinge aufnehmen. Das aber tut die Stadt bisher nicht, und jetzt wird es allerhöchste Zeit, dass sie dem Landkreis entsprechende zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten und Grundstücke anbietet.

Oberbürgermeister Uli Burchardt erklärte, die Konstanzer Bürgerinnen und Bürger seien durchaus zur Integration der Flüchtlinge bereit und auch ehrenamtlich sehr rührig. Aber Konstanz habe Raumprobleme wie kaum eine andere deutsche Stadt. Er nahm zuerst einmal den Bund in die Pflicht, indem er schnellere Asylverfahren forderte und beklagte, dass auch abgelehnte BewerberInnen sowie Flüchtlinge aus [angeblich] sicheren Herkunftsländern praktisch überhaupt nicht „rückgeführt“ würden, und das seien rund 40% der Flüchtlinge; in Konstanz sei sogar eine Person aus Spanien darunter, die man nicht wieder loswerde. Er forderte Bund und Länder auf, diese Menschen schnell abzuschieben, da sie echten Kriegsflüchtlingen den Platz wegnähmen. Dass Uli Burchardt hier die angeblichen Scheinasylbewerber vom Westbalkan gegen die Kriegsflüchtlinge aus Syrien ins Feld ausspielte, war sicher keine seiner Sternstunden.

Es fehlen 300–400 Plätze

Er betonte, dass angesichts des Drucks, in diesem Jahr in Konstanz noch 300–400 zusätzliche Unterbringungsplätze zu schaffen, keine Zeit für Verhandlungen mit privaten Grundstückseigentümern mehr sei und nur Flächen im städtischen Besitz für neue Flüchtlingsunterkünfte in Frage kommen. Aufgrund der verschiedenen rechtlichen Bestimmungen für Flüchtlingsunterkünfte und Wohnungsbau könnten dies auch Flächen sein, die für das städtische Handlungsprogramm Wohnen ohnehin nicht in Betracht kommen, so dass hier keine Konkurrenzsituation vorliege.

Die Stadt hat jedenfalls eine neue zentrale E-Mail-Adresse eingerichtet, unter der Bürger auf Wohnraum hinweisen können, der leer steht, oder der Stadt Wohnraum für Flüchtlinge anbieten können: wohnraumvorschlag@konstanz.de.

Umbau auf Transco-Gelände dauert

Kristine Hanke vom Amt für Stadtplanung und Umwelt belegte nochmals die Dramatik der Situation: Konstanz soll bis zum Jahresende 620 Unterbringungsplätze nachweisen, kann bisher aber in Steinstraße und Luisenstraße nur knapp die Hälfte davon anbieten. Den Rest gibt es schlichtweg nicht, und das Jahr hat nur noch sechs weitere Monate. Man braucht zwei Typen von Unterkünften: 1. Gemeinschaftsunterkünfte in größeren Einheiten für die Erstunterbringung, 2. Wohnungen für die mehr oder weniger dauerhafte Anschlussunterbringung (in der Regel nach 24 Monaten). Bisher hat man auf dem Transco-Gelände an der Max-Stromeyer-Straße ein leerstehendes Gebäude für 80-100 Flüchtlinge gefunden, aber bis das Ding hergerichtet ist, wird wenigstens ein Jahr vergehen.

Dieses Gebäude, so ergänzte Thomas Stegmann, der Leiter des Hochbau- und Liegenschaftsamtes, ist ein altes Wehrmachtsgebäude, in das der Landkreis, denn der ist der Bauherr und (s.o.) für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig, Räume, Küchen, Bäder, Fluchtwege usw. einbauen muss, und mit dem Bauantragsverfahren dauere das gut 12 Monate oder mehr. Am Mühlenweg/Zergle können etwa 20 Wohneinheiten für 70-80 Menschen entstehen, aber auch diese Baumaßnahme wird etwa 12 Monate dauern. Deshalb suche die Stadt schon jetzt nach Flächen für eine „temporäre Bauweise“. „Temporäre Bauweise“ hört sich zwar eher nach einem nicht sommertauglichen Iglu an, meint aber etwas anderes: Man will die Flüchtlinge in Containern unterbringen, die sogar wintertauglich sein sollen.

Zelte und Turnhallen

Uli Burchardt gab zu: „Bei Gemeinschaftsunterkünften hängen wir in der Luft.“ Angesichts der Dringlichkeit der Unterbringung in den nächsten Monaten gab es aus vielen Richtungen zahlreiche Vorschläge, Jürgen Puchta (SPD) brachte die zeitweilige Nutzung von Flächen des Landes ins Gespräch, etliche Gemeinderätinnen und -räte plädierten für das Aufstellen von Containern oder die Anmietung und den Umbau von Flächen im Telekom-Hochhaus. Aber selbst hier warnte Uli Burchardt, als er auf die Nachfrage von Gabi Weiner (JFK), ob es denn eine Lösung bis Jahresende gebe, in den Saal rief: „Nein, selbst für Container braucht man eine Infrastruktur, Fundamente, Wasserversorgung, Strom und so weiter, das dauert. Wir haben nur Zelte und Turnhallen!“

Anke Schwede (LLK) forderte daraufhin einmal mehr eine Aufstellung der in Konstanz leerstehenden Wohnräume und Gewerbeflächen und schlug vor, die Stadt möge sich an der Renovierung von Wohnraum auch für Flüchtlinge beteiligen und dafür den Besitzern eine langfristige Sozialbindung auferlegen. Außerdem forderte sie eine menschenwürdige Flüchtlingsunterbringung, unter anderem mit Begegnungsräumen.

Dass daraus nichts wird, ist klar: Sozialbürgermeister Andreas Osner meinte, dass Gemeinschaftsräume die ohnehin knappen Kapazitäten überfordern würden (derzeit rechnet die Verwaltung mit 4,5 Quadratmetern für einen Flüchtling, ab 1. Januar 2016 muss sie mit 7 Quadratmetern rechnen). Immerhin: Osner sagte es mit hörbarem Bedauern in der Stimme.

Wer hat gepennt?

Man kann sich die Frage stellen, wer hier versagt hat: Die Stadt, der Landkreis, das Land, der Bund, die Weltgemeinschaft? Hat auch nach den Erfahrungen seit 2001 in Afghanistan niemand gesehen, was passieren wird, wenn man noch weitere Länder und Regionen wie jene des Nahen Ostens komplett destabilisiert? Waren auf den verschiedenen Ebenen Raffgier, Rachedurst, Blindheit und Mordlust wirklich so verbreitet, dass niemand an die Opfer dachte, die (oft genug vergeblich!) versuchen würden, ihr Leben und das ihrer Kinder zu retten? Konnte niemand dieses Problem ahnen? Doch! Aber der Konstanzer Gemeinderat hat dieses Scheißelend nur zu verwalten und zu mildern, er hat nicht über Krieg und Frieden zu befinden.

Natürlich ist Uli Burchardt zuzustimmen, als er alle Versuche etwa von Andreas Ellegast (CDU) abbügelte, den Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge zugunsten von Konstanz ändern zu wollen: Singen, Engen und Stockach hätten ihre Quote bisher deutlich übererfüllt und jetzt sei Konstanz gefragt. Letztlich sei es aber Aufgabe des Landkreises und nicht der Stadt, leere Immobilien in Konstanz anzumieten oder Grundstücke zu bebauen, die Stadt könne dabei nur assistieren.

Ein weiteres Problem, das Flüchtlinge ganz besonders trifft, benannte er aber auch für einen CDU-Oberbürgermeister ungewöhnlich deutlich: Die Immobilienbesitzer. „Da sind“, und dies ist O-Ton Uli Burchardt, „manche Krisengewinnler unterwegs, die ganz ungeniert zulangen“. Immobilienspekulanten ist die Zwickmühle der Kommunen klar, und da versucht so mancher, seine Schrottimmobilie dem Landkreis gegen pures Gold anzudienen.

Für einen CDU-Oberbürgermeister nicht verwunderlich, vergaß Uli Burchardt allerdings, die logische Konsequenz zu erwähnen: Die sofortige Enteignung dieser Spekulanten zu fordern, die mit dem Flüchtlingselend einen Reibach machen wollen.

O. Pugliese

Klinikprotest: 300 von 162 000

seemoz-Krankenhaus-ver.di-009300 Beschäftigte zogen gestern vor das Konstanzer Kliniktor: Krankenschwestern, Pfleger, auch Ärzte und Auszubildende, wenige Patienten und immerhin ein Geschäftsführer. Bei der größten Protestaktion vor deutschen Krankenhäusern im ganzen Land ging es um bessere Personalausstattung und humane Arbeitsbedingungen.

Hannes Hänsler vom Betriebsrat (BR) fasste die Forderungen der Gewerkschafter zusammen:
► Gesetzliche Personalbemessung jetzt,
► Einhaltung der Pausen und des Gesundheitsschutzes,
Schichten sollen mit mindestens zwei Pflegefachpersonen besetzt werden,
► die Bundesländer müssen wieder für eine ausreichende Finanzierung sorgen.

Und diese Forderungen unterstützte sogar Geschäftsführer Rainer Ott, der nach einigen Irritationen im Vorfeld nicht nur doch noch an der Protestaktion teilnahm, sondern vor den fast 300 DemonstrantInnen an die Politiker appellierte, „endlich für genügend Mittel zu sorgen, damit die Beschäftigten ohne schlechtes Gewissen gute Arbeit machen können.“

162 000 Beschäftigte fehlen nach Berechnungen der Gewerkschaft ver.di an deutschen Krankenhäusern  – 162 000 Nummerntafeln wurden darum im ganzen Land verteilt, damit die protestierenden Beschäftigten den Mangel sichtbar machen konnten. 124 solcher Schilder hatte der Betriebsrat am Konstanzer Klinikum verteilt, weil dort 124 Stellen unbesetzt sind. BR Hänsler rechnete nach: Mehr als die Hälfte der Demonstranten bekam keine Tafel mehr ab – hochgerechnet ergibt das 300 Protestierer.

In Radolfzell, Singen und Tuttlingen, am Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen und Donaueschingen, bei der Helios-Klinik in Rottweil und der SRH Klinik in Oberndorf  – überall dasselbe Bild. In ganz Deutschland wurde der Pflegenotstand (be)greifbar gemacht. Und auch Kommunalpolitiker demonstrierten mit. In Konstanz waren mit Normen Küttner (FGL) und Markus Nabholz (CDU) sogar zwei im Pflegedienst beschäftigte Stadträte unter den ProtestiererInnen. Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di nahmen allein in Baden-Württemberg 90 Krankenhäuser mit bis zu 15 000 Beschäftigten teil.

Hintergrund der Proteste ist die Enttäuschung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Krankenhausreform. Ver.di kritisiert, die bis zu 660 Millionen Euro, die die Kliniken bis 2018 für zusätzliches Pflegepersonal bekommen sollen, seien kaum ein Zehntel des eigentlich benötigten Geldes.

hpk

Stadträtin und Bundesvorsitzender als Spitzenduo der Linken für die Landtagswahl

Akbulut-RiexingerDie Mannheimer Linke-Stadträtin Gökay Akbulut und der Linke-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger sollen Spitzenkandidat_innen für die baden-württembergische Landtagswahl im März 2016 werden. Das hat der Landesvorstand der Partei bei einer Pressekonferenz am 19. Juni bekanntgegeben. Landesgeschäftsführer Bernhard Strasdeit sagte, mit der Wahl des Spitzenduos werde deutlich, „dass wir entschlossen sind, die 5%-Hürde zu nehmen und dass die gesamte Partei, bis hin zur Parteispitze, überzeugt ist, dieses Ziel zu erreichen und in den baden-württembergischen Landtag einzuziehen.“

Strasdeit weiter: „Beide haben einen Lebenshintergrund und einen politischen Erfahrungsschatz, der uns für die zukünftige Arbeit im Landtag sehr wichtig ist.“ Die 32-jährige Gökay Akbulut – sie arbeitet bei einem Bildungsträger als Projektmitarbeiterin und als Dozentin – sei als Kommunalpolitikerin in Mannheim, einer Stadt mit vielen sozialen Brennpunkten, prädestiniert für diese Aufgabe. Nicht zuletzt auch, weil sie sich mit ihrem kurdisch-alevitischen Hintergrund für Intergration und Teilhabe von Migrant_innen einsetze, gegen Rassismus und gegen Ausgrenzung. Und Bernd Riexinger (59) habe es als Gewerkschafter von der Pike auf zu tun gehabt mit den Interessen von abhängig Beschäftigten. „Von Menschen, die darauf angewiesen sind, dass der gesellschaftliche Reichtum nicht nur oben ankommt, sondern auch bei ErzieherInnen, bei Pflegekräften, bei VerkäuferInnen und bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst.“

Der Bundesparteivorsitzende Riexinger selbst sieht gute Chancen für einen Einzug in den Stuttgarter Landtag. In einem Interview mit der „Kontext:Wochenzeitung“ verwies er auf die aktuellen Umfragen, in denen die Linke zwischen vier und fünf Prozent liegt. „Viele Wähler, insbesondere der Grünen und der SPD, sind enttäuscht. Viele haben bei der letzten Wahl taktisch gestimmt“, um den CDU-Ministerpräsidenten Mappus zu verhindern. Diesmal, so der Linkenpolitiker, „können die Leute völlig unbeschwert entscheiden“.

Nachdem der Politikwechsel durch Grün-Rot ausgeblieben sei, „braucht dieser Landtag dringend einen roten Farbtupfer, sprich eine Opposition, die ihren Namen verdient“. Den Ministerpräsidenten Kretschmann bezeichnete der Linkenpolitiker als „grüne Inkarnation von Erwin Teufel“, dessen Popularität zwar unbestritten sei. „Das heißt aber nicht, dass 72 Prozent der Baden-Württemberger mit seiner Politik einverstanden sind. Hören die Hartz-IV-Empfänger, die Niedriglöhner, die Erwerbslosen ein Wort von ihrem Ministerpräsidenten? Lieber spricht er mit den Bossen über Hightech in Silicon Valley.“ In ihrer Politik komme seine Partei als grüne FDP daher und habe mit sozialer Gerechtigkeit nichts mehr gemein.

Bereits zuvor hatte die Südwest-Linke eine weitere Personalie bekanntgemacht. In Stuttgart soll Hannes Rockenbauch für den Landtag kandidieren, Stadtrat und über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus bekannter Stuttgart21-Kritiker. Der 34-jährige Diplomingenieur hatte 2012 bei der OB-Wahl in der Landeshauptstadt mehr als 10 Prozent der Stimmen geholt.

jüg

Bernd Riexinger zu seiner Landtagskandidatur.

Film: „Sí, se puede! Sieben Tage bei der PAH“

PAH1Die neugegründete Konstanzer Gruppe der Roten Hilfe zeigt am kommenden Dienstag im Treffpunkt Petershausen einen Dokumentarfilm über die neue Massenbewegung gegen Zwangsräumungen in Spanien. Danach laden die Veranstalter_innen dazu ein, über Widerstandsformen, Beispiele der Selbstorganisation und kollektive solidarische Strukturen zu diskutieren.

Die Plattform der Hypothekengeschädigten PAH (Plataforma de Afectados por la Hipoteca) gründete sich 2009 in Barcelona um Widerstand gegen Zwangsräumungen zu organisieren. Sie ist heute eine der wichtigsten Organisationsstrukturen der gesellschaftlichen Mobilisierung gegen die Krise in Spanien. Mit dem Ausbruch der Immobilienkrise hatte eine Welle von Zwangsräumungen durch Spanien zu rollen begonnen. Zuvor waren Menschen jahrzehntelang von Politik und Banken zum Erwerb von Wohneigentum auf Hypothekenbasis gedrängt worden. Mit der Krise schnellten nicht nur die Hypothekenraten in die Höhe, ihre Folgen führten auch dazu, dass viele ihre monatlichen Raten nicht mehr zahlen können. Das Ergebnis sind bis heute hunderttausende Zwangsräumungen im gesamten Land (von über 550.000 diesbezüglichen Anordnungen ist die Rede).

Mittlerweile gibt es die PAH in über 200 Städten in Spanien. Die PAH versteht sich als horizontal und nicht hierarchisch organisierter Zusammenschluss von lokalen Plattformen, in denen Betroffene und mit diesen solidarische Menschen vor Ort zusammenarbeiten. Teilnahme und Mitarbeit setzen keine Mitgliedschaft voraus sondern basieren auf dem Prinzip der Asamblea. Die PAH verhindert Zwangsräumungen, eignet sich leerstehende Gebäude an, organisiert nachbarschaftliche Solidarität, entwickelt Aktionen und Kampagnen und beteiligt sich an den spanischen Krisenprotesten.

Eine besondere Aktualität bekommt der Film durch den Wahlsieg von Ada Colau, die bei den spanischen Kommunalwahlen am 24. Mai 2015 als Spitzenkandidatin für das Wahlbündnis Barcelona en Comú (Barcelona vereint) antrat. Ada Colau war eine der Gründerinnen der PAH und ist seit dem 13. Juni 2015 Bürgermeisterin von Barcelona. In dem Film, der die PAH Barcelona über sieben Tage begleitet, wird Ada Colau in verschiedenen Interviewbeiträgen zu hören und zu sehen sein.

PM/red

Dienstag, 23. Juni, 19 Uhr, Konstanz, Treffpunkt Petershausen
„Sí, se puede! Sieben Tage bei der PAH“

Dokumentarfilm (50 Min.) über die neue Massenbewegung gegen Zwangsräumungen in Spanien

Wohnungspolitische Irrfahrt der Landesregierung mit Folgen für Konstanzer Mieter_innen

Auch die Mieter_innen von rund 400 Konstanzer Wohnungen sind von einem Milliardendeal der Südewo-Gruppe mit der Deutsche Annington AG betroffen. Erst vor drei Jahren hatte die Landesregierung grünes Licht für den Verkauf von 19.500 Wohnungen in öffentlichem Besitz – sie gehörten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) – an die Investoren-Gruppe unter Führung der Patrizia AG gegeben. Das Augsburger Unternehmen hatte beim Erwerb versichert, die Wohnungen langfristig bewirtschaften zu wollen. Mit dem Weiterverkauf nach nur drei Jahren kann man jetzt aber einen Gewinn von einer halben Milliarde Euro einstreichen – was zählt da das Geschwätz von gestern.

Für die LINKE ist der Deal eine Folge der Wohnungspolitik der baden-württembergischen Landesregierung, “die blindlings auf Privatisierung setzt”, so Gregor Mohlberg vom Landesvorstand der Partei. Es handele sich um eine “wohnungspolitische Irrfahrt” der Regierung, die zu recht in der Kritik von Mieterverbänden und Kommunalpolitiker_innen stehe.

Der Mieterbund Bodensee hat den Verkauf ebenfalls scharf kritisiert. „Die Südewo-Eigentümer haben durch Mieterhöhungen und Wohnungsverkäufe abkassiert,“ sagte der Verbandsvorsitzende Herbert Weber. „Die Zeche zahlen die Mieter, die für schlechter werdende Leistungen immer höhere Mieten tragen mussten, damit der Konzern Profite machen konnte.“ In Konstanz und anderen Städten sei durch den mehrfachen Verkauf der Wohnungen preisgünstiger Wohnraum übermäßig verteuert worden.

Versprechungen des neuen Besitzers Annington, er ist bundesweit einer der größten Player im Vermietungsgeschäft, er verfolge eine langfristige, “am Mieter ausgerichtete Strategie”, können eingedenk den Erfahrungen mit dem Kurzzeiteigentümer Südewo vermutlich getrost als leeres Geschwätz  abgetan werden. Das gilt im übrigen auch für die Beteuerungen, des neuen Eigentümers, die von Südewo versprochene “Sozialcharta” werde beibehalten. Für den Mieterbundvorsitzenden sind solche Zusicherungen kaum mehr als Gerede: “Das Versprechen einer Sozial-Charta verbessert in der Regel nicht den Mieterschutz, sondern soll das schlechte Gewissen der Öffentlichkeit beruhigen.” Praktische Schutzwirkungen für die Mieter habe das kaum gehabt, so Weber. Zudem eilt Annington der Ruf einer knallharten Unternehmenspolitik voraus, die einzig darauf ausgerichtet ist, Maximalprofite auf dem Rücken der Mieter_innen zu erzielen.

Für DIE LINKE ist dies ein weiteres Beispiel für die desaströse Wohnungspolitik der grün-roten Landesregierung. Durch Wohnungsprivatisierungen wird Wohnraum zum reinen Spekulationsobjekt. Investoren und Aktienbesitzer bestimmen so über einen Politikbereich, der einst zur Daseinsfürsorge gezählt wurde. Die aktuellen Kreditförderungsprogramme der Stuttgarter Regierung für sozialen Wohnungsbau bleiben wirkungslos. Die Zahl der Baufertigstellungen liegt seit Jahren, so auch 2014, fast um 20.000 Einheiten unter der von der Landesregierung selbstgesetzten Zielmarke von 50.000 Wohnungen.

DIE LINKE fordert dagegen eine Ende von Wohnungsprivatsierungen und verlangt den aktiven Einstieg von Bund und Land in die Förderung.

jüg