Eine schmerzhafte Bauchlandung legten der Oberbürgermeister und seine Verwaltung bei der Gemeinderatssitzung am 24.4. mit ihrem Konzept zur Tourismusentwicklung hin. Ein wie üblich von externen Fachleuten für teures Geld angefertigtes 35-seitiges Papier, von der Rathausriege euphemistisch als Gutachten bezeichnet, wirbt in blumigem Marketingsprech für die Umgestaltung der größten Stadt am See zum Paradies für betuchte Tourist*innen. Dafür braucht es, klar: Hotels, Hotels und Hotels – vorzugsweise direkt am See. Eine “Vision”, die im Rat offenbar selbst hartleibigsten Freund*innen der Geschäftemacherei nicht geheuer ist. Entnervt ob der unerwarteten Renitenz zog Burchardt die Abstimmungsvorlage schließlich zurück. Zuvor hatte – neben anderen – LLK-Stadtrat Holger Reile die im Papier skizzierte Verwandlung der Stadtlandschaft in einen Tummelplatz für die Tourismusindustrie scharf kritisiert. Seine Einlassung im Wortlaut.
Es gibt gemeinderätliche Vorlagen, die einen hochgradig staunen lassen, um es mal freundlich zu formulieren – diese hier mit dem Titel „Tourismuskonzept als strategisches Handlungsprogramm“ ist so eine.
Auf 35 Seiten wird uns erklärt, was zu tun sei, um Konstanz auf der Skala der beliebtesten Ferienorte ganz nach oben zu hieven. Keine Frage, unsere Stadt und ihre Einwohner profitiert auch vom touristischen Zulauf aus nah und fern – aber die Grenzen dieses angeblichen Fortschritts sind fast erreicht und es geht unserer Meinung vielmehr darum, aus dieser Entwicklung Konsequenzen zu ziehen und dementsprechend zu handeln, und zwar im Sinne nicht nur unserer, sondern der nächsten Generationen- denn auch für sie tragen wir Verantwortung.
Doch davon ist in diesem Papier nicht mal im Ansatz die Rede. Im Gegenteil: Es beschwört überwiegend das Prinzip des zügellosen Wachstums und dabei werden Ideen formuliert, die einem wirklich die Haare zu Berge stehen lassen. Noch mehr Hotels und noch mehr Flächenversiegelung, noch mehr Verkehr zu Lande und auch auf dem Wasser, noch mehr Belastungen jedweder Art, die Sie der eh schon geplagten Bevölkerung über die Hauptsaison hinaus zumuten wollen. Zusammenfassend muss man leider sagen: Die Verfasser dieses sogenannten Tourismuskonzepts verwechseln die Stadt Konstanz mit einer Zitrone, die beliebig und völlig skrupellos solange auszuquetschen sei, bis ihr kein einziger Tropfen mehr entweicht.
Kein Wunder, dass bei diesem geplanten Feldzug gegen jedes Augenmaß immer wieder zu lesen ist, dass man das Hauptaugenmerk fast ausschließlich auf zahlungskräftige Investoren und dementsprechendes Publikum richten müsse. Und dieses – auch das wird in der Vorlage des öfteren beschworen – solle von der hiesigen Bevölkerung mit offenen Armen empfangen werden, denn nur dann entstünde von Anfang an ein seealemannisches „Wir-Gefühl“. Ein löblicher Vorsatz, meine Herren Thiel und auch Lohmar, und ich würde vorschlagen, Sie fangen schon mal an, dafür bei der Stadtbevölkerung frühzeitig Werbung zu machen und Hausbesuche anzutreten.
Zudem werden in diesem Papier Zahlen genannt und Behauptungen aufgestellt, die jeder Grundlage entbehren und die uns an der Seriösität der Vorlage zweifeln lassen. Nur zwei Beispiele: Unter den touristischen Attraktionen wird auch der Knast für Meeresgetier, also das Sea-Life, aufgeführt. Von knapp 400 000 Besuchern ist die Rede. Wie kommen Sie denn auf diese Zahl? Erst kürzlich wurde uns über den Museumsbericht erklärt, dass das Sea-Life mit einem starken Besucherrückgang zu kämpfen habe und wenn es jährlich noch 150 000 Besucher zu verzeichnen hat, dann entspricht das eher der Realität. Soviel dazu.
Beispiel zwei, und das ist eine durchweg bittere Nummer, wenn wir lesen dürfen, Konstanz sei ein bedeutendes Wirtschafts- und Bildungszentrum am Bodensee. Das ginge ja noch, aber dann kommt es ganz dick, Zitat: „Insbesondere durch das neue Veranstaltungszentrum Bodenseeforum wird Konstanz seine Bedeutung als Tagungs- und Kongress-Standort weiter ausbauen können“. Zitat Ende. Ich befürchte, Sie meinen das auch noch ernst. Wer das formuliert hat, der hat wohl vergessen, dass dieses halblebige Projekt am Seerhein nur deswegen überhaupt noch schwachen Puls hat, weil wir es ständig mit großen Geldsummen füttern. Man könnte auch sagen: Bei diesem Thema herrscht eine Art von pathologischer Realitätsverweigerung. Die Lobhudelei zum Bodenseeforum zieht sich übrigens wie ein roter Faden durch die Broschüre und da auch des öfteren von einer innerstädtischen Seilbahn die Rede ist, kann ich mir lebhaft vorstellen, wer die Endbearbeitung der uns zugemuteten Vorlage übernommen hat.
Das einzige, was mir ausgesprochen gut gefallen hat, ist der Vorschlag, auf dem See könne man doch Yoga auf dem Surfbrett anbieten. Das passt, denn Yoga, so der legendäre indische Meister Jidda Krishnamurti, führe zu körperlicher und geistiger Ausgewogenheit, lasse die Chakren fließen und stärke das Denkvermögen. Bleiben Sie dran, denn vor allem der esoterisch durchsetzte Wellness-Bereich liegt bei einkommensstarken Urlaubern voll im Trend. Herr Buff wird diesbezüglich auf dem Büdingen-Gelände bald die ersten Pflöcke einschlagen.
Kurz und schlecht, Kolleginnen und Kollegen: Von uns gibt es nicht den Hauch von Zustimmung für diese fast durchweg lediglich an Profit orientierten Überlegungen.
Eine Frage noch zum Schluß: Es heißt, die Kosten für das sogenannte Tourismuskonzept und die beigefügte Hotelbedarfsanalyse seien vor rund zwei Jahren über das Budget der damaligen TIK finanziert worden. Da hätten wir doch gerne gewusst, wie hoch diese Kosten waren.
Ich gehe mal davon aus, dass es durchaus Gäste geben würde, die den Weg über den See finden und in Meersburg, Friedrichshafen (FN) und Umgebung ein bequemes Bett finden könnten. In FN liegt die Bettenauslastung wohl um 50% bis 60%. Die nächste Frage ist, ob ausreichend Personal zur Verfügung steht. Jemand der in der Schweiz oder Österreich arbeitet wird wohl kaum eine Stellung in der Region annehmen, wie bei Physiotherapeuten und Pflegeberufen zunehmend deutlich wird. Im Bodenseekreis schließen bereits Gasthäuser und die Herbergen sind auch schon bereit übertariflich, mindestens aber Tariflohn zu bezahlen. Ein deutliches Hindernis für Mitarbeiter*innen sind die ÖPNV – Tarife und da stellt sich die Frage, ob es nicht wirklich an der Zeit ist einen Zusammenschluss der Verkehrsunternehmen herbeizuführen, so dass nach dem Modell der Vorarlberger Verkehrsverbund ein einheitliches Tarifangebot zustande kommt – mit gleichen Preisen übrigens. Für die Region, also “Rund um den See” hätte das den Vorteil, dass man eine klare Übersicht der Lebenshaltungskosten bekommen würde und Kosten deutlich unter den Ausbeutertarifen der heutigen Verkehrsverbünde möglich wären. Kann man eigentlich erfahren wer das Konzept erstellt hat und ob es öffentlich als Broschüre vorliegt? Es scheint ja eine richtige Flut von Konzepten und selbsternannten Dachorganisationen zu geben, die Jedem bescheinigen zu den beliebtesten Ferienorten der Welt zu gehören. Es fragt sich nur, aus welchem Grund dann so extrem hohe Kosten für Tourist Informationen, Marketing und Vertriebsportale wie z.B. HRS aufgewendet werden müssen.