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Frühling international – Solidaritätskonzert am 22. Mai

Frühling-internationalLasst uns im Stadttheater gemeinsam über Zäune springen, um zu tanzen, zu sprechen und zu feiern. Wir laden ein zum Konzert für Solidarität und Gemeinsamkeit! Eintritt frei.

Auch im Frühling 2016 sind Menschen auf der Flucht vor Krieg und Hunger, vor Perspektivlosigkeit und Unterdrückung. Sie fliehen in fremde Städte und wohnen auch in Konstanzer Häusern, in notdürftig eingerichteten Containern und Hallen.

Die Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, Serbien und zahlreichen anderen Orten sind unsere Nachbar*Innen geworden. Als Menschen waren wir uns schon immer nah, denn wir leben gemeinsam in einer Welt.

Im Frühling 2016 überwinden Menschen Grenzen!

DAS PROGRAMM

18:00 — Willkommensrede
18:10 — Vorstellung Spendenprojekt
18:20 — Die chilenische Band Musikandes singt und berichtet vom „anderen 11. September Chile 1973“
19:50 — Pause
20:10 — Geflüchtete berichten aus Kriegsregionen
20:30 — Gesang und Gitarre mit Serenat Ezgican
21:30 — Schlussreden
21:40 — Im Theaterfoyer ins Gespräch kommen, Musik hören und Tanzen

Spenden des Abends gehen an das Projekt „Nihal Education Centre Sudan“ (www.sudan-education.org), ein Schul- und Bildungsprojekt im Sudan für Jungen und Mädchen aus unterprivilegierten Schichten.

Protest gegen rechte Kundgebung in Singen

seemoz-Antifa-Demo-SingenUm die 90 TeilnehmerInnen zählte am vergangenen Samstag in Singen eine Kundgebung, mit der AntifaschistInnen aus der Region gegen den erneuten Aufmarsch von Rechten aus dem Umfeld zweier regionaler Facebook-Gruppen protestierten. Nach der Kundgebung zogen viele zum Versammlungsort der „Patrioten“ vor dem Hallenbad und kommentierten deren Reden lautstark mit Parolen und Spottgesängen.

Zu der Protestkundgebung unter dem Motto „Aufstehen gegen Rassismus – Refugees welcome“ rief das Bündnis „Singen Nazifrei“ auf, das schon vor etwas mehr als einem Jahr die Aktionen gegen eine NPD-Demonstration in der Hohentwiel-Stadt organisiert hatte. 19 Organisationen, darunter die VVN-BdA, die IG Metall, die Jusos und DIE LINKE, schlossen sich dem Aufruf zur Kundgebung am 7. Mai vor der Scheffelhalle an. Mehrere RednerInnen betonten dort die Notwendigkeit, sich der Rechtsentwicklung zu widersetzen.

Jürgen Geiger, der für das Bündnis sprach, warnte in seinem Beitrag davor, Gruppierungen wie die „Bürgerwehr Landkreis Singen“ zu unterschätzen, sie seien nur die Spitze des Eisbergs. Er verwies auf die Wahlerfolge der AfD – in der Stadt Singen hatten die Rechtspopulisten bei der Landtagswahl mehr als 20 Prozent erhalten –, die er als „parlamentarischen Arm des rechten Mobs“ bezeichnete. Einem politischen Lager, das von offenen Faschisten bis zu Nationalkonservativen reiche, gelinge es zunehmend, den gesellschaftlichen Diskurs zu polarisieren.

Scharf ging der Bündnissprecher mit den Reaktionen der „herrschenden Eliten“ ins Gericht, denen er vorwarf, vor diesem Druck einzuknicken: „Man hat den Eindruck, dass hier inzwischen ein Überbietungswettbewerb stattfindet, wer das Land am besten vor den Flüchtlingen schützen kann.“ Dabei sei es gerade die politische Klasse gewesen, die „den Höhenflug der rechten Demagogen möglich gemacht hat“, so Geiger. Die neoliberalen Rezepte, die sie dem Land verordnet hätten, sorgten dafür, dass die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinanderklaffe. Die dadurch ausgelösten Abstiegsängste griffen die Rechten nun auf.

Die Gesellschaft stehe an einem Scheideweg, ist Geiger überzeugt: „Werden größere Teile der abstiegsbedrohten Bevölkerung sich den Rechtspopulisten zuwenden und damit den Weg für eine noch unsozialere, autoritäre und antidemokratische Entwicklung bereiten? Oder gelingt es uns, Konkurrenz und Entsolidarisierung zurückzudrängen und ein gesellschaftliches Lager der Solidarität zu bilden?“

Nach Abschluss der antifaschistischen Kundgebung machten sich viele TeilnehmerInnen auf den Weg durch die Stadt zum Hallenbad, vor dem sich später am Nachmittag die „deutschen Patrioten“ versammelten, darunter stadtbekannte Nazis und NPD-Landtagskandidaten. Unter starkem Polizeischutz fanden sich rund 50 Unterstützer vor einem Transparent mit der Aufschrift „Merkel muss weg“ ein. Die in den folgenden anderthalb Stunden dort gehaltenen, abwechselnd deutschnationalen und fremdenfeindlichen Reden gingen meist in einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert unter oder wurden durch lautstarke Parolen und Spottgesänge der etwa 100 AntifaschistInnen übertönt, die sich vor dem durch Gitter abgesperrten Hallenbad eingefunden hatten.

jüg

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Samstag, 7. Mai, 13 Uhr, Singen, Scheffelhalle: “Aufstehen gegen Rassismus”

Aufstehen gegen Rassismus KundgebungEin breites Bündnis von 19 Organisationen aus Singen, Radolfzell und Konstanz, darunter Gewerkschaften, linke Parteien, Gedenkinitiativen und Asylgruppen, ruft am kommenden Samstag, 7. Mai, zu Protesten gegen den Aufmarsch einer rechten „Bürgerwehr Landkreis Konstanz“ in Singen auf. Mit einer Kundgebung vor der Scheffelhalle unter dem Motto „Aufstehen gegen Rassismus“ wird das Bündnis Singen Nazifrei am Samstag ab 13.00 Uhr in Singen Flagge zeigen. Es ruft alle, die für eine humanitäre, solidarische Gesellschaft eintreten, zur Beteiligung am Protest gegen die menschenfeindliche Politik auf, für die Kräfte wie die „Bürgerwehr“ stehen.

Unter dem Motto „Merkel muss weg“ wollen diese rechten DemagogInnen am 7. Mai um 15 Uhr vor dem Singener Hallenbad aufmarschieren. Es ist seit Mitte Februar das dritte Mal, dass sie versuchen, ihre Hetze auf die Straße zu tragen. Die „Bürgerwehr Landkreis Konstanz“ steht für menschenverachtenden Rassismus und Ausgrenzung. Sie wirbt aktiv auf den Facebookseiten von RechtspopulistInnen und Neonazis (NPD, Freie Kameradschaften), um mehr TeilnehmerInnen für ihre Kundgebungen zu gewinnen.

Kritik übt das Bündnis Singen Nazifrei am Verhalten der Stadt Singen im Vorfeld. Dass die Kundgebung gegen Rechts nun an der abgelegenen Scheffelhalle und damit weit entfernt vom Aufmarschplatz der Rechten stattfinden muss, ist das Ergebnis eines wochenlangen Verwirrspiels um den Standort des Auftritts der Rassisten, an dem die Stadtverwaltung maßgeblich beteiligt war.

Das Bündnis wollte einen Kundgebungsort, der es ermöglicht hätte, den Protest möglichst nahe am Aufmarschort der Rechten sicht- und hörbar zum Ausdruck zu bringen. Doch selbst ein Platz in der Scheffelstraße – also in über einem Kilometer Entfernung vom Singener Hallenbad – wurde bei einem „Kooperationsgespräch“ am vergangenen Freitag mit dem fadenscheinigen Argument von der Stadtverwaltung verweigert, der vorgeschlagene Platz sei vom gleichzeitig stattfindenden Jugendflohmarkt belegt. Eine Behauptung, die nicht zutrifft, wie unsere Nachfrage beim Veranstalter ergeben hat.

Es hat den Anschein, als sei die Singener Verwaltung, einer Stadt, in der kürzlich mehr als 20 Prozent der WählerInnen ihre Stimme für die AfD abgegeben haben, nicht an einer entschiedenen Gegenwehr gegen rechte Hetzerinnen und Hetzer interessiert.

Bündnis Singen Nazifrei

Es rufen auf: Amnesty International Singen, Antifaschistische Aktion Konstanz, DIDF (Föderation der Demokratischen Arbeitervereine) Konstanz, DIDF-Jugend Konstanz, Die Falken Konstanz, DIE LINKE Kreisverband Konstanz, DIE PARTEI Konstanz, DKP Bodensee, Freundeskreis Asyl Radolfzell e.V., Grüne Jugend Konstanz, IG-Metall Singen, IG-Metall-Jugend Singen, Initiative Stolpersteine in Radolfzell, Jusos AG Hegau-Höri, Linksjugend [’solid]/dielinke.sds Konstanz, LinksRhein, Rote Hilfe Konstanz-Bodensee, Teestube Singen, VVN-BdA Konstanz

Warnstreik gegen den Pflegenotstand

seemoz-Warnstreik+Theater 006„Wir versorgen doppelt so viele Patienten mit der Hälfte der PflegerInnen wie noch vor zehn Jahren“. Was die Streikenden aus der Intensivstation des Klinikums Konstanz gestern im Streikbüro der Gewerkschaft während ihres eintägigen Warnstreiks berichteten, wirft ein grelles Licht auf den Pflege-Notstand direkt vor unserer Haustür. Und besonders schlimm: Ein Gutteil der Probleme ist hausgemacht.

„Alles fing an mit der Zusammenlegung zweier Intensivstationen zu einer“, berichtet Hannes Hänßler aus der örtlichen Streikleitung, „zuerst in Singen, später auch in Konstanz“. Diese „Rationalisierung“ habe den Leistungsdruck gewaltig erhöht. Und deshalb sei die Streikbereitschaft im Konstanzer Klinikum heute so außerordentlich hoch. „Vor zwei Jahren noch hätte keine dieser Frauen gestreikt – heute hätte am liebsten auch der Notdienst am Streik mitgemacht.“ Vier Kolleginnen jeder Schicht im Dreischichtbetrieb waren zum Notdienst eingeteilt.

„Solange allein betriebswirtschaftliches Denken in der Führungsetage angesagt ist“, weiß Margrit Zepf, Bezirksgeschäftsführerin der verantwortlichen Gewerkschaft ver.di, „und nicht mehr das Wohl der Patienten, wird der Arbeitsdruck immer größer. Dann steigt der Krankenstand unter den Beschäftigten, dann wächst die Unzufriedenheit mit der Arbeit und der Frust.“

„Eigentlich wollten wir helfen, wollten pflegen“

Die Pflegerin J. K. kann das aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Nach 17 Jahren auf der Intensivstation hat sie gerade in diesen Tagen gekündigt: „Ich hatte nicht mehr genügend Zeit für die Patienten. Und das zermürbt, denn wir haben doch alle diesen Beruf gewählt, weil wir helfen, pflegen wollen. Doch unter solchen Umständen ist das nicht mehr möglich.“

Rund 50 Schwestern arbeiten noch auf der Konstanzer Intensivstation – „allein 15 haben in den letzten zwei Jahren gekündigt“, weiß Streikleiter Hänßler. Die meisten sind auf Teilzeit umgestiegen, „denn als 100-Prozent-Kraft hält man das nicht aus,“ bestätigen die Streikenden, unter denen nur eine in Vollzeit arbeitet. Knapp 3000 Euro brutto verdient sie damit, alle anderen weit weniger. Und da sind die Zulagen, die sie für die schwere Arbeit auf der Intensivstation erhalten, bereits eingerechnet.

Operationen mussten verschoben werden

„Die Intensivstation ist ein besonders sensibler Bereich“, erklärt Gewerkschafterin Zepf, „für die Klinikleitung wie für uns.“ Deshalb traf der Warnstreik den Arbeitgeber besonders hart, der ausgeklügelte Arbeitsplan musste umorganisiert, einige Operationen mussten verschoben werden. „Und die Streikenden (zwei Männer und sonst nur Frauen) mussten noch einmal mehr erklären, warum gerade sie jetzt streiken.“

Sechs Prozent mehr Lohn fordert ver.di vor allem in den laufenden Tarifverhandlung. Das Angebot der Arbeitgeber-Seite: Null. Soviel zum Pflegenotstand in Deutschland und zu den hausgemachten Gründen.

Der eintägige Warnstreik am Konstanzer Klinikum dauerte bis Freitag, 7 Uhr, und er wird nicht der letzte bleiben.

hpk (zuerst erschienen bei seemoz)

“Nur wer gegen den Strom schwimmt, hat auch die Chance, die Quelle zu erreichen”

Stadtrat Holger Reile begründete bei der gestrigen Gemeinderatssitzung, warum die Linke Liste Konstanz (LLK) den Antrag der FGL unterstützt und weshalb die LLK die Auseinandersetzung um das Scala mehr ist, als die Frage ob es auch künftig ein Kino an der Markstätte geben wird. Der Fall Scala werfe exemplarisch die Frage auf, wem die Stadt eigentlich gehöre. Es gehe darum, welchen Weg in Konstanz in der Stadtentwicklung eingeschlagen werden soll. Wollen die politischen Funktionsträger die Stadt achselzuckend dem Markt und dem Kommerz überlassen, oder zählen auch soziale und kulturelle Bedürfnisse? Wem gehört die Stadt? Der Beitrag im Wortlaut:

Werte Gäste, Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, auch wenn der Antrag auf Aufstellung eines Bebauungsplans und einer Veränderungssperre wahrscheinlich keine Mehrheit finden wird, wird ihn die Linke Liste dennoch unterstützen.

Ich möchte dazu die Kernpunkte meiner Ausführungen aus dem TUA nochmal kurz zusammenfassen und um einige Aspekte erweitern.

Zuvor aber noch eine Anmerkung in Ihre Richtung, Herr Kollege Heider von der CDU: In der TUA-Sitzung haben sie sinngemäß erklärt, wer sich für eine Veränderungssperre einsetze, könne eventuell dafür persönlich haftbar gemacht werden, wenn Schaden entstünde. Derlei – nennen wir es freundlicherweise Vorsicht -hätten wir uns vor einigen Jahren auch gewünscht, als eine Mehrheit dieses Gremiums mit dem Maultaschenfall und der Causa Müller-Esch sich auf höchst riskante Prozesse eingelassen hat – die uns überregional viel Spott einbrachten und darüber hinaus den Steuerzahler rund eine Million Euro gekostet haben. Mir ist nicht bekannt, dass die damaligen Entscheidungsträger dafür jemals zur Kasse gebeten worden wären. Da wäre also sozusagen noch ein Deckel offen.

Zum aktuellen Thema: Selbstverständlich ist es jammerschade, wenn heute das Scala offiziell zu Grabe getragen werden sollte. Herr Rabe mag den alten Schriftzug gerne ans Cinestar nageln – wieder mal geht ein Stück Konstanz verloren. Ich erinnere mich – der kleine melancholische Ausritt sei erlaubt – noch an meinen ersten Konstanz-Besuch vor exakt 40 Jahren. Mein Weg führte mich in eben dieses Scala, gezeigt wurde damals der Film „Einer flog übers Kuckucksnest“.

Mit dem zu erwartendem Ergebnis heute stehen wir meiner Meinung nach vor einem Scheidepunkt bezüglich der zukünftigen Stadtentwicklung. Selbstverständlich leben wir vom Tourismus und einer funktionierenden Wirtschaft, und das wird auch in Zukunft so sein, aber sie muss im Einklang stehen mit den soziokulturellen Bedürfnissen unserer Bevölkerung. Und da geht die Schere mittlerweile doch weit auseinander. Immer mehr Konstanzerinnen und Konstanzer fühlen sich nicht mehr wohl in ihrer Stadt und fragen sich: Wem gehört sie eigentlich? Den Fielmanns, Müllers, den dm-s, dem hiesigen Einzelhandel, den Einkaufstouristen aus dem benachbarten Ausland? Wie sieht sie aus in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren, wie steht es um die soziale Ausgewogenheit? Und: Haben wir nicht längst die Grenzen der Belastbarkeit erreicht oder sogar überschritten? Wollen wir unsere Kommune weiter ausbeinen lassen und auch noch den letzten Quadratmeter den Meistbietenden auf dem Silbertablett anbieten?

Ist es darüber hinaus ein Zeichen für Lebensqualität, wenn angeblich 400 000 Menschen den Weihnachtsmarkt besuchen – wobei ich mich immer frage, wer die eigentlich zählt – und: sind 100 000 Besucher oder mehr bei einem verkaufsoffenem Sonntag wirklich nur ein Grund zum Jubeln? Wollen wir uns weiterhin damit abfinden, dass die Stadt mittlerweile immer öfter im Verkehr erstickt? Ist das die Vorstellung von einer sozialen und und lebenswerten Stadt? Dazu: Sollte das Gemeinwohl nicht grundsätzlich über gewinnbringenden Partikularinteressen stehen? Das sind nur einige Fragen, die wir uns alle – auch selbstkritisch – stellen und schlußendlich zusammen beantworten müssen.

Dass diese Diskussion in den vergangenen Monaten mit ein Hauptthema war, ist ein Verdienst der Bürgerinitiative „Rettet das Scala“, die mit ihrer Hartnäckigkeit auch überregional auf sich aufmerksam gemacht hat. Dafür gebührt ihr Dank und Anerkennung. Ich hoffe – auch wenn die Abstimmung nicht in ihrem Sinne ausgeht – dass sich diese Initiative weiterhin engagiert und nicht genauso schnell wieder verschwindet wie sie aufgetaucht ist. Denn es gibt nicht nur eine Holschuld, sondern auch eine Bringschuld, wenn man tatsächlich etwas bewegen will. Und Möglichkeiten, Projekte von Anfang an zu begleiten, gibt es. Da ist der Stadtverwaltung kein Vorwurf zu machen.

Bleiben Sie also am Ball, mischen Sie sich ein, gestalten Sie mit. Sie werden dabei auf Widerstände stoßen – ich weiß, wovon ich rede. Aber erinnern Sie sich an die Erkenntnis eines weisen Philosophen, der einmal sinngemäß formuliert hat: Nur wer bisweilen gegen den Strom schwimmt, hat auch die Chance, die Quelle zu erreichen.

Holger Reile

Das Scala hat fertig

Mit einer erstaunlich großen Mehrheit hat es der Konstanzer Gemeinderat gestern abgelehnt, einen Bebauungsplan für die Marktstätte und gleichzeitig eine zweijährige Veränderungssperre zu erlassen. Der entsprechende Antrag der Grünen zielte darauf ab, den Umbau des Scala-Kinos in einen dm-markt zu verzögern oder ganz zu verhindern. Erstaunlich war die Deutlichkeit der Ablehnung, weil es einige “Umfaller” gab, die sich in der letzten Woche noch klar pro Scala positioniert hatten.

“Wer hat uns verraten?” Viele Menschen pflegen seit 100 Jahren auf diese Frage reflexartig mit “Sozialdemokraten” zu antworten. Aber diese Antwort wäre in diesem Falle nicht richtig. Die zahlreichen Zuhörer*innen, die aus Anhänglichkeit ans Scala in die Gemeinderatssitzung gekommen waren, fühlten sich vom Gemeinderat insgesamt eher im Stich gelassen – richtiggehend verraten sahen sie sich nur vom Jungen Forum Konstanz.

Gewiss, die Erwartungen des Publikums, dass über den Antrag der Grünen und eine Veränderungssperre das Scala doch noch zu retten sei, hatten einen erheblichen utopischen Überschuss. Aber bei der Abstimmung im Technischen und Umweltausschuss in der letzten Woche waren die Scala-Retter mit nur zwei Stimmen unterlegen, und so schien es durchaus noch offen, ob heute nicht ein oder zwei Aus- oder Umfaller etwa in der SPD oder der leidenschaftliche Arthouse-Kino-Liebhaber Klaus-Peter Kossmehl (FWK) dafür sorgen würden, dass der Antrag der Grünen doch noch durchgeht.

Eine heftige Klatsche für die Bürgerinitiative

Das vernichtende Abstimmungsergebnis muss für die engagierte Bürgerinitiative “Rettet das Scala” dem Weltuntergang verdächtig nahe gekommen sein. In namentlicher Abstimmung gab es 26 Nein- bei nur 12 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung. Die Ja-Stimmen kamen von den Grünen (außer von Peter Müller-Neff, der seinen politischen Wurzeln treu blieb und mit Nein stimmte) sowie der LLK und Zahide Sarikas, die sich damit gegen ihre Partei SPD stellte. Die Enthaltung stammte von Matthias Schäfer (JFK). Alle anderen Gemeinderätinnen und -räte stimmten gegen den Antrag, insbesondere auch die anderen drei JFKler*innen sowie Oberbürgermeister Uli Burchardt.

Im Falle des JFK war die Enttäuschung im Publikum deshalb besonders groß, weil es letzte Woche im TUA noch für den Antrag gesprochen und gestimmt hatte. Thomas Buck begründete den rapiden Sinneswandel des Jungen Forums mit einer plötzlichen Erkenntnis: Er habe sich bisher emotional zum Kino und damit seiner Rettung hingezogen gefühlt und erst dieser Tage realisiert, dass ein Kino ein Gewerbebetrieb sei wie jeder andere auch und daher auch so behandelt werden müsse. Eigentlich sollte solche Ehrlichkeit ja bestraft werden, aber sei’s drum, die Wandlung vom Paulus zum Saulus macht ihm in dieser bewunderungswürdigen Geschwindigkeit kaum jemand nach. Wichtiger wäre eine Antwort auf die Frage, wer ihm wohl zu dieser Wandlung verholfen hat – wirklich nur sein unberechenbarer Gefühlshaushalt? Wir werden es nie erfahren, zumindest so lange sich sein Therapeut weiterhin in Schweigen hüllt.

Als wär’s ein Stück von mir

Ziemlich gut in Form war an diesem frühsommerlichen Nachmittag Holger Reile (LLK), der mit dem Scala ein Stück Konstanz dahinschwinden sieht. Als Reile vor 40 Jahren erstmals nach Konstanz kam (einer im Publikum: “Was? Der ist nicht von hier? Dann soll er das Maul halten!”), führte ihn sein Weg direkt ins Scala, wo er “Einer flog übers Kuckucksnest sah”, und seitdem hängt sein Herz an diesem Kino.

Reile sieht Konstanz derzeit an einem Scheidepunkt, denn die Stadt müsse sich jetzt entscheiden, ob sie nur für Touristen und Käufer da sein und auch noch den letzten Quadratmeter meistbietend an irgendwelche Spekulanten verhökern wolle – oder ob sie auch die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger zu erfüllen gedenke. “Nur wer gegen den Strom schwimmt,” zitierte er in diesem Zusammenhang Immanuel Kant, “hat überhaupt eine Chance, die Quelle zu erreichen.” [Kritik der reinen Vernunft A407/B434, Widerstreit der Gesetze (Antinomien).]

Er erinnerte auch daran, dass der Gemeinderat nicht immer so zögerlich war wie in Sachen Scala, wo ja insbesondere von Matthias Heider (CDU) massivste Bedenken wegen möglicher Schadensersatzansprüche gegen die Stadt und einzelne Gemeinderäte ins Feld geführt wurden. Als es 2011 darum ging, daran erinnerte Reile genüsslich, den Chefarzt Gert Müller-Esch zur Strafe für einige [wohl nicht unberechtigte] kritische Worte in die Wüste zu jagen, kannte die Gemeinderatsmehrheit kein Zögern – was die Stadt vor dem Arbeitsgericht dann rund eine Million Euro für Abfindungen und Anwälte kostete. Wenn’s um den Rauswurf aufklärerisch gesonnener Geister geht, das wollte Reile wohl dezent andeuten, ist den Bürgerlichen kein Preis zu hoch. Wenn es hingegen um die kulturellen Interessen der Kinofreunde geht, ist ihnen auch das kleinste Risiko zu groß.

Na ja, wer sich wie Reile bei seinem ersten Besuch in Konstanz “Einer flog übers Kuckucksnest” ansah, musste wohl zwangsläufig früher oder später im Gemeinderat landen, der Film macht schließlich was mit einem. Manfred Hölzl (CDU) war vielleicht auch in diesem Film, denn in ihm schlummert sichtlich nicht nur ein Anhänger der Bürgerinitiative, sondern auch ein gestandener Antikapitalist. Er beklagte, dass die Konzerne und Filialriesen alles “auffressen” und die Konstanzer Innenstadt unter deren Druck zunehmend ihre Individualität verliere, etwa ein Sortiment wie das des [bodenständigen Haushaltswaren-Allrounders] Straub gebe es dort ja leider nicht mehr. Allerdings fand er, immerhin ist er ja in der CDU, dass man dagegen nichts tun könne, und wer wisse schon, was überhaupt in 10 Jahren sei. Was in 10 Jahren ist? Herr Hölzl sollte es eigentlich wissen, denn er ist ja in der CDU und die ist bekanntlich mit höheren Mächten im Bunde.

Zum Jagen tragen

Kurz bevor es zum Ende der ausgiebigen Debatte über den Antrag “pro Scala” kam, verschwand Zahide Sarikas aus dem Ratssaal. Klar, Gemeinderätinnen und -räte verschwinden gelegentlich, nicht nur aus Ratssälen, und manche auch für immer. Sie müssen sich die Nase pudern, Snacks nachfassen, den Kaffeeautomaten behelligen oder ihr Horoskop beim Astrologen abholen. Aber sie verschwinden selten so zeitnah vor der Abstimmung des Jahres und bleiben dann so verdächtig lange weg, während die Abstimmung dräut. Es sah für das Publikum einfach so aus, als wolle Frau Sarikas sich vor der Abstimmung drücken, weil die Courage sie verließ.

Am Ende kehrte sie dann doch noch rechtzeitig zurück, und ganz sicher sind die Behauptungen anderer Gemeinderät*innen falsch, “man” habe einen gewissen psychologischen Druck auf sie ausüben müssen, um sie zur freiwilligen Rückkehr und Abstimmung zu bewegen. Mit ihrem Ja fürs Scala machte sie immerhin äußerst mutig das aus Sicht der Verwaltung dreckige Dutzend der Ja-Sager*innen voll, und das werden ihr die Scala-Fans sicher bei der nächsten Wahl danken. Wenn sie’s, die Wähler*innen, bis dahin nicht schon längst vergessen haben.

Schade ist nur, dass Filmemacher Douglas Wolfsperger die gewünschte Drehgenehmigung im Ratssaal nicht erhielt. Seinen Filmklassiker „Probefahrt ins Paradies“ hätte er mit der Verfilmung dieser Ratssitzung locker übertreffen können. Genug schwangere Nonnen mit handpoliertem Heiligenschein sitzen im Gemeinderat schließlich zwölf auf ein Dutzend. Und selbst ein Beffchen für den OB hätte sich in der Hosentasche von Wolfgang Müller-Fehrenbach allemal gefunden.

O. Pugliese (zuerst erschienen bei seemoz)

Warnstreiks im Öffentlichen Dienst: “Den Arbeitgebern beim Nachdenken helfen”

wir sind es wertAm heutigen Donnerstag fanden auch in der Region die ersten Warnstreiks statt, um in der laufenden Tarifrunde den gewerkschaft­lichen Forderungen Nachdruck zu verleihen. In den Krankenhäusern in Tuttlingen, Villingen-Schwenningen und Konstanz traten vornehmlich Krankenschwestern und -pfleger in den Ausstand, am hiesigen Klinikum wurde die Intensivstation ganztägig bestreikt. DIE LINKE unterstützt die Tarifforderungen der Gewerkschaft ver.di für die Beschäftigten beim Bund und in den Kommunen.  Gute öffentliche Dienstleistungen sind unverzichtbar für eine soziale und solidarische Gesellschaft, das zeigt sich gegenwärtig gerade auch in der Flüchtlingsfrage. Deshalb müssen die in staatlichen und kommunalen Einrichtungen beschäftigten Lohnabhängigen auch anständig entlohnt werden.

Die Realität sieht anders aus: Lange stagnierte die Einkommensentwicklung im Öffentlichen Dienst. Dabei leiden viele ArbeiterInnen und Angestellte unter steigender Arbeitshetze, verursacht durch Stellenabbau und zunehmende Aufgaben. Die Forderungen von ver.di sind deshalb mehr als gerechtfertigt: 6 Prozent mehr Einkommen, 100 Euro mehr für Auszubildende und PraktikantInnen, eine verbindliche Übernahme und ein Ende von sachgrundlosen Befristungen sind wahrlich nicht zuviel verlangt.

Die Umsetzung der ver.di-Forderungen würden Bund und Kommunen etwa 6,3 Milliarden Euro kosten. Angesichts eines Überschusses allein des Bundes von rund 12 Milliarden Euro im Jahr 2015 kann nicht behauptet werden, es sei kein Geld da. Gleichzeitig verzichtet der Staat darauf, Spitzenverdiener und Superreiche angemessen zu besteuern, ganz zu Schweigen von fehlenden Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung. Klar ist aber auch, dass es bei nicht wenigen Kommunen große Löcher in den Haushalten gibt. Hier steht der Bund in der Pflicht endlich Gesetzesinitiativen auf dem Weg zu bringen, die eine auskömmliche Finanzierung aller Kommunen sicherstellt.

Angesichts der Kassenlage muss das erste Angebot der Dienstherren als Provokation bezeichnet werden. Ganze 0,6 Prozent Einkommenssteigerung will man den Beschäftigten in diesem Jahr zugestehen, auch 2017 soll es nur magere 1,2 Prozent mehr geben. Dazu wollen die Arbeitgeber noch die Eigenbeiträge der Beschäftigten zur betrieblichen Zusatzversorgung in Stufen um bis zu 0,4 Prozent erhöhen. Trotz der Haushaltsüberschüsse muten die Dienstherren den Lohnabhängigen also wieder mal Reallohnverluste zu. Nicht nur deshalb sind die Warnstreiks mehr als gerechtfertigt.

Michael Schlecht, baden-württembergischer Bundestagsabgeordneter und wirtschaftspolitischer Sprecher der LINKE-Bundestagsfraktion, erklärte dazu, man müsse jetzt “den Arbeitgebern beim Nachdenken helfen”. Deshalb könne er den Beschäftigten nur empfehlen: “Beteiligt euch massenhaft an den Warnstreiks!” – jüg

Das Schicksal des Scalas entscheidet sich am Donnerstag

Zu einem runden Tisch in Sachen Scala trafen sich am gestrigen Dienstag noch einmal die Hauptakteure des immer wieder spannenden Kino-Dramas. Wer Wunder erwartet hatte, wurde enttäuscht: Alle Seiten blieben bei ihren Positionen. Also entscheidet der Gemeinderat am Donnerstag darüber, ob das Scala noch eine Chance bekommt, und es sieht ganz so aus, als könne diese Entscheidung äußerst knapp ausfallen.

Lokalpolitik ist für die Hauptakteure oft ziemlich anstrengend – und gelegentlich, wenn die Emotionen hochkochen, auch menschlich belastend. Für den Betrachter hingegen kann sie durchaus spannend sein, wie die Diskussionen um die Schließung (oder den Umzug) des Konstanzer Scalas beweisen: Man weiß oft nicht mehr, ob das noch große Tragödie oder schon lumpige Farce ist. Aber immerhin, Unterhaltungswert für das Publikum hat’s allemal.

Die Hauptbeteiligten trafen jetzt zu einem letzten Meinungsaustausch vor der endgültigen Entscheidung des Gemeinderates zusammen: Die Verwaltung, die Bürgerinitiative “Rettet das Scala”, der an der Fortführung des Scalas interessierte schwäbische Kinobetreiber Heinz Lochmann sowie Immobilienbetreiber Wulf Wössner, dm-markt-Regionsverantwortlicher Christian Harms und der Konstanzer Kinoinhaber Hans-Detlef Rabe.

Das Ergebnis ist überschaubar: Alle Beteiligten bleiben bei ihrem sattsam bekannten Standpunkt. Oberbürgermeister Uli Burchardt geht davon aus, dass der Gemeinderat am Donnerstag die von der FGL beantragte Veränderungssperre ablehnt, so dass die Verwaltung recht bald den Umbau des Scalas an der Marktstätte in einen dm-markt genehmigen kann. Sollte das so kommen, versprach der Oberbürgermeister, wollen sich alle Beteiligten aber wiedertreffen, um dann nach einer Kino-Lösung an einem ganz anderen Ort zu suchen.

Bürgerinitiative will weitermachen

Für die Bürgerinitiative erklärte deren Sprecher Lutz Rauschnick, dass man am Donnerstag im Gemeinderat durchaus Chancen für eine knappe Mehrheit pro Veränderungssperre und Bebauungsplan sehe. Er zeigte sich beeindruckt, wie sehr die rund 6.000 Konstanzerinnen und Konstanzer aus allen Schichten, die für seine Bürgerinitiative unterschrieben haben, an ihrem Kino hängen.

Aber auch, wenn es diese Mehrheit nicht gibt und das Scala an diesem Standort schließt, will sich die Initiative nicht auflösen, sondern künftig die Stadtentwicklung in Konstanz kritisch begleiten, weil es vielen Aktiven um mehr als nur das Scala gehe. Man darf gespannt sein, ob sich die Bürgerinitiative “Rettet das Scala” tatsächlich vom One-Hit-Wonder zu einer stabilen Bewegung politisch aktiver Bürger entwickelt.

Ziemlich emotional wurde der wortgewaltige Kinobetreiber Heinz Lochmann, der ja bereit ist, das Scala als Programmkino weiterzuführen. Er sieht sein Projekt nicht als Konkurrenz zu Rabes CineStar im Lago, das für den Mainstream und das breite Publikum zuständig sei. Für ihn zeigt die Debatte um das Scala vielmehr, dass es hier um weit mehr als Kino geht: Um Heimat und um Menschen nämlich. Er sehe gute Chancen, das Scala wirtschaftlich solide weiterzubetreiben, denn er wolle in Konstanz zwar gern investieren, aber ganz sicher kein Geld verlieren.

Kein Kino mehr an der Marktstätte

Immobilienentwickler Wulf Wössner, der das Scala-Anwesen Marktstätte 22 auf 30 Jahre von einer Eigentümergemeinschaft gepachtet hat, erklärte, dass er auf jeden Fall vor Gericht ziehen wird, wenn der Gemeinderat am Donnerstag eine Veränderungssperre beschließt. Aus seiner Sicht und aus der des Konstanzer Kinobesitzers Hans-Detlef Rabe wird das Scala auch gar nicht geschlossen, sondern zieht einfach nur ins CineStar im Lago um (wo es mit allerdings nur einer Leinwand sein Angebot sehr verringern muss). Laut Wössner gibt es drei Verträge, die jede mögliche Nutzung des Gebäudes an der Marktstätte als Kino ausschließen: 1. den Vertrag mit den Eigentümern der Liegenschaft, 2. den Vertrag mit dem dm-markt und 3. den Vertrag mit Kinounternehmer Hans-Detlef Rabe, der vorsieht, dass in das Gebäude an der Marktstätte für 30 Jahre kein Kino mehr kommen darf. Laut Rabe ist das eine durchaus übliche Vertragsklausel, die seinem (arg geschrumpften) Scala im Lago unliebsame Konkurrenz vom Leibe halten soll. An all diese Verträge wollen sich Wössner und seine Vertragspartner unbedingt halten.

dm nicht contra Scala

Vor allem, so Christian Harms von dm, sei es falsch zu behaupten, dass sein Unternehmen das Scala verdränge. Es sei vielmehr so gewesen, dass Scala-Besitzer Hans-Detlef Rabe aus seinem Pachtvertrag für das Scala ausgestiegen sei. Erst danach sei dann der Kontakt zum dm-markt als künftigem Pächter entstanden. Und wenn 6.000 Konstanzerinnen und Konstanzer den neuen dm aus Protest boykottieren sollten, sehe er in den anderen 74.000 immer noch genügend Käuferpotenzial.

Das zebra Kino als Alternative?

Ein Vertreter des zebra-Kinos erklärte, dass das zebra das Ende des Scalas und den damit verbundenen Verlust von drei Leinwänden bedauern würde. Die bisherige Dreiteilung, CineStar für den Mainstream, Scala für Arthouse-Filme und zebra für die extremeren Sachen, habe sich sehr bewährt. Das zebra will allerdings die Lücke, die das Scala-Ende reißen würde, nicht füllen. Es sei ein Verein, der vor allem mit Ehrenamtlichen arbeitet, und könne mangels Personals seinen Spielplan nicht einfach auf den Nachmittag und bisher spielfreie Tage ausdehnen. Außerdem klang an, dass die zebra-Macherinnen und -Macher an einem Programm wie im Scala auch inhaltlich wenig Geschmack finden dürften, da ihnen das schlichtweg zu kommerziell wäre.

Haben sich alle wieder lieb?

Auf allen Seiten lagen die Nerven in den letzten Wochen oft ziemlich blank. Die Bürgerinitiative fühlte sich zu wenig beachtet und einbezogen, Herr Wössner mag sich mit der ihm zugedachten Rolle des kaltschnäuzigen Immobilienhais und eingeschworenen Kulturfeindes nicht anfreunden, und Oberbürgermeister Uli Burchardt dürfte froh sein, wenn das alles vorbei ist und er sich wieder konzentriert den wirklich großen Aufgaben in der Stadt widmen kann wie Flüchtlingen, Wohnungsbau und beim Unternehmerfrühstück anderen ein paar Schnittchen wegzumampfen. Er nutzte sein Schlusswort geschickt zu einem “Werbeblock” für seine Politik. Er verwies auf seine Anstrengungen in Sachen nachhaltiger Stadtentwicklung wie zum Beispiel im Rahmen des Projekts “Zukunftsstadt Konstanz” und lud alle, die sich jetzt so vehement für die Zukunft von Konstanz interessieren, zur Teilnahme an diesem Projekt ein. Nicht schlecht gemacht: 1:0 für Uli Burchardt in der 90. Minute.

Am Donnerstag gibt es ab 16 Uhr im Ratssaal die für das Scala entscheidende Sitzung des Gemeinderates: Wird ein Bebauungsplan aufgestellt und eine Veränderungssperre für das Gebiet nördliche Marktstätte verhängt, so dass das Scala noch eine kleine Chance bekommt? Werden die Bürgerlichen obsiegen, die für den ungehinderten Gebrauch des Privateigentums einstehen? Werden die Ängstlichen die Oberhand behalten, die erhebliche Schadensersatzforderungen befürchten, wenn man Wössner und dm nicht gewähren lässt? Wer einen der bequemen Zuhörerplätze ergattern will, sollte jedenfalls früh kommen, denn es dürfte voll werden wie bei einer Witwenverbrennung.

O. Pugliese (zuerst erschienen bei seemoz.de)

“Wollen wir weiterhin zusehen, wie sich die Stadt dem totalen Kommerz verschreibt?”

Der TUA hat am letzten Donnerstag mit knapper Mehrheit den Antrag der FGL abgelehnt, einen Bebauungsplan und eine Veränderungs­sperre für die Marktstätte auf den Weg zu bringen und damit die Schließung des Scala-Kinos noch abzuwenden. Die Stadtverwaltung sprach sich vehement gegen ein solches Vorgehen aus, das juristische Risiko sei zu groß. Die Linke Liste unterstützte dagegen den Antrag, der sich die Argumente der Bürgerinitiative “Rettet das Scala”  für den Erhalt des beliebten Programmkinos zu eigen gemacht hatte. Die Initiative hat inzwischen auch einen namhaften Kinounternehmer gefunden, der Interesse an einer Weiterführung des Filmtheaters signalisiert hat.  Holger Reile begründete in seinem Redebeitrag im Ausschuss die Position der LLK in Sachen Scala. – red


Holger ReileWir von der Linken Liste unterstützen den vorliegenden Antrag der FGL. Aufgrund der Diskussion um den Erhalt des Scala-Kinos, einer Diskussion, die mittlerweile weit über die Stadtgrenzen hinaus geht, muss der Bürgerinitiative die Möglichkeit gegeben werden, ihre Pläne zu konkretisieren. Vor allem auch deswegen, weil nun offensichtlich ein Investor auf den Plan getreten ist, dessen Vorstellungen über den Fortbestand des Kinos gehört und auch auf ihre Realisierungsmöglichkeiten geprüft werden sollten. So gesehen ist es für uns völlig klar, dass man diesem Schritt, der auch viel zu tun hat mit einer zukünftigen und vor allem sozial-verträglichen Stadtgestaltung, noch etwas Zeit einräumt. Das sollte uns die Sache, das muss uns die Sache wert sein.

Die aktuellen Irritationen, sprich nonverbale Kommunikation zwischen Initiative und Verwaltungsspitze, hätte man sich auch sparen können. Nachdem im vergangenen April klar war, dass das Scala auf der Kippe steht, wäre es wünschenswert gewesen, dass die Stadt sofort Kontakt mit allen Beteiligten aufnimmt und eventuell überlegt, ob sie nicht als Generalmieterin oder sogar Käuferin hätte auftreten können für ein sozio-kulturelles Zentrum im Herzen der Stadt. Denn dafür bietet das Gebäude allerlei Möglichkeiten, die man anderswo in der Stadtmitte wohl nicht mehr finden wird.

Was aber ist passiert? Nicht viel. Auch als sich die Initiative „Rettet das Scala“ bemerkbar gemacht hat, war man im Rathaus der irrigen Meinung, dieser vermeintliche Zwergenaufstand würde sich wohl schnell wieder legen. Tat er aber nicht und das ist auch gut so. Zu hören war bislang von der Verwaltungsspitze lediglich, dass man das Ende des Scala irgendwie bedauerlich finde, aber an der Sachlage sich wohl nichts mehr ändern ließe. Ich erinnere mich noch gut an die Aussage des Oberbürgermeisters, der sinngemäß erklärt hat, ein neuer dm-Markt sei doch auch was Schönes.

Derselbe hat während seines OB-Wahlkampfes das Prinzip der sogenannten Nachhaltigkeit vor sich hergetragen wie ein Känguru seinen Bauchbeutel. Davon ist nicht mehr viel übrig und so bleibt es eben einer engagierten Bürgerschaft vorbehalten, einer unheilvollen Stadt-Entwicklung entgegen zu treten. Dafür gebührt dieser Initiative schon mal grundsätzlich Dank für ihre Hartnäckigkeit, egal, wie die Geschichte auch ausgehen wird. Denn sie hat auch das übernommen, was eigentlich die Aufgabe der Verwaltung hätte sein können, ja müssen.

Ich hatte heute Vormittag das fragwürdige Vergnügen, dem sogenannten Unternehmerfrühstück – organisiert vom Stadtmarketing – im Konzil beizuwohnen. Was ich da zwischen Lachsbrötchen und Weißwürsten – vorgetragen von einem sogenannten Motivationscoach unter anderem hören musste, geht zusammengefasst ganz klar in eine Richtung: Die Stadt – so Marketingchef Thiel – müsse, Zitat: „Noch mehr Einnahmen erwirtschaften“. Zitat Ende. Will heißen: Wir bieten sie Investoren auf dem Silbertablett an und quetschen sie aus wie eine Zitrone, bis auf den letzten Tropfen.

Noch eine Bemerkung zu der Befürchtung, die Stadt würde sich einem juristischen Risiko aussetzen, wenn sie einer auch kurzfristigen Veränderungssperre zustimmen würde. Derlei Bedenken, Kolleginnen und Kollegen, hätte ich mir vor Jahren auch gewünscht, als es um den Maultaschenfall und die Kündigung von Müller-Esch gegangen ist. Diese juristischen Scharmützel ohne allzu große Not haben die Stadt und letztendlich die Steuerzahler rund eine Million Euro gekostet. Riskante Prozesse allesamt, die man besser nicht geführt hätte.

Bei dem durchaus ebenfalls vorhandenen Risiko Scala handelt es sich aber um grundsätzliche und übergeordnete Fragen, die sich großen Teilen der Bürgerschaft zunehmend stellen. Als da wären: Wollen wir weiterhin tatenlos zusehen, fragen sich viele besorgt, wie sich die Innenstadt dem totalen Kommerz verschreibt und die Bedürfnisse der Bevölkerung rein gar nichts mehr zählen? Brauchen wir den fünften dm, den vierten Fielmann, den dritten Müller? Haben die Erfolgsmeldungen des hiesigen Einzelhandels nach einem verkaufsoffenen Sonntag mit 100 000 Besuchern und mehr noch irgendwas mit Lebensqualität zu tun? Wollen wir es weiterhin achselzuckend und demütig hinnehmen, wenn spätestens ab Freitag die Stadt in Blech und Gestank versinkt und einkaufswütige Horden in fast schon alttestamentarischer Heuschrecken-Manier über die Gemarkung herfallen? Und: Ist das unsere Vorstellung von einer sozialen und schlußendlich lebenswerten Stadt?

Alles Fragen, die die Debatte um das Scala mit aufgeworfen hat und auf die wir Antworten finden müssen. Mit ein Grund also, dass wir diesem Bemühen der Initiative noch etwas Zeit geben möchten, verbunden mit der Hoffnung, dass sich die betreffenden Parteien an einem Tisch – ob er nun rund oder eckig sei – vielleicht doch noch konstruktiv miteinander verständigen.

Ein Wort noch zu Herrn Wössner, respektive seiner Firma TWL. Er hat in seiner öffentlichen Darstellung behauptet, das Gebäude Marktstätte 22 sei ab Anfang Januar 2017 „aufgrund bestehender vertraglicher Regelung“ leer und er würde dann umgehend mit dem Umbau beginnen. Uns aber liegt seit heute Mittag ein Schreiben des Anwalts der Boutique-Betreiberin vor, aus dem hervorgeht, dass sie einen gültigen Mietvertrag bis Ende März 2017 hat und auch nicht beabsichtigt, diesen vorzeitig aufzulösen. Herr Wössner scheint offenbar unter Druck zu stehen, das berechtigt ihn aber nicht, falsche Behauptungen aufzustellen und die Diskussion in fast schon manipulativer Weise zu beeinflussen.


Hunderte demonstrieren in Singen gegen die ECE-Shoppingmall

Demo-Singen-1Mehr als 250 Menschen protestierten am vergangenen Donnerstag in Singen gegen das geplante neue Einkaufszentrum in der Innenstadt. Nach einer Kundgebung der Bügerinitiative „Für Singen“, bei der unter anderem Markus Klemt vom Landes­fach­bereich Handel der Gewerkschaft ver.di sprach, formierte sich ein Demon­strations­zug um das Areal, auf dem der völlig überdimensionierte Konsumtempel entstehen soll. Forciert wird das Projekt vom Marktführer ECE, einem zum Otto-Konzern gehörenden Großimmobilien-Entwickler aus Hamburg.

Unter den TeilnehmerInnen waren viele Beschäftigte, Inhaber und Geschäftsführer von Einzelhandelbetrieben in der Innenstadt. ECE ist darauf spezialisiert, lohnende Einzelhandelsstandorte für sogenannte Shopping Malls zu erschließen. Bestehende Betriebe, die der Großkonkurrenz nicht gewachsen sind, bleiben dabei häufig auf der Strecke, Betriebsschließungen und Personalabbau sind die Folge.

Der Gewerkschafter Klemt wies in seinem Redebeitrag darauf hin, dass der durch zunehmenden Konkurrenzdruck verursachte Trend zu drastischen Flächenausweitungen auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Während im traditionelle Fachhandel häufig Tarifverträge bestehen und Personal sozialversicherungsflichtig beschäftig wird, setzen Billigketten auf eine wesentlich härtere Strategie zur Optimierung der eigenen Betriebsergebnisse auf Kosten des Personals.

In Singen wird in nicht wenigen Einzelhandelsbetriebe der Innenstadt noch nach Tarif bezahlt, teilweise gibt es auch Betriebsräte, wie bei Karstadt, Mode-Zinser oder Heikorn. Daneben haben sich natürlich auch schon Einzelhandelsbetriebe mit fast ausschließlich auf Abruf bereitstehenden Minijobbern und prekär Beschäftigten etabliert – das Geschäftsmodell, auf das ECE in großem Stil setzt. Markus Klemt macht sich deshalb “große Sorgen um die Arbeitsplätze”, er warnte vor einem Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten.

Der Gewerkschafter unterstrich auch, dass die miserablen Arbeitsbedingungen in den asiatischen oder lateinamerikanischen Produktionsstätten der bei uns als Schnäppchen verkauften Billigware für die Zukunft des Einzelhandels nichts Gutes versprechen. Einkaufszentren wie das geplante ECE in Singen sind nur auf Basis dieses menschenverachtenden Geschäftsmodells möglich. Hierzulande mündet es in Billigjobs und Altersarmut, so seine Warnung.

Transparente wie „Für bezahlbaren Wohnraum – gegen einen Centerkoloss“ brachten bei der Demonstration einen weiteren Kritikpunkt der ECE-GegnerInnen zum Ausdruck: Auch die Stadt am Hohentwiel ächzt inzwischen unter der Wohnungsnot. Die Realisierung des ECE-Projekts würde eine komplette Straße und ein über 10 000 Quadratmeter großes Gebiet dem privaten Investor opfern und fast 50 Wohnungen ersatzlos vernichten. Die Bürgerinitiative lehnt den Verkauf großer, der Stadt gehörenden Flächen, ab und verlangt eine Verkleinerung, mindestens eine Halbierung des Centers. Sie tritt stattdessen für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums auf dem Areal ein.

Die vom Hamburger Investor angepeilte Zahl von 80 neuen Geschäfte und Gaststätten sind für eine Stadt wie Singen mit ihren rund 45 000 Einwohnern einfach zu viel, darauf wies Regina Henke hin, die Sprecherin der BI. Der Einkaufskoloss werde die Stadt „total verändern“. Die gesamte Fußgängerzone würde dafür dem Konsumtempel geopfert – in Städten wie Hameln oder Wetzlar bereits Realität. Und ginge das ECE-Geschäftsmodell nicht auf, wäre die Stadt mit einer riesigen Einkaufsruine belastet, wie im nahen Schwenningen zu besichtigen ist.

Oberbürgermeister und Projektbefürworter Bernd Häusler hat auf den zunehmenden Druck aus der Bürgerschaft mit der Ankündigung reagiert, er werde dem Gemeinderat einen Bürgerentscheid empfehlen, wohl wissend, dass dafür im Gemeinderat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Die gilt keinesfalls als sicher, die ECE-Emissäre haben ganze Vorarbeit geleistet und große Teile der kommunalen Entscheidungsträger auf ihre Seite gezogen. Die Bürgerinitiative „Für Singen“ will sich darauf deshalb nicht verlassen und bereitet nun selbst einen Bügerentscheid über das Mammutprojekt vor.

Es bleibt also spannend in Singen. Die BI jedenfalls will den Druck auf die Stadt aufrechterhalten und kündigte prompt weitere Aktionen an. Schon am 28.4. soll es um 19 Uhr am Hanser-Brunnen erneut eine Kundgebung und Demonstration geben.

pm/jüg