Monats-Archive: Juni 2015

Ein/e Flüchtlingsbeauftragte/r für Konstanz

Auf seiner Sitzung am Donnerstag beschloss der Konstanzer Gemeinderat, weit über den Antrag der Verwaltung hinausgehend, sofort eine 100%-Stelle für eine/n Flüchtlingsbeauftragte/n einzurichten, um die Flüchtlingsbetreuung vor allem zwischen Stadt und Landkreis zu koordinieren. Die zusätzliche Bezuschussung einer 75%-Stelle bei einem freien Träger wurde zurückgestellt, bis die/der Flüchtlingsbeauftragte der Stadt gefunden und deren/dessen Aufgabenbereich klar abgegrenzt ist.

Angesichts der dramatischen Lage der Flüchtlinge im Landkreis Konstanz und angesichts des Kompetenzwirrwarrs in Flüchtlingsfragen ist die oder der künftige Flüchtlingsbeauftragte schon jetzt nicht zu beneiden. Sie/er soll die Arbeit vor allem von Stadt und Landkreis koordinieren und – das steht allerdings noch in den Sternen – vielleicht auch die freien Träger wie Caritas oder Arbeiterwohlfahrt und die ehrenamtlich Engagierten sinnvoll mit einbeziehen.

Halbherziger Vorschlag

Bisher wird die Flüchtlingsarbeit städtischerseits von der Integrationsbeauftragten miterledigt, sie hat aber mittlerweile einen derartigen Umfang erreicht, dass die eigentliche Integrationsarbeit weitgehend darniederliegt: Aus geplanten 3% der Arbeitszeit des Integrationsbüros sind satte 75% geworden, und die Flüchtlingszahlen explodieren weiter.

Die Verwaltungsspitze hat das Problem zwar – mit einiger Zeitverzögerung – erkannt, wollte allerdings erst noch mal ausgiebig nachdenken und stellte den Antrag, „die Einrichtung einer Stabsstelle Flüchtlingsbeauftragte/r mit einem Stellenumfang von 75% zu prüfen. Das Ergebnis der Prüfung wird dem Gemeinderat zusammen mit den Ergebnissen zur Aufgabenkritik und Geschäftsprozessoptimierung im Oktober 2015 vorgelegt.“

Oktober klingt zwar nicht ganz nach Sankt-Nimmerleins-Tag, spricht aber doch dafür, dass die Verwaltung wie so oft in sozialen Fragen und wenn es um die Belange der Schwächsten der Gesellschaft geht, wenig Eile zeigt. Da sich an den Beschluss ja noch das Bewerbungsverfahren anschließt, wollte Oberbürgermeister Uli Burchardt die Stelle einer/s Flüchtlingsbeauftragen also offensichtlich erst im Jahr 2016 einrichten. Man vergesse in diesem Zusammenhang nicht, dass es dem Oberbürgermeister hingegen bei allem, was mit dem Kongresshaus zu tun hat, nicht schnell genug gehen kann und er sich dann auch nicht scheut, den Gemeinderat ganz ungehörig unter Druck zu setzen, um noch am selben Tag ein ihm genehmes Ergebnis zu erzielen.

Sofortige Lösung

Mit dieser Hinhaltetaktik kam der OB aber bei großen Teilen des Gemeinderates schlecht an. Während aus dem bürgerlichen Lager Stimmen laut wurden, man müsse die Stelle erst mal genau definieren, versicherte Bürgermeister Andreas Osner, er brauche gerade mal zwei Tage für eine vernünftige Stellenbeschreibung, die man auch der Ausschreibung zugrunde legen könne.

Der Gemeinderat hatte mehrheitlich keine Lust auf weiteres Zuwarten. Die Grünen forderten vehement eine sofortige 100%-Stelle bei der Stadt, und große Teile der SPD und die Linke Liste schlossen sich dem an. Gabi Weiner (FWK) sprach gar von einer „anderthalbjährigen Schieberei“, worauf der OB seine Hände in Unschuld wusch und dem Landkreis die Schuld gab.

Unterstützung für die Flüchtlingsarbeit

Anke Schwede (LLK) fasste die Stimmung der Mehrheit zusammen: „Unterstützung, Vermittlung und Koordination beim Thema Flüchtlinge ist unbedingt nötig. Denn erfreulicherweise gibt es in Konstanz zahlreiche Menschen, die sich für die Belange der Flüchtlinge engagieren und sich zu Initiativen und Unterstützungsgruppen zusammengeschlossen haben. Diese Stelle muss daher schnellstmöglich eingerichtet werden. Es wäre geradezu fahrlässig, bis Anfang Oktober zu ‚prüfen’, um diese Stelle dann vielleicht – je nach Ausgang der Personaldiskussion – zu schaffen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Millionen, die die Stadt Konstanz unlängst als Gewerbesteuerrückzahlung erhalten hat. Das Geld ist also da.“

In zwei Abstimmungen wurde am Ende mit jeweils großer Mehrheit beschlossen, die auf drei Jahre befristete Stelle sofort einzurichten und sie statt als 75%- gleich als 100%-Stelle anzulegen – gegen letzteres war neben der Mehrheit des bürgerlichen Lagers auch Alfred Reichle (SPD).

Brauner Mob im Internet

Holger Reile (LLK) warnte in einem Redebeitrag in diesem Zusammenhang davor, die Stimmung in der Stadt zu positiv darzustellen. Natürlich sei das Engagement vieler Einwohner_innen für Flüchtlinge zu loben, aber es gebe auch andere Stimmen: Seit Wochen seien auf den Interseiten des Südkuriers „meinungsstarke Hasstiraden“ zu lesen, die teils sogar Verknüpfungen zu rechtsradikalen Quellen enthielten oder gar die Waffen-SS lobten. Hier wüte ein brauner Mob hemmungslos gegen Schutz- und Hilfesuchende. Reile forderte Oberbürgermeister Uli Burchardt auf, gegen diese Volksverhetzung zu protestieren.

O. Pugliese

WORTLAUT | Anke Schwede: „Wir begrüßen die Einrichtung dieser Stelle sehr“

Wir alle wissen: die Zahl der Menschen, die ihre Heimat aufgrund von Kriegen, Verfolgung und eklatanter Diskriminierung verlassen müssen, steigt kontinuierlich an. Mit der wachsenden Zahl nehmen auch die Aufgaben im kommunalen Integrationsbüro und der Verwaltung zu; deshalb unterstützen wir die Einrichtung einer Stabsstelle Flüchtlingsbeauftragter. Unterstützung, Vermittlung und Koordination beim Thema „Flüchtlinge“ ist unbedingt nötig. Denn erfreulicherweise gibt es in Konstanz zahlreiche Menschen, die sich für die Belange der Flüchtlinge engagieren und sich zu Initiativen und Unterstützungsgruppen zusammengeschlossen haben.

Damit sich deren Aktivitäten nicht überschneiden und schlimmstenfalls behindern, begrüßen wir die Einrichtung dieser Stelle sehr. Ob aber eine 75%-Stelle ausreichen wird, wird sich erst in der nahen Zukunft zeigen; der Posten muss gegebenenfalls auf eine 100%-Stelle erweitert werden.

Denn dass Bedarf besteht zeigt die Tatsache, dass der auf 3% angelegte Tätigkeitsumfang im Bereich der Flüchtlingsarbeit inzwischen auf 75% angestiegen ist. Deshalb muss diese Stelle umgehend bzw. schnellstmöglich in der Verwaltung oder beim Büro der Integrationsbeauftragten eingerichtet werden. Es wäre geradezu fahrlässig, bis Anfang Oktober zu „prüfen“, um dann diese Stelle eventuell – je nach Ausgang der Personaldiskussion – einzurichten. Ich verweise an dieser Stelle auf die 16,3 Millionen, die die Stadt Konstanz unlängst als Gewerbesteuerrückzahlung erhalten hat.

Noch ein paar Worte zur Flüchtlingsunterbringung: die Linke Liste unterstützt die städtischen Pläne, auf dem ehemaligen Transco-Areal eine Erst- und im Zergle eine Anschlussunterbringung zu realisieren. Wichtig finden wir auch die Einrichtung von Gemeinschafts- und Begegnungsräumen, um das Kennenlernen und Miteinander der neuen Nachbarinnen und Nachbarn zu erleichtern.

Die schnell ansteigende Zahl der Flüchtlinge macht die Einrichtung von Gemeinschaftsunterkünften unumgänglich. Es ist jedoch auch anzustreben, möglichst viele der Geflüchteten dezentral unterzubringen. Das macht die Integration dieser Menschen in unsere Stadtgesellschaft wesentlich leichter. Ein aktuelles Gutachten des Büros Acocella belegt, dass es in Konstanz rund 56 000 Quadratmeter ungenutzte Gewerbeflächen gibt – davon 22 000 in städtischem Besitz; viele Gebäude stehen leer. Wir regen an, diesen Leerstand genau zu beziffern und mitzuteilen, ob zumindest einige dieser Flächen mit vertretbarem Aufwand in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden könnten.

Abschließend: eine Auflistung der leerstehenden Konstanzer Wohnungen und Wohnhäuser wäre sehr wünschenswert. Wir haben dies schon mehrmals vorgeschlagen und erneuern hiermit unsere Forderung, diese Zahl genau zu beziffern. Denkbar wäre nämlich, dass die Stadt mit den betreffenden Immobilienbesitzern in Verhandlung tritt und ihnen anbietet, sich an der Sanierung des leerstehenden Wohnraums finanziell zu beteiligen. Im Gegenzug sollen sie sich verpflichten, ihre Immobilie nach der Renovierung langfristig und zu einem sozialen Preis der Stadt zur Vermietung an Geringverdiener und Flüchtlinge zu überlassen.

Die Bevölkerung fragen? Undenkbar!

Aus gegebenem Anlass: Ein Kommentar von Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher Fraktion DIE LINKE vom 28. Juni 2015 zur Lage in und um Griechenland.

Die griechische Regierung plant eine Volksbefragung über die weiteren Kürzungsauflagen, die die Gläubiger von dem Land verlangen. Eigentlich ein vernünftiger Schritt – dem die Euro-Finanzminister eine klare Absage erteilen, allen voran Finanzminister Wolfgang Schäuble. Eine Volksbefragung jetzt findet er abwegig. Damit rückt ein Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone näher. Und die Bundesregierung demonstriert, wie sie sich Demokratie in Europa vorstellt.

fahne_akropolisNoch mal ganz in Ruhe und der Reihenfolge nach, um zu verstehen, was sich vor unseren Augen vollzieht: Um vor allem die deutschen Banken zu bedienen und die Finanzstabilität der Euro-Zone zu sichern, erhielt Griechenland seit 2010 Milliardenkredite von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Gegenzug musste es Ausgaben streichen, Steuern erhöhen, Hunderttausende Beschäftigte entlassen, die Löhne kürzen und so weiter. Es war das schärfste Kürzungsprogramm eines westlichen Staates seit dem Zweiten Weltkrieg.

Entgegen den Vorhersagen der Gläubiger führte dies in die – absehbare – Katastrophe, wie ein Rettungsring aus Blei: Die Wirtschaftsleistung Griechenlands schrumpfte um ein Viertel, die Arbeitslosenquote stieg nahezu bis 30 Prozent, ein Drittel aller Griechen gilt heute als arm. Aufwärts ging es dafür mit der Schuldenquote. Um diese Schulden zu bedienen, gaben EU und IWF immer mehr Kredite, für die sie weitere Kürzungen und Entlassungen forderten.

Im Januar 2015 kam zu Neuwahlen, bei denen das Linksbündnis Syriza gewann mit dem Versprechen, die tödliche Kürzungspolitik zu beenden und einen dringend notwendigen Schuldenschnitt einzufordern.

Monatelang wurde verhandelt. Die Gläubiger seien „frustriert“ von der griechischen Regierung, hieß es immer wieder. Das mag sein. Es mag auch sein, dass zuweilen die griechischen Delegierten ruppig auftraten, den Gläubigern Vorträge über Ökonomie hielten, keine Krawatte trugen und sich nicht mal das Hemd in die Hose steckten.

Es stimmt aber nicht, dass sich Athen in den Verhandlungen nicht bewegte. Tatsächlich ist die griechische Regierung weit auf die Gläubiger zugegangen. Der letzte Vorschlag von vergangener Woche beinhaltete so viele Kürzungen, dass zweifelhaft war, ob sie ihn überhaupt in der eigenen Fraktion und Partei durchkriegt. Doch den Gläubigern reichte das nicht, sie lehnten das Angebot ab und stellten Forderungen, die der griechischen Wirtschaft den Rest gegeben hätten. Das Volk sollte stärker belastet und Steuerhöhungen für Unternehmer gestrichen oder abgemildert werden.

Diesen Forderungen konnte die griechische Regierung nicht zustimmen. Daher will sie nun die Bevölkerung fragen, ob sie die Forderungen der Gläubiger akzeptiert. Um die Volksbefragung durchzuführen, hat Griechenland eine Verlängerung des Kreditprogramms um eine Woche beantragt. Eine Woche!

Doch die EU lehnt das ab. Mit der Volksbefragung, so heißt es von den Ober-Demokraten, sei das Vertrauen endgültig zerstört. Athen nehme die griechische Bevölkerung „in Geiselhaft“, wetterte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Eine irre Logik. Nebenbei bemerkt: Noch im Mai befand Schäuble, ein Referendum könne „sinnvoll“ sein.

Nun setzen EU und IWF die Daumenschrauben an, Kreditzusagen werden zurückgezogen, ein Euro-Austritt Griechenlands droht, besser gesagt: ein Euro-Rausschmiss. Niemand weiß, wie es jetzt weitergeht, Automatismen und Sachzwänge gibt es nicht.

Eindeutig ist jedoch die Botschaft, die die Bundesregierung an den Rest Europas sendet: Wir wollen, dass Kürzungsprogramme wie die Agenda 2010 und die massive Beschneidung des Rentensystems hierzulande als Graupause für Europa akzeptiert werden. Merkel und Schäuble verlangen, dass sich dem die anderen zu unterwerfen haben. Der Export deutscher Sozialkürzungen sei nicht verhandelbar. Es ist das alte Lied: Es gibt keine Alternative. Und eine linke oder eine soziale schon gar nicht. Das wird am Fall Syriza demonstriert – und Europa sollte genau zuhören.

WORTLAUT | Referendum in Griechenland – so geht Demokratie
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat angekündigt, die Bevölkerung Griechenlands über die Forderungen der Gläubiger per Referendum abstimmen zu lassen. “So geht Demokratie”, erklären die beiden Parteivorsitzenden der LINKEN, Katja Kipping und Bernd Riexinger.
Alexis Tsipras kämpft weiter entschlossen gegen die falsche Politik in Europa. Der Starrsinn von Bundeskanzlerin Merkel und den Institutionen, an der sinnlosen Austeritätspolitik festzuhalten, stürzt Europa in eine soziale Krise und kann die Steuerzahler in Deutschland bis zu 84 Mrd. € kosten. Dabei schwor die Bundeskanzlerin den Eid, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. Sie macht das Gegenteil! Die Fortsetzung der Austeritätspolitik, die sie im Bündnis mit den Institutionen Griechenland aufzwingen will, ist gescheitert. Alexis Tsipras hat mit dem Referendum eine demokratische und weise Antwort auf das undemokratische Troika-Unwesen gefunden. Jetzt sprechen diejenigen, die von den Kürzungsdiktaten der Institutionen auch betroffen sein werden. EU-Eliten aufgepasst, so geht Demokratie! Die deutsche Bundeskanzlerin und die Technokraten der Institutionen müssen endlich begreifen, dass die Menschen über ihr Schicksal entscheiden müssen und nicht die Banken. Als deutsche LINKE werden wir Druck auf die Bundesregierung machen, die demokratische Entscheidung der Griechinnen und Griechen zu respektieren.

LLK-Stadtrat: “Unerträgliche Volksverhetzung” beim Südkurier nicht mehr zulassen

Gegen RassismusMit einer nicht ganz alltäglichen Bitte wandte sich LLK-Stadtrat Holger Reile bei der letzten Gemeinderatssitzung an seine Ratskolleg_innen und den Oberbürgermeister. Er bat sie, auf die Verantwortlichen beim Südkurier einzuwirken, fremdenfeindliche Hassbotschaften wie sie auf den Online-Seiten der örtlichen Tageszeitung seit Monaten als Kommentare erscheinen, künftig nicht mehr zu zuzulassen. Sein Appell:

WORTLAUT | Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
aus aktuellem Anlass möchte ich Sie und auch uns alle bitten, zu intervenieren. Es geht um Folgendes: Seit Monaten treiben anonyme Hassprediger auf den Online-Seiten der hiesigen Tageszeitung ihr widerliches Unwesen– die seriös berichtenden Kolleginnen und Kollegen aus der Printabteilung haben damit nichts zu tun und seien von meiner Kritik ausgenommen. Vor allem wenn es um das Thema Flüchtlinge geht, werden Kommentare frei geschaltet, die rassistischer und menschenverachtender kaum sein könnten. Von, Zitat, „afrikanischen und kosovarischen Sozialtouristen“ war da die Rede, und auch davon, dass Romafamilien nur zu uns kämen, um uns – ebenfalls Zitat „auszurauben und zu bestehlen“. Ganze Ethnien werden seit Wochen aufs übelste verunglimpft und diskriminiert.

Vorletzte Woche war übrigens zu lesen, Zitat: „Vergewaltigung ist bei Afrikanern ein Volkssport“. Dazu ließ die Redaktion Linkverweise auf rechtsradikale Publikationen zu und erlaubte Werbung für Pegida. Nach Angabe der Verlagsleitung erreicht die Online-Ausgabe täglich mehr als 20 000 Leserinnen und Leser. Äußerungen der übelsten Art blieben oft tagelang stehen und wurden erst später gelöscht. Doch Kontrollfunktionen scheint es bei der zuständigen Redaktion nicht zu geben: Letzte Woche durfte ein rechtsradikaler Schmutzfink in aller Breite sogar die Waffen-SS verherrlichen. Die Belege liegen vor, falls Sie Einsicht nehmen wollen.

Es ist selbstverständlich einer freien Presse überlassen, was sie veröffentlicht und was nicht und da verbietet sich weitgehend eine Einmischung. Aber was auf den Online-Seiten frei geschaltet wurde und zum Teil immer wieder Eingang findet, hat rein gar nichts mit Meinungsvielfalt oder Pressefreiheit zu tun. Hier hetzt ein brauner Mob im Dickicht der Anonymität gegen Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen. Konstanz versteht sich dankenswerter Weise als offene und liberale Kommune, die sich eine Willkommenskultur auf die Fahnen geschrieben hat und auch wir in diesem Gremium haben eine Resolution gegen Rassismus und völkischen Nationalismus beschlossen.

Aus diesem Grund, Herr Oberbürgermeister, wollte ich Sie bitten, bei der Verlagsleitung gegen diese Art von unerträglicher Volksverhetzung zu protestieren und darauf zu drängen, dass diesem Tun endgültig ein Riegel vorgeschoben wird.

red

Sperrzeiten: Auch LLK stimmt für Kompromiss – DGB gegen Verlängerung der Öffnungszeiten

Auf der letzten Gemeinderatssitzung wurde (hoffentlich) abschließend das Thema „Verkürzung der Sperrzeiten in der Konstanzer Gastronomie“ behandelt. Nach der kontrovers im Haupt- und Finanzausschuss geführten Debatte stimmte der Rat nun mehrheitlich für den Kompromiss der Freien Wähler, der eine Verlängerung der Öffnungszeiten von zwei auf drei Uhr in der Nacht auf Samstag im linksrheinischen Stadtgebiet ermöglicht. Zudem können Biergärten künftig nicht nur von Juni bis August, sondern auch im Mai und September bis Mitternacht besucht werden. Auch die Linke Liste stimmte für diesen Kompromiss.

Ursprünglich hatte das JFK eine weitgehende Verlängerung der Kneipenöffnungszeiten beantragt. Für uns stehen aber klar die Interessen der ArbeitnehmerInnen und Innenstadt-BewohnerInnen im Vordergrund, denn deren Belastung durch Nachtarbeit bzw. eine ungestörte Nachtruhe haben für uns eine größere Bedeutung als die Feierlust von NachtschwärmerInnen. Deswegen forderten wir auf der gemeinderätlichen Sitzung im März und der Mai-Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses auch eine Stellungnahme des DGB ein, die die Stadt für die aktuelle Debatte nun vorlegte. Hier der Text des DGB-Kreisvorsitzenden Klaus Mühlherr im Wortlaut:

WORTLAUT | Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Anträgen auf Änderung der Sperrzeitrechtsverordnung. Als satzungsgemäß zuständiges Gremium des DGB äußert sich der Vorstand des DGB Kreisverbands Konstanz wie folgt:

lm Hinblick auf die Belange der Arbeitnehmer_innen in der Gastronomie lehnt der DGB-Kreisvorstand Konstanz eine Einschränkung der Sperrzeiten bzw. eine Ausweitung der Öffnungszeiten ab.

Nachtarbeit ist der Gesundheit abträglich und sollte daher so weit als möglich vermieden werden. Eine Notwendigkeit der Ausdehnung der Nachtarbeit in der Gastronomie in Konstanz können wir jedoch nicht erkennen. Zudem ist zu bedenken, dass der Alkoholpegel bei Gästen im Laufe des Aufenthalts in der Gaststätte in der Regel steigt, was die Arbeitssituation von Gastronomie-Beschäftigten verschlechtert. Eine Ausweitung der Öffnungszeiten in die frühen Morgenstunden würde auch diese Belastung erhöhen.

Die Antragsteller begründen ihr Anliegen mit ,,Erhalt und Förderung der Lebensqualität“ in der Stadt. Dem ist entgegenzuhalten, dass zur Lebensqualität in der Stadt auch zählt, ob die Innenstadt ein attraktiver Wohnort für diejenigen bleibt, die ein Mindestmaß an Nachtruhe brauchen und früh aufstehen müssen, z. B. Familien mit Kindern, Erwerbstätige etc. Dass die Zahl derjenigen, die auch am Samstag bzw. auch an Samstagen und Sonntagen arbeiten, nicht unbeträchtlich ist, ist vielen oft nicht bewusst (z. B. in Handel, Pflege, Verkehrsbetrieben, Krankenhäusern, Gastronomie, Polizei etc.). Da nicht zu erwarten ist, dass der Nachhauseweg bei längeren Öffnungszeiten von den Gaststättenbesucher_innen geräuschlos angetreten wird, ist von einer deutlich längeren Lärmbelastung der Anwohnerinnen und Anwohner auszugehen. Auch aus diesem Grund sprechen wir uns für die Beibehaltung der derzeit geltenden Sperrzeiten aus.

Mit freundlichen Grüßen, Klaus Mühlherr

red

 

Straße in Konstanz behält den Namen eines Kriegsverbrechers

General_von_EmmichDen Beschluss, die Von-Emmich-Straße in Georges-Ferber-Straße umzubenennen, hatte der Konstanzer Gemeinderat nach jahrelangem Hin und Her bereits mehrmals gefasst, zuletzt vor drei Jahren. Umgesetzt wurde dieser Beschluss jedoch bis heute nicht. Die Verwaltung verwies auf den Widerstand einiger Anwohner_innen, die den Aufwand und die Kosten für die fällige Adressänderung nicht tragen wollten. Inzwischen wären durch die Neubaumaßnahmen im Quartier um die 300 Bewohner_innen und mehrere Gewerbebetriebe von der Maßnahme betroffen. Insbesondere in den bürgerlichen Fraktionen mögen Einzelne auch mit der Einordnung des Generals als Kriegsverbrecher nicht einverstanden gewesen sein.

Nun stand das Thema am Donnerstag wieder auf der Tagesordnung einer Ratssitzung. Die Straßenbennungskommission, in die man den Fall verwiesen hatte, votierte zuvor erneut für die Umbenennung der Straße, eine Hinweistafel sei nicht ausreichend. Eine Mehrheit des Ratsgremiums sah das am Donnerstag anders. 22 von 34 anwesenden Räte lehnten den Antrag ab. Mehrheitlich angenommen wurde lediglich der alternativ zur Abstimmung gestellte Antrag, die Straßenschilder mit einer Hinweistafel zu versehen.

Die Linke Liste hatte sich von Beginn an dafür eingesetzt, den Namen des Militaristen von Emmich aus dem Konstanzer Straßenbild zu verbannen. Sie fordert darüberhinaus eine finanzielle Unterstützung der Anwohner durch die Stadt, damit die nicht auf den anfallenden Kosten sitzen bleiben. LLK-Stadtrat Holger Reile begründete auf der Sitzung nocheinmal, warum er dafür ist, den Namen von Emmich aus dem Stadtbild zu tilgen.

„Die Diskussion über die Umbenennung der von Emmich-Straße hat sich im Laufe der Jahre zu einem Dauerbrenner entwickelt. Ich möchte nicht nochmal alles aufzählen, erinnere aber daran, dass dieser Rat hier vor über drei Jahren eine Umbenennung mehrheitlich beschlossen hat. Sie wurde dann aber nicht umgesetzt, die Gründe waren meiner Meinung nach mehr als fadenscheinig. Die Straßenbenennungskommission hat sich erneut damit beschäftigt und ebenso erneut eine Umbenennung empfohlen. Wir, die Linke Liste, werden auch heute für eine Umbenennung stimmen, denn der bürokratische Aufwand für die Anwohner ist unserer Meinung nach verkraftbar und zweitrangig.

Noch einige Anmerkungen zum Thema. Schauen wir über unseren lokalen Tellerrand hinaus und stellen folgendes fest: Gerade die weltweite aktuelle Situation ist Anlass genug, die Namen sogenannter Kriegshelden, an deren Händen viel Blut klebt, aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. An allen Ecken und Enden auf diesem Globus werden Kriege geführt – Millionen Menschen sind auf der Flucht, weil ihre Heimatländer in Schutt und Asche gelegt werden und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Im Gegensatz dazu reibt sich die internationale Waffenindustrie, ganz vorne mit dabei auch die deutsche, genüsslich ihre Hände und verzeichnet gigantische Umsatzzuwächse bei ihrem Geschäft mit Elend, Tod und Verderben.

Die Machtblöcke auf beiden Seiten rüsten zur Zeit in einem unverantwortlichen Maß auf, wie man es sich vor kurzem noch gar nicht hat vorstellen können. Neue Atomwaffen sollen auch in Europa stationiert werden und wer glaubt, wir näherten uns lediglich dem Kalten Krieg, hat die Zeichen dieser unseligen Zeiten nicht verstanden – denn die Skrupellosigkeit der Kriegstreiber und ihrer Profiteure hat längst dazu geführt, dass wir uns in einer Situation befinden, die meiner Meinung nach gefährlicher nicht sein könnte und die jederzeit eskalieren kann.

So gesehen hat für mich die Umbenennung dieser kleinen Straße, tief im Südwesten unseres Landes durchaus Symbolcharakter, vielleicht vergleichbar mit dem alten Spruch der Friedensbewegung, die einst Schwerter zu Pflugscharen machen wollte und darüberhinaus erklärte, sie würde heute noch einen Apfelbaum pflanzen, auch wenn sie wüsste, dass morgen diese unsere Welt aus den Angeln gehoben wird.

Sie mögen diesen Hinweis pathetisch nennen – finden Sie ihn auch verfehlt, frage ich Sie alle. Und ja, es stimmt: Ich will die Namen der von Emmichs und die vieler anderer nicht mehr lesen und bitte Sie hiermit eindringlich, der Umbenennung ein zweites Mal zuzustimmen.“

DOKUMENTIERT | Wer etwas über den deutschen General von Emmich erfahren will, kann sich unter anderem beim Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam kundig machen, das nicht gerade im Verdacht linker Nestbeschmutzung steht. Dort heißt es: „Als General der Infanterie und Kommandierender General des X. Armee-Korps war Emmich an dem völkerrechtswidrigen Überfall auf Belgien beteiligt. Bei den von ihm geführten Kämpfen um die Festung Lüttich (Liège) im August 1914 sowie beim weiteren Vormarsch der deutschen Truppen kam es zu Ausschreitungen gegen und Hinrichtungen von Zivilisten durch deutsche Soldaten, die in der neueren Forschung als kriegsvölkerrechtswidrig gewertet werden.“

jüg / Bild: Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv, Freiburg via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Zelte, Turnhallen, Container – Flüchtlingselend wächst – Unterkünfte fehlen – jede Hilfe willkommen

Die Lage ist dramatisch: Die Zustände in vielen Ländern Europas und der angrenzenden Gebiete treiben immer mehr Menschen in die Flucht. Für die Stadt und den Landkreis Konstanz heißt das, eine rasant steigende Zahl an Flüchtlingen teils langfristig und möglichst auch menschenwürdig unterbringen zu müssen. In der Gemeinderatssitzung am Donnerstag gab die Verwaltung einen Überblick über ihre Sicht auf die hochdramatische Lage.

Der Föderalismus in Deutschland zeigt seine teils skurrilen Seiten bei der Unterbringung der Flüchtlinge sehr deutlich: Zuständig für die Schaffung von Erst- wie auch Anschlussunterkünften sind am Ende die Landkreise und Kommunen, und da die Landkreise als reine Verwaltungseinheiten keine eigenen Grundstücke besitzen, ist es Aufgabe der Städte und Gemeinden, den Landkreisen Grundstücke zur Verfügung zu stellen, auf denen die Landkreise Gebäude etwa für Flüchtlinge errichten können.

Da die Städte und Gemeinden die Landkreise über eine Kreisumlage finanzieren, sorgen sie indirekt auch für die Finanzierung der Gebäude und sonstigen Unterbringungskosten für die Flüchtlinge. Dafür wiederum erhalten sie und/oder die Landkreise von Bund und Ländern bestimmte Mittel, die aber von hinten bis vorn kaum für eine menschenwürdige Unterbringung dieser oft traumatisierten Menschen ausreichen. Diese zerstörten Menschen, die teils direkt aus Kriegsgebieten kommen, werden zusätzlich auch noch von der Arbeiterwohlfahrt, der Caritas und anderen „freien Trägern“ betreut, die dafür aber wieder bei Kreisen und Kommunen kassieren – glauben Sie bloß nicht, dass die das umsonst tun oder gar Rabatt geben – aber immerhin, sie tun, was sie können, und wovor sich die Kommunen gern drücken. Verstehen Sie dieses System? Ich auch nicht.

Konstanz bleibt seinen Anteil bisher schuldig

Im Idealfall sollen alle Städte und Gemeinden eines Landkreises einen gleichen Anteil leisten, und Konstanz als größte Kommune des Landkreises Konstanz muss dementsprechend 1/3 der dem Landkreis zugewiesenen Flüchtlinge aufnehmen. Das aber tut die Stadt bisher nicht, und jetzt wird es allerhöchste Zeit, dass sie dem Landkreis entsprechende zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten und Grundstücke anbietet.

Oberbürgermeister Uli Burchardt erklärte, die Konstanzer Bürgerinnen und Bürger seien durchaus zur Integration der Flüchtlinge bereit und auch ehrenamtlich sehr rührig. Aber Konstanz habe Raumprobleme wie kaum eine andere deutsche Stadt. Er nahm zuerst einmal den Bund in die Pflicht, indem er schnellere Asylverfahren forderte und beklagte, dass auch abgelehnte BewerberInnen sowie Flüchtlinge aus [angeblich] sicheren Herkunftsländern praktisch überhaupt nicht „rückgeführt“ würden, und das seien rund 40% der Flüchtlinge; in Konstanz sei sogar eine Person aus Spanien darunter, die man nicht wieder loswerde. Er forderte Bund und Länder auf, diese Menschen schnell abzuschieben, da sie echten Kriegsflüchtlingen den Platz wegnähmen. Dass Uli Burchardt hier die angeblichen Scheinasylbewerber vom Westbalkan gegen die Kriegsflüchtlinge aus Syrien ins Feld ausspielte, war sicher keine seiner Sternstunden.

Es fehlen 300–400 Plätze

Er betonte, dass angesichts des Drucks, in diesem Jahr in Konstanz noch 300–400 zusätzliche Unterbringungsplätze zu schaffen, keine Zeit für Verhandlungen mit privaten Grundstückseigentümern mehr sei und nur Flächen im städtischen Besitz für neue Flüchtlingsunterkünfte in Frage kommen. Aufgrund der verschiedenen rechtlichen Bestimmungen für Flüchtlingsunterkünfte und Wohnungsbau könnten dies auch Flächen sein, die für das städtische Handlungsprogramm Wohnen ohnehin nicht in Betracht kommen, so dass hier keine Konkurrenzsituation vorliege.

Die Stadt hat jedenfalls eine neue zentrale E-Mail-Adresse eingerichtet, unter der Bürger auf Wohnraum hinweisen können, der leer steht, oder der Stadt Wohnraum für Flüchtlinge anbieten können: wohnraumvorschlag@konstanz.de.

Umbau auf Transco-Gelände dauert

Kristine Hanke vom Amt für Stadtplanung und Umwelt belegte nochmals die Dramatik der Situation: Konstanz soll bis zum Jahresende 620 Unterbringungsplätze nachweisen, kann bisher aber in Steinstraße und Luisenstraße nur knapp die Hälfte davon anbieten. Den Rest gibt es schlichtweg nicht, und das Jahr hat nur noch sechs weitere Monate. Man braucht zwei Typen von Unterkünften: 1. Gemeinschaftsunterkünfte in größeren Einheiten für die Erstunterbringung, 2. Wohnungen für die mehr oder weniger dauerhafte Anschlussunterbringung (in der Regel nach 24 Monaten). Bisher hat man auf dem Transco-Gelände an der Max-Stromeyer-Straße ein leerstehendes Gebäude für 80-100 Flüchtlinge gefunden, aber bis das Ding hergerichtet ist, wird wenigstens ein Jahr vergehen.

Dieses Gebäude, so ergänzte Thomas Stegmann, der Leiter des Hochbau- und Liegenschaftsamtes, ist ein altes Wehrmachtsgebäude, in das der Landkreis, denn der ist der Bauherr und (s.o.) für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig, Räume, Küchen, Bäder, Fluchtwege usw. einbauen muss, und mit dem Bauantragsverfahren dauere das gut 12 Monate oder mehr. Am Mühlenweg/Zergle können etwa 20 Wohneinheiten für 70-80 Menschen entstehen, aber auch diese Baumaßnahme wird etwa 12 Monate dauern. Deshalb suche die Stadt schon jetzt nach Flächen für eine „temporäre Bauweise“. „Temporäre Bauweise“ hört sich zwar eher nach einem nicht sommertauglichen Iglu an, meint aber etwas anderes: Man will die Flüchtlinge in Containern unterbringen, die sogar wintertauglich sein sollen.

Zelte und Turnhallen

Uli Burchardt gab zu: „Bei Gemeinschaftsunterkünften hängen wir in der Luft.“ Angesichts der Dringlichkeit der Unterbringung in den nächsten Monaten gab es aus vielen Richtungen zahlreiche Vorschläge, Jürgen Puchta (SPD) brachte die zeitweilige Nutzung von Flächen des Landes ins Gespräch, etliche Gemeinderätinnen und -räte plädierten für das Aufstellen von Containern oder die Anmietung und den Umbau von Flächen im Telekom-Hochhaus. Aber selbst hier warnte Uli Burchardt, als er auf die Nachfrage von Gabi Weiner (JFK), ob es denn eine Lösung bis Jahresende gebe, in den Saal rief: „Nein, selbst für Container braucht man eine Infrastruktur, Fundamente, Wasserversorgung, Strom und so weiter, das dauert. Wir haben nur Zelte und Turnhallen!“

Anke Schwede (LLK) forderte daraufhin einmal mehr eine Aufstellung der in Konstanz leerstehenden Wohnräume und Gewerbeflächen und schlug vor, die Stadt möge sich an der Renovierung von Wohnraum auch für Flüchtlinge beteiligen und dafür den Besitzern eine langfristige Sozialbindung auferlegen. Außerdem forderte sie eine menschenwürdige Flüchtlingsunterbringung, unter anderem mit Begegnungsräumen.

Dass daraus nichts wird, ist klar: Sozialbürgermeister Andreas Osner meinte, dass Gemeinschaftsräume die ohnehin knappen Kapazitäten überfordern würden (derzeit rechnet die Verwaltung mit 4,5 Quadratmetern für einen Flüchtling, ab 1. Januar 2016 muss sie mit 7 Quadratmetern rechnen). Immerhin: Osner sagte es mit hörbarem Bedauern in der Stimme.

Wer hat gepennt?

Man kann sich die Frage stellen, wer hier versagt hat: Die Stadt, der Landkreis, das Land, der Bund, die Weltgemeinschaft? Hat auch nach den Erfahrungen seit 2001 in Afghanistan niemand gesehen, was passieren wird, wenn man noch weitere Länder und Regionen wie jene des Nahen Ostens komplett destabilisiert? Waren auf den verschiedenen Ebenen Raffgier, Rachedurst, Blindheit und Mordlust wirklich so verbreitet, dass niemand an die Opfer dachte, die (oft genug vergeblich!) versuchen würden, ihr Leben und das ihrer Kinder zu retten? Konnte niemand dieses Problem ahnen? Doch! Aber der Konstanzer Gemeinderat hat dieses Scheißelend nur zu verwalten und zu mildern, er hat nicht über Krieg und Frieden zu befinden.

Natürlich ist Uli Burchardt zuzustimmen, als er alle Versuche etwa von Andreas Ellegast (CDU) abbügelte, den Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge zugunsten von Konstanz ändern zu wollen: Singen, Engen und Stockach hätten ihre Quote bisher deutlich übererfüllt und jetzt sei Konstanz gefragt. Letztlich sei es aber Aufgabe des Landkreises und nicht der Stadt, leere Immobilien in Konstanz anzumieten oder Grundstücke zu bebauen, die Stadt könne dabei nur assistieren.

Ein weiteres Problem, das Flüchtlinge ganz besonders trifft, benannte er aber auch für einen CDU-Oberbürgermeister ungewöhnlich deutlich: Die Immobilienbesitzer. „Da sind“, und dies ist O-Ton Uli Burchardt, „manche Krisengewinnler unterwegs, die ganz ungeniert zulangen“. Immobilienspekulanten ist die Zwickmühle der Kommunen klar, und da versucht so mancher, seine Schrottimmobilie dem Landkreis gegen pures Gold anzudienen.

Für einen CDU-Oberbürgermeister nicht verwunderlich, vergaß Uli Burchardt allerdings, die logische Konsequenz zu erwähnen: Die sofortige Enteignung dieser Spekulanten zu fordern, die mit dem Flüchtlingselend einen Reibach machen wollen.

O. Pugliese

Klinikprotest: 300 von 162 000

seemoz-Krankenhaus-ver.di-009300 Beschäftigte zogen gestern vor das Konstanzer Kliniktor: Krankenschwestern, Pfleger, auch Ärzte und Auszubildende, wenige Patienten und immerhin ein Geschäftsführer. Bei der größten Protestaktion vor deutschen Krankenhäusern im ganzen Land ging es um bessere Personalausstattung und humane Arbeitsbedingungen.

Hannes Hänsler vom Betriebsrat (BR) fasste die Forderungen der Gewerkschafter zusammen:
► Gesetzliche Personalbemessung jetzt,
► Einhaltung der Pausen und des Gesundheitsschutzes,
Schichten sollen mit mindestens zwei Pflegefachpersonen besetzt werden,
► die Bundesländer müssen wieder für eine ausreichende Finanzierung sorgen.

Und diese Forderungen unterstützte sogar Geschäftsführer Rainer Ott, der nach einigen Irritationen im Vorfeld nicht nur doch noch an der Protestaktion teilnahm, sondern vor den fast 300 DemonstrantInnen an die Politiker appellierte, „endlich für genügend Mittel zu sorgen, damit die Beschäftigten ohne schlechtes Gewissen gute Arbeit machen können.“

162 000 Beschäftigte fehlen nach Berechnungen der Gewerkschaft ver.di an deutschen Krankenhäusern  – 162 000 Nummerntafeln wurden darum im ganzen Land verteilt, damit die protestierenden Beschäftigten den Mangel sichtbar machen konnten. 124 solcher Schilder hatte der Betriebsrat am Konstanzer Klinikum verteilt, weil dort 124 Stellen unbesetzt sind. BR Hänsler rechnete nach: Mehr als die Hälfte der Demonstranten bekam keine Tafel mehr ab – hochgerechnet ergibt das 300 Protestierer.

In Radolfzell, Singen und Tuttlingen, am Schwarzwald-Baar Klinikum in Villingen-Schwenningen und Donaueschingen, bei der Helios-Klinik in Rottweil und der SRH Klinik in Oberndorf  – überall dasselbe Bild. In ganz Deutschland wurde der Pflegenotstand (be)greifbar gemacht. Und auch Kommunalpolitiker demonstrierten mit. In Konstanz waren mit Normen Küttner (FGL) und Markus Nabholz (CDU) sogar zwei im Pflegedienst beschäftigte Stadträte unter den ProtestiererInnen. Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di nahmen allein in Baden-Württemberg 90 Krankenhäuser mit bis zu 15 000 Beschäftigten teil.

Hintergrund der Proteste ist die Enttäuschung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Krankenhausreform. Ver.di kritisiert, die bis zu 660 Millionen Euro, die die Kliniken bis 2018 für zusätzliches Pflegepersonal bekommen sollen, seien kaum ein Zehntel des eigentlich benötigten Geldes.

hpk

Stadträtin und Bundesvorsitzender als Spitzenduo der Linken für die Landtagswahl

Akbulut-RiexingerDie Mannheimer Linke-Stadträtin Gökay Akbulut und der Linke-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger sollen Spitzenkandidat_innen für die baden-württembergische Landtagswahl im März 2016 werden. Das hat der Landesvorstand der Partei bei einer Pressekonferenz am 19. Juni bekanntgegeben. Landesgeschäftsführer Bernhard Strasdeit sagte, mit der Wahl des Spitzenduos werde deutlich, „dass wir entschlossen sind, die 5%-Hürde zu nehmen und dass die gesamte Partei, bis hin zur Parteispitze, überzeugt ist, dieses Ziel zu erreichen und in den baden-württembergischen Landtag einzuziehen.“

Strasdeit weiter: „Beide haben einen Lebenshintergrund und einen politischen Erfahrungsschatz, der uns für die zukünftige Arbeit im Landtag sehr wichtig ist.“ Die 32-jährige Gökay Akbulut – sie arbeitet bei einem Bildungsträger als Projektmitarbeiterin und als Dozentin – sei als Kommunalpolitikerin in Mannheim, einer Stadt mit vielen sozialen Brennpunkten, prädestiniert für diese Aufgabe. Nicht zuletzt auch, weil sie sich mit ihrem kurdisch-alevitischen Hintergrund für Intergration und Teilhabe von Migrant_innen einsetze, gegen Rassismus und gegen Ausgrenzung. Und Bernd Riexinger (59) habe es als Gewerkschafter von der Pike auf zu tun gehabt mit den Interessen von abhängig Beschäftigten. „Von Menschen, die darauf angewiesen sind, dass der gesellschaftliche Reichtum nicht nur oben ankommt, sondern auch bei ErzieherInnen, bei Pflegekräften, bei VerkäuferInnen und bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst.“

Der Bundesparteivorsitzende Riexinger selbst sieht gute Chancen für einen Einzug in den Stuttgarter Landtag. In einem Interview mit der „Kontext:Wochenzeitung“ verwies er auf die aktuellen Umfragen, in denen die Linke zwischen vier und fünf Prozent liegt. „Viele Wähler, insbesondere der Grünen und der SPD, sind enttäuscht. Viele haben bei der letzten Wahl taktisch gestimmt“, um den CDU-Ministerpräsidenten Mappus zu verhindern. Diesmal, so der Linkenpolitiker, „können die Leute völlig unbeschwert entscheiden“.

Nachdem der Politikwechsel durch Grün-Rot ausgeblieben sei, „braucht dieser Landtag dringend einen roten Farbtupfer, sprich eine Opposition, die ihren Namen verdient“. Den Ministerpräsidenten Kretschmann bezeichnete der Linkenpolitiker als „grüne Inkarnation von Erwin Teufel“, dessen Popularität zwar unbestritten sei. „Das heißt aber nicht, dass 72 Prozent der Baden-Württemberger mit seiner Politik einverstanden sind. Hören die Hartz-IV-Empfänger, die Niedriglöhner, die Erwerbslosen ein Wort von ihrem Ministerpräsidenten? Lieber spricht er mit den Bossen über Hightech in Silicon Valley.“ In ihrer Politik komme seine Partei als grüne FDP daher und habe mit sozialer Gerechtigkeit nichts mehr gemein.

Bereits zuvor hatte die Südwest-Linke eine weitere Personalie bekanntgemacht. In Stuttgart soll Hannes Rockenbauch für den Landtag kandidieren, Stadtrat und über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus bekannter Stuttgart21-Kritiker. Der 34-jährige Diplomingenieur hatte 2012 bei der OB-Wahl in der Landeshauptstadt mehr als 10 Prozent der Stimmen geholt.

jüg

Bernd Riexinger zu seiner Landtagskandidatur.

Film: „Sí, se puede! Sieben Tage bei der PAH“

PAH1Die neugegründete Konstanzer Gruppe der Roten Hilfe zeigt am kommenden Dienstag im Treffpunkt Petershausen einen Dokumentarfilm über die neue Massenbewegung gegen Zwangsräumungen in Spanien. Danach laden die Veranstalter_innen dazu ein, über Widerstandsformen, Beispiele der Selbstorganisation und kollektive solidarische Strukturen zu diskutieren.

Die Plattform der Hypothekengeschädigten PAH (Plataforma de Afectados por la Hipoteca) gründete sich 2009 in Barcelona um Widerstand gegen Zwangsräumungen zu organisieren. Sie ist heute eine der wichtigsten Organisationsstrukturen der gesellschaftlichen Mobilisierung gegen die Krise in Spanien. Mit dem Ausbruch der Immobilienkrise hatte eine Welle von Zwangsräumungen durch Spanien zu rollen begonnen. Zuvor waren Menschen jahrzehntelang von Politik und Banken zum Erwerb von Wohneigentum auf Hypothekenbasis gedrängt worden. Mit der Krise schnellten nicht nur die Hypothekenraten in die Höhe, ihre Folgen führten auch dazu, dass viele ihre monatlichen Raten nicht mehr zahlen können. Das Ergebnis sind bis heute hunderttausende Zwangsräumungen im gesamten Land (von über 550.000 diesbezüglichen Anordnungen ist die Rede).

Mittlerweile gibt es die PAH in über 200 Städten in Spanien. Die PAH versteht sich als horizontal und nicht hierarchisch organisierter Zusammenschluss von lokalen Plattformen, in denen Betroffene und mit diesen solidarische Menschen vor Ort zusammenarbeiten. Teilnahme und Mitarbeit setzen keine Mitgliedschaft voraus sondern basieren auf dem Prinzip der Asamblea. Die PAH verhindert Zwangsräumungen, eignet sich leerstehende Gebäude an, organisiert nachbarschaftliche Solidarität, entwickelt Aktionen und Kampagnen und beteiligt sich an den spanischen Krisenprotesten.

Eine besondere Aktualität bekommt der Film durch den Wahlsieg von Ada Colau, die bei den spanischen Kommunalwahlen am 24. Mai 2015 als Spitzenkandidatin für das Wahlbündnis Barcelona en Comú (Barcelona vereint) antrat. Ada Colau war eine der Gründerinnen der PAH und ist seit dem 13. Juni 2015 Bürgermeisterin von Barcelona. In dem Film, der die PAH Barcelona über sieben Tage begleitet, wird Ada Colau in verschiedenen Interviewbeiträgen zu hören und zu sehen sein.

PM/red

Dienstag, 23. Juni, 19 Uhr, Konstanz, Treffpunkt Petershausen
„Sí, se puede! Sieben Tage bei der PAH“

Dokumentarfilm (50 Min.) über die neue Massenbewegung gegen Zwangsräumungen in Spanien

Wohnungspolitische Irrfahrt der Landesregierung mit Folgen für Konstanzer Mieter_innen

Auch die Mieter_innen von rund 400 Konstanzer Wohnungen sind von einem Milliardendeal der Südewo-Gruppe mit der Deutsche Annington AG betroffen. Erst vor drei Jahren hatte die Landesregierung grünes Licht für den Verkauf von 19.500 Wohnungen in öffentlichem Besitz – sie gehörten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) – an die Investoren-Gruppe unter Führung der Patrizia AG gegeben. Das Augsburger Unternehmen hatte beim Erwerb versichert, die Wohnungen langfristig bewirtschaften zu wollen. Mit dem Weiterverkauf nach nur drei Jahren kann man jetzt aber einen Gewinn von einer halben Milliarde Euro einstreichen – was zählt da das Geschwätz von gestern.

Für die LINKE ist der Deal eine Folge der Wohnungspolitik der baden-württembergischen Landesregierung, “die blindlings auf Privatisierung setzt”, so Gregor Mohlberg vom Landesvorstand der Partei. Es handele sich um eine “wohnungspolitische Irrfahrt” der Regierung, die zu recht in der Kritik von Mieterverbänden und Kommunalpolitiker_innen stehe.

Der Mieterbund Bodensee hat den Verkauf ebenfalls scharf kritisiert. „Die Südewo-Eigentümer haben durch Mieterhöhungen und Wohnungsverkäufe abkassiert,“ sagte der Verbandsvorsitzende Herbert Weber. „Die Zeche zahlen die Mieter, die für schlechter werdende Leistungen immer höhere Mieten tragen mussten, damit der Konzern Profite machen konnte.“ In Konstanz und anderen Städten sei durch den mehrfachen Verkauf der Wohnungen preisgünstiger Wohnraum übermäßig verteuert worden.

Versprechungen des neuen Besitzers Annington, er ist bundesweit einer der größten Player im Vermietungsgeschäft, er verfolge eine langfristige, “am Mieter ausgerichtete Strategie”, können eingedenk den Erfahrungen mit dem Kurzzeiteigentümer Südewo vermutlich getrost als leeres Geschwätz  abgetan werden. Das gilt im übrigen auch für die Beteuerungen, des neuen Eigentümers, die von Südewo versprochene “Sozialcharta” werde beibehalten. Für den Mieterbundvorsitzenden sind solche Zusicherungen kaum mehr als Gerede: “Das Versprechen einer Sozial-Charta verbessert in der Regel nicht den Mieterschutz, sondern soll das schlechte Gewissen der Öffentlichkeit beruhigen.” Praktische Schutzwirkungen für die Mieter habe das kaum gehabt, so Weber. Zudem eilt Annington der Ruf einer knallharten Unternehmenspolitik voraus, die einzig darauf ausgerichtet ist, Maximalprofite auf dem Rücken der Mieter_innen zu erzielen.

Für DIE LINKE ist dies ein weiteres Beispiel für die desaströse Wohnungspolitik der grün-roten Landesregierung. Durch Wohnungsprivatisierungen wird Wohnraum zum reinen Spekulationsobjekt. Investoren und Aktienbesitzer bestimmen so über einen Politikbereich, der einst zur Daseinsfürsorge gezählt wurde. Die aktuellen Kreditförderungsprogramme der Stuttgarter Regierung für sozialen Wohnungsbau bleiben wirkungslos. Die Zahl der Baufertigstellungen liegt seit Jahren, so auch 2014, fast um 20.000 Einheiten unter der von der Landesregierung selbstgesetzten Zielmarke von 50.000 Wohnungen.

DIE LINKE fordert dagegen eine Ende von Wohnungsprivatsierungen und verlangt den aktiven Einstieg von Bund und Land in die Förderung.

jüg

 

Linke Liste fordert: Wohnungsleerstand sofort ermitteln!

Leerstand_kein_zustand426_01Konstanz braucht deutlich mehr Wohnungen als im “Handlungsprogramm Wohnen” vorgesehen, und es braucht sie schneller als von der Stadtverwaltung geplant. Dazu trägt neben der ohnehin schon hohen Nachfrage nach Wohnraum auch die steigende Zahl an Flüchtlingen bei, die von der Stadt untergebracht werden müssen.

Aus Verwaltungskreisen war mehrfach zu hören, dass in Konstanz Gewerbeflächen, Wohnungen und ganze Häuser leer stehen. So werden in Konstanz derzeit rund 35 000 Quadratmeter vorhandene Gewerbefläche nicht genutzt, wie das Büro Dr. Acocella jüngst in einem Gutachten ermittelt hat. Wir fordern die Verwaltung auf, diese Zahl genau zu beziffern und mitzuteilen, ob zumindest einige dieser Flächen mit vertretbarem Aufwand in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden könnten.

Außerdem ist eine Auflistung der leerstehenden Wohnungen und Wohnhäuser dringend nötig. Die LLK hat eine solche Erfassung schon mehrmals vorgeschlagen und fordert sie hiermit erneut. Dabei geht es vorrangig nicht darum, diese Immobilienbesitzer wegen eines Verstoßes gegen das Zweckentfremdungsverbot zu brandmarken.

Wir wissen vielmehr, dass manche Immobilieneigentümer aus finanziellen Gründen davor zurückschrecken, ihre Wohnungen und Häuser so zu renovieren, dass sie zur Vermietung angeboten werden können. Unser Vorschlag: Die Stadt sollte mit diesen Immobilienbesitzern in Verhandlung treten und ihnen anbieten, sich an der Sanierung des leerstehenden Wohnraums finanziell zu beteiligen. Im Gegenzug müssen sich die Besitzer verpflichten, ihre Immobilie nach der Renovierung langfristig und zu einem sozialen Preis der Stadt zur Vermietung zu überlassen.

Anders verhält es sich mit jenen Immobilieneigentümern, die ihren Wohnraum nachweislich aus Spekulationsgründen leer stehen oder gar verrotten lassen. In diesen Fällen muss das Zweckentfremdungsverbot unverzüglich zum Tragen kommen.

Wir hoffen, dass diese Maßnahmen dazu beitragen, den Konstanzer Wohnungsmarkt im Interesse der Bevölkerung zu entlasten, und fordern die Verwaltung zu schnellem Handeln auf.

Anke Schwede, Holger Reile
Linke Liste Konstanz (LLK)

Nazi-Monument zum antifaschistischen Denkmal umgestalten

Chérisy-Soldat1Die Linke Liste Konstanz (LLK) kritisiert seit Jahren die Untätigkeit der Stadt im Umgang mit dem Soldatenstandbild, das den Eingang zum Chérisy-Areal verunstaltet. Mehrfach haben die Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung Vorstöße beispielsweise der Konstanzer Friedensinitiative aber auch von Anwohnern ins Leere laufen lassen, die eine Auseinandersetzung mit diesem steinernen Relikt der nationalsozialistischen Barbarei forderten.

Wenn nun am kommenden Dienstag der Kulturausschuss das Thema erneut berät, erwarten wir endlich ein substantielles Ergebnis. Da aus denkmalschutzrechtlichen Gründen die Beseitigung der Statue nicht in Frage zu kommen scheint, fordert die LLK, dass das Nazi-Monument zu einem antifaschistischen Denkmal umgestaltet wird. Die von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Gedenktafel reicht dafür nicht aus. Der weichgespülte Textentwurf des Stadtarchivars Jürgen Klöckler für eine solche Tafel ist zudem völlig ungeeignet, um eine angemessene Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des verbrecherischen Regimes zu befördern. Er stuft das Standbild letztlich als X-beliebiges kunstgeschichtliches Zeugnis unter anderen ein und trägt damit mehr zur Verharmlosung als zur kritischen Auseinandersetzung bei.

Die LLK unterstützt deshalb den Vorschlag der Friedensinitiative, die eine breite öffentliche Diskussion darüber will, wie ein solches Denkmal zu gestalten wäre. An kundigen Historikern und kreativen Köpfen, die Vorschläge für eine angemessene Gestaltung erarbeiten können, fehlt es uns wahrlich nicht. Eine Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Wehrmacht und dem Schicksal der Deserteure sind aus unserer Sicht Themen, die aufgegriffen werden müßten.

Die Linke Liste weist außerdem darauf hin, dass das Denkmal inzwischen auch zu einem erheblichen Verkehrshindernis geworden ist. Das Wohnquartier Chérisy wächst seit Jahren, gegenwärtig entstehen zwei neue Studierendenwohnheime. Die Folge sind unter anderem ein zunehmender Rad- und Autoverkehr, dem der enge Eingangsbereich nicht mehr gewachsen ist. Eine Umgestaltung muss deshalb auch dafür genutzt werden, behindertengerechte Gehsteige und Fahrradwege anzulegen. Die ESG e.V. hat dafür Vorschläge entwickelt, die berücksichtigt werden sollten.

Anke Schwede, Holger Reile, Stadträte, Linke Liste Konstanz
Hans-Peter Koch, Marco Radojevic, Kreisräte, DIE LINKE. Konstanz

Gewerbesteuernachzahlung: Geld muss sozialem Wohnungsbau und Personal zugutekommen

Paukenschlag bei der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Donnerstag: Die Stadt Konstanz erhält eine Gewerbesteuer-Nachzahlung in Höhe von 16,3 Millionen Euro, von der voraussichtlich die Hälfte in die Stadtkasse fließen wird. Das ist das Ergebnis einer Nachprüfung des Finanzamts, das bei einem „großen Unternehmen“ – klar ist, es handelt sich um Takeda – noch einmal die Bücher geprüft hatte. Nach 2012 muss der Pharmakonzern nun also erneut Millionen nachzahlen, die er der Stadt mit Hilfe kreativer Buchführung vorenthalten wollte.

Dem Oberbürgermeister und den ihn stützenden Fraktionen gehen so langsam die Argumente für den rigiden Sparkurs der Verwaltung aus. Regelmäßig hat man die finanzielle Zukunft in den düstersten Farben gemalt und vor allem Investitionen im Sozialbereich mit dem Hinweis auf die angeblich miese Haushaltslage abgebügelt. Zwar wiegelte Stadtoberhaupt Uli Burchardt laut Südkurier bei der Ausschusssitzung gleich mit der Behauptung ab, das Geld sei „im Grunde bereits durch die Planung vervespert“, aber auch hartgesottenen Neoliberalen wie Jürgen Faden dämmert: Das Sparen werde nun wohl noch schwerer.

Die LLK-Stadträtin Anke Schwede hat auf Pressenachfrage völlig richtig umgehend zu Protokoll gegeben, die Mehreinnahmen – nach Abzug verschiedener Abgaben fließen voraussichtlich zwischen 8 und 9 Millionen ins Stadtsäckel – müssten eingesetzt werden, um “endlich soviel Personal in der Stadtverwaltung einzustellen, dass die jetzigen Angestellten entlastet werden und die Stadt ihre Aúfgaben verantwortungsbewusst erledigen kann”. Außerdem, so Schwede weiter, müsse vor allem in den sozialen Wohnungsbau investiert werden.

jüg

Uniwahlen: GOLL mit großem Zugewinn

GOLL-LogoDie Wahlen zum Studierendenparlament an der Universität Konstanz brachten ein hocherfreuliches Ergebnis für die überparteiliche Grüne Offene Linke Liste (GOLL), die sich als sozialökologisch, undogmatisch und emanzipatorisch einstuft. Die GOLL konnte bei dem Urnengang am 9. und 10. Juni ihr Ergebnis von 8,6 Prozent 2014 in diesem Jahr auf 14,4 Prozent steigern und erreichte damit den größten Zugewinn aller angetretenen Listen. Ins Studierendenparlament, es hat insgesamt 23 Mitglieder, entsendet die GOLL in dieser Legislaturperiode Marco Radojevic, Luise Schönemann und Michael Schiefelbein. Das Ergebnis ist gerade deshalb hocherfreulich, weil sich die GOLL-Kandidat_innen dafür entschieden hatten, im Gegensatz zu den anderen Listen auf Wahlkampfaktivitäten zu verzichten, um nicht auch noch die Universität der Logik der Parteipolitik zu unterwerfen.

Die GOLL wird 2015 wie schon im vergangenen Amtsjahr ihre Arbeitsschwerpunkte auf die politischen Bildung, die praktischen Flüchtlingssolidarität und die Bekämpfung des Primats der Ökonomie an der Universität legen. Wir laden jetzt schon alle anderen progressiven Listen dazu ein, gemeinsam an einer emanzipatorischen Bildung, einer politischen Studierendenschaft und dem Erhalt und Ausbau direktdemokratischer Elemente in der Studierendenschaft zu arbeiten. Diese Zusammenarbeit, die in der letzten Legislatur listenübergreifend meist hervorragend funktioniert hat, ist uns ein wichtiges Anliegen.

Kritisch wollen wir an die anderen Listen weitergeben, dass alle gemeinsam daran arbeiten müssen, die Wahlbeteiligung, sie lag bei niedrigen 10,7 Prozent, zu steigern. Nur so kann die Legitimation studentischen Engagements gestärkt werden. Wir glauben, dass sich in unserem Ergebnis auch widerspiegelt, dass Listen, die auf Kooperation statt auf kleinliche parteipolitische Außeinandersetzungen setzen, in der Studierendenschaft stärker nachgefragt werden. Deshalb sollten alle ernsthaft darüber nachdenken, ob man in Zukunft weiter Unmegen an Geld, Zeit und Papier für den Wahlkampf verschwenden will. Die GOLL jedenfalls sieht das außerordentlich gute Ergebnis als Ermutigung, ihre undogmatische links-emanzipatorische Arbeit fortzusetzen.

Marco Radojevic

Arbeitsgerichtsverfahren: Arbeiter will im Lohndumping-Fall sein Recht einklagen

Lohndumping auf Cherisy-Baustelle

Tatort Chérisy: 56 Stunden die Woche malochen für lau?

Prozessauftakt am Arbeitsgericht Radolfzell in Sachen Lohnbetrug auf einer Chérisy-Baustelle: Die Güteverhandlung zwischen Josip Knezevic, vertreten durch Rechtsanwalt Wirlitsch, und der SEN Bau GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Celic, startete mit erheblicher Verspätung und drehte sich erst einmal um eine Kündigung – über Lohndumping wird später verhandelt. Dennoch sorgte die Verhandlung für Brisanz und sogar Unterhaltung.

Wie bereits berichtet, entzünden sich die Streitigkeiten an einem Bauvorhaben im Chérisy-Areal. Die mit der Errichtung eines Wohngebäudes beauftragte Peter Grossbau GmbH hat dort als Generalunternehmer mehrere Subunternehmen mit Teilaufgaben des aufwändigen Gewerks betraut. Zu denen gehört die SEN Bau GmbH. Josip Knezevic, seit noch nicht ganz einem Jahr Mitarbeiter in diesem Unternehmen, und wohl einige weitere Kollegen beschwerten sich, dass Lohnrückstände in beträchtlichen Höhen aufgelaufen waren. Knezevic klagte daraufhin Katarina Frankovic, sprachbegabte Mitarbeiterin des DGB-Projekts „Faire Mobilität“, sein Leid und bekam Hilfe durch die engagierte Unterstützerin ausländischer Arbeitnehmer.

Wer darf die Kündigung aussprechen?

Gegenstand des Prozesses war nicht der Streit um den ausstehenden Lohn, thematisiert wurde erst einmal die Arbeitgeberreaktion: Statt den Mahnungen Knezevics nachzukommen, kündigte die SEN Bau GmbH diesen außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Gestritten wurde jetzt um die Wirksamkeit unter anderem dieser Kündigung. In einem Parallelverfahren, das für den 15.6.2015 um 16.40 Uhr am Arbeitsgericht Radolfzell angesetzt ist, macht der Kläger ausstehenden Lohn seit November 2014 (!) geltend.

Kündigungserklärungen können nicht einfach von jedermann abgegeben werden. Allein kündigungsberechtigte Personen können eine Kündigung aussprechen – eine vermeintlich selbstverständliche Tatsache. Allerdings verkompliziert sich dies, sobald ein Stellvertreter eingeschaltet wird. Im Grundsatz gilt: Für fast jedes Geschäft muss man nicht höchstpersönlich auftreten, sondern kann einen Anderen mit dessen Besorgung beauftragen. Allerdings muss man den Stellvertreter hierzu bevollmächtigen. Bei einseitigen Rechtsgeschäften, wie zum Beispiel der Kündigung, muss der Stellvertreter dem Gegenüber nachweisen – und das mit dem Original der Vollmacht –, dass eine Vollmacht bestand.

Josip Knezevic wurde ohne solch einen Hinweis gekündigt, die Kündigung wurde von Rechtsanwalt Wirlitsch unverzüglich zurückgewiesen und schon sah die Prozessgrundlage der Beklagten SEN Bau GmbH ziemlich schlecht aus.

Wer wusste wann vom ausstehenden Lohn?

Allerdings hatte diese noch eine zweite Kündigung erklärt, sodass sich die Prozessbevollmächtigten und die Vorsitzende über Vergleichsverhandlungen Gedanken machen konnten. Was im Hin und Her der Anwälte nicht zur Sprache kam: Es schien der Beklagten weit und breit an einem Kündigungsgrund zu fehlen. Stattdessen konnte man im Laufe der Erörterungen einen Anlass identifizieren: Knezevic hatte, nachdem er erfolglos Lohn von seiner Arbeitgeberin verlangt hatte, den Mut, die Peter Grossbau GmbH von den ausstehenden Löhnen zu informieren und verlangte seinen Lohn nun vom Generalunternehmer. Dies ist laut Mindestlohngesetz und Arbeitnehmer-Entsendegesetz sein gutes Recht. Für nicht gezahlten (Mindest-)Lohn hat der Generalunternehmer einzustehen.

Hierauf veranlasste die Peter Grossbau GmbH die Auflösung ihrer Geschäftsbeziehung zur SEN Bau GmbH, was dort naturgemäß nicht zum Wohlwollen gegenüber Herrn Knezevic beigetragen haben dürfte. Kurz darauf lag die erste Kündigung auf dem Tisch. Interessanterweise zeigte sich dabei eine Diskrepanz zu den Angaben der Generalunternehmerin gegenüber dem Gemeinderat. Nachdem Holger Reile, Linke Liste Konstanz, bei der Stadtverwaltung angefragt hatte, ob diese oder die beauftragte Bauunternehmerin etwas von den Problemen bei der Lohnzahlung der SEN Bau GmbH wisse, sagte die Peter Grossbau GmbH, von solchen Vorgängen würde sie vollkommen überrascht und hätte bis zur Anfrage des Stadtrats nichts gewusst. Diese Diskrepanz sollte aufgeklärt werden.

Wer bestimmt die Arbeitszeit?

Hier enden die zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalte und Prozessbeobachter geraten in ein Gewirr aus widerstreitenden Vorstellungen vom Arbeitsverhältnis zwischen der SEN Bau GmbH und Josip Knezevic.

Anwalt Celic bestritt für seine Mandantin, dass es mehrere solcher Fälle von unterbliebener Lohnzahlung gegeben habe. Unklar ist auch, wie viele Stunden pro Woche Knezevic arbeiten musste. Der Kläger behauptet, er wäre laut Arbeitsvertrag verpflichtet, 56 Std./Woche zu arbeiten. Die Beklagte trägt vor, sie würde ganz tariftreu maximal 40 Std./Woche fordern können. § 3 des Arbeitszeitgesetzes beschränkt die tägliche Arbeitszeit, mit Ausnahmen, auf maximal acht Stunden, sodass sich eine 6-tägige Arbeitswoche auf maximal 48 Stunden addieren kann. Demgegenüber scheinen im Juli und August 2014 tatsächlich gut 56 Wochenstunden abgerechnet und abgeleistet worden zu sein.

Die Streitfrage verschärft sich dadurch, dass Josip Knezevic keinen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten hat. Trotz mehrmaliger Nachfrage war die Beklagte bis zum Prozesstermin nicht in der Lage, einen schriftlichen Arbeitsvertrag vorzulegen. Strittig ist zwischen den Parteien auch die Höhe der zu zahlenden Vergütung: Knezevic sagt, er wurde auf dem Bau als Vorarbeiter eingesetzt, damit stehen ihm durch Tarifvertrag 14,20 €/Std. zu. Rechtsanwalt Celic meinte, er wäre vielmehr als Hilfsarbeiter tätig gewesen, was mit der niedrigsten Vergütungsstufe des Tarifvertrags von ca. 11 € zu entlohnen wäre.

Wie kam es zum überraschenden Vergleich?

Trotz dieser komplizierten und gerade für die Arbeitgeberin ungemütlichen Ausgangssituation einigten sich die Parteien auf einen Vergleich. Kläger Knezevic soll einen halben Monatslohn als Abfindung erhalten und das Arbeitsverhältnis zum 31.5. geendet haben. Da ja schon die Höhe des Monatslohns in Streit stand, konnte man nicht einfach einen Fixbetrag halbieren, sondern traf sich in der Mitte, was im Ergebnis 1600 € brutto bedeutet. Doch selbst diesen Betrag wollte Rechtsvertreter Celic nicht ohne Rücksprache mit seiner Mandantschaft vereinbaren, und so wurde der Vergleich unter Widerrufsvorbehalt gestellt. Sollte eine der beiden Seiten innerhalb von zwei Wochen schriftlich Widerruf beim Arbeitsgericht einlegen, trifft man sich am 21.7.2015, 12.00 Uhr zum Kammertermin.

Wenn man eine Prognose wagen darf…

Im streitigen Termin hätte die Beklagte SEN Bau GmbH wohl kaum eine Chance, siegreich aus dem Prozess hervorzugehen. Der abgeschlossene Vergleich ist wohl das Höchste, was aus solch einer verfahrenen Lage herauszuholen ist. Seit einigen Tagen bestünde Annahmeverzug, wäre die Kündigung wirksam, sodass rückwirkend einige tausend Euro an Lohnansprüchen auflaufen würden, ohne dass Josip Knezevic hätte dafür arbeiten müssen.

Für den Rechtsstreit in Sachen Lohnanspruch lässt sich festhalten: Der gesamte Prozess steht auf tönernen Füßen. Es scheint kaum eine Grundlage für eine gütliche Einigung zu geben, schließlich drohen im Hintergrund viele andere Kollegen und deren kommende Prozesse. Das gestrige Verfahren war nur der erste Streich: Wir freuen uns auf den Termin am 15.6.2015 um 16.40 Uhr und werden erneut berichten.

Simon Pschorr

Villingen: Rassisten wollen wieder marschieren

Die Grenzen verlaufen zwischen oben und untenFremdenfeindliche Kräfte verschiedenster Couleur aus der weiteren Region lassen nicht locker. Erneut hat die Rassistenvereinigung, die sich “Pegida Dreiländereck” nennt, für den 14. Juni einen Aufmarsch in Villingen angekündigt. Vor Ort rufen Antifaschist_innen wieder zur Gegenwehr auf. Die jüngsten Geschehnisse in Konstanz und Radolfzell, wo Unterstützer der Neonazi-Partei “Der dritte Weg” unter anderem Hetzpamphlete gegen Flüchtlinge in Briefkästen steckten und den 8. Mai zur Verherrlichung des Nationalsozialismus nutzen wollten, zeigen: höchste Wachsamkeit gegen die Versuche des braunen Sumpfs, sich in der Region zu etablieren, ist geboten. Wir dokumentieren den Aufruf des Offenes Antifaschistisches Treffens Villingen-Schwenningen zu Gegenaktionen am kommenden Sonntag.

Am Sonntag, den 14. Juni, will „Pegida Dreiländereck“ wieder in Villingen aufmarschieren. Dieses Mal kündigen sie allerdings anders als bisher eine Demonstration an.

In den vergangenen Wochen wurde nochmal besonders deutlich, wovor antifaschistische Kräfte schon seit Beginn der Pegida-Aufmärsche gewarnt hatten: Durch Pegida vernetzen sich nun rechte Kräfte in der Region. So hat sich am 14. Mai auf Facebook eine Gruppierung Namens „Freikorps Villingen Bodensee“ gegründet, die auch prompt am Pfingstsonntag in der Villinger Innenstadt einen Aufmarsch mit knapp 15 Personen organisierte. Mitglied dieser neuen Kameradschaft ist neben mehreren anderen Faschisten auch Tim Belz, Vorsitzender des Kreisverbands Konstanz-Bodensee der Nazipartei NPD.

Gerade deshalb ist es wichtig, den Rechten entgegenzutreten. Am 14. Juni will Pegida durch die Innenstadt marschieren und nicht mehr nur auf dem Münsterplatz ihren, von weit her angereisten, Hetzern lauschen. Mit diesem Konzept konnten sie zuletzt nur mit Promis wie Lutz Bachmann und Michael Stürzenberger die Teilnehmerzahlen halten. Wenn ihnen eine Demonstration durch die Villinger Innenstadt gelingt, gibt das den rassistischen und faschistischen Kräften in der Region Aufwind.

Darum gilt es gerade jetzt, sich den Faschisten und Rassisten entgegenzustellen und ihren Aufmarsch zu blockieren. Ob mit Sitzblockaden, Demonstrationen und anderen kreativen Aktionen – lasst uns verhindern, das Pegida am 14. Juni mit rechten Hetzparolen durch die Villinger Altstadt ziehen kann!

Anlaufpunkte für Gegenproteste am 14. Juni, jeweils ab 14:30 Uhr:
– Latschariplatz (Stadtmitte)
– Rietstraße (Höhe Franziskanermuseum)

Offenes Antifaschistisches Treffen Villingen-Schwenningen

Treffen jeden ersten Mittwoch im Monat ab 19 Uhr im Linken Zentrum Mathilde Müller (Jahnstr. 47/1, Schwenningen, Eingang Karlstr.)

www.antifatreffenvs.wordpress.com

Bankenrettung schiebt Kollaps nur hinaus

Die große Entwertung

Trenkle ist Co-Autor des 2012 im Unrast-Verlag erschienen Buchs.

Am Anfang eine gewagte These: Bankenrettung und die Wiederversorgung der internationalen Geldinstitute mit frischem, staatlichem Geld war die einzige Möglichkeit, einen Totalkollaps des Weltwirtschaftssystems aufzuschieben. Nur die Finanzwirtschaft hält das kapitalistische Wirtschaften überhaupt noch in Gang. Mit dieser Eingangsthese eröffnete Norbert Trenkle, Publizist und Mitglied des KRISIS-Kollektivs (http://www.krisis.org/), seinen Vortrag an der Universität, der im Rahmen der AStA-Ringvorlesung „Die Politik in der Krise“ (weitere Veranstaltungen hier) stattfand. Trenkle untermauerte diese These durch eine umfassende und schonungslose Analyse der herrschenden Dogmen sowohl der Politik als auch der Wirtschaftswissenschaften.

Kapitalismus als Arbeitsgesellschaft

Ausgehend von den Grundlagen der kapitalistischen Warenproduktion zeigte derer linke Ökonom auf, wie alle Wertschöpfung durch Arbeit entsteht. Arbeit generiert eine Ware, die jedoch einen von ihrem Gebrauchswert abstrakten, gesellschaftlich konstruierten (ökonomischen) Wert erhält – üblicherweise als Preis bezeichnet. Der entscheidende Faktor, um das eigene Ausgangsvermögen – das Kapital – bestmöglichst zu verwerten, ist die Arbeit, die im Kapitalismus ebenfalls als Ware gekauft und vernutzt wird. Unter dem Druck der Konkurrenz müssen deshalb immer mehr Waren von immer weniger Arbeitskräften produziert werden, um eine größtmögliche Verwertung des eingesetzen Kapitals zu erreichen.

Der Kapitalismus sieht sich also andauernd der Notwendigkeit ausgesetzt, entweder Arbeitskraft einzusparen oder die Warenmenge, beziehungsweise die Absatzmärkte, auszudehnen. Die klassische Wirtschaftswissenschaft nennt dies Erschließung neuer Märkte.

Ein historischer Schritt zu weit

Norbert Trenkle behauptet: Trotz all der bisherigen Krisen hat es der Kapitalismus bis in die 1970er Jahre hinein geschafft, sich durch immer größere Ausdehnung der realen Produktion und die Erfindung immer neuer, scheinbar notwendiger Konsumgüter am Leben zu erhalten.

In den 70ern jedoch verändern sich die Grundvoraussetzungen der Produktion schlagartig. Mit der sog. dritten industriellen Revolution wurden plötzlich zu viele Arbeitskräfte freigesetzt. Die Arbeit wird nun von Maschinen und datenverarbeitenden Systemen erbracht. Wachstum ist nun auch ohne menschliche Arbeit möglich. Dabei verliert die vertriebene Ware auch eine ihrer Kernfunktionen, nämlich die integrative Rolle, die sie für die Kommunikation und die Beziehungen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern spielt. Gleichzeitig stellt sich eine Saturierung der Absatzmärkte ein. Wer keine Arbeit hat, kann auch nichts konsumieren. Realwachstum wird plötzlich unmöglich. Norbert Trenkle formuliert es so: Der Kapitalismus wurde zu reich für sich selbst.

Placebo

Ein neues Placebo, ein neues Wachstum musste her, sonst würde der Kapitalismus an seinem eigenen Dogma scheitern: Wertschöpfung um der (Mehr)wertschöpfung willen. Dieses neue Placebo findet die globale Wirtschaft im Finanzsektor. Dort wird fiktives Kapital generiert. Mit diesem Begriff sind Werte gemeint, die nicht mehr mit bereits geleisteter Arbeit und damit mit einem real fassbaren Produkt der Arbeit zusammenhängen. Fiktives Kapital ist vielmehr die Erwartung, dass in Zukunft Arbeit erbracht und damit ein Wert geschöpft wird. Es lebt vom Vertrauen der Investoren auf die Wertigkeit und Prosperität des Unternehmens oder des Produkts, auf dem es basiert. Eine Aktie der Firma VW beispielsweise ist konzentriertes Vertrauen in zukünftiges Wachstum, d.h. zukünftige Realproduktion dieses Unternehmens.

Indem die Verkörperung dieses Vertrauens, im vorliegenden Beispiel das Wertpapier Aktie, handelbar wird, löst es sich von seinem Ausgangswert, also dem Unternehmen, und wird selbst zu einem Wert. Die Verkörperung bekommt einen Preis, der steigen, sinken stagnieren kann – und damit selbst wieder neues Kapital, also neues Wachstum generiert.

Die Krisengesellschaft ab den 1970er Jahren, so Trenkle, lebt von der fortwährenden künstlichen Schöpfung solchen Kapitals.

Grundlage: Vertrauen

Ein Einwand liegt da offensichtlich auf der Hand: Woher kommt dieses irrationale Vertrauen in zukünftige Prosperität? Wie kann jemand ernsthaft glauben, dass ein Unternehmer das zehn- oder mehrfache seines tatsächlichen Wertes jemals realisieren kann? Norbert Trenkle meint, zur Aufrechterhaltung dieses Vertrauens müsse es Anknüpfungspunkte in der Realität geben, die die berechtigte Erwartung auf gute Zeiten weckt. Um den Jahrtausendwechsel sei dies die Hoffnung auf neue Technologien wie die Bio-Chemie oder die Dotcom-Industrie gewesen. Danach hat man verstärkt auf Immobilienwerte gesetzt. Heute sind die meisten dieser Hoffnungsschimmer als irrationale Illusionen entlarvt.

Stattdessen treten vermehrt Staaten als Garanten absoluter Sicherheit ein. Diese schienen zumindest bisher als über jeden Zweifel erhaben und jedenfalls immer solvent, wenn’s hart auf hart kommt. Gleichzeitig sind die Staaten fundamental auf das Fortbestehen der Finanzwirtschaft angewiesen: Ohne die andauernde Generierung künstlichen Kapitals würde das gesamte Wirtschaftssystem zusammenbrechen, was verheerende soziale Folgen nach sich zöge. Es entsteht ein systemimmanenter Zwang, Banken zu retten und faule Kredite auf Kosten der Steuerzahler aufzukaufen.

Spätestens seit Argentinien und Griechenland steht fest: Auch Staaten bieten keine absolute Sicherheit. Diese müssen ihre Glaubwürdigkeit ab sofort durch Sparen, Sparen, Sparen nachweisen. Wissenschaftliche Grundlage: 0; Wirtschaftliche Zukunftschancen: 0; Systemerhaltung: Ausreichend, um die Krise zeitweise zu vertagen. Von diesem System profitieren einige wenige Nationen (vornehmlich Deutschland und China), deren Volkswirtschaften selbst noch im großen Stil Warenproduktion leisten und die damit als Geldgeber für die Finanzmärkte auftreten können. Doch auch diese rosige Perspektive hat nur eine kurze Zukunft. Bricht einmal das Vertrauen endgültig zusammen, wird das globale Weltwirtschaftssystem in sich zusammenstürzen, ist Norbert Trenkle überzeugt.

Statt des Systems: Ein neues Gesellschaftskonzept

Diese Logik ist zwingend, solange sich keine Alternative zum kapitalistischen Wirtschaftssystem durchgesetzt hat. Erst wenn wir gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht mehr nach den Gesetzen von Leistung und Gegenleistung, Kauf und Verkauf, also nach den Gesetzen des Marktes organisieren, werden diese Sachzwänge entfallen. Eine neue Gesellschaftsform der Solidarität, in der nach Notwendigkeit produziert wird, nicht nach maximaler Profitgenerierung, ist dafür allerdings Voraussetzung. Und dazu müsste niemand kürzer treten: Wir verfügen über genügend Arbeitskraft und Ressourcen, um für alle Wohlstand zu schaffen. Allein: Der Wunsch, mehr zu haben, als die anderen; das Bedürfnis nach dem Immer-Mehr, muss auf dem Altar der Zukunft geopfert werden.

Simon Pschorr