Die Konstanzer Verwaltungsspitze fällt immer wieder einmal durch originelle Ideen für den örtlichen Nahverkehr auf, die gerade in finanziell schwierigen Zeiten nicht finanzierbar sind, aber einen hohen Marketingeffekt haben. Man denke nur an die Idee einer Seilbahn quer durch die Stadt – oder an die jüngsten Pläne für einen Wasserbus zwischen Bofo und Innenstadt. Einer Verbesserung der Situation aller Konstanzer*innen, die Tag für Tag in überfüllten Bussen zur Arbeit oder in die Schule fahren, dienen solche Pläne jedenfalls ganz und gar nicht …
Die Anschaffung eines elektrisch betriebenen Wasserbusses kostet 2,3 Millionen Euro, während ein Straßenbus mit E-Antrieb für 950.000 Euro zu haben ist. Für die Kosten des Schiffles bekommt man also mehr als zwei nagelneue E-Busse. Während das Boot aber an nur ca. 163 Tagen im Jahr tagsüber für den Einkaufsverkehr zwischen Parkplatz Europabrücke und Innenstadt eingesetzt werden sollte, können die Busse täglich auf (fast) allen Straßen der Stadt und ihrer Vororte fahren, wo sie gerade benötigt werden.
Eine Probephase mit einem Wasserbus auf derselben Strecke zwischen 2018 und 2020 hat bereits gezeigt, dass der Wasserbus, so reizvoll er auch sein mag, für die geplante Aufgabe wenig geeignet ist. Der jetzt angestrebte weitere Probelauf mit einem vorhandenen – d.h. konventionell angetriebenen – Schiff spricht allen Klimaschutzbeteuerungen der Stadt Konstanz Hohn und kostet Geld, das die Stadt besser verwenden könnte.
Mit uns sind solche Prestigeprojekte, die sich zwar nett anhören, aber allenfalls touristischen Zwecken dienen, nicht zu machen. Wir plädieren vielmehr seit jeher für einen flächendeckenden Busverkehr mit einem bedarfsgerecht dichten Takt und attraktiven Fahrpreisen. Davon würden dann nicht nur wirklich alle Konstanzer*innen, sondern auch das Klima profitieren.
Ab 2026 gibt es einen Anspruch auf eine Betreuung nach dem Ganztagsförderungsgesetz. Allerdings soll sie so teuer werden, dass sie viele Eltern vor finanzielle Probleme stellt. Wolfgang Moßmann hat deshalb in einer Rede vor dem Gemeinderat noch einmal unsere Position bekräftigt, dass Schule im Interesse der Chancengleichheit kostenfrei bleiben muss.
Grundsätzlich sind wir für eine Ganztagsbetreuung, dies sei vorweggeschickt. Allerdings können wir die geplante „Satzung der Stadt Konstanz über die Erhebung von Gebühren für die Schulkindbetreuung an Grundschulen“ nicht unterstützen.
Wir setzen uns seit jeher für eine gebührenfreie Bildung in sämtlichen Bereichen ein, einschließlich der Ganztagsbetreuung. Wir fordern, dass diese Betreuung für alle Kinder unabhängig von ihrer sozialen Herkunft kostenlos sein muss, um die vielfach gefährdete Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten. Wir verstehen die Finanzierung der Ganztagsbetreuung als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die durch Bund und Länder gemeinsam getragen werden muss.
Die Einführung von Gebühren für die Ganztagsbetreuung ist eine Barriere für Kinder aus wirtschaftlich schwächeren Familien und führt nicht zu mehr Chancengleichheit, sondern vertieft soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Solche Kinder dürfen aber unserer Meinung nach nicht benachteiligt werden, denn Bildung ist ein Grundrecht und kein Luxusgut.
Wir fordern die vollständige Finanzierung der Ganztagsbetreuung durch öffentliche Mittel, um sicherzustellen, dass alle Kinder unabhängig von den finanziellen Verhältnissen ihrer Eltern von Bildungsangeboten profitieren können. Darin sind wir übrigens einer Meinung mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, wie mir Ute Kratzmeier, Referentin für allgemeine Bildung bei der GEW Baden-Württemberg, versicherte.
Der Inklusions- und Behindertenbeauftragte der Stadt, Stephan Grumbt, arbeitet bisher ehrenamtlich, unterstützt von einem Beirat Freiwilliger. Angesichts der Fülle aktueller und künftiger Aufgaben sind wir der Meinung, dass diese Position in eine feste hauptamtliche Stelle umgewandelt werden muss.
Allein in Konstanz leben rund 10.000 Menschen mit schwerer Behinderung. Sie müssen bei der Bewältigung ihres Alltags hohe Barrieren überwinden, sei es im öffentlichen Raum, bei Behördenkontakten oder der gesellschaftlichen Teilhabe. Auch mehr als 15 Jahre, nachdem die UN-Behindertenrechtskonvention 2009 zu geltendem deutschem Recht wurde, können diese knapp 10 Prozent unserer Mitbürger:innen von Chancengleichheit und Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen nur träumen.
Stephan Grumbt, der städtische Beauftragte für Menschen mit Behinderung, treibt als ehrenamtliche Kraft zusammen mit einem Beirat aus Freiwilligen die Inklusion voran, doch diese Kräfte reichen für die wachsende Aufgabenfülle nicht aus. Zusätzlich zur Beratung von Politik und Verwaltung zu Barrierefreiheit und Inklusion, der Mitwirkung an komplexen Planungsprozessen z. B. in den Bereichen Bau, Verkehr und Digitalisierung und der aufwendigen Fördermittelakquise ist der Behindertenbeauftragte ja vor allem die wichtigste Anlaufstelle für zahlreiche oft ratlose Betroffene und deren Angehörige.
Trotz aller Sparzwänge ist es daher höchste Zeit, diese Position zu einer hauptberuflichen Stelle aufzuwerten, denn diese Arbeit lässt sich schon lange nicht mehr nebenbei als Ehrenamt erledigen. Nur mit einer „richtigen“ Stelle ist irgendwann die Inklusion zu erreichen, zu der Deutschland auf allen staatlichen Ebenen durch die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet ist.
Eine feste Ansprechperson mit entsprechenden Rechten kann Verwaltung und Politik zum Einhalten entsprechender Standards bewegen, was in unserer alternden Gesellschaft auch ein Stück Zukunftssicherung ist. Inklusion ist schließlich kein Gnadenerweis, sondern ein Menschenrecht und Ausdruck kommunaler Verantwortung.
Konstanz muss sich dieser Verantwortung endlich konsequenter stellen.
Mehrere kommunalpolitisch besonders relevante Themen wurden kürzlich in verschiedenen gemeinderätlichen Gremien behandelt. Hier die Debattenbeiträge unseres Stadtrates Holger Reile.
Silvesterknallerei
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
wir haben den Erfahrungsbericht zu Silvester angefordert, weil es auch in unserer Stadt aus vielerlei Gründen zunehmend berechtigte Zweifel gibt, ob die traditionelle Knallerei überhaupt noch vertretbar ist. Auch wenn es derzeit noch an den gesetzlichen Grundlagen fehlt, die Böllerverbotszone deutlich über unsere Altstadt hinaus auszuweiten, bleibt das Thema auf der Tagesordnung.
Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Deutsche Umwelthilfe und der Berliner Landesbezirk der Gewerkschaft der Polizei bereits am 6. Januar 2025 rund 2 Millionen Unterschriften vorgelegt haben, die ein komplettes Pyrotechnikverbot für den Privatgebrauch fordern, um Mensch, Tier und Umwelt vor schweren Verletzungen und irreparablen Schäden zu schützen. Ein vernünftiger Vorschlag, den man ernst nehmen sollte und der von mittlerweile 34 Organisationen aus ganz Deutschland unterstützt wird. Die ausführliche Begründung für diesen Antrag ist in unserer Vorlage nachzulesen.
So gesehen ist die Absicht unserer hiesigen Touristikabteilung MTK, als Alternative zur gewalttätigen Böllerei eine Lasershow anzubieten, eine gute und unterstützenswerte Idee. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Seenachtfest schon um die Ecke schielt: Nicht nur ich habe noch nie verstanden, warum es da direkt nebeneinander zwei Knall-Orgien mit all ihren negativen Begleiterscheinungen gibt, deren Sinnhaftigkeit sich einfach nicht erschließen mag. Das Ganze erinnert eher an ein spätpubertäres und albernes Gehabe, das unnötigerweise auch noch einen Haufen Geld kostet.
Aber vielleicht – die Hoffnung stirbt zuletzt – setzen sich die zuständigen Stellen beider Seiten mal zusammen und planen endlich eine gemeinsame und nachhaltige Alternative, mit der man sicher auch punkten kann.
In diesem Sinne: Viel Erfolg!
Wärmeverbund
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
dass dieses Projekt im Kern sicher mittelfristig ein Eckpfeiler für Klimaschutz, Klimawende und eine zukunftsfähige kommunale Wärmeversorgung werden könnte, steht außer Frage. Ebenso klar ist, dass die Stadt Konstanz deutlich hinter ihren selbstauferlegten Klimaschutz-Zielen zurückliegt. Es besteht also umgehend Handlungsbedarf.
Nach den gescheiterten Verhandlungen mit dem Thüga-Konzern, der sich unsere Stadtwerke zum großen Teil einverleiben wollte, glaubt man nun, mit Iqonie Energies einen passenden Partner gefunden zu haben, hinter dem allerdings ein privater spanischer Investor steht, der natürlich auch Rendite für seine Aktionäre erwirtschaften will.
Da drängen sich logischerweise einige Fragen auf. Denn wer die heutige Vorlage genau liest, wird erfahren, dass der neue Wunschpartner bei der noch zu gründenden Gesellschaft in strittigen Fällen das letzte Wort haben wird. Zitat: „Diese Struktur führt zu einer faktischen teilweisen Beherrschung der Gesellschaft durch Iqonie“. Zitat Ende. Das, so lesen wir dann weiter, gehe in der Regel gar nicht anders und sei durchaus üblich bei solchen Geschäften. Aber irgendwie werde man sich im Konfliktfall wohl schon einigen. Beruhigt uns das und wollen wir dieses Risiko tatsächlich eingehen?
Im Vorfeld der Partnersuche und bis zur heutigen Entscheidung gab es mehrere Sitzungen, die sich mit dem Thema ausführlich beschäftigten – alle waren allerdings nichtöffentlich, zum Teil aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – Stichwort Betriebsgeheimnis und anderes mehr. Da aber auch die Mitglieder des Aufsichtsrates der Stadtwerke – also nicht wenige von uns – zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, können und dürfen sie auf konkrete Anfragen aus der Bürgerschaft gar nicht oder nur ausweichend antworten.
Das, Kolleginnen und Kollegen – empfinde ich als ein Dilemma auf der kommunalpolitischen Kommunikations-Schiene. Es erschwert den offenen Diskurs, blockiert teilweise die nötige Debatte und führt auch oft zu Spekulationen in der Öffentlichkeit, die der Sache nicht dienlich sind. Denn viele von uns wissen aus langjähriger Erfahrung ganz genau, dass richtungsweisende Vorhaben wie dieses meist nur dann gelingen, wenn wir unsere Stadtgesellschaft frühzeitig und transparent informieren und in den Entscheidungsprozess einbinden. Und da wäre, mit Verlaub, unserer Meinung nach noch Luft nach oben gewesen.
Fragen aus der Bürgerschaft gab es und gibt es immer noch. Zum Beispiel: Worauf wird man sich mit dem neuen Partner konkret einstellen müssen? Wäre es nicht sinnvoll gewesen, für den veranschlagten Finanzbedarf bei dem gewünschten Wärmenetz eine genossenschaftlich ausgerichtete Bürgergesellschaft zu gründen, die die Finanzierung in Angriff nimmt und bereit ist, in regionale und fortschrittliche Technologien zu investieren? Erfolgreiche Beispiele dieser Art gibt es mehrere. Wurde diese Option überhaupt ernsthaft geprüft? Und: Was kommt an Kosten im Endeffekt auf die Verbraucher zu, wenn man den Deal mit Iqonie eingeht?
Ein Letztes noch: Meine Fraktion hat dazu keine einheitliche Meinung und wird dementsprechend unterschiedlich abstimmen.
Anmerkung: Anke Schwede und Holger Reile enthielten sich, Wolfgang Moßmann stimmte für den Wärmeverbund, der mit großer Mehrheit vom Gesamtgemeinderat befürwortet wurde.
Wasserbus
Herr Bürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
auf den ersten Blick hat das Projekt elektrobetriebener Wasserbus durchaus Charme, aber bei näherer Betrachtung gibt es diverse Punkte, die dagegensprechen. Niemand sollte uns daran hindern, über Nacht klüger zu werden.
Die geplante Wasserbusverbindung ist nämlich weniger ein Klimaschutzprojekt, das zur angeblich beabsichtigten Verkehrswende beiträgt, es ist weit mehr ein touristisches Angebot, von dem unsere Stadtgesellschaft kaum oder auch gar nicht profitiert. Fast alles nur touristischen Belangen unterzuordnen, führt uns in die falsche Richtung.
Dagegen sprechen auch die enormen Kosten in Millionenhöhe, die veranschlagt sind – und das bei unserer extrem angespannten Haushaltslage. Eine zusätzliche Risiko-Investition können wir guten Gewissens nicht vertreten.
Es gibt mehrere Stellungnahmen, nicht nur von Natur- und Umweltschutzverbänden, die den E-Wasserbus sehr kritisch sehen, darunter auch die von Ionnis Karipidis, der während der Probephase des Wasserbusses zwischen 2018 und 2020 Fahrplaner der Bodensee Schifffahrtsbetriebe (BSB) war und sehr genau weiß, wovon er spricht. Seine sachbezogene Bedenkenliste liegt allen Fraktionen vor. Da ist unter anderem zu lesen:
– „Aus verkehrsplanerischer Sicht bietet ein wassergebundener Personentransport zwischen dem Parkplatz am Bodenseeforum und dem Hafen keine Vorteile gegenüber einem straßengebundenen Verkehrsmittel …“. – „Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Stadt Konstanz basieren auf einem sehr optimistischen Szenario mit deutlich zu hoher angenommener Auslastung.“ – „Der Probebetrieb hat gezeigt, dass keines der angestrebten Ziele erreicht wurde: Die Schiffe waren nur gering ausgelastet, konnten den Fahrplan nicht zuverlässig einhalten und trugen nicht zur Entlastung des innerstädtischen Verkehrsnetzes bei …“ – „Insgesamt lässt sich die Einführung eines Wasserbusses aus verkehrsplanerischer und wirtschaftlicher Sicht weder begründen noch empfehlen …“
Meine Fraktion wird dem E-Wasserbus nicht zustimmen und dafür plädieren, unseren ÖPNV, und da vor allem den normalen Busverkehr, attraktiver und vor allem auch günstiger zu machen.
Anmerkung: Der gewünschte E-Wasserbus wurde aus Kostengründen buchstäblich versenkt. Stattdessen will man nun einen erneuten Probelauf mit einem dieselbetriebenen (!) Schiff anbieten. Wir erinnern uns: Die Stadt Konstanz hat vor nicht allzu langer Zeit den Klimanotstand ausgerufen. Die Linke Liste hat dem nun zweiten Probelauf, der ein fauler Kompromiss ist, nicht zugestimmt, ebenso zwei VertreterInnen der Grünen. Schlussendlich wird der Gesamtgemeinderat in seiner Sitzung im Juni über den weiteren Verlauf des umstrittenen Vorhabens entscheiden.
Die Argumente gegen eine autofreie Innenstadt sind seit den ersten Fußgängerzonen in Deutschland sattsam bekannt: Der Einzelhandel behauptet, durch solche Maßnahmen würden Kund:innen vertrieben, Umsätze einbrechen und ganze Innenstädte veröden. Ohne den Direktzugang mit dem Auto und immer mehr Parkhäuser drohe Handel und Gewerbe in der City das Aus.
Das renommierte Deutsche Institut für Urbanistik, das von Bund, Ländern und Gemeinden getragen wird, hat jetzt untersucht, wie sich die Reduktion des Autoverkehrs und die damit erhöhte Attraktivität der innerstädtischen Umgebung auf die Umsätze auswirken. Das Ergebnis der Studie kommt nicht überraschend, zumindest für alle, die sich heute keine mit Autos zugeparkte Marktstätte mehr vorstellen können: „Die Menschen verweilen länger, besuchen Läden häufiger und tragen so zu stabilen oder sogar steigenden Umsätzen bei.“
Die Forschungen belegen auch, was zwar seit Langem bekannt ist, von den Bleifüßen und ihren politischen Interessenvertreter:innen aber immer wieder in Abrede gestellt wird: Radfahrende und Zufußgehende geben pro Einkauf zwar weniger aus als Autofahrende, kaufen aber häufiger vor Ort ein. „In Summe sorgen sie so für eine höhere Gesamtumsatzleistung.“
Es ist an der Zeit, aus diesen Erkenntnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Es braucht kein zusätzliches öffentlich zugängliches Parkhochhaus auf dem Döbele, sondern höchstens ein Parkhaus nur für Anwohner:innen. Vor allem aber benötigen wir einen dicht getakteten und bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr in der gesamten Region, der auch die umliegende Schweiz einbezieht. Wir fordern außerdem, aus den guten Erfahrungen von Radolfzell und Kreuzlingen zu lernen und endlich in Konstanz ein 1-Euro-Ticket für den Busverkehr einzuführen.
Die Käuferscharen würden es der Stadt und ihren Händler:innen danken.
Für den 8. Mai, den achtzigsten Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, ist um 16.00 Uhr eine öffentliche Sitzung des Haupt-, Finanz- und Klimaausschusses angesetzt. Der LLK-Gemeinderat Wolfgang Moßmann kritisiert diese Terminierung als geschichtsvergessen.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
als ich zur Vorbereitung der Sitzungen im Mai den Sitzungskalender anschaute, traute ich meinen Augen kaum. Am 8. Mai ist HFK. Wie kann das sein, was ist da schiefgelaufen?
Zugegeben, der 8. Mai ist kein Feiertag wie von verschiedenen Initiativen bundesweit gefordert. Aber enthebt dies jemanden davon, darüber nachzudenken, ob am Tag der Befreiung vom Faschismus – zumal dem 80sten Jahrestag – eine Ausschusssitzung anberaumt werden muss?
Mit etwas Überlegung hätte Mensch zu dem Schluss kommen können, dass MitgliederInnen des HFK an diesem Tag Wichtigeres zu tun haben als an einer Ausschusssitzung teilzunehmen. Die Sitzung hätte nicht anberaumt werden dürfen.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Erinnerungskultur ein wichtiges und wirksames Mittel im Kampf gegen die Bestrebungen der AFD ist, Geschichte umzuschreiben. Erinnerungskultur wirkt den Behauptungen eines Herrn Gauland „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte” ebenso entgegen wie denen des Nazis Höcke, der 2017 das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnete.
Ganz unabhängig davon: Die Befreiung vom Deutschen Faschismus muss gefeiert werden. Dieses Jahr und jedes Jahr. Unvorstellbares millionenfaches Leid, Krieg, Konzentrationslager, Vernichtung durch Arbeit, die Shoa und noch kurz vor der Befreiung die Todesmärsche. All das hat der Deutsche Faschismus angerichtet. Gepuscht vom Kapital und unterstützt von großen Teilen der Gesellschaft im Hurra des Gleichschritts jener Deutschen, die jegliche Empathie dem Fanatismus geopfert hatten.
Auch in Konstanz gibt es zum 8. Mai Veranstaltungen:
Am 8. Mai selbst findet um 17:00 Uhr ein Rundgang durch die Konstanzer Innenstadt zu Opfern des nationalsozialistischen Terrors – Jüdinnen und Juden, Eugenik-Opfern, Homosexuelle, politische Opfer und Zeugen Jehovas – statt.
Um 18:30 Uhr gibt es in der Werkstatt des Theaters eine Lesung von Ensemblemitgliedern aus Volker Ulrichs Buch „Schicksalsstunden einer Demokratie – Das unaufhaltsame Scheitern der Weimarer Republik“.
Erinnerungsarbeit ist unser aller Aufgabe. Gerade wir als gewählte VertreterInnen des Gemeinderats haben auch hier eine Vorbildfunktion. Dieser sollten wir uns insbesondere am 8. Mai bewusst sein.
29.4.2025 Für die LLK: Wolfgang Moßmann – Holger Reile –Anke Schwede
Im Kulturausschuss stand jüngst unter anderem die Erhöhung der Eintrittspreise im Theater auf der Tagesordnung. Unser Gemeinderat Holger Reile begründete in seiner Rede, warum wir von der LLK diese Preissteigerung (die letztlich mit deutlicher Mehrheit beschlossen wurde) nicht mittragen.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Meine Fraktion wird die angedachte Erhöhung der Eintrittspreise von bis zu 20 Prozent nicht mittragen. Da bahnt sich, ähnlich wie beim ÖPNV, eine Art Eintrittspreisdschungel an, bei dem keiner mehr durchblickt. Klar ist, dass wir aufgrund der angespannten Haushaltslage sparen müssen – aber nicht und vor allem zulasten unseres kulturellen Angebots, von dem nachweislich ein großer Teil unserer Stadtgesellschaft quer durch alle Schichten profitiert. Und man darf davon ausgehen, dass in Bälde auch andere kulturelle Einrichtungen jenseits der sogenannten Hochkulturfinanziell empfindlich zur Ader gelassen werden. Leider eine bundesweite und ungute Entwicklung.
Der Einspardruck – unter anderem ausgeübt auf die Philharmonie und das Theater – ist enorm, aber so nicht zu akzeptieren. Beim Theater erhofft man sich durch die Preiserhöhung eine Mehreinnahme von rund 80 000 Euro. Andere Ausgaben aber werden von einer Mehrheit meist widerstandslos durchgewunken, ohne dass man sie auf den Prüfstand stellt. Drei Beispiele seien genannt:
– Immer noch vergeben wir Gutachten an externe Büros, die uns viel Geld kosten.
– Smart Green City verschlingt Millionen, darunter für Projekte, die so unnötig sind wie der sprichwörtliche Kropf. – Ein weiteres Beispiel ist das Bodenseeforum. Mittlerweile versackten da die vergangenen Jahre weit über 30 Millionen Euro. Jährlich kommen nochmal rund zwei bis zweieinhalb Millionen Euro dazu. Regelmäßig wird uns erklärt, dass es zwar gut laufe im BoFo, aber der zusätzliche Zuschussbedarf nochmal gestiegen sei. Und genauso regelmäßig gibt es für diese abenteuerliche Geldverbrennung grünes Licht – liebe Leute, so geht das nicht, denn damit machen wir uns unglaubwürdig. Es wäre also durchaus möglich, den Zuschussbedarf für das BoFo zu reduzieren, zumindest mit einer Summe, die man jetzt dem Theater aus den nachweislich dürren Rippen schneiden möchte.
Das letzte Wort hat übrigens der Gemeinderat am 12. Dezember.
Bei der jüngsten Gemeinderatssitzung ging es darum, ob die Sperrzeiten für die Konstanzer Kneipen verkürzt werden sollen. Aber auch der Antrag einer umstrittenen Glaubensgemeinschaft stand zur Debatte. Hier die Redebeiträge unseres Stadtrats Holger Reile.
Zur Sperrzeit
Wir haben ja schon signalisiert, dass wir den Verwaltungsvorschlag unterstützen – also rechtsrheinisch die bisherigen Regelungen zu lockern, aber linksrheinisch alles so zu lassen, wie es aktuell ist.
Bleibt zu hoffen, dass somit dieser zwangsjuvenile Wiedergänger – angestoßen vor zehn Jahren vom Jungen Forum – nun endlich vom Tisch ist, uns nicht weiterhin beschäftigt und unnötigerweise viel Zeit frisst. Ich wage mal zu behaupten, dass wir gewichtigere Probleme in unserer Stadt haben. Der Wunsch, auf unserer gesamten Gemarkung teilweise bis um fünf Uhr früh der Trink- und Feierlaune freien Lauf zu lassen, gehört unserer Meinung nach sicher nicht dazu.
Eine persönliche Anmerkung noch in Richtung des grünen Kollegen Samuel Hofer. Angeblich haben Sie bei der Debatte zum Thema im Vorfeld erklärt, Konstanz sei bezüglich der Sperrzeitverordnung, „die spießigste Stadt im spießigsten Bundesland“. Da die heutige Entscheidung nicht in Ihrem Sinne ausgehen wird, müssten Sie eigentlich sprachlich draufsatteln und sagen, dass Sie nun auch Mitglied sind im „spießigsten Gemeinderat in der spießigsten Stadt im spießigsten Bundesland“. Das wäre aus Ihrer Sicht eine logische Abschlusserkenntnis.
Vorschlag in Güte, Herr Hofer: Sie können mich gerne mal in meine alte Heimat Bayern begleiten. Dort, irgendwo zwischen Rosenheim, Augsburg, Deggendorf und Passau, würden Sie recht schnell Ihr Spießer-Ranking nochmal überdenken.
(Die Ratsmehrheit entschied: Rechtsrheinisch wird die Sperrzeit verkürzt, linksrheinisch – Altstadt und Stadelhofen – bleibt alles beim Alten.)
Zur Prüfung der Projektvorschläge durch den Bürger- und Bürgerinnenrat
Ein Lob sei hiermit ausgesprochen für die fachliche Prüfung der einzelnen Anträge. Denn der Antrag der evangelikalen und sektenähnlichen „Hillsong Church“ über 15 000 Euro für einen angeblichen „Spielebus“ wurde im Vorfeld abgelehnt. Eine richtige Entscheidung, denn vor allem das finanzielle Gebaren dieser gemeinnützigen Glaubensgemeinschaft sollte nicht uns, sondern eher das Finanzamt interessieren. Ein selbsternanntes Pastorenehepaar hat es sich da in den ehemaligen Rieterwerken gemütlich eingerichtet und rekrutiert seit Jahren meist Jugendliche, die auf spiritueller Sinnsuche sind und schlussendlich meist als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Besten Dank also für die Prüfung in dieser Angelegenheit.
Ein neues Wohngebiet für Tausende von Menschen wie der Hafner stellt einen massiven Eingriff in eine über Jahrhunderte entstandene Kulturlandschaft dar. Flächen, auf denen heute noch Wiesen und Gehölze gedeihen, sollen versiegelt und ihre wertvollen Pflanzen- und Tiergesellschaften für immer vernichtet werden. Den Konstanzer*innen wird zudem ein wichtiges Naherholungsgebiet genommen, und das direkt angrenzende Natura 2000-Schutzgebiet Bodanrück dürfte unter dem neuen Stadtteil zu leiden haben.
Boden ist keine nach Belieben verfügbare Ressource, und der stetige Flächenverbrauch stellt eine massive Bedrohung für Menschen, Tiere und Pflanzen dar. Auch in diesem Fall erfolgt zwar ein Ausgleich durch den Ankauf sogenannter „Ökopunkte“. Aber das ist ein ökologischer Ablasshandel, wie Naturschützer*innen zurecht beklagen: Auf diesem Wege wird zwar an anderer Stelle Freiland aufgewertet, aber es werden keine bisher bebauten Flächen entsiegelt, es entsteht keine neue „Natur“ mit ihren – auch für den Menschen – überlebenswichtigen Biotopen.
Flächenversiegelung und Artensterben gehen also weiter, und das in dieser Stadt, für die der Klimaschutz, der ohne kühlende Freiflächen kaum denkbar ist, angeblich höchste Priorität besitzt.
Auf der anderen Seit ist der gesellschaftliche Nutzen solcher Neubaugebiete umstritten: Es handelt sich ja erstens nicht um ein Projekt, das ausschließlich wirtschaftlich schwächeren Menschen zugutekommt. Zweitens zeigen die seit Jahren permanent steigenden Mieten, dass Bauen kein Allheilmittel gegen die bedrohlichen Zustände auf dem Wohnungsmarkt ist.
Der neue Stadtteil hat also eine fragwürdige Bilanz. Es bleibt offen, ob er halten wird, was man sich von ihm auf Kosten von Arten-, Boden- und Klimaschutz, also von Lebensqualität für alle, für den Wohnungsmarkt verspricht.
Der Stabsstelle Konstanz International unter der Leitung von David Tchakoura kommt in Zeiten zunehmender Ausländerfeindlichkeit und eines wiedererstarkenden engstirnigen Nationalismus eine zentrale Rolle dabei zu, Konstanz zu einer weltoffenen Heimat für Menschen aus aller Welt zu machen. Immerhin leben hier Kinder, Frauen und Männer aus 168 unterschiedlichen Bezugsländern, also praktisch aus aller Welt, zusammen.
Der Gemeinderat hat mit dem vor zwei Jahren einstimmig verabschiedeten Konzept „Konstanz – Internationale Stadt“ drei wichtige Ziele formuliert: 1. die Förderung der Willkommenskultur, 2. die Förderung der gleichberechtigten Teilhabe aller unabhängig von Herkunft, kultureller Zugehörigkeit und Glauben sowie 3. die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Ziele also, die mit den politischen Vorstellungen der politischen Rechten unvereinbar sind, die eine Ausgrenzung von Millionen Menschen anstreben.
Es darf aber nicht vergessen werden, dass es noch zahlreiche Integrationshindernisse gibt, man denke nur an die Probleme bei der Unterbringung von Geflüchteten auf dem ohnehin für alle ärmeren Menschen brutalen Konstanzer Wohnungsmarkt. Auch die finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die wichtige Betreuungs- und Beratungsaufgaben übernehmen, ist bisher oftmals nicht ausreichend.
„Mehr denn je gilt es, die kommunale Integrationsarbeit voranzutreiben und dadurch einen ausdifferenzierten Migrationsdiskurs zu etablieren, welcher die Bereicherung der Migration bspw. in kultureller Hinsicht oder für den Arbeitsmarkt verdeutlicht, ohne Herausforderungen zu beschönigen,“ ist David Tchakouras Bilanz seiner Arbeit der letzten Jahre. Wir teilen dieses Ziel mit ihm und werden ihn in den politischen Gremien in seiner Arbeit weiterhin unterstützen.