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Torhaus-Projekt: Stadt soll Karten auf den Tisch legen

Die LLK-Stadträtin Anke Schwede hat bei der letzten Gemeinderatssitzung eine Anfrage zum Stand des Torhaus-Projekts gestellt. Im Juli letzten Jahres gab der Rat gegen die Stimmen der Linken Liste grünes Licht für den Bau eines weiteren Luxus-Hotels auf der Grünfläche in Petershausen. Die LLK kritisiert die Hotelpläne nicht nur wegen des erneuten Verkaufs eines städtischen Grundstücks an einen Privatinvestor, sondern vor allem auch, weil die Bürgergemeinschaft Petershausen strikt gegen die Bebauung einer weiteren Grünfläche im dichtbesiedelten Petershausen mit einem überflüssigen Luxusprojekt ist. Inzwischen ist fast ein Jahr verstrichen, geschehen ist bisher – nichts. Anke Schwede wollte deshalb Auskunft über die Projektfortschritte und verlangte vor allem Informationen über Einwendungen aus der Bürgerschaft. Baubürgermeister Langensteiner-Schönborn flüchtete sich in seiner Antwort in Allgemeinplätze, behauptete aber, Einsprüche gegen den Hotelbau seien nicht bekannt.

Dies entsprach offensichtlich nicht der Wahrheit, wie aus einer Information der Bürgerinitiative hervorgeht, die uns vorliegt. Demnach hat der Vorsitzende der Bürgergemeinschaft Petershausen Widerspruch gegen die Erteilung der Baugenehmigung eingelegt, weil zwar die Geschosszahl auf fünf reduziert, zahlreiche weitere gravierende Kritikpunkte und Änderungsvorschläge von Konstanzer BürgerInnen nicht berücksichtigt wurden. Auch weitere AnwohnerInnen haben Einspruch gegen die Baugenehmigung erhoben.

Die Linke Liste fordert die Verwaltung auf, in Sachen Torhaus endlich die Karten auf den Tisch zu legen. Sie muss die Öffentlichkeit umfassend über den Stand des Projekts informieren. Vor allem wollen wir Auskunft darüber, wie mit den Forderungen aus der Anwohnerschaft umgegangen werden soll.

Die Linke Liste kritisiert außerdem ein weiteres Projekt im bevölkerungsreichsten Konstanzer Ortsteil, dessen Realisierung die Stadtverwaltung aktuell forciert. Der sogenannte ASISI-Panoramaturm eines privaten Unternehmers auf dem brachliegenden Grundstück neben dem Bodenseeforum zielt erklärtermaßen darauf ab, weitere Besucherströme nach Petershausen zu lenken. Er würde dem vom Durchgangsverkehr geplagten Stadtteil weitere Belastungen bescheren, die die Lebensqualität der BewohnerInnen einschränken. Statt fragwürdiger Touristenattraktionen und Hotels fehlt es der Bevölkerung in Petershausen an öffentlichen Begegnungsmöglichkeiten, sie braucht mehr Spielplätze, Jugend- und Quartierszentren.

Letzte Demo vor dem Bürgerentscheid: Wohnraum statt ECE-Koloss!

seemoz-Für singenZur letzten Kundgebung vor dem Bürgerentscheid am 17. Juli ruft die Bürgerinitiative „Für Singen“ auf: Heute, am Mittwoch, 29. Juni, um 19.00 Uhr. Treffpunkt einmal mehr das Café Hanser – die letzte Chance, für ein Nein gegen den geplanten Shopping-Koloss zu demonstrieren.

Eigentlich sollte eine Stadt ähnlich wie eine große Familie funktionieren – die Familienmitglieder, das heißt die Bürger einer Stadt müssten sich auf die Entscheidung des Familienoberhaupts – in diesem Fall des Stadtrats – verlassen können.

Vorkommnisse in der Vergangenheit – wie der Bau des Hegautowers, die Fehlinvestitionen in das Kunsthallenareal, die daraus resultierende Pleite der GVV, diverse gescheiterte Investitionen in den sogenannten Bahnhofsvorplatz und das Verkommenlassen bestimmter Ecken in der Stadt, wie die untere Hauptstraße um das Conti-Hochhaus herum – haben leider dazu geführt, dass ein großer Teil der Bürgerschaft das Vertrauen in die Entscheidungen der Mehrheit des Stadtrats verloren hat.

In ihrem Aufruf zur heutigen Kundgebung kritisiert die Bürgerinitiative: „Das Durchwinken von nicht zu Ende gedachten Projekten  – und das parteiübergreifend, ohne aus den Fehlern gelernt zu haben oder sich die Fehler überhaupt öffentlich einzugestehen – muss ein Ende haben. Es geht um unsere Stadt und es geht um den Wohlstand unserer Stadt. Am Beispiel des Conti-Hochhauses lässt sich gut verdeutlichen, welches Szenario sich zeigen würde, sollte das Center nach 15 Jahren – solange garantiert die ECE den Betrieb des Centers – nicht mehr funktionieren.“

Das Gebäude bzw. die Wohnungen im Conti-Hochhaus müssen von der Stadt gerade teuer zurückgekauft werden, um dann das Ganze für einen Millionenbetrag abreißen lassen zu können.

Und weiter: „Ein Bereich, der unserer Meinung nach in der Planung des Riesen-Centers überhaupt nicht zu Ende gedacht wurde – und da helfen auch die von der ECE in Auftrag gegebenen Gutachten nicht – ist das Thema der Verkehrsmehrbelastung für die Stadt. Andreas Pfleger von der Apotheke Sauter hat sich in unserer Bürgerinitiative mit diesem Thema auseinandergesetzt und wird seine Einschätzung dazu präsentieren.

Wir lassen uns nicht unterkriegen, auch nicht, wenn die Befürworter des Riesencenters bereits mit ihrem Flashmop den „Tanz um das goldene Kalb“ eröffnet haben“.

MM/hpk

Heute, Mittwoch, 29. Juni, um 19.00 Uhr: Die Demonstranten treffen sich vor dem Cafe Hanser, gehen dann entlang der Hegaustraße und umrunden das Gelände des geplanten ECE-Centers bis zum Holzerbau.

Die WOBAK und der Wohnungsmarkt

Hegaustraße AWenn die WOBAK dem Gemeinderat ihre Jahresbilanz vorlegt, herrscht regelmäßig eitel Freude, und auch 2015 hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft wieder – aus betriebswirtschaftlicher Sicht – eines ihrer erfolgreichsten Geschäftsjahre hinter sich gebracht. Bei aller Begeisterung wurden im Rat aber auch Stimmen laut, die auf den weiterhin massiven Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Konstanz verwiesen und ein Umlenken in der Wohnungsbaupolitik forderten.

Die Zahlen, die WOBAK-Geschäftsführer Bruno Ruess dem Rat präsentierte, sind beeindruckend: Mit einer Bilanzsumme von 225 Millionen € und einem Gewinn von 2,5 Millionen € konnte das Unternehmen wieder ein rekordverdächtiges Ergebnis liefern. Zum 31.12.2015 „verfügte Konstanz’ größte Vermieterin über 3811 Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von ca. 284 000 m². Die Durchschnittsmiete lag bei 6,40 Euro pro Quadratmeter und damit wie in den Vorjahren deutlich unter dem Marktniveau,“ erklärte das Unternehmen. 2015 wurden demnach 72 Mietwohnungen für die Bezieher mittlerer und kleinerer Einkommen fertig gestellt, “der Bauüberhang 2015/2016 lag bei 171 Wohnungen, die im laufenden Jahr fertiggestellt werden.” Außerdem gehören der WOBAK übrigens 61 gewerbliche Einheiten und 2536 Stellplätze. „Damit konnten wir sicherlich schon einiges auf dem Wohnungsmarkt bewegen“, freute sich Ruess.

Die Wohnungsnot wächst

Neben anderen RednerInnen hob vor allem Anke Schwede (LLK) auf den spürbaren Mangel an bezahlbarem Wohnraum ab. „Die abermals gestiegene Zahl registrierter Wohnungssuchender auf nunmehr rund 3000 bedeutet, dass die bisherigen Anstrengungen bei weitem nicht ausreichen. Das zeigt auch die Entwicklung des Mietwohnungsbestands. Ganze 72 Mietwohnungen kamen 2015 hinzu, in Fertigstellung sind nach den vorliegenden Unterlagen 171. Das ist angesichts der prekären Situation einfach zu wenig. Ich verweise in diesem Zusammenhang wieder auf unsere Kritik an der Gewichtung des Handlungsprogramms Wohnen: Hier muss dringend im sogenannten unteren Segment nachjustiert werden. Unserer Meinung nach muss der Anteil an dauerhaft preisgebundenen Wohnungen mindestens 50 Prozent betragen, zumal Konstanz 2015 erneut um über 1100 EinwohnerInnen gewachsen ist. Wohlgemerkt hat diese Entwicklung nichts mit der Aufnahme von Geflüchteten zu tun, die ja meist noch gar keine Wohnberechtigung haben.“

Bruno Ruess bestritt diese Einschätzung und will bei dem geplanten 1/6 im unteren Segment bleiben. So sei es beispielsweise extrem schwierig, in Dettingen 75-Quadratmeter-Wohnungen an Familien zu vermieten, weil die lieber in der Stadt wohnen wollten; er barmte regelrecht ob des Aufwandes, die Besichtigungen dort zu organisieren. Das scheint allerdings ein neues Phänomen zu sein, denn der Lagebericht konstatiert: „Zu keiner Zeit im Berichtszeitraum [2015] war ein durch Unvermietbarkeit entstandener Wohnungsleerstand zu verzeichnen. Dies gilt auch für das erste Quartal des laufenden Jahres 2016.“ Letztlich will Ruess das Handlungsprogramm Wohnen unverändert abarbeiten und wünscht sich für seine WOBAK vor allem freie Hand – was die Stadt braucht, wissen die Fachleute von der Wohnungsbaugesellschaft seiner Meinung nach am besten.

Jürgen Puchta (SPD) bezeichnete es als eine wichtige Aufgabe der Politik, der WOBAK die für den Wohnungsbau nötigen Grundstücke zur Verfügung zu stellen, wie dies Bruno Ruess besonders für den Geschosswohnungsbau im unteren und preisgedämpften Segment gefordert hatte. Man darf gespannt sein, was sich in dieser Hinsicht tut, denn zu den bisher schon 3000 wohnungssuchenden Haushalten werden recht bald noch zahlreiche Flüchtlingshaushalte hinzukommen, und damit ist ein weiterer Anstieg des Wohnungsmangels unausweichlich. Außerdem mahnte Anne Mühlhäußer (FGL) an, die WOBAK müsse neue Wohnformen für unbetreute Senioren und Mehrgenerationenmodelle bereitstellen und sich stärker im ökologischen Bauen engagieren.

Manchmal harzt es auch

Ruess berichtete auch von kleineren Problemen: So gibt es am Schmidtenbühl in Dettingen 24 Wohnungen mit Tiefgaragenplätzen, für die (auf Druck des Gemeinderates) 1,5 Tiefgaragen-Stellplätze pro Wohneinheit geschaffen wurden. Ein Teil dieser Stellplätze stehe jetzt leer, selbst ein Stellplatz pro Wohnung sei schon zu viel. Als überzeugter Vertreter der Autofahrer-Fraktion tröstete ihn aber der SPD-Gemeinde- und Dettinger Ortschaftsrat Alfred Reichle; man brauche nur ein wenig abzuwarten, dann würden die Stellplätze schon noch weggehen.

Perspektiven für die nächsten Jahre

Die WOBAK hat nach ihren Angaben ihren Wohnungsbestand in den letzten 10 Jahren um 10% erhöht. Trotz dieser Anstrengungen sieht sich das Unternehmen aber mit 3000 registrierten wohnungssuchenden Haushalten konfrontiert, unter denen sich 256 (teils von Obdachlosigkeit bedrohte) Härtefälle befinden.

Dass die Zahl der registrierten Wohnungssuchenden ebenso wie die der Härtefälle seit Jahren weiter steigt, macht den traditionell ziemlich einhelligen Jubel im Gemeinderat über die Jahresberichte der WOBAK ein wenig unverständlich. Sicher, die städtische Wohnungsbausgesellschaft scheint in allerbestem Zustand zu sein – wenn man in andere Städte schaut, erkennt man schnell, was man da alles falsch machen kann. Allerdings haben tausende KonstanzerInnen keinen Grund mitzujubeln: Sie sehen sich mit Horrormieten konfrontiert, und trotz aller Erfolgserlebnisse der WOBAK steigt die Zahl der Wohnungssuchenden seit Jahren stetig an. Dies ist allerdings nicht Schuld der WOBAK, sondern Schuld der Politik, die der städtischen Wohnungsbaugesellschaft letztlich ihre Ziele vorgibt und ihr auch (siehe die Zahl der TG-Stellplätze am Schmidtenbühl) sehr konkrete Aufgaben zuweisen kann.

Auch wenn die WOBAK die Mehrzahl der von ihr im Handlungsprogramm Wohnen bis 2030 geforderten 600 Wohnungen frühzeitig fertigstellt, ist das angesichts der Zahl der Suchenden nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Das wird kaum zu einem Rückgang der Mieten oder gar einer auch nur zu einer annähernden Sättigung des Marktes führen. (Das Handlungsprogramm Wohnen ist übrigens auf insgesamt 5.300 Wohnungen ausgelegt.)

Was dann? In den letzten Jahren hat der Gemeinderat interessiert zugeschaut, wie die Zahl der registrierten Suchenden von Jahr zu Jahr weiter gestiegen ist, ein trotziges „Weiter so!“ gerufen – und auf die Segnungen des Handlungsprogramms Wohnen bis 2030 gehofft. Die WOBAK schlüsselt zwar die Wünsche der bei ihr registrierten Wohnungssuchenden nicht auf, es ist aber naheliegend, dass es sich meist um Menschen auf der Suche nach niedrigpreisigen Mietwohnungen handelt. Also ist es geboten – auch mit dem Blick auf das Anschlusswohnen für Flüchtlinge – in diesem Bereich schnell zu Potte zu kommen, auch wenn dafür die Rahmenbedingungen des Handlungsprogramms Wohnen angepasst werden müssen. Schließlich können diese Betroffenen nicht auf ihre Villen im Tessin ausweichen, bis es in Konstanz endlich genügend Wohnraum gibt.

O. Pugliese, Foto: WOBAK (zuerst erschienen bei seemoz.de)

Gedeon kann sich bestätigt fühlen

Stellungnahme des LINKE-Kreisvorsitzenden Jürgen Geiger zur Entwicklung im Fall des Singener AfD-Landtagsabgeordneten.

Der faule Kompromiss, den die AfD-Landtagsfraktion heute in Stuttgart ausgekungelt hat, zeigt, wes‘ Geistes Kind die Mitglieder der Rechtsaußen-Truppe sind. Der Fraktionsvorsitzende und Co-Parteichef Meuthen, der bessere Chancen für die Durchsetzung der reaktionären Parteiziele sieht, wenn er im Gewand des bürgerlichen Biedermanns auftritt, hat sein Gesicht gewahrt. Gedeon, der zum offen völkisch-nationalistischen Flügel zählt und auf verbales Säbelrasseln setzt, kann sich bestätigt fühlen. Der Rauswurf aus der Fraktion ist vom Tisch, sie „ruht“ bis September, und dann wird man schon sehen. Von einem Parteiausschluss redet sowieso niemand mehr.

Wer ein Gutachten braucht, um zu entscheiden, ob ein Antisemit ist, wer den staatlich verordneten, millionenfachen Massenmord an Menschen jüdischer Herkunft als „gewisse Schandtaten“ verharmlost und Holocaust-Leugner als „Dissidenten“ bezeichnet, entlarvt sich in abstoßender Weise selbst. Die Auseinandersetzung hat vor allem gezeigt, dass Gedeon in der Fraktion auf Rückhalt zählen kann, was für die Anhängerschaft vermutlich noch mehr gilt. Egal wie aber eine endgültige Entscheidung im Herbst aussehen wird – auch die Entfernung des Kryptofaschisten aus dem Wahlkreis Singen würde am rassistischen und asozialen Charakter der AfD nichts ändern. Deren menschenverachtende Politik gilt es zu bekämpfen.

Kein Haus für alle, aber für alle richtig teuer

In seiner Sitzung am letzten Donnerstag wollte der Gemeinderat wegen des Deutschlandspiels unbedingt bereits um 20.00 Uhr fertig werden, verhakelte sich dann aber doch in längeren Debatten über das Bodenseeforum. Eins wurde dabei klar: Der versprochene Goldesel wird das neue Kongresszentrum nicht. Die KonstanzerInnen werden am Ende vielmehr einen Haufen Geld dafür hingelegt haben. Welche Gegenleistungen dürfen sie dafür erwarten?

Was ist im Vorfeld nicht alles versprochen worden … Das Bodenseeforum als neuer Motor für die Konstanzer Wirtschaft, als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit, kurzum als eine Art gemeinnütziger Zukunftssicherung, die sich schon in kurzer Zeit „für alle“ rentieren wird. Eine Jahrhundertchance also. Wirklich?

Das Bodenseeforum wird Millionen kosten

In der Gemeinderatsdebatte über den „Betrauungsakt“ für das Bodenseeforum wurde jetzt aber sehr deutlich, dass die Kritiker, die vermuteten, hier würden Millionen öffentlicher Mittel versenkt, so falsch nicht liegen.

Die Wirtschaftsplanung des Eigenbetriebs der Stadt stellt sich etwa so dar: Die Stadt hat rund 17 Millionen Euro für Anschaffung und Umbau ihres Teils der Immobilie ausgegeben, und dieses Geld ist auch unter optimistischen Annahmen auf keinen Fall wieder zu erwirtschaften. Man darf vielmehr froh sein, wenn wenigstens der laufende Betrieb in fünf Jahren keine Verluste mehr macht. Überblickt man trotz aller Unwägbarkeiten die nächsten 20 Jahre, dürfte dieses Kongresszentrum die KonstanzerInnen – äußerst optimistisch geschätzt – mindestens 10 Millionen Euro gekostet haben. Das ist eine halbe Million im Jahr, wahrscheinlich wird’s eher das Doppelte werden. Sollte das Kongressgeschäft einbrechen, könnte die Lage sogar richtig dramatisch werden.

Da stellt sich natürlich die Frage: Was bekommt Konstanz fürs Geld?

Wir alle sind ein bisschen Dawi

Natürlich sind die Verantwortlichen sehr bemüht, das Kongresszentrum als ein Haus für alle hochzujazzen. Das hat nicht nur politische, sondern auch juristische Gründe.

Holger Reile (LLK) bezweifelte die Rechtmäßigkeit der vorliegenden juristischen Konstruktion für das Bodenseeforum: „Das eigentliche Problem, an das in der Begeisterung über die sogenannte ‚Jahrhundertchance‘ Bodenseeforum offensichtlich niemand gedacht hat, sind die Verluste, die der Laden einfahren wird. Klar ist, dass die an der Stadt hängen bleiben werden, ebenso klar ist aber auch, dass ein solcher Defizitausgleich im Grunde genommen gegen europäisches Recht verstößt und untersagt ist. Juristisch gilt die Übernahme von Verlusten eines Unternehmens durch die Stadt als verbotene Beihilfe, auch wenn es sich dabei um einen Eigenbetrieb in städtischem Besitz handelt.“

Juristisch relevant scheint, ob es sich beim Bodenseeforum wirklich wie behauptet um eine „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ (Dawi) handelt, denn die ist in der Tat eine Aufgabe der öffentlichen Hand, die bezuschusst werden darf. Zu den Dawis gehören etwa das Bereitstellen von Krankenhäusern, Telefonnetzen, Theatern usw. Also alles, was die Menschen zum Leben brauchen, womit sich aber kaum Profit machen lässt. Zählt dazu aber auch der Bau eines Kongresszentrums, das vor allem von Großkonzernen genutzt wird? Reile bestreitet das vehement.

Bodenseeforum als Wirtschaftsförderung

Befürworter und Verantwortliche jedenfalls sehen sich auf der sicheren Seite: Roger Tscheulin (CDU) warf Reile vor, ihm sei „kein Argument gegen das Bodenseeforum zu schäbig“ und seine Aussage sei pure „Brunnenvergiftung“. Stadtkämmerer Hartmut Rohloff versicherte, man habe das rechtliche Konstrukt ausgiebig prüfen lassen und führe eine Trennungsrechnung zwischen 70% Daseinsvorsorge und 30% Kommerz, das alles sei rechtlich sauber. Stadtjustiziarin Silvia Löhr betonte, es sei im europäischen Recht nicht klar definiert, was ein Dawi sei, aber das Haus sei auch Wirtschaftsförderung, und die falle ganz klar in den Aufgabenbereich der öffentlichen Hand. „Die Stadt schafft mit dem Haus den Rahmen, in dem andere dann Veranstaltungen für die Bevölkerung durchführen können.“ Michel Maugé, der das Bodenseeforum als Interimsgeschäftsführer leitet, bis das Unternehmen am 1. Juli 2016 als Eigenbetrieb der Stadt wiedergeboren wird, führte schließlich ins Feld, dass immerhin 1.200 Stadthallen in Deutschland in diesem rechtlichen Rahmen betrieben würden. 1.200 können nicht irren, wollte er damit sagen.

Wer profitiert vom Bodenseeforum?

Die Beschäftigten haben nur sehr bedingt etwas von diesem Kongresszentrum. Michel Maugé war erfrischend ehrlich, als er den Gemeinderat davor warnte, weitere MitarbeiterInnen fest anzustellen. Als Personal sollen in den nächsten Jahren zwar 9,5 „Häuptlinge“ für Verwaltung und Technik einen festen Job bekommen. „Die Indianer aber muss man fallweise anmieten.“ Daseinsvorsorge für die meisten Beschäftigten kennt das Bodenseeforum nicht, dort soll es Tagelöhner und Stundensöldner geben, die nur hoffen können, dass immer wieder mal ein Brosamen für sie abfällt. Das ganze Projekt steht unter starkem wirtschaftlichen Druck, und nennenswert mehr als den gesetzlich erzwungenen Mindestlohn wird auch Maugés Nachfolger Thomas Karsch kaum ausgeben dürfen.

Grüße vom Klassenfeind

Profitieren die lieben KonstanzerInnen von dem Haus? Nur sehr bedingt. Das Bodenseeforum ist für ein paar öffentliche Konzerte gebucht, für drei Abibälle, einige Studentensausen und acht türkische Großhochzeiten. Nach Schließung der „Blechnerei“ soll auch das nächtliche Partygeschäft aufblühen. Das verliert sich unter all dem Kongressgeschäft mit über erhofften 150 erhofften Events pro Jahr. Für Vereine ist, das hob Maugé ausdrücklich hervor, das Haus unattraktiv. Der große Saal kostet je nach Veranstaltungstyp bis zu 20.000 Euro garantierten Catering-Umsatz oder bis zu 4.800 € plus MwSt. Saalmiete plus Extras, so viele Leute bringt nach seinen Angaben kein Konstanzer Verein auf die Beine, und Vereine haben bisher auch gar nicht angefragt.

Trotzdem brach im Gemeinderat eine intensive Debatte los: Das Bodenseeforum darf zwar keine Rabatte geben, die Stadt darf aber Vereinen Zuschüsse für Veranstaltungen im Bodenseeforum ausreichen, wenn sie vorher in einer entsprechenden Satzung die Details regelt. Die Ausgestaltung dieser Satzung liegt vielen Konstanzer Stadtmüttern und -vätern am Herzen, denn so langsam wird ihnen klar, dass das Stimmvolk vielleicht not amused sein dürfte, wenn es Jahr für Jahr rote Zahlen serviert bekommt, nachdem man ihm ein Tischlein-deck-Dich versprochen hat.

Das Bodenseeforum ist ein Haus für alle Konstanzerinnen und Konstanzer, jedenfalls, wenn’s darum geht, die happigen Verluste zu tragen. Ansonsten aber ist’s ein mit dem Geld der Allgemeinheit ausgebauter Tempel vor allem für tagungslustige Großunternehmen. Herzliche Grüße also vom freudestrahlenden Klassenfeind ans zahlende Volk.

O. Pugliese (zuerst erschienen auf seemoz.de)

Bodenseeforum: Fragwürdiger “Betrauungsakt”

Holger ReileIm Oktober soll das Bodenseeforum, ein Lieblingskind des Konstanzer Oberbürgermeisters Burchardt, die Pforten für Kongresse und andere Veranstaltungen öffnen. Von der anfänglichen Begeisterung für das euphorisch begrüßte “Jahrhundertprojekt” ist auch in den Reihen der bürgerlichen Gemeinderatsfraktionen kaum noch etwas zu spüren. Jetzt hat die Stadtverwaltung dem Gemeinderat die Wirtschaftspläne der zum städtischen Eigenbetrieb deklarierten Einrichtung für 2016 und 2017 vorgelegt, in denen nachzulesen ist, dass erstmal deutliche Verluste zu erwarten sind. Das bringt die Verwaltung in die Bredouille, denn eine städtische Subventionierung des Eigenbetriebs verbietet das EU-Recht eigentlich. Ausnahmen lässt Brüssel allerdings zu, wenn Einrichtungen “allgemeine wirtschaftliche Interessen” bedienen, z. B. indem sie Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, für die sich private Unternehmen mangels Profitabilität nicht interessieren. Bei der Sitzung am vergangenen Donnerstag hat die Rathausspitze sich vom Rat deshalb einen “Betrauungsakt” absegnen lassen, der das Tätigkeitsfeld des Bodenseeforums – Kongresse und andere kommerzielle und kulturelle Veranstaltungen – kurzerhand zur Daseinsvorsorge erklärt. Ein politisch fragwürdiges und juristisch umstrittenes Verfahren, meinten die Stadträte der LLK und stimmten deshalb gegen den Antrag der Verwaltung. Holger Reiles Redebeitrag:


Werte Gäste, Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen.

Im grauen Alltag betriebswirtschaftlicher Realitäten muss auch die Stadt sich eingestehen – ich zitiere aus der Vorlage: Das “Bodenseeforum Konstanz wird voraussichtlich in den ersten Jahren Verluste erwirtschaften, die von der Stadt Konstanz ausgeglichen werden müssen.” Zitat Ende.

Ich darf in diesem Zusammenhang an ein anderes Großprojekt erinnern, bei dem die Befürworter die Öffentlichkeit damit beruhigten, rote Zahlen würden sich nach wenigen Jahren wie von Zauberhand schon schwarz färben. Fakt ist: Der einst mindestens ebenso euphorisch wie das Bodenseeforum bejubelte Katamaran kostet bis heute die Bürgerinnen und Bürger Jahr für Jahr viel Geld, zuviel Geld.

Schon in der Vergangenheit hat die Entscheidung für das Forum immer wieder zu vernehmlichem Knirschen geführt, sei es im baulichen Bereich, sei es bei organisatorischen, technischen oder Finanzierungsfragen. Die Vorlagen, die die Verwaltung aber heute diesem Gremium zumutet,- Kolleginnen und Kollegen – toppen das Ganze noch. Damit meine ich nicht in erster Linie die haushaltstechnischen Kniffe, die notwendig werden, weil das mit der GmbH nicht geklappt hat und der Rat daraufhin einen Eigenbetrieb beschließen musste, obwohl auch das von ungenauer Vorbereitung zeugt.

Das eigentliche Problem, an das in der Begeisterung über die sogenannte “Jahrhundertchance” Bodenseeforum offensichtlich niemand gedacht hat, sind die Verluste, die der Laden einfahren wird. Klar ist, dass die an der Stadt hängen bleiben werden, ebenso klar ist aber, dass ein solcher Defizitausgleich im Grunde genommen gegen europäisches Recht verstößt und untersagt ist. Juristisch gilt die Übernahme von Verlusten eines Unternehmens durch die Stadt als verbotene Beihilfe, auch wenn es sich dabei um einen Eigenbetrieb in städtischem Besitz handelt.

Getrieben von der Not, ein Schlupfloch aus diesem Dilemma zu finden, hat die Verwaltung munter weiter gemacht : Ihrer Meinung nach liesse sich das Subventionierungsverbot umgehen, wenn solche Zuwendungen unter eine Freistellungsregelung fallen. Die EU lässt solche Ausnahmen u.a. zu, wenn es um – Zitat: “Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse” kurz(DAWI) geht. Damit gemeint sind Aufgaben, die “private Marktteilnehmer aufgrund der strukturellen Unwirtschaftlichkeit der Aufgabenerfüllung” nicht stemmen wollen, weil sie zu wenig Profit verheißen – sprich Leistungen der Daseinsfürsorge wie z. B. öffentlicher Verkehr oder Energieversorgung.

Also hat man in dem sogenannten Betrauungsakt, der uns jetzt zur Abstimmung vorliegt, die – ich zitiere aus § 2 – “Zurverfügungstellung öffentlicher, jedermann zugänglicher Veranstaltungshallen sowie der Organisation städtischer und sonstiger kultureller, kommerzieller und gesellschaftlicher Veranstaltungen einschließlich deren Vermarktung” flugs zur “Daseinsfürsorge” erklärt, für die die Stadt “freiwillige Investitionszuschüsse” gewährt.

Meine Damen und Herren, wieso Kongresse und Festivitäten von Großunternehmen, Wissenschaftsorganisationen etc., die sich das Bodenseeforum erklärtermaßen als Zielgruppe erkoren hat, ein Akt der öffentlichen Daseinsvorsorge sein sollen, das erschließt sich uns, und ich denke nicht nur uns, in keinster Weise.

Hier will die Verwaltung ein Votum für die Verschwendung von Steuergeldern für ein Prestigeprojekt – Millionenbeträge, die dringend für wesentlich wichtigere Aufgaben in der Stadt gebraucht werden. Dazu kommt, dass sie rechtlich auf tönernen Füßen steht, denn es liegen höchstrichterliche Entscheidungen vor, die solch’ kreativen juristischen Konstruktionen, um das EU-Subventionierungsverbot zu umgehen, enge Grenzen setzt.

Somit wird es Sie nicht wundern, wenn die Fraktion der Linken Liste diesem durchweg fragwürdigen Konstrukt nicht zustimmt.

Holger Reile

Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist eine Daueraufgabe

AnkeSchwedeDer Geschäftsbericht der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK für das Jahr 2015 war Thema der Juni-Sitzung des Konstanzer Gemeinderats. In ihrem Redebeitrag begrüßte die Linke-Liste-Stadträtin Anke Schwede, dass sich die Gesellschaft vor dem Hintergrund der drückenden Wohnungsnot im zurückliegenden Jahr ganz auf ihre eigentliche Aufgabe konzentriert hatte, die Schaffung von bezahlbaren Mietwohnungen. Angsichts der weiter zunehmenden Zahl Wohnungssuchender würden allerdings gegenwärtig immer noch viel zu wenig Wohnungen von der WOBAK neu gebaut – 2015 waren es gerade mal 72. Außerdem forderte Schwede, der erneute Millionengewinn des Unternehmens müsse zu 100 Prozent für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums genutzt werden. Der Beitrag im Wortlaut:


Die städtische Wohnungsbaugesellschaft macht wieder einen Millionengewinn, er ist um 120.000 Euro auf über 2,5 Mio. gestiegen und das ist sehr zu begrüßen. Vorausgesetzt, die Überschüsse fließen in den kommenden Jahren zu 100 Prozent in die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Erfreulich ist aus unserer Sicht auch, dass sich die WOBAK im vergangenen Jahr offensichtlich auf ihre Kernaufgabe – ich zitiere – „der sicheren und sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung breiter Schichten der Bevölkerung“ fokussiert hat. Die „ausschließliche Konzentration auf den Bau bezahlbarer Wohnungen“, wie es im Geschäftsbericht 2015 heißt, fordert angesichts der hier herrschenden Wohnungsnot auch die Linke Liste seit Jahren. Dieser neue Kurs der Wobak findet also unsere volle Unterstützung – wenn er denn dauerhaft beibehalten wird.

Aber die trotzdem weiter steigende Zahl von Wohnungssuchenden auf nunmehr fast 2900 bedeutet, dass die Anstrengungen bei weitem nicht ausreichen. Das zeigt auch die Entwicklung des Mietwohnungsbestands. Ganze 72 Wohnungen kamen 2015 hinzu, in Fertigstellung sind nach den vorliegenden Unterlagen 171. Das ist angesichts der prekären Situation einfach zu wenig.

Zumal die Bewerberzahlen allenfalls als grober Indikator für die Haushalte gelten können, die tatsächlich vergeblich nach einer Wohnung suchen. Viele halten angesichts jahrelanger Wartezeiten eine Registrierung für sinnlos und melden sich nicht mehr. Ich verweise in diesem Zusammenhang wieder auf unsere Kritik an der Gewichtung des Handlungsprogramms Wohnen: Hier muss dringend im sog. unteren Segement nachjustiert werden, unserer Meinung nach muss der Anteil von dauerhaft preisgebundenen Wohnungen mindestens 50 Prozent betragen. Zumal Konstanz 2015 erneut um über 1.100 EinwohnerInnen gewachsen ist.

Wohlgemerkt: dies hat nichts mit der Aufnahme von Geflüchteten zu tun, die überwiegende Zahl hat noch gar keine Wohnberechtigung.

Warum in dieser Situation die Wobak das Bauträgergeschäft, sprich den Handel mit Immobilien, trotzdem für „unverzichtbar“ hält, leuchtet uns nicht ein; vor allem, weil es im Geschäftsbericht nicht mit entsprechenden Zahlen transparent gemacht wird. Wir bitten dazu um Auskunft.

Und wir möchten auch wissen, wofür die Erlöse aus dem Immobiliengeschäft verwendet werden. Zu welchem Anteil kommen sie dem sozialen Wohnungsbau zugute? Konkret: Was ist mit den Geldern, die für den Verkauf der acht Eigentumswohnungen an der Rheingutstraße und den 23 Einfamilienhäusern im Eichendorffweg erlöst wurden?

Anke Schwede

Bürgerinitiative „Für Singen“ lädt zu weiteren Kundgebungen gegen Einkaufszentrum ein

Die Bürgerinitiative „Für Singen“ setzt im Wahlkampf vor dem Bürgerentscheid weiter auf öffentliche Kundgebungen. Die sollen, der Fussball-EM wegen, allerdings die nächsten beiden Male nicht an Donnerstagen, sondern mittwochs stattfinden. Bis zum Abstimmungstag am 17. Juli organisiert die Initiative außerdem jeden Samstag Infostände auf dem Wochenmarkt, seit gestern wird weiträumig gegen das ECE-Center plakatiert. Weitere Aktivitäten, darunter eine Informationsveranstaltung, sind in Planung.

Treffpunkt für die Kundgebungen ist wieder das Café Hanser, anschließend wollen die Demonstrant_innen entlang der Hegaustraße das Gelände des geplanten ECE-Centers umrunden.

Die Demonstrationen stehen ganz im Zeichen des bevorstehenden Bürgerentscheids. Als Redner werden am 22.6. Andreas Syré von attac und am 29.6. Andreas Pfleger von der Apotheke Sauter auftreten.

Syré leitet die Singener Gruppe von attac, deren Ziele sich in dem Satz „Globalisierung geht ganz anders – Menschen und Natur vor Profit“ zusammenfassen lassen. Pfleger beschäftigt sich seit vergangenem Jahr intensiv mit den Folgen, die eine Ansiedlung der riesigen Shoppingmall für die Verkehrssituation in Singen hätte. Seine Einschätzung: die Problematik der Mehrbelastung sei noch weit von einer Lösung entfernt.

Regina Henke, „Für Singen“-Sprecherin: „Auch wenn versucht wird, die sachlichen Argumente auszublenden und schönzureden, und der Bürger mit rosaroten Versprechungen eingellullt werden soll, kann sich das Blatt immer noch wenden. Die Singener Bürger haben es in der Hand! Das Center muss so nicht gebaut werden – noch ist es nicht entschieden!“ – PM/jüg

Die griechische Krise, die Migration und das Europa der Konzerne und Banken

die griechische tragödieDIE LINKE, die Linke Liste Konstanz und die DKP laden zu einer Veranstaltung ein, die sich mit einem Thema beschäftigen wird, das im vergangenen Jahr auch in Konstanz nicht nur Linke bewegte: Damals bot die neugewählte Syriza-Regierung der EU-Troika die Stirn und wehrte sich gegen die von Merkel und Schäuble diktierte Austeritätspolitik, die ein breite Spur sozialer Verheerungen im Land hinterlassen hatte. Ein vergeblicher Versuch, wie wir wissen, Konzern-Europa zwang das Land in die Knie, auch wegen der Schwäche linker Bewegungen im restlichen Europa. Heute ist Griechenland aus den Schlagzeilen verschwunden und auch linke Politikschwerpunkte haben sich längst auf andere Schauplätze verlagert. Wir haben den Publizisten Winfried Wolf, u. a. Chefredakteur der Zeitschrift “Lunapark 21” und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von attac, nicht trotzdem sondern gerade deshalb zu einer Veranstaltung zur griechischen Krise eingeladen.

Winfried Wolf stellt in seinem neuen Buch, das er gemeinsam mit dem griechischen Journalisten Nikos Chilas geschrieben hat, die aktuelle griechische Tragödie, die mit der Durchsetzung des EU- und IWF-diktierten Austeritätsprogramms noch lange nicht beendet ist, in einen historischen Kontext. Er spürt den deutsch-griechischen Beziehungen bis ins Jahr 1941 nach, als die Wehrmacht das Land besetzte. Griechischen Forderungen nach Reparationszahlungen und Wiedergutmachung wichen Bonn und Berlin beharrlich aus; und als 2001 eine Athener Gerichtsvollzieherin mit einem höchstgerichtlich bestätigten Urteil vor dem griechischen Goethe-Institut auftauchte und die Einrichtung konfiszieren wollte, intervenierte Deutschland politisch dagegen.

WWolfDeutsche Knute und deutscher Druck ziehen sich als braun-schwarzer Faden durch die griechische Zeitgeschichte. Ohne ihre Kenntnis ist die heutige Situation in Griechenland nicht erklärbar.

In der Geschichte der Europäischen Union gibt es einige wuchtige Marksteine. Römische Verträge, Europäisches Währungssystem, Euro-Einführung, Osterweiterung. Doch die Erfahrung im Jahr 2015, als einem EU-Land die Souveränität abgesprochen wurde, stellt den vielleicht wichtigsten Einschnitt in der 60-jährigen Geschichte der europäischen Einigung dar. Und zwar in dreifacher Hinsicht: Erstens geschichtlich – hinsichtlich der Beziehungen Griechenlands zum restlichen Europa. Zweitens ökonomisch – hinsichtlich der Zuspitzung der Eurokrise und der auf die Spitze getriebenen Austeritätspolitik. Und drittens politisch – hinsichtlich der Bedeutung der griechischen Erfahrung für die europäische Linke. Wobei sich die Krise der EU in den nächsten Tagen nochmals vertiefen könnte: mit dem Referendum in Großbritannien am 23. Juni über einen Brexit und mit den Wahlen in Spanien am 26. Juni.

Solidarität gefragt

Thema der Veranstaltung wird auch ein vom Bodensee aus unterstütztes Solidaritätsprojekt sein. Kifa im Herzen Athens ist eine von über 30 Solidar-Kliniken, die das Bündnis “Solidarity4all” in ganz Griechenland aufgebaut hat. Ärzte und Apotheker versorgen in diesen Kliniken, oftmals nicht größer als eine Arztpraxis hierzulande, kostenlos bedürftige Menschen – vormals Einheimische, die ihre Krankenversicherung nicht mehr bezahlen konnten, aktuell aber vornehmlich Flüchtlinge, die ohne jede staatliche Unterstützung in Griechenland überleben müssen. Nach einem Vortrag des Syriza-Politikers Giorgos Chondros in Konstanz übernahmen vor drei Jahren Apotheker und Ärzte vom Gesundheitsnetz Hegau (GNH) die Unterstützung der Kifa-Klinik. Seit 2013 wird die Miete (monatlich 500 Euro) von Konstanz aus bezahlt, werden medizinische Geräte und monatlich Medikamente im Wert von durchschnittlich 2000 Euro nach Athen geschickt. – jüg


Veranstaltung mit Winfried Wolf, Dienstag, 21. Juni, 20 Uhr, Kulturzentrum Konstanz (Astoria-Saal), Katzgasse 5-7

Demo am 11.6. in Lindenberg/Allgäu: Kein Platz für Rassismus – Grenzenlose Solidarität statt rechter Hetze

no-afdEin Bündnis verschiedener lokaler Gruppen ruft am Samstag, den 11.06. ab 15:30 Uhr zu einer Demonstration in der Innenstadt von Lindenberg im Allgäu auf. Die Demonstration startet direkt im Anschluss an die Kundgebung „Lindenberg bleibt bunt“ auf dem Stadtplatz. Am selben Tag plant die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine öffentliche Veranstaltung mit Frauke Petry im von der Stadt Lindenberg vermieteten Löwensaal. Wir wollen vor und während der Veranstaltung ein deutliches Zeichen der Solidarität mit geflüchteten Menschen setzen und unsere Ablehnung gegen rechte Hetze zum Ausdruck bringen.

Das politische Programm der AfD hat seinen größten Schwerpunkt in einer „Kritik“ der Migrationspolitik der letzten Jahre. Anstatt jedoch wie es aus unserer Sicht angemessen wäre, die unzureichenden Vorkehrungen zur Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten und die katastrophalen Bedingungen an den EU-Außengrenzen und in vielen Erstaufnahmeländern der EU zu kritisieren, richtet die AfD ihre Propaganda gegen eben jene Menschen, die in ihren Herkunftsländern, auf der Flucht und auch in der BRD bereits genug Leid erfahren mussten. Es ist aus unserer Sicht ein Fehler, dass die Lindenberger Stadtverwaltung der AfD ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen will und damit eine Plattform für ihre rassistische Stimmungsmache bietet. Dass auf dieser Veranstaltung nun ausgerechnet Frauke Petry auftreten soll, die mit ihrer Forderung nach einem Schießbefehl an deutschen Grenzen für bundesweites Aufsehen gesorgt hat, verschärft diese Problematik noch zusätzlich. Zur Vermietung ihrer Räumlichkeiten für eine AfD-Veranstaltung mit Frauke Petry wurde auch ein offener Brief an die Stadtverwaltung Lindenberg geschickt.

Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft ein Recht auf ein gutes Leben hat. Als reiches mitteleuropäisches Land sind in der BRD mehr als genug Ressourcen vorhanden, um Menschen aus anderen Teilen der Welt Zuflucht und Schutz zu gewähren. Das massenhafte Sterben von Schutz suchenden Menschen jeden Alters im Mittelmeer ist eine direkte Konsequenz der EU-Abschottungspolitik an den Außengrenzen. Wir wünschen uns eine Welt, in der Solidarität und Menschlichkeit anstelle von Ausgrenzung, Abschottung und Engstirnigkeit das Zusammenleben ausmachen. Bei uns gibt es genug Platz für geflüchtete Menschen, nicht aber für rassistische Hetze.

Also kommt am Samstag, den 11. Juni bis 14.30 Uhr auf den Stadtplatz nach Lindenberg/Allgäu: Für grenzenlose Menschenrechte – Gegen rechte Hetze – Für ein weltoffenes Allgäu


Der Aufruf wird bisher von folgenden Gruppen unterstützt:
LiA – Links im Allgäu, Bunte Liste – Lindau, Initiative gegen Rassismus – Westallgäu, react!or – antirassistisches Jugendaktionsbüro Kempten, Gegen Rassismus im Allgäu und sonstwo, Die LINKE im Landkreis Lindau, Reclaim your streets – Ravensburg, Club Vaudeville Lindau.

Weitere Unterstützer_innen können sich gerne jederzeit an uns wenden.

Kontakt: initiative-gegen-rassismus@riseup.net
Website: www.initiative-gegen-rassismus.com