Kreishaushalt: Verschenkte Möglichkeiten

Autor | 19. Februar 2019

Mit einiger Verspätung hat der Konstanzer Kreistag am 18.2. den Haushalt für das laufende Jahr beschlossen. Die eigentlich schon für den November 2018 vorgesehene Verabschiedung war wegen möglicher finanzieller Einbußen verschoben worden, die dem Gesundheitsverbund durch ein Urteil des Bundessozialgerichts in Kombination mit dem neuen Pflegestärkungsgesetz des Bundes drohten. Nachdem der Landrat jüngst zumindest Teilentwarnung geben konnte, ließen die Rät*innen nun am Dienstag das Zahlenwerk der Verwaltung passieren. Der ohne Gegenstimmen verabschiedete Haushalt sieht bei Erträgen von rund 341 Millionen Euro einen Überschuß von knapp 12 Millionen Euro vor. LINKE-Kreisrätin Anke Schwede (Foto) monierte in ihrer Haushaltsrede, angesichts der guten Finanzlage habe man Möglichkeiten verschenkt, in die soziale und medizinische Infrastruktur zu investieren und das öffentliche Nahverkehrsnetz auszubauen. Für die beiden Linke-Rät*innen Grund genug, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Schwedes Rede im Wortlaut.

Sehr geehrter Herr Landrat, Kolleginnen und Kollegen,
liebe Besucherinnen und Besucher!

Die Zahlen, die uns heute zur Beratung vorliegen, lassen vor allem eine Schlussfolgerung zu: dem Landkreis Konstanz geht es – haushaltstechnisch gesehen – blendend. Nach der letzten Hochrechnung zum Jahresabschluss 2018 steht ein Überschuss von rund 14,5 Mio. Euro in Aussicht, der sich allerdings wegen Sonderabschreibungen noch reduzieren wird. Unter dem Strich ist aber ein dickes Plus in Höhe von mehreren Millionen zu erwarten, das wir in das laufende Haushaltsjahr mitnehmen können.

Dazu kommen weitere positive Veränderungen, etwa nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG), beim Soziallastenausgleich und der Grunderwerbsteuer, die sich gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsentwurf ergeben haben, und die sich im Saldo auf weitere rund 6,5 Millionen addieren werden.

Gute Aussichten also für das kommende Haushaltsjahr und auch die folgenden, weil sich politische Gestaltungsräume eröffnen. Drängende Aufgaben, insbesondere im Sozialbereich oder beim Ausbau der Infrastruktur gibt es genug, genannt seien nur das löchrige Kreis-Verkehrsnetz und die prekäre Situation im Gesundheitswesen. Doch wie reagiert die Verwaltung auf die Möglichkeiten, die sich aus der guten Finanzlage – ausgedrückt durch ein prognostiziertes Gesamtergebnis von rund 12 Millionen Euro – ergeben?

Sie will die Ergebnisverbesserung hauptsächlich dazu verwenden, die erst im vergangenen Jahr leicht erhöhte Kreisumlage wieder auf den Stand von 2017 zu senken (2017: 29,9% / 2018: 31,68%). An dem Korsett, das die Kreisverwaltung und der Kreistag sich im Juli 2018 mit einem Beschluss über haushaltspolitische „Eckwerte“ selbst gegeben haben, will man nicht rütteln. Genannt sei hier vor allem die Deckelung der Erhöhung von Personalaufwendungen für neue Stellen auf maximal 500.000 Euro.

Kolleginnen und Kollegen, politischer Gestaltungswille sieht anders aus. DIE LINKE hält diese Herangehensweise für falsch, denn damit verbauen wir uns Möglichkeiten, wichtige Aufgaben endlich entschlossen anzupacken. Lassen Sie mich etwas zur Kreisumlage sagen. Natürlich tut jeder Zehntel-Prozentpunkt mehr den Gemeinden weh, insbesondere, wenn sie finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Doch es ist auch im Interesse jeder einzelnen Gemeinde, dass der Landkreis seinen wichtigen Aufgaben in der Daseinsvorsorge in angemessener Weise nachkommen kann.

DIE LINKE fordert daher schon lange den Ausbau der sozialen Infrastruktur in Kommunen, die beispielsweise einen Jugendtreff oder ein Quartierszentrum nicht aus eigener Kraft stemmen können. Auch mehr Anstrengungen des Kreises im Kampf gegen Kinder- und Jugendarmut sowie Wohnungslosigkeit, sei es durch eigene Präventions­programme oder Fördermaßnahmen für entsprechende Aktivitäten von Städten und Gemeinden im Landkreis, halten wir für sinnvoll. Wir brauchen zudem mehr Sprachkurse und Beratungsangebote, um Geflüchteten den Zugang zum neuen Lebensumfeld, ihre Integration, zu erleichtern. Ganz wichtig sind darüber hinaus mehr Investitionen für den Erhalt und Ausbau der vielen renovierungsbedürftigen Bildungseinrichtungen.

Herausgreifen will ich noch ein Projekt, das meiner Meinung nach schon viel zu lange vernachlässigt wurde: Die Einführung eines kreisweiten Sozialtickets. Wir haben in unserem Landkreis die besondere Situation, dass die größte Stadt fernab des geografischen Zentrums liegt. Konstanz bietet nun mal in vielen relevanten Bereichen – hier sei insbesondere die Kultur erwähnt – das größte Angebot im Kreis. Zudem sind viele wichtige Behörden ebenfalls in der größten Stadt am See angesiedelt. Wenn wir Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, aufstocken oder für Niedriglöhne arbeiten müssen, nicht völlig vom gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben in unserem Kreis ausschließen wollen, dann sollten wir das Sozialticket ernsthaft angehen und in den öffentlichen Verkehr in ländlichen Gebieten investieren. Das schafft neue Arbeitsplätze, belebt die Wirtschaft und macht diesen Sektor fit für die Zukunft.

Mein Vorgänger Marco Radojevic hat vor zwei Jahren bei gleichem Anlass den Nagel auf den Kopf getroffen: „Mobilität ist gerade in den ländlicheren Teilen unseres Kreises keine Kür, sondern Pflicht.“ Wir werden uns also weiterhin für die Einführung eines Sozialtickets einsetzen. Der Kreis steckt jetzt ja mitten in einem Neugestaltungsprozess des regionalen Verkehrs. Ich meine, das muss uns Anlass sein, dieses Projekt endlich umzusetzen.

Noch auf einen zweiten wichtigen Bereich will ich eingehen, der in diesem Haushalt zu kurz kommt. So erfreulich es ist, dass der ins Schlingern geratene Gesundheitsverbund offenbar wieder ruhigeres Fahrwasser erreichen kann. Die dem Landkreis obliegende Aufgabe, eine flächendeckende Gesundheitsvorsorge sicherzustellen, ist damit aber noch lange nicht erreicht. Wir alle wissen um die prekäre Lage in den Kliniken im Kreis, die schon zu Schließungen – etwa der Geburtsklinik in Radolfzell – geführt hat, oder zur vorübergehenden Stilllegung einzelner Abteilungen, wie etwa im Klinikum Konstanz. Wir brauchen mehr Stellen und mehr Personal. Es ist nicht zu erwarten, dass die von der Großen Koalition auf den Weg gebrachten Maßnahmen, das Pflegepersonalstärkungs­gesetz, nachhaltige Besserung bringen werden. Umso wichtiger ist es, dass der Landkreis selbst Maßnahmen gegen den Pflegenotstand ergreift. Dazu gehören ganz gewiss solche, die den Kolleginnen und Kollegen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen mehr Wertschätzung bringen, nicht nur in finanzieller Hinsicht.

Wer wirklich mehr Personal will, muss sich das auch was kosten lassen. Die Gesundheit der Menschen ist keine Ware, mit der Profit gemacht werden darf. Jedem Versuch, das Gesundheitswesen im Kreis an einen privaten Konzern wie Helios oder Asklepios zu verkaufen, werden wir entgegentreten.

Unser Fazit lautet also: Der Haushalt bietet gute Möglichkeiten, die soziale Infrastruktur des Kreises nachhaltig zu verbessern. Dem wird das Zahlenwerk in wichtigen Teilbereichen leider nicht gerecht. Wir werden daher diesem Haushalt nicht zustimmen und uns enthalten.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Anke Schwede

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