Wohnen: So darf es nicht weitergehen

Autor | 27. Juni 2018

Die Vonovia SE ist nicht nur die größte private Vermieterin in Deutschland, sondern hat auch allerbeste Chancen, bei der Umfrage nach dem seinen Kunden verhasstesten deutschen Unternehmen einen unrühmlichen Spitzenplatz zu erzielen. Auch in Konstanz treibt der Konzern aus Bochum MieterInnen auf die Barrikaden. Der Gemeinderat beschloss gestern angesichts der Vorgänge in der Schwaketenstraße eine Resolution an Bund und Land zur Wohnungspolitik plus einige Zeilen an die Adresse der Vonovia.

Auch in der gestrigen Gemeinderatssitzung traten in der Bürgerfragestunde wieder betroffene Mieterinnen ans Mikrofon. So wollte eine Vertreterin der Mieterinitiative Schwaketen von Oberbürgermeister Uli Burchardt wissen, welche Zusicherungen der denn in seinem Telefonat mit Klaus Freiberg, einem Mitglied des Vorstandes von Vonovia, erreicht habe und ob es die auch schriftlich gebe.

Sie verwies noch einmal darauf, dass in den betroffenen Wohnungen in der Schwaketenstraße überflüssige Sanierungen vorgenommen werden sollen, deren Kosten dann auf die Mieter abgewälzt würden. Die Zusage von Einzelfallregelungen in sozialen Härtefällen sei sinnlos, denn hier brauche man keine Einzelfallregelung, sondern eine Gesamtlösung für alle. Die Vonovia wolle dort 15 Jahre junge Fenster durch neue ersetzen und eine stärkere Isolierung anbringen, weil solche Kosten auf die Mieter umgelegt werden können. Die marode und gesundheitsgefährdende Wasserversorgung hingegen werde nicht repariert. Sie lud den Oberbürgermeister ein, die Schwaketenstraße zu besuchen und sich vor Ort ein Bild von den Zuständen dort zu machen.

Vonovia liefert „Factsheet“

Der Oberbürgermeister nahm ihre Einladung an und berichtete, außer besagtem Telefonat mit dem Vorstand habe es auch ein Treffen mit zwei Regionalverantwortlichen der Vonovia im Rathaus gegeben, und das sei ein „sehr kritisches“ Gespräch gewesen. Die Vonovia habe vor wenigen Stunden wie vereinbart ein Informationsblatt geliefert, das die Verwaltung jetzt in Zusammenarbeit mit ExpertInnen in Ruhe auswerten und dann veröffentlichen wolle. Ansonsten stehe man mit der Vonovia im Dialog, und der sei noch nicht abgeschlossen – weiteres dann in einer der Gemeinderatssitzungen im Juli. Der Oberbürgermeister wies auch mehrfach darauf hin, dass die Stadt Konstanz auf die Wohnungspolitik keinen Einfluss habe, denn Wohnungspolitik sei Bundes- und Ländersache. Mangels eigener Befugnisse könne die Stadt also nur das Gespräch suchen, mehr gehe nicht.

Als dann der Tagesordnungspunkt 5 aufgerufen wurde, eine „Erklärung des Gemeinderates der Stadt Konstanz an den Bund und das Land Baden-Württemberg zur schnelleren Entlastung des Wohnungsmarktes“, hatten sich die Publikumsstühle leider schon weitgehend geleert. Es wäre interessant gewesen, die Reaktionen der betroffenen MieterInnen auf die Debatte mitzuerleben.

Ein „Raubzug“

Der Resolutionsentwurf der Verwaltung erwähnte die Vonovia mit keinem Wort und begann so: „Steigende Mieten könnten in unserer Stadt zunehmend zum Armutsrisiko werden.“ Für den ersten Redner, Holger Reile (LLK), war das ein gefundenes Fressen, er sprach von „einer Art Raubzug, den vor allem Vonovia bundesweit in Gang gesetzt hat“ und gegen den man auch durch die Nennung des Firmennamens Klartext reden müsse, was der Oberbürgermeister als unnötige Schärfe abgelehnt habe. Auch, dass steigende Mieten zunehmend zum Armutsrisiko werden „könnten“, wie die Verwaltung schrieb, schien Reile lächerlich formuliert: Die Mieten seien bereits seit Längerem ein reales Armutsrisiko, und BürgerInnen würden durch die hohen Mieten schon jetzt aus Konstanz vertrieben. Ihm war die Vorlage der Stadt insgesamt nicht scharf genug, sondern eine Verharmlosung der für viele MieterInnen existenziell bedrohlichen Lage. „Mit der Verabschiedung einer wie auch immer gearteten Resolution ist es für uns von der Linken Liste nicht getan. Vielmehr geht es darum, die betroffenen Mieter auch weiterhin tatkräftig und solidarisch zu unterstützen. Es ist an der Zeit, diesen und auch anderen Betongoldhändlern zu verdeutlichen: Wohnen ist ein Menschenrecht und keine Ware, mit der nach Belieben spekuliert und gehandelt werden darf.“

Roger Tscheulin (CDU) fand die namentliche Erwähnung der Vonovia in der Erklärung durchaus möglich, verwies aber darauf, dass es nicht nur die Vonovia sei, sondern etliche Firmen, die vor allem in Ballungsräumen die Mieten in die Höhe treiben. Das sei eine Folge der verfehlten Wohnungspolitik der Vergangenheit, die ausschließlich auf die Innenverdichtung statt zusätzlich auch auf Außenentwicklung gesetzt habe (ein Seitenhieb in Richtung Grüne).

Er forderte neben einer Regulierung des Mietrechts auch eine verstärkte Neubauförderung, das Bereitstellen von Grundstücken sowie schnellere Genehmigungsverfahren. Aber all’ das sei Sache der Bundespolitik – dass die seit Langem von seiner Partei dominiert wird, die die derzeitige miese Lage der MieterInnen damit maßgeblich zu verantworten hat, erwähnte er nicht eigens. Er nannte eine Renovierung, die zu 199 Euro mehr Miete führe, dem Mieter aber nur eine Einsparung von 11 Cent pro Quadratmeter und Monat bringe, mit allem Recht „nicht nachhaltig“. Er hätte auch von„Beutelschneiderei“ sprechen können.

Ein Versagen (fast) aller Parteien

Ganz in seinem Element war bei diesem Thema natürlich Herbert Weber (SPD), der Vorsitzende des Mieterbundes, der schon früh dafür eingetreten ist, auch die Außenentwicklung voranzutreiben und Areale wie den Hafner zu bebauen. Er forderte an Reiles Adresse, der Konstanzer Gemeinderat solle sich einstimmig hinter die Resolution an Bund und Land stellen. Er sah die Schuld daran, dass Konzerne wie Vonovia so viele Wohnungen kaufen konnten, auf allen Seiten, bei Schwarzen und Grünen ebenso wie ausdrücklich auch bei seiner SPD, denn die öffentliche Hand habe über Jahre hinweg ihre Wohnungen an die Konzerne regelrecht verschleudert. Er berichtete, dass der Mieterbund einen Architekten beauftragt habe, die Baumaßnahmen der Vonovia zu kontrollieren, aber das sei schwierig. Der Bochumer Immobilienriese arbeite nämlich kaum mit örtlichen Handwerkern zusammen, sondern setze auf Unternehmen von außerhalb, die letztlich zu seinem eigenen Einflussbereich gehörten.

Für die Freien Wähler erklärte Jürgen Faden, dass die ausufernden Bauvorschriften in Deutschland bei Neubauten 30 bis 40 Prozent der Kosten ausmachten. Er forderte, in Zukunft höher zu bauen und die Bauverfahren zu beschleunigen. So beschäftige man sich bereits seit vier Jahren mit dem Marienweg in Litzelstetten. Er nannte auch das nach seiner Meinung beste Mittel gegen Altersarmut: Sich beizeiten eine Immobilie zu kaufen. Da hätte er auch genau so gut den Armen empfehlen können, einfach reich zu werden.

Zwei Texte beschlossen

Der Oberbürgermeister betonte noch einmal, dass die vorgelegte Resolution sich nicht an die Vonovia, sondern an Bund und Land richte, und schlug vor, zwei Texte zu beschließen. Der erste ist eine Resolution an Bund und Land, in der die Stadt Konstanz u.a. folgendes fordert:

– Der soziale Wohnungsbau muss besser gefördert werden.
– Bund und Land sollen Grundstücke aus ihrem Besitz gezielt an kommunale Träger [wie die Konstanzer Wobak] zu ermäßigten Konditionen veräußern.
– Bundes-und Landesregierung sollen Planungsprozesse beschleunigen.
– Der Deutsche Bundestag soll so schnell wie möglich mit Hilfe geeigneter gesetzlicher Regelungen die Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt begrenzen, wofür die Stadt etliche Einzelvorschläge unterbreitet.
– Der Bau von Betriebswohnungen soll gefördert werden.

Zusätzlich, und das war der intensiven Debatte und wohl auch dem entschlossenen Auftreten der Mieterinnen geschuldet, hat der Gemeinderat einen zweiten Text beschlossen, der sich gegen Vonovia richtet, und der lautet meiner Erinnerung nach sinngemäß so geht (er wurde erst während der Sitzung formuliert und liegt daher noch nicht schriftlich vor): „Die Wohnungswirtschaft hat eine soziale und ökologische Verantwortung. Der Gemeinderat der Stadt Konstanz hält den Austausch von Fenstern und andere geplante Maßnahmen in der Schwaketenstraße für verfrüht und unwirtschaftlich und fordert die Vonovia SE daher auf, darauf zu verzichten und sich auf Maßnahmen zu beschränken, deren Nachhaltigkeit nachweisbar ist.“

Es steht allerdings zu befürchten, dass man sich bei der gigantischen Vonovia (3,6 Milliarden Euro Umsatz, 8500 MitarbeiterInnen) diese Erklärung nicht mal hinter den Spiegel steckt, weil da schon längst kein Platz mehr für weitere Resolutionen ist. Aber es ist erfreulich, dass alle Gemeinderätinnen und -räte aus allen Lagern mittlerweile erkannt haben, dass es so nicht weitergehen darf.

O. Pugliese (zuerst erschienen bei seemoz.de)

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