Konstanzer Gemeinderat will Monopol auf Modell Kaufrausch behalten

Autor | 30. Oktober 2016

ECEAm vergangenen Donnerstag beschäftigte sich der Konstanzer Gemeinderat auch mit einem Singener Thema. Es ging um das riesige Einkaufszentrum, das der Hamburger ECE-Konzern trotz massiven Widerstands aus der Einwohnerschaft bald direkt gegenüber dem Bahnhof bauen lassen darf. Den von der Singener Stadtverwaltung und einer großen Koalition im dortigen Gemeinderat gepushten Konsumtempel hatte im Sommer auch eine Mehrheit der Abstimmenden befürwortet. Dazu hat jetzt der Konstanzer Gemeinderat mit großer Mehrheit eine von der Stadtspitze eingebrachte Stellungnahme beschlossen, die eine erneute Prüfung der ECE-Pläne oder die Verkleinerung der Verkaufsfläche fordert.

Die Konstanzer LINKE und auch die Linke Liste Konstanz (LLK) hatten sich von Beginn an gegen das Projekt gestellt und die Bürgerinitiative unterstützt. Für den Kreisverband der Partei ist klar: Das “Cano”, wie es jetzt von den Marketing-Experten genannt wird, schadet dem Einzelhandel, verhindert den Bau dringend benötigten Wohnraums, führt zum Verlust von Normalarbeitsplätzen und einer Ausweitung des Billigjob-Sektors und wird der Hohentwiel-Stadt zudem massive Verkehrsprobleme bescheren.

Auch die Konstanzer Stadtverwaltung hat jetzt gegen das “Cano” Position bezogen, aber nicht etwa, weil man die Kritik der städtebaulichen, sozialen und ökologischen Folgen des Megaprojekts teilt. Nein: Das offizielle Konstanz machte sich wieder einmal aus lokalchauvinistischen Gründen zum Sprachrohr der mächtigen örtlichen Handelslobby, die schlicht die Konkurrenz in der Nachbarstadt fürchtet. Schließlich betreibt man mit dem “Lago” auf 15.000 Quadratmetern selbst ein Einkaufszentrum, das Millionengewinne – vornehmlich aus den Taschen eines zahlungskräftigen Schweizer Publikums – in die Kassen der Betreiber spült. Dass in Singen nun eine noch um 1000 Quadratemter größere Einrichtung des Modells Kaufrausch entstehen soll, passt dem Konstanzer Bürgerblock überhaupt nicht in den Kram.

Deshalb die von einer ganz großen Koalition am Donnerstag gutgeheißene Stellungnahme der Stadtspitze, in der eine nochmalige Überprüfung des Projekts bzw. die Verkleinerung der Verkaufsfläche auf 10.000 Quadratmeter gefordert wird. Die Linke Liste Konstanz hat sich bei der Abstimmung enthalten. Damit wollte sie vor allem auf die Verlogenheit der Haltung hinweisen, die durch die Konstanzer Stellungnahme zum Ausdruck kommt: Man verdammt das Singener Projekt einzig und allein, weil daraus Konkurrenz für das Lago erwachsen könnte, nicht etwa wegen der massiven sozialen und ökologischen Folgen des Konsumtempels für Singen. Der Redebeitrag von LLK-Stadtrat Holger Reile dazu im Wortlaut. – jüg

“Es geht ausschließlich um Marktanteile, Umsätze und Rendite”

Die Ausgangslage ist klar und die Fakten liegen auf dem Tisch. Das Regierungspräsidium hat nichts gegen den Singener Moloch einzuwenden. Auch die Singener BürgerInnen haben zugestimmt. Leider, denn die negativen Auswirkungen dieser Entscheidung sind für die Stadt absehbar – ähnlich wie in Konstanz auch. Das Geschäftsmodell dieser Anbieter für ungebremsten Kaufrausch und Konsumhysterie folgt nur einem Prinzip, das immer unter dem Motto steht: Wie mache ich mir die jeweilige Stadt zur Beute? Ich werde mich der Stimme enthalten und will Ihnen kurz meine Gründe erläutern.

Die gerade vorgetragenen Argumente überzeugen mich nicht: Von Raumordnung ist immer die Rede, nur: Ist diese Einstufung in Ober- oder Mittelzentren überhaupt noch zeitgemäß? Gehört sie nicht schleunigst auf den Prüfstand? Wer gibt uns das Recht, auf einem elitären Sonderstatus zu bestehen, dem sich alle anderen unterzuordnen haben?Sind wir doch mal ehrlich: Konstanz beansprucht seit jeher vom fetten Braten für sich den größten Teil und glaubt weiterhin, die umliegenden Kommunen sollten sich doch bitteschön mit den trockenen Endstücken zufrieden geben. Es geht – lügen wir uns doch nicht in die eigene Tasche – ausschließlich um Marktanteile, um Umsatz und profitable Rendite – Hauptsache, die Kassen klingeln. Wie es beispielsweise denen geht, die in den meist fensterlosen Einkaufsknästen ihre kargen Brötchen verdienen, scheint weder in Singen noch in Konstanz von Interesse zu sein.

Genausowenig diskutiert man darüber, wie sich innerstädtische Konsumtempel auf die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung auswirken. Stichwort Verkehr, fehlender Wohnraum, steigende Preise, Totalkommerzialisierung der städtischen Zentren – ich erinnere da nur an die Auseinandersetzung um das Scala. Anstatt darüber nachzudenken, steht eher die Frage im Vordergrund: Wie lässt sich auch noch der letzte Winkel gewinnbringend verhökern? Es wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis man jeden Sonntag zum verkaufsoffenen erklärt. Sehr viel sinnvoller fände ich hingegen, einmal im Monat einen verkehrsfreien Samstag einzuführen – aber das hat hier wohl niemand auf dem Schirm …

Diese Debatte, Kolleginnen und Kollegen, die uns schon seit Monaten belästigt, ist eine Scheindebatte und geht an wichtigen und zukunftsorientierten Fragen leider völlig vorbei.

Holger Reile

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