Zur Diskussion um ein Zweckentfremdungsverbot in Konstanz

Autor | 31. Januar 2015

Am vergangenen Donnerstag hat auf Antrag der CDU eine Mehrheit im Gemeinderat die Verabschiedung einer Satzung verhindert, nach der die Zweckentfremdung von Wohnraum untersagt ist. Die Vorlage wurde wie schon mehrere Male zuvor in die Fachausschüsse zurückverwiesen. Wieder einmal hat es der Bürgerblock damit geschafft, eine längst überfällige Maßnahme hinauszuschieben, mit der die drückende Wohnungsnot in der Stadt zumindest ansatzweise gelindert werden könnte.
Zur Diskussion um das Zweckentfremdungsverbot veröffentlichen wir einen Beitrag von Simon Pschorr.

Ziel: Bezahlbarer Wohnraum

Die Bekämpfung der Wohnungsnot in Konstanz ist eines der vorrangigen Ziele der politischen Arbeit der Linken Liste Konstanz. Eines der Instrumente in der Bestrebung um einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt mit fairen, bezahlbaren Preisen ist das Zweckentfremdungsverbot. An diesem Zweck muss sich die effektive Wirkung eines solchen Vehikels messen lassen. Es handelt sich um eine Satzung der Stadt, die einen breiten Zugriff auf gewerblich genutzten Wohnraum ermöglichen soll.

Von einer interessierten Bürgerin wurden wir gefragt, warum wir das Zweckentfremdungsverbot unterstützen. Widerspricht es nicht dem Recht auf freie Verfügbarkeit über das Eigentum? Kann es nicht Gründe geben, die zu einer Umwandlung von Wohnraum berechtigten oder sie erforderlich machen?

Wir wollen darlegen, warum wir für diese Maßnahme einstehen und zeigen, dass es sich nicht um eine unberechtigte Beschneidung des Eigentumsrechts der Eigentümer handelt.

Wirkmechanismus: Zukünftige Umwandlungen verhindern

Welche Funktionsweise erfüllt das Zweckentfremdungsverbot? Auf welche Wohnungen greift das Zweckentfremdungsverbot zu?

Im Gegensatz zum von den konservativen Parteien propagierten Bild berührt das Zweckentfremdungsverbot den Bestand von bereits gewidmeten Ferienwohnungen und anderen Gewerberäumen nicht – dieser Bestand ist schon durch die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes geschützt! Das seit 2013 geltenden baden-württembergische Zweckentfremdungsgesetz richtet sich allein gegen die zukünftige Umwandlung von Wohnraum in Gewerbeflächen, einschließlich der Nutzung als Ferienwohnung. Darüber hinaus sollen Neubauten nicht für solche Zwecke genutzt werden (Wortlaut siehe Kasten).

Ein Zweckentfremdungsverbot würde also lediglich den Bau oder Umbau neuer, zusätzlicher Ferienwohnungen oder Gewerbeflächen unterbinden.

WORTLAUT | Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum

§ 2 Befugnis der Gemeinden

(1) Gemeinden mit Wohnraummangel können durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen, dass im Gemeindegebiet oder in Teilen davon Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf (Zweckentfremdung). Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn der Wohnraum

  1. überwiegend für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird,
  2. baulich derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist,
  3. nicht nur vorübergehend gewerblich oder gewerblich veranlasst für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird,
  4. länger als sechs Monate leer steht oder
  5. beseitigt wird.

(2) Einer Genehmigung bedarf es nicht für

  1. die anderweitige Verwendung von Wohnraum, der nach dem 31. Mai 1990 unter wesentlichem Bauaufwand aus Räumen geschaffen wurde, die anderen als Wohnzwecken dienten oder
  2. einen Leerstand von Wohnraum über die Dauer von sechs Monaten hinaus, soweit dieser durch überwiegende schutzwürdige private Interessen gerechtfertigt ist.

Erforderlichkeit: Augenwischerei Anreizsysteme

Seit Jahren schon fehlt es in der Stadt an Wohnraum. Eine weitere Zuspitzung der Problematik war absehbar und wurde auch von Demoskopen vorhergesagt. Bisher war die Stadtverwaltung jedoch nicht in der Lage, ein effektives Gegenmittel für diese Krankheit zu finden. Anstatt sich konsequent für die Schaffung von Wohnraum einzusetzen, versuchte die Stadt, teilweise durch freiwillige Selbstverpflichtung, teilweise durch Apell und Aufruf private Bauträger dazu zu bringen, ihre Gebäude dem Mietmarkt zugänglich zu machen. Auf Knien zu betteln verspricht nirgendwo hohe Erfolgschancen. Haben Sie schon einmal versucht, Ihren Arbeitgeber um mehr Lohn anzuhalten, ohne dass Sie eine gute Verhandlungsposition hatten? Eben. Die halbherzigen Versuche der Stadtverwaltung zeigten deshalb wenig Erfolg.

Gleiches gilt für Versuche, durch finanzielle Anreize Bautätigkeit anzuregen. Kommunen haben im staatlichen Verwaltungsgefüge nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, diesen Markt mittels Boni zu stimulieren. Steuerrecht ist nun einmal Bundesangelegenheit und die Stadtkassen sind nicht derart gut gefüllt, dass sie die enormen Gewinne ausgleichen könnten, die durch den Verkauf von Wohnraum oder dessen Umwandlung zu erzielen sind. Solche Versuche sind von vorne herein zum Scheitern verurteilt.

Berechtigte Interessen: Umnutzung zur Wohnbaufinanzierung?

Allein auf das Erreichen der Zwecksetzung abzustellen, wäre kurzsichtig. Wie jede staatliche Maßnahme berührt das Zweckentfremdungsverbot auch Interessen Anderer. In diesem Fall kollidiert es mit Freiheiten insbesondere der Wohnungseigentümer. Diese Kollision verlangt nach einer umsichtigen Abwägung der Güter.

Teilweise wird argumentiert, die Nutzung von potenziellem Wohnraum als Ferienwohnung oder zu Zwecken des Kleingewerbes würde gerade dazu dienen, den Bau des Wohngebäudes und damit von Wohnungen zu finanzieren. Angesichts der aktuell exorbitanten Baukosten sei anders nämlich eine lukrative, rentable Errichtung von Gebäuden de facto unmöglich.

Wir glauben nicht, dass über den Umweg des Baus von Ferienwohnungen ein nennenswerter Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot geleistet werden kann. Dagegen sprechen insbesondere folgende Argumente: Eine Ferienwohnung muss über eine besondere Struktur und Raumaufteilung verfügen. Häufig werden kleine Wohnflächen mit möglichst vielen separierten Räumen als Ferienwohnungen vermietet – meist mehrköpfige Familien wollen für kurze Zeit darin nächtigen und Privatsphäre genießen, sich jedoch nicht dauerhaft einrichten. Gleichzeitig erfordert eine Ferienwohnung von den betreibenden Personen Pflege, Gäste wollen versorgt werden, was meist dazu führt, dass man familiär dauerhafte Aufgaben verteilt. Dies wird auch mit zunehmendem Alter selten aufgegeben, sondern im Gegenteil häufig auf die Nachkommen vererbt. Eine Ferienwohnung bietet sich durch Lukrativität als rentable Altersvorsorge geradezu an. Warum sollte man das aufgeben? Vor allem weil der Raubbau an unserem Rentensystem immer mehr Leute zwingt, sich zusätzliche Vorsorgequellen erschließen. Die Motivation für eine Umwidmung von Ferien- in Mietwohnungen tendiert also in den allermeisten Fällen gegen Null.

Auch das Baurecht spricht gegen eine Rückwandlung in Wohnraum. Nach geltender Landesbauordnung ist eine solche Nutzungsumwandlung baulich genehmigungspflichtig. Wer beantragt schon gern eine Baugenehmigung?

Leider können wir an dieser Stelle nur eine typisierende Betrachtung vornehmen, die im Einzelfall anders gelagert sein kann. Auch uns sind schon Fälle zu Ohren gekommen, bei denen gerade eine Refinanzierung des Baus durch gewerbliche Nutzung angestrebt war. Mit dem Erlass einer Satzung wird jedoch nicht der Einzelfall geregelt, sondern eine für eine Vielzahl von Fällen geltende Entscheidung getroffen. Die Gesamtbetrachtung spricht eher gegen das Finanzierungsmodell, zumeist wird ein gewinnbringenderes Geschäft ohne Ärger mit den Mietern angestrebt, wenn man eine Ferienwohnung betreibt.

Geeignetheit: Nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung

Das Zweckentfremdungsverbot allein ist ein Akt der Symptombekämpfung und keine dauerhafte Lösung. Auch dies sieht das oben genannte Gesetz nicht vor, sondern beschränkt die Satzung der Gemeinden auf fünf Jahre! Wir sind der Ansicht, dass allein kommunale Bautätigkeit zu einer dauerhaften Entlastung des Wohnungsmarktes führen kann. Nur so kann auch Wohnraum geschaffen werden, den sich auch Normal- oder Geringverdiener leisten können. Doch dieses Lösungsmodell stößt bei den konservativen Parteien auf heftige Gegenwehr. Es besteht für diese gar kein Interesse an einer dauerhaften Lösung, ihre Mitglieder profitieren von bleibend hohen Miet- und Wohnungspreisen. Viele Gemeinderäte verfügen über eigene Immobilien. Die wiederholte Verweisung des Zweckentfremdungsverbots in den Ausschuss bei der letzten Gemeinderatssitzung ist dafür nur ein Beispiel. Aus gleichen Gründen werden weiterhin Gewerbeflächen ausgewiesen und Gewerberaum gebaut, obwohl keine Nachfrage besteht. Es erscheint geradezu paradox, mit welcher Ignoranz gegenüber dem Wohnraumproblem die Stadtverwaltung und ihre willfährige Bestätigungsmehrheit im Rat weiter Gewerbeflächen schafft, obwohl bereits jetzt viele leer stehende Flächen für Gewerbebetriebe existieren und tagtäglich durch Abwanderung neue Räume freiwerden. Anstatt diese konsequent in Wohnraum umzuwandeln, betet man das Mantra vom attraktiven Wirtschaftsstandort herunter. Wir können und wollen dies nicht unterstützen. Setzen wir uns also für eine Veränderung der Wohnungsmarktpolitik in der Stadt ein, sie hat es dringend nötig!

Vorrangige Aufgabe der Stadt ist es, selbst initiativ zu werden und für eigene Bautätigkeiten zu sorgen. Wir fordern deshalb schon seit Jahren die Ausweitung der Aktivitäten der WOBAK. Leider scheint die Stadtverwaltung mit Blindheit geschlagen und verdrängt bewusst den sozialen Aspekt der Wohnraumproblematik. Wir werden uns auch weiter mit Zähnen und Klauen gegen die städtische Beschwichtigungspolitik wehren! Mit einem Zweckentfremdungsverbot ist ein winziger Schritt getan, doch der Marathon liegt dann noch vor uns. Wir wollen weiter geradeaus laufen, und wenn wir die anderen Fraktionen im Gemeinderat huckepack nehmen müssen.

Diskurs: Rationalisierung der eigenen Position

Wir möchten noch einmal ausdrücklich der Fragestellerin danken. Sie hat uns Anlass gegeben, uns noch einmal intensiv mit unserer eigenen Position auseinanderzusetzen. Man muss die eigenen Anschauungen immer wieder prüfen, immer wieder testen, ob man gute Gründe hat, für oder gegen etwas einzutreten. Uns liegt der Dialog am Herzen, mir als Antwortender genauso wie uns als Gruppierung. Stellen Sie uns Ihre Fragen, provozieren Sie, fordern Sie uns heraus; wir freuen uns auf das Gespräch!

Simon Pschorr, Linke Liste Konstanz

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