Die Armut bekämpfen, nicht die Armen

Obwohl eine der wohlhabendsten Städte im wohlhabenden Baden-Württemberg, sind in Konstanz mehrere tausend Menschen von Armut betroffen. Laut neuestem Bericht zum Konstanzer Sozialpass haben 5000 Menschen Anspruch auf die Vergünstigungen, wobei die Dunkelziffer höher sein dürfte, denn nicht jede/r Berechtigte beantragt einen Pass. Vor allem hohe Preise und steigende Mieten machen einkommensschwachen Konstanzer*innen zu schaffen. Seit Jahren etwa wächst die Zahl von Menschen, die ihr Zuhause durch Zwangsräumungen verlieren. Zunehmend werden chronisch und psychisch Kranke, alleinerziehende Frauen, alte Menschen mit kleinen Renten, aber auch Familien mit vielen Kindern sowie Personen mit Migrationshintergrund vom Wohnungsmarkt ausgegrenzt. Auffällig ist, dass im Landkreis viele unter 25-Jährige wohnungslos und hilfebedürftig sind, der prozentuale Anteil junger Frauen ist bemerkenswert hoch. Für all diese Gruppen ist die Lage angesichts langer Wartelisten bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK und der Wohnungsnot nahezu aussichtslos.

Die wachsende Armut macht ein Gegensteuern der Kommune unverzichtbar. Doch die Stadt Konstanz scheint nicht die Armut bekämpfen zu wollen, sondern die Armen. Die Kampagne gegen „aggressives Betteln“ zielt darauf, die Armen aus der Stadt zu vertreiben. Statt die Not der Menschen durch eine Verbesserung der sozialen Infrastruktur zu lindern, will man sie unter Zuhilfenahme rassistischer Stereotype aus dem Straßenbild entfernen, um den Schein der schönen Konsumwelt zu wahren. Die LINKE LISTE kämpft darum, dieses menschenverachtende Vorgehen zu beenden.

Auch wegen beständigen Drängens der LINKEN LISTE hat die WOBAK inzwischen 18 Wohnungen im Mühlenweg am westlichen Rand von Konstanz gebaut und eine Obdachlosenunterkunft in der Hafenstraße ertüchtigt. Das ist jedoch nur ein erster Tropfen auf dem heißen Stein. Die zentrumsferne Unterbringung wie im Mühlenweg fördert zudem Ghettoisierung und Stigmatisierung der Schwächsten.

Die LINKE LISTE plädiert dagegen für ein umfassendes Konzept, das den Auswirkungen von Armut und Wohnungslosigkeit wirkungsvoll begegnet und die drängendsten Probleme konkret angeht. Ein Bestandteil muss der Ausbau von Notunterkünften sein, um auf der Straße lebenden Menschen zu helfen. Für die dauerhafte Unterbringung einkommensschwacher Menschen sind stadtnahe Quartiere wichtig, um Ausgrenzung vorzubeugen. Dieser Grundsatz muss künftig bei allen Maßnahmen zur Stadtentwicklung stärker berücksichtigt werden. Die LINKE LISTE fordert deshalb für Projekte wie auf dem Döbele oder auch im neuen Stadtteil Hafner eine Sozialwohnungsquote von 50 Prozent.

Den Interventionen der LINKEN LISTE und anderer Fraktionen ist es zu verdanken, dass es einen Sozialpass gibt, dessen Vergünstigungen in den letzten Jahren ausgeweitet wurden. Dies trifft allerdings nur teilweise für die Mobilität zu, einen zentralen Bereich des täglichen Lebens. Der öffentliche Personennahverkehr muss generell ticketfrei werden, zumindest müssen aber die Preise deutlich sinken. Die ökologisch und sozialpolitisch kontraproduktive Praxis der Stadtwerke, die Busnutzung regelmäßig zu verteuern und die Erhöhung auch an Sozialpass-Inhaber*innen weiterzugeben, ist inakzeptabel. Deshalb muss zumindest für diese Gruppe der ÖPNV so schnell wie möglich kostenfrei werden.

Das fordert die LINKE LISTE außerdem:

  • Jährlichen Armutsbericht erstellen. Die letzte Aktualisierung stammt aus dem Jahr 2002, alle Versuche der LINKEN LISTE, eine Neuauflage zu realisieren, wurden vom Gemeinderat abgelehnt. Nach 17 Jahren ist nun ein abgespeckter Bericht angekündigt. Wir verlangen eine umfassende Dokumentation der sozialen Verhältnisse, die als Grundlage verwendet werden kann, um Betroffenen zu helfen.
  • Abschaffung der gemeinnützigen Arbeit zu Hungerlöhnen und Umwandlung solcher Jobs in vollwertige, tarifgerechte Arbeitsverhältnisse.
  • Die zunehmende Armut trifft immer mehr Kinder und Jugendliche. Wir fordern für die Betroffenen mehr kommunale Angebote wie Jugend- und Begegnungszentren, Bildungs- und Kultureinrichtungen. Bei Freizeit- und Bildungsmöglichkeiten darf das Einkommen der Eltern keine Rolle spielen.
  • Personelle Aufstockung des Fachdienstes Wohnungslosenhilfe und der mobilen Jugendarbeit, um eine umfassende und sinnvolle Betreuung wohnungsloser Menschen zu gewährleisten. Die Personalsituation muss der wachsenden Zahl Wohnsitzloser in Konstanz angepasst werden.
  • Infrastrukturelle Aufwertung des Standortes Mühlenweg, so wie es im Quartier Berchen/Öhmdwiesen durch schrittweise Entwicklung und Aufwertung gelungen ist.
  • Ausweitung der Öffnungszeiten der Tagesstätte AGJ am Lutherplatz und eine weitere Sanierung des baufälligen Hauses von Grund auf. Falls dies nicht möglich ist, muss adäquater innenstädtischer Ersatz geschaffen werden.
  • Die städtischen Mietbeihilfen müssen dem hohen Konstanzer Mietniveau Rechnung tragen und dementsprechend erhöht werden.
  • Alle Wohnkosten (zum Beispiel Strom, Wasser) müssen auf Darlehensbasis vom Sozialamt für Personen übernommen werden, die nicht in der Lage sind, diese selbst zu tragen und die daher von Zwangsräumung bedroht sind.