Bei der Gemeinderatssitzung am vergangenen Dienstag wurde heftig über den Immobilienriesen Vonovia debattiert, der auch MieterInnen in Konstanz das Fürchten lehrt (siehe hier). Ganz am Ende der Sitzung dann ein Eklat: CDU-Oberbürgermeister Uli Burchardt fragte den Rat, ob es nicht besser sei, die kritischsten Passagen Richtung Vonovia im Podcast zu löschen. Da brach ein Sturm der Entrüstung los. Anlass des oberbürgermeisterlichen Zensur-Angebots war vor allem der Redebeitrag von LLK-Rat Holger Reile. Hier sein Text im Wortlaut.
Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, noch frisch in Erinnerung ist uns, als hier Mieterinnen und Mieter um Hilfe gebeten haben, weil sie befürchten, durch die Übernahme ihrer Wohnungen von Vonovia würden ihre Mieten steigen, und zwar zum Teil um bis zu 50 Prozent. Ihre Ängste sind berechtigt, denn mietrechtlich einseitige Regelungen ermöglichen es auch dem Vonovia-Konzern, die angekündigten teuren Modernisierungsmaßnahmen zum großen Teil auf die Mieterinnen und Mieter abzuwälzen – eine Art Raubzug, den vor allem Vonovia bundesweit in Gang gesetzt hat.
Die derzeitigen Möglichkeiten einer Kommune, dem entgegen zu wirken, sind begrenzt, denn die Hauptverantwortung für diese Entwicklung tragen der Bund und die Länder. Mit dem Ausstieg aus dem öffentlich betriebenen Sozialwohnungsbau, Gesetzesänderungen zu Lasten von Mieterinnen und Mietern, dem großflächigen Verkauf von öffentlichem Grund an Privatinvestoren – auch in Konstanz lange so und zum Teil immer noch praktiziert – und der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit seit den 90er Jahren wurden die Voraussetzungen für diese Fehlentwicklungen geschaffen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang an Artikel 14 im Grundgesetz erinnern. Ausdrücklich fordert dieser, dass der Gebrauch des Eigentums auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen solle. Das gelte in besonders starkem Maß für Grund und Boden sowie für Wohnraum. Wir brauchen deshalb unverzüglich gesetzliche Vorgaben, die Wohnungsunternehmen zu sozialer Bewirtschaftung, Instandhaltung und Mietermitbestimmung verpflichten.
Fakt ist, nun auch bei uns: Langjährige Mieter fürchten um ihre Zukunft und einige müssen damit rechnen, sich die bald steigenden Mieten wegen angeblicher Sanierungsmaßnahmen nicht mehr leisten zu können. In einer Presseerklärung ließ der Oberbürgermeister verlauten, er habe mit den Vonovia-Verantwortlichen darüber geredet und man hätte ihm versichert, dass Vonovia für derlei Probleme Lösungen finden würde. Doch genau das behauptet Vonovia überall da, wo sie sich Wohnungen zum Leidwesen ihrer Opfer unter den Nagel gerissen haben – Beschwichtigungsversuche, für die Deutschlands mittlerweile größtes Wohnungsunternehmen sattsam bekannt ist.
Nun liegt uns also ein Resolutionsentwurf der Verwaltung vor, der den Mietern den Rücken stärken soll, uns aber nicht überzeugt, da er die Vonovia als Verursacherin der existentiellen Bedrohung für die Betroffenen nicht benennt. Damit ist denen allerdings nicht gedient, denn überall dort, wo der Konzern wütet, wird er auch benannt.
Sie ließen – Herr Oberbürgermeister – im Vorfeld sinngemäß verlauten, eine Nennung von Vonovia würde zu unnötiger Schärfe beitragen. Wir denken, dass Klartext in Richtung dieses Konzerns durchaus angebracht ist.
Einige der Forderungen in der Resolution sind dúrchaus richtig, aber in der Vorlage sind auch Formulierungen zu finden, die wir so nicht mittragen können. Nur zwei Beispiele: „Steigende Mieten“, so der Eingangssatz, „könnten in unserer Stadt zunehmend zum Armutsrisiko werden“. Mit Verlaub, sie könnten nicht nur, denn teilweise sind sie das längst. Oder die Behauptung, von unserer Seite würden in Sachen Wohnungsversorgung die, Zitat: „Handlungsmöglichkeiten einer Kommune voll ausgeschöpft“. Dem ist leider nicht so, und das wissen Sie auch. Oder, drittes Beispiel: In der Vorlage steht zu lesen, Zitat: „Die Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt droht zudem Konstanzer Bürgerinnen und Bürger aus der Stadt zu verdrängen“. Zitat Ende. Auch das eine Verharmlosung, denn der Vertreibungsprozess ist längst im Gange.
Ich komme zum Schluß: Mit der Verabschiedung einer wie auch immer gearteten Resolution ist es für uns von der Linken Liste nicht getan. Vielmehr geht es darum, die betroffenen Mieter auch weiterhin tatkräftig und solidarisch zu unterstützen – und zwar nicht nur mit einem Papier, das in der Vonovia-Zentrale postwendend in irgendeiner Schublade verschwinden wird. Ich denke, es ist an der Zeit, diesen und auch anderen Betongoldhändlern zu verdeutlichen: Wohnen ist ein Menschenrecht und keine Ware, mit der nach Belieben spekuliert oder gehandelt werden darf.
red (Foto: H. Reile)