Author Archives: Linke Liste

Black Lives Matter: Großkundgebung gegen Rassismus

Weit mehr als 1000 Menschen protestierten am Samstag in Konstanz gegen Rassismus. Anlass der eindrucksvollen Kundgebung auf dem Münsterplatz war die Ermordung des Schwarzen US-Bürgers George Floyd durch einen Polizisten. Rednerinnen, bis auf wenige Ausnahmen nichtweiße Menschen, machten an vielen Beispielen deutlich, dass es sich mitnichten um ein auf die USA beschränktes Phänomen handelt. Weiterlesen

Keine weiteren Zugeständnisse beim Bau des Luxushotels im Büdingenpark

Luigi Pantisano kritisiert die erneuten Änderungen der Bauplaung des 150 Meter langen Nobelhotels auf dem Gelände des Büdingenparks. Der OB-Kandidat, von Beruf Stadtplaner und Architekt, verlangt eine Kurskorrektur: Anders als bisher solle der Gemeinderat und die Bürgerschaft, allen voran der Verein Bürgerpark Büdingen, in die weiteren Entscheidungen einbezogen werden.

„Es ist an der Zeit von Seiten der Stadt Konstanz dem Investor ein deutliches STOP-Zeichen zu setzen“, betont Pantisano und erklärt weiter: „Die Fehler der Vergangenheit können leider nicht mehr rückgängig gemacht werden. Beispielsweise wurde die Chance vertan, das Areal durch die Stadt zu erwerben. Auch wurden dem Investor unnötig weitgehende Zugeständnisse bei seinen Planungen gemacht. Es ist dringend geboten, dass die Stadtverwaltung – konkret das Baurechtsamt – alle rechtlichen Spielräume ausschöpft, um weitere Schäden für das Klima und die Allgemeinheit abzuwenden.

Beim Bau des überdimensionierten Gebäudekomplexes darf es keinesfalls zu neuerlichen Grenzüberschreitungen kommen: keine weitere Versieglung von Flächen, keine weitere Fällung von Bäumen, und der bereits auf ein Minimum beschränkte Zugang für die Stadt-Öffentlichkeit darf keinen Meter verringert werden.

Die Planungen basieren auf Vorstellungen aus dem letzten Jahrhundert, in der Bürgerbeteiligung und klimaverträgliches Bauen kaum eine Rolle spielten. Mit mir als Oberbürgermeister wird es solche über die Köpfe der Bürgerschaft hinweg von Investoren diktierte Planungen nicht mehr geben. Im Gegenteil – ich werde als Spitze der Stadtverwaltung eine aktive Stadtentwicklungspolitik betreiben, die alle Möglichkeiten ausschöpft, die Bürger*innen an der Planung und Entscheidungsfindung teilhaben zu lassen. Ausschlaggebend bei der Erstellung von Bebauungsplänen sind dabei für mich stets die sozialen, ökologischen und kulturellen Belange der Menschen in unserer Stadt.

Mein Respekt gilt den Aktiven des Vereins Bürgerpark Büdingen, die sich seit vielen Jahren für den Erhalt dieses wichtigen Areals einsetzen. Ihr Engagement zeigt: Bürgerbeteiligung nützt dieser Stadt und macht die Verwaltung besser.“

MM/jüg (Foto: Christoph Musiol)

Linke Liste fordert Schutzschirm für Kommunen

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Corona-Krise die Kommunen empfindlich treffen wird. Die Konstanzer Verwaltung beziffert in ersten Schätzungen die Einbußen im Haushalt auf 30 bis 50 Millionen Euro, das wären 10 Prozent des Jahresetats plus X. Sowohl für den laufenden Betrieb als auch bei den Investitionen drohen damit schmerzhafte Einschnitte.Die Linke Liste Konstanz macht sich deshalb für einen kommunalen Schutzschirm stark.

Die Städte und Gemeinden treffen die finanziellen Auswirkungen der Krise mit besonderer Wucht, weil sie den Löwenanteil der öffentlichen Daseinsvorsorge stemmen, etwa mit Kitas oder dem öffentlichen Nahverkehr. Schon in “normalen” Zeiten ächzen viele unter den finanziellen Belastungen, weil Land und Bund die nötigen Mittel oft zu knapp bemessen. Für die Bewältigung der jetzigen Krise sind sie deshalb keinesfalls ausreichend gerüstet.

Nötig ist ein finanzieller Schutzschirm für die Kommunen, wie ihn unter anderem der Landkreis- und Gemeindetag von der Landesregierung fordert. Die Corona-Maßnahmen treffen arme Menschen stärker als Reiche. Deshalb engagieren wir uns jetzt besonders für die Aufrechterhaltung und Verbesserung der sozialen Infrastruktur. So muss etwa auf die Sperrung von Strom, Gas und Wasser verzichtet werden, Mieterhöhungen und Räumungsklagen bei kommunalen Wohnungen darf es nicht geben.

Jürgen Geiger (Bild: Esther Merbt auf Pixabay)

Massenunterkünfte auflösen, Geflüchtete dezentral unterbringen

Der Verein „83 Konstanz integriert“ hat sich Verdienste bei der Unterbringung von Geflüchteten erworben. Trotz Wohnungsnot ist es den Aktiven gelungen, 165 Menschen ein Dach über dem Kopf zu vermitteln, die das aus eigener Kraft nur schwer geschafft hätten. Im Gemeinderat ging es jetzt um die Verlängerung des städtischen Zuschusses an den Verein, dessen Aufgaben wichtiger denn je sind. Der Unterstützung der Linken Liste konnte sich die Initiative gewiss sein. LLK-Stadträtin Anke Schwede nutzte ihren Redebeitrag für Kritik am Umgang der Stadtverwaltung mit den Geflüchteten, von denen viele immer noch in Sammelunterkünften hausen müssen, brandgefährlich gerade in Corona-Zeiten. Gegen Viren helfen keine Zäune, sagte Schwede, die Schutzsuchenden müssten endlich dezentral untergebracht werden. Hier ihr Beitrag (es gilt das gesprochene Wort).

Herr Oberbürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen,

auch wir stimmen voller Überzeugung dem Antrag von „Konstanz integriert“ über insgesamt 48.500 Euro für Personal- und Sachkosten zu. Der Verein hat eindrucksvoll bewiesen, welche Erfolge erzielt werden können, wenn man sich mit großem Engagement für eine bedeutende Sache einsetzt. Die ursprüngliche Zielvorgabe von 83 Wohnmöglichkeiten für anerkannte Geflüchtete ist quasi verdoppelt worden, rund 165 Personen wurden in Privatwohnungen vermittelt. Angesichts dieser Zahlen könnte man auch mit Victor Hugo sagen: „Nichts auf der Welt ist so kraftvoll wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“.

Dies sage ich auch im Hinblick auf die beiden Massen-Unterkünfte Steinstraße und Luisenstraße und die dortigen mehr als ungenügenden Zustände, nicht nur zu Zeiten von Covid-19. Denn Sammelunterkünfte haben ein strukturelles Problem: Die Menschen in den Unterkünften dort sind unzulänglich geschützt gegen Infektionskrankheiten, aktuell natürlich gegen das Corona-Virus – da helfen auch Zäune wenig. Viele leben auf engstem Raum, es ist meistens nicht möglich, genügend Abstand zu halten. Die sinnvollste Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist die dezentrale Unterbringung der Bewohnerinnen und Bewohner. So hat zum Beispiel das Verwaltungsgericht Leipzig einer Klage eines Asylbewerbers stattgegeben, die Einrichtung verlassen zu dürfen, da die Abstandsregeln nicht eingehalten werden konnten.

Auch wir, die Stadt Konstanz, sollten weiterhin die größten Anstrengungen unternehmen, diese sicherere und natürlich auch grundsätzlich menschenwürdigere Unterbringungsform konsequent umzusetzen. Die Linke Liste hat immer, wie andere Fraktionen auch, die wichtigen Entscheidungen zur Anschlussunterbringung in Konstanz mitgetragen. Insbesondere die 2016 beschlossenen, dezentralen Projekte Egg, Zergle, im Paradies, Allmannsdorf, Dingelsdorf und nicht zuletzt Litzelstetten. Die damalige Landesförderung ist zwar leider ausgelaufen und manche Projekte sind anders umgesetzt worden, auch mit der Unterbringung ehemaliger Geflüchteter, aber leider reicht das nicht aus.

Daher muss unserer Meinung nach alles getan werden, um eine dezentrale, qualitätsvolle Unterbringung und einen guten Integrations-Start für die Konstanzer Neubürgerinnen und Neubürger zu konkret umzusetzen.

Linke fordern Soforthilfe für die kommunale Demokratie

Die LINKE Konstanz übt Kritik am Krisenmanagement von Innenminister Thomas Strobl (CDU). Der Landesregierung sei es innerhalb kürzester Zeit gelungen, Soforthilfemaßnahmen für die Wirtschaft auf den Weg zu bringen, die kommunale Demokratie trete jedoch auf der Stelle, heißt es in einer Mitteilung des Konstanzer Kreisverbands. Aufgrund vieler ausfallenden Sitzungen von Kreistagen und Gemeinderäten, regieren BürgermeisterInnen und LandrätInnen derzeit mehr oder weniger allein. Für virtuelle Sitzungen der Kommunalparlamente fehlt derzeit noch die Rechtsgrundlage. Auf diese warten die KommunalpolitikerInnen trotz Zusicherung von Innenminister Strobl weiterhin. Weiterlesen

Linke Liste fordert Auflösung von Sammelunterkünften

Klare Kante zeigt die Linke Liste in der Diskussion um die umstrittene Absperrung des Atriums über Ostern. Die Ratslinken werfen den Verantwortlichen vor, beim Corona-Schutz mit zweierlei Maß zu messen und fordern, die Massenunterkünfte, in denen viele Geflüchtete eingepfercht sind, endlich aufzulösen – nicht nur der von ihnen ausgehenden Infektionsgefahr wegen. Die Medienmitteilung dazu im Wortlaut.

Die Linke Liste Konstanz (LLK) begrüßt, dass die am Karfreitag von der Verwaltung angeordnete Abriegelung der Anschlussunterkunft Atrium in der Luisenstraße am Dienstag wieder aufgehoben wurde. Denn die durch die Corona-Pandemie nötigen besonderen Schutzmaßnahmen rechtfertigten unserer Überzeugung nach nicht, fast hundert Menschen ihrer Freiheit zu berauben, selbst wenn sich einzelne BewohnerInnen uneinsichtig zeigten. Für Verstöße gegen die Corona-Rechtsverordnung sollten die VerursacherInnen zur Rechenschaft gezogen werden, nicht die Gemeinschaft.

Die Abriegelung hat zudem den Eindruck entstehen lassen, dass die Verwaltung mit zweierlei Maß misst. Denn auch in Pflegeheimen, Krankenhäusern und vergleichbaren Einrichtungen wird bedauerlicherweise das Kontaktverbot nicht immer eingehalten. Internierungsmaßnahmen haben die Verantwortlichen deswegen nicht veranlasst, unserer Meinung nach zu Recht. Solche Zurückhaltung scheint im Rathaus indes nicht für Menschen zu gelten, die – Schutz vor Krieg, Gewalt und Elend suchend – teils seit Jahren unter einer reichen Stadt unwürdigen Bedingungen in Massenunterkünften wie dem Atrium leben müssen.

Die Verwaltung hat die Absperrung mit dem Gesundheitsschutz der Konstanzer Bevölkerung begründet. Wer es damit ernst meint, muss endlich darangehen, Unterkünfte wie das Atrium aufzulösen und seine BewohnerInnen dezentral unterzubringen. Denn in den Sammelunterkünften für Geflüchtete gibt es keinen Platz, um sich aus dem Weg zu gehen. In der Regel müssen sich mehrere Menschen ein Zimmer teilen, Küchen, Bäder und Toiletten werden gemeinschaftlich genutzt. Ein wirklicher Infektionsschutz ist so nicht möglich. Das dürfen wir nicht hinnehmen, denn auch Geflüchtete gehören zur Konstanzer Bevölkerung und müssen die Möglichkeit haben, sich schützen zu können. Nur so können auch potenzielle Infektionsketten unterbrochen werden, die von solchen Unterkünften ausgehen.

Die LLK fordert seit langem die Auflösung der Massenunterkünfte, denn diese Einrichtungen sind – unabhängig von Corona – menschenunwürdig. Auch wir wissen, dass dies angesichts herrschender Wohnungsknappheit keine leichte Aufgabe ist. Die Stadt muss sich allerdings vorwerfen lassen, sich ihr viel zu zögerlich angenommen zu haben. Spätestens jetzt aber ist Handeln unumgänglich, denn auch Geflüchtete haben ein Recht auf Schutz vor Corona. Ein erster Schritt könnte sein, die Menschen in leerstehenden Hotelzimmern und Ferienwohnungen unterzubringen. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.

Linke Liste Konstanz (LLK)

MM/red

Gedanken zu Rassismus-Vorwürfen: Was ich schon immer über IntegraNAtion wissen wollte

Liebe Konstanzer*innen, kennen Sie die „Konstanzer Erklärung FÜR eine Kultur der Anerkennung und – GEGEN Rassismus?“ (Link) Falls nicht, ist das durchaus verständlich. Sie wurde schon 2012 vom damaligen Oberbürgermeister und Gemeinderat unterzeichnet und wird seither nur selten erwähnt, obwohl sie durchaus Potential hat, für einen angemessenen Umgang mit Diskriminierung und Rassismus zu sensibilisieren.

Sie beginnt mit folgender Vision:

„Konstanz versteht sich als weltoffene, liberale Stadt, die sich für Chancengleichheit aller Menschen, die in ihr leben, einsetzt. Unabhängig von nationaler, kultureller und ethnischer Zugehörigkeit aber auch unabhängig von Alter, Geschlecht, Weltanschauung und Lebensstil sollen Menschen in Konstanz gleiche Chancen in der Gesellschaft haben. Wir sind uns bewusst, dass es auch in Konstanz Rassismus gibt und wollen daran arbeiten, ihm überall entgegen zu treten. Wir setzen uns dafür ein, dass in unseren Institutionen eine Kultur der Anerkennung gepflegt wird.“

Konstanz könnte stolz sein auf diese Erklärung. Um ihr aber eine zivilgesellschaftliche Bedeutung bei zu messen, sollten zumindest städtische Verantwortungsträger*innen

  1. sich positiv zu ihr bekennen,
  2. auch fachlich in der Lage sein, verschiedene Formen von Rassismus und rassifizierenden Handlungen und Aussagen zu erkennen und benennen zu können und
  3. in der Lage sein, souverän und politisch verantwortlich mit Rassismus-Vorwürfen umgehen zu können.

Punkt 2. und 3. sind diskussionswürdig in Bezug auf die mehrtägige Einzäunung der unter Quarantäne stehenden Anschlussunterkunft Atrium – eine der Konstanzer Erklärung unwürdige Maßnahme.

Den klassischen Stöhner*innen à la „nicht schon wieder diese Rassismuskeulen“ empfehle ich hier aufzuhören, diesen Text zu lesen.

Den Krisenmanager*innen der Kommune gebührt unbestritten Respekt für ihre aktuelle Arbeit. Dennoch war die Einzäunung von Menschen ein gravierender Fehler und in der Tat ein Vorgang, bei dem man über behördlichen Rassismus nachdenken muss. Zumal er, bedauerlicher Weise, wie jetzt in Radolfzell, Nachahmung findet.

Warum ist das bisher ausschließliche Einzäunen von geflüchteten Menschen in Quarantäne rassistisch?

  1. Einer Gruppe von Menschen werden Merkmale zugeschrieben, die sie als problematisch unterschiedlich/anders markieren.
  2. Es wird der Anschein erweckt, dieses Anders-Sein läge in ihrer „Natur“ oder „Kultur.“
  3. Dadurch sei eine ausschließende Sonderbehandlung dieser Menschen legitimiert.
  4. Diese Gruppe von Menschen wird im Verhältnis zum Rest der Gesellschaft abwertend positioniert (vgl. Maureen Maisha Eggers).
  5. Mündet eine öffentliche Legitimierung von Rassismus in seiner Institutionalisierung.

Rassismus aufgrund von rassifizierenden Zuschreibungen und Sonderbehandlungen

Objektiv betrachtet, haben die Bewohner*innen im Atrium als Gruppe ein gemeinsames Merkmal: sie haben eine Flucht hinter sich. Daraus ergibt sich ihr sozialer Status und damit einhergehende Erschwernisse bzw. Nachteile in unserer Gesellschaft, wie die schlechten Wohnbedingungen. Weswegen sie auch eine zentrale Zielgruppe integrativer Maßnahmen sind, die ihnen ein Ankommen in dieser Gesellschaft ermöglichen sollten. Aus ihrem gemeinsamen Merkmal ergeben sich keine gemeinsamen, ihnen innewohnenden Charakter- oder Mentalitätseigenschaften, die Ihnen zugeschrieben werden könnten – das wäre rassistisch, ausgrenzend und desintegrativ.

Die Stadt Konstanz schreibt am Ostersonntag: „(…) Die Gefahr, dass die Dynamik sonst nicht unter Kontrolle behalten werden kann, erscheint als sehr hoch (…).“ „Die Situation sei zunächst unübersichtlich gewesen,“ ergänzt der Landrat in einem Artikel des Südkuriers vom 15.04. Beide Aussagen sind keine Erklärungen. Vielmehr bieten sie Spielraum für Verdächtigungen, Spekulationen und Ressentiments über die Bewohner*innen. In der Pressemitteilung der Stadt vom 14.04. heißt es dann, es sei ein „reger Besuchsverkehr“ vernommen worden und es sei beobachtet worden, dass Besucher über die Balkone eingestiegen seien. Selbiges hätte auch das Landratsamt in anderen Gemeinschaftsunterkünften schon beobachtet.

Die Expert*innen konnten also aufgrund von Beobachtungen, bei den Bewohner*innen, sogar von verschiedenen Gemeinschaftsunterkünften, ein gemeinsames, abweichendes Verhalten feststellen: sie empfangen Besucher*innen und dies sei aufgrund des Besitzes von Balkonen nicht kontrollierbar. Gerne hätte ich die Expert*innen beim Beobachten der Balkone beobachtet. Außerdem erfahren wir aus dem Südkurierartikel, dass sie ihre Gemeinschaftsküche nicht sauber hielten, weswegen diese nachts verschlossen werden müsste. Auch diese Information erklärt die einzäunende Sonderbehandlung nicht. Sie zeugt aber von unreflektiertem Journalismus und ganz nebenbei von desaströsen Wohnbedingungen. Sollte es nicht eine Schande sein, dass Menschen nachts der Zugang zu ihrer Küche verwehrt wird?

Warum wurden keine weiteren Einrichtungen, die ebenfalls unter Quarantäne stehen, unter polizeilicher Aufsicht eingezäunt, fragen sich manche – vielleicht haben die keine unkontrollierbaren Balkone? Oder sie haben Balkone, werden aber nicht von Expert*innen beobachtet?  Soweit die zu Grunde liegenden Fakten, mit großem Mut zur Lücke, die diese Sonderbehandlung der unter Quarantäne Stehenden legitimieren sollen.

Rassismus und Verleugnung

In der rassismuskritischen Forschung spricht man von typischen, meist unbewussten, Abwehrmechanismen der Rassismus ausübenden Personen, wenn sie denn auf ihre Rassismen aufmerksam gemacht wird, dazu gehört die Verleugnung, wie auch die wütende Reaktion (vgl. Paul Gilroy).

Der Bürgermeister für Soziales legt in einem Statement zu den Rassismus-Vorwürfen, noch ein paar kritische Schippen drauf. Nach dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung, schreibt er: „Der Rassismus-Vorwurf ist abwegig und geht an der Sache völlig vorbei.“ Eine Erklärung für die Sondermaßnahme folgt indes nicht. Wir erfahren auch nicht, warum das Einzäunen nicht rassistisch sein soll. Wir erfahren nicht einmal, dass die Stadt nicht die Absicht hatte, rassistisch zu handeln, was durchaus glaubwürdig wäre. Dann, ein Schelm, wer das für diplomatisch hält, dreht er den Spieß um und unterstellt der Konstanzer Seebrücke, ihr offener Brief würde städtische Kolleg*innen und Helfer*innen „verletzen“. Vielleicht hat er nicht gemerkt, dass der Brief an die Verantwortlichen der Stadt gerichtet wurde. Vielleicht hat er auch nicht gemerkt, dass die Verantwortlichen, die Verantwortung für ihre Entscheidungen tragen und keine Kolleg*innen und Helfer*innen den Zaun zu verantworten haben.

Wir erfahren über alle Kanäle von verschiedenen Akteuren, dass diese Akutmaßnahme absolut wichtig und richtig gewesen sei – aber niemand der Herren war bisher in der Lage, zwei vernünftige Argumente für den Zaun, in diesem Kontext, zu dieser Zeit, zu benennen. Wir erfahren auch nicht, warum es der Stadt bisher nicht möglich war, genau diese Gruppe von Menschen, die aufgrund der menschenunwürdigen Unterbringung im Atrium, eine von der Corona-Gefahr besonders betroffene Gruppe ist, anderweitig unterzubringen – mit oder ohne Balkon.

Die Herren haben aktuell einen definitiv schweren Job. Doch besonders in Zeiten von Corona, von Fake News, von Populismus und erstarkendem Rassismus ist es absolut verantwortungslos, Maßnahmen zu entwickeln für bestimmte Gruppen von Menschen, die auf keinerlei Fakten beruhen. Insbesondere für Menschen, die unserer Gesellschaft, mit und ohne Corona, von besonderen Ausgrenzungen gefährdet sind.

Mit „Gemeinsam können wir viel erreichen“ endet die Konstanzer Erklärung optimistisch und könnte vielleicht, würde mann sie entdecken und wertschätzen, einen konstruktiven Beitrag zur Integration leisten.

Abla Chaya (Foto: Konstanzer Seebrücke)

Die Pandemie und die Folgen – Konstanzer Linke diskutierte digital

Am Dienstagabend versammelten sich Mitglieder aus dem Kreisverband Konstanz zum ersten Mal digital, um sich über das Thema “Die LINKE und Corona – Schlussfolgerungen aus der Krise“ auszutauschen. An der anderthalbstündigen Diskussion nahm knapp ein Dutzend Genossinnen und Genossen teil.

Zunächst hielt Kreisvorstandsmitglied Mara Loos fest, welche maroden Stellen des Systems in diesen Zeiten sichtbarer sind als zuvor. Schaut man sich beispielsweise das Pflege- und Gesundheitssystem an, fällt das Ergebnis jahrelangen Sparens ins Auge: Fehlende Reserven. Weder bei Atemschutzmasken, Beatmungsgeräten, Desinfektionsmittel noch bei Betten oder beim Personal. Daher ist es in diesem Bereich wichtig, nicht nur irgendwie durch die Krise zu kommen, sondern den Einstieg in ein langfristig krisenfestes Gesundheitssystem einzuleiten. Für uns kommt es deshalb besonders darauf an, die Pflege wieder in öffentliche Hand zu bringen, um deren Krisenresistenz und Gemeinwohlorientierung sicherstellen zu können.

Aber auch die Lage der Beschäftigten in allen anderen Branchen und die großen Unterschiede zwischen den Lebensverhältnissen wurden bei unserer Betrachtung der schwierigen Bereiche genannt. Aktuell zeigt sich hier besonders deutlich, wie schlechte Bezahlung und fehlende Rücklagemöglichkeiten dazu führen können, dass es diesen Menschen in Krisenzeiten noch schlimmer geht.

In einem zweiten Schritt haben wir uns angeschaut, welche gesellschaftlichen Veränderungen durch die Krise zustande gekommen sind. Wie etwa die Grundrechte eingeschränkt werden und wie weit dabei im Namen des Gesundheitsschutzes gegangen werden darf. Aber auch was die Veränderungen in und für unsere Politik bedeuten. Was gerechtfertigt ist und wo Grenzen zu ziehen sind, darüber entspann sich eine lebhafte Diskussion.

Einige sind wir uns aber darin: Diese Krise darf nicht weiter zum Verhängnis für all diejenigen werden, die es auch davor schon schwerer hatten. Diese Menschen müssen besonders geschützt und abgesichert werden. Und auf europäischer Ebene ist es ausschlaggebend, zu einem „Zusammen“ und einem solidarischen Mit- und Füreinander zurückzukommen. Denn nur so können wir diese Situation gut überstehen.

ml

Gemeinschaftsunterkunft Atrium: Zaun entfernt, Quarantäne aufgehoben. Alles gut?

Ende einer dreitägigen Lagerhaft: Am Dienstagvormittag bauten Mitarbeiter der städtischen Technischen Betriebe den Zaun um die Massenunterkunft Atrium wieder ab. Die Stadtverwaltung hatte die Abriegelung verfügt, nachdem ein Bewohner positiv auf Covid-19 getestet worden war. Sie verteidigt die vielkritisierte Maßnahme als „dringend geboten“, der zuständige Sozialbürgermeister Andreas Osner weist die unter anderem von der Konstanzer Seebrücke erhobenen Rassismusvorwürfe als „abwegig“ zurück. Der Stand der Dinge und ein Kommentar.

Am Karfreitag sperrten TBK-Mitarbeiter die Gemeinschaftsunterkunft in der Luisenstraße, in der 97 Menschen unter beengten Verhältnissen leben müssen, mit einem Bauzaun ab. „Niemand darf raus, niemand darf rein“, zitierte das Ortsblatt einen Polizeibeamten. Als Grund für den Freiheitsentzug gab die Stadt in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung an, trotz eines schon in den Wochen zuvor ausgesprochenen Besuchsverbots habe „weiterhin ein reger Besucherverkehr“ in den Gemeinschaftsunterkünften stattgefunden. Nachdem der Covid-19-Befund eines Bewohners bekannt geworden sei, „erschien … die Aufstellung des Bauzaunes aus fachlicher Sicht des Gesundheitsamtes als dringend geboten, um eine Quarantäne des Hauses wirksam sicherstellen zu können und damit weitere gesundheitliche Risiken für die Bewohner des Hauses und der Stadt abzuwenden“.

Die derweil an allen 97 BewohnerInnen vorgenommenen Tests haben der städtischen Mitteilung zufolge ergeben, dass weitere drei Menschen mit Covid-19 infiziert sind, zwei Mitglieder einer 9-köpfigen Familie und eine Einzelperson. Die hat man nun in separaten Unterkünften isoliert, die Quarantäne für die übrigen Atrium-BewohnerInnen wieder aufgehoben und den Zaun entfernt. Die Stadt sieht sich durch den Verlauf in ihrem Vorgehen bestätigt. „Durch die umgehend eingeleiteten Maßnahmen und die Einschaltung von medizinischem Fachpersonal konnten die gesundheitlichen Risiken für die Bewohner und auch alle anderen in Konstanz reduziert werden.“

In einem eigenen Statement bezeichnet zudem Sozialbürgermeister Osner, den Seebrücke-Vorwurf, das Vorgehen der Stadt beim Atrium sei von Rassismus gekennzeichnet, als „abwegig“, er gehe „an der Sache völlig vorbei“. Der Bürgermeister erinnert an die vorliegende „Ausnahmesituation“ – „Es geht hier um Menschenleben!“ –, für die es mit der Corona-Rechtsverordnung zudem einen klaren rechtlichen Rahmen gebe. Er betont, bei der Abriegelung habe es sich um eine „rein fachliche, genau abgewogene Entscheidung“ in Absprache mit dem Gesundheitsamt gehandelt. Zudem gelte ja auch für Kliniken und Pflegeheime ein Besuchsverbot. Osner wörtlich: “In dieser Rechtsverordnung sind viele harte Einschränkungen für die Bevölkerung festgelegt und Notfallregelungen für die öffentliche Verwaltung, die in besonderer Weise Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Menschen trägt. Diese Regeln betreffen alle Menschen, ausnahmslos.“


„Es geht hier um Menschenleben“

Ob das dann doch schnelle Ende des behördlich verfügten Freiheitsentzugs eine Folge der breiten Empörung war, die der Verwaltung über Ostern entgegenschlug, darüber kann nur spekuliert werden. Auffällig ist aber schon, mit welcher Ausführlichkeit die Verantwortlichen versuchen, ihr Vorgehen als alternativlos zu rechtfertigen. Überzeugend entkräften können sie die Rassismusvorwürfe damit indes nicht. Einmal abgesehen vom dramatischen Ton, den Osner anschlägt („Es geht hier um Menschenleben!“), verfängt man sich in Widersprüchlichkeiten. Denn zum einen hinkt der angestellte Vergleich mit der Situation in Heimen und Krankenhäusern gewaltig. Während nämlich in diesen Kranke oder Pflegebedürftige von kompetentem Personal umsorgt werden (oder das sollten), müssen in den Massenunterkünften gesunde Menschen, kinderreiche Familie wie Singles, Junge wie Alte unter übelsten Bedingungen hausen, die nicht nur das Leben empfindlich einschränken, sondern auch das behördliche Abstandsgebot unmöglich machen.

Zum anderen ist es kein Geheimnis, dass es auch in erstgenannten Einrichtungen, und nicht nur dort, Verstöße gegen die rigiden staatlichen Einschränkungen gibt. Es ist die von den Konstanzer Behörden vorgenommene unterschiedliche Bewertung solcher Verstöße, die den Rassismusvorwurf laut werden lässt. Im Fall der eingepferchten Geflüchteten ist es „reger Besucherverkehr“, der „öfter beobachtet wurde“ – wie beziffert man „rege“, wie oft ist „öfter“? Dem deutschen Bevölkerungsteil dagegen wird ein Kranz für seine Folgsamkeit geflochten: „alle halten sich daran“, nun ja: „fast ausnahmslos“. Auch hier die Frage: wie wenig Ausnahmen müssen es denn sein, um so eine Aussage zu treffen? Sprache ist eben verräterisch. In diesem Fall untermauert sie den Verdacht, dass die Verantwortlichen mit zweierlei Maßstäben messen. Da die fremden Asylsuchenden, deren Uneinsichtigkeit es mit kollektivem Freiheitsentzug zu ahnden gilt, dort die braven deutschen Untertanen, von denen einige halt mal aus der Rolle fallen. Ganz offenkundig gelten die Regeln eben nicht ausnahmslos für alle Menschen gleich.

Wortreich bemüht die Stadt zudem die seuchenbedingte Ausnahmesituation, die harte Einschränkungen rechtfertige. Kein Wort indes verliert sie über die am dringendsten gebotene Maßnahme, um das medizinisch erforderliche „social distancing“ für Geflüchtete überhaupt möglich zu machen. Die Massenunterkünfte, unter hygienischem Aspekt ja wirklich Durchlauferhitzer für die Virenverbreitung, müssen umgehend aufgelöst und die BewohnerInnen dezentral untergebracht werden. Keine leichte Aufgabe, gewiss, aber auch wir möchten daran erinnern: Es geht hier um Menschenleben.

MM/J. Geiger

Empörung über Einsperren von Geflüchteten

Am Karfreitag hatte die Stadt Konstanz die Geflüchteten-Unterkunft in der Luisenstraße mit einem Bauzaun abriegeln lassen. Kein Bewohner, keine Bewohnerin durfte das Atrium, in dem um die 100 Menschen unterbracht sind, verlassen, niemand darf hinein. Als Grund gab die Zuständige bei der Stadt einen Covid-19-Fall an. Gegen die Zwangsmaßnahme protestierte die Konstanzer Seebrücke mit einem Offenen Brief an die Verantwortlichen bei Stadtverwaltung und Landratsamt.

Der positiv auf das Virus getestete Bewohner habe sehr viele Kontakte innerhalb des Atriums gehabt, weshalb man alle BewohnerInnen in „vorläufige Quarantäne versetzen“ habe müssen, erklärte Ordnungsamt-Leiterin Anja Risse am 11.4. schriftlich. Warum diese Maßnahme mit dem polizeilich überwachten Entzug von elementaren Grundrechten per Bauzaun durchgesetzt werden soll, begründet die deutsche Beamtin mit Verdächtigungen, die der Gedankenwelt von RassistInnen entstammen. Risse unterstellt den BewohnerInnen, die in der Massenunterkunft auf engstem Raum hausen müssen, pauschal fehlende Einsicht und zugleich „Drogen- und Alkoholprobleme“. Verschwiegen wird, dass gerade die unwürdigen Lebensbedingungen in der Anschlussunterkunft ein idealer Nährboden für die Verbreitung des Virus sind. Dass nicht längst mehr Infektionen aufgetreten sind, spricht deswegen eher für die Disziplin der BewohnerInnen.

Im Vorfeld hat es an warnenden Stimmen nicht gefehlt, die auf die Infektionsgefahr in Massenunterkünften hingewiesen hatten und für eine dezentrale Verteilung plädierten. So schlug etwa LLK-Stadtrat Simon Pschorr vor, die Betroffenen in leerstehenden Ferienwohnungen unterzubringen. Gegen den panischen Versuch der Verwaltung, die Situation durch Einsperren in den Griff zu bekommen, hat die Konstanzer Seebrücke einen Offenen Brief an die Verantwortlichen für das Einsperren der Geflüchteten geschrieben.

Die Seebrücke-Leute fordern zudem die KonstanzerInnen auf, „selbst aktiv zu werden und an die Stadt zu schreiben (unser Schreiben dürft ihr gerne als Vorlage verwenden)“. Ihr Appell: „Geht auch am Atrium vorbei und versucht, Kontakt zu den Menschen aufzunehmen, um mit Ihnen zu sprechen, dann wissen Sie, dass Sie nicht allein sind.“

Das Seebrücke-Schreiben im Wortlaut:


Offener Brief zum Vorgehen der Stadt Konstanz an der Anschlussunterkunft Atrium

Sehr geehrter Herr Landrat Danner,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Burchardt,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Osner,
sehr geehrte Frau Risse,
sehr geehrter Herr Dr. Tchakoura,

die Konstanzer Seebrücke ist empört über die rigide Abriegelung der Anschlussunterkunft Atrium am Karfreitag. Denn so wichtig der Gesundheitsschutz der Bevölkerung auch ist, so wenig nachvollziehbar ist es aus unserer Sicht, mehr als 90 Menschen zur Sicherstellung der Quarantäne-Auflagen einfach zu internieren. Hier misst die Stadt mit zweierlei Maß, denn es ist uns nicht bekannt, dass sämtliche Menschen, die bisher in Konstanz möglichen Kontakt zu Corona-Infizierten hatten, ebenso umfassend ihrer Freiheitsrechte beraubt worden wären.

Und uns überzeugt auch nicht, dass die – angebliche – Drohung mit nächtlichen Ausbrüchen oder eine unterstellte generelle Unvernunft der Bewohner dieses Vorgehen rechtfertigt. Denn wir bezweifeln, dass Sie vergleichbare Maßnahmen getroffen hätten, wenn etwa ein Studierendenwohnheim statt einer Flüchtlingsunterkunft betroffen geworden wäre – obwohl junge Menschen ebenso pauschal als unvernünftig bezeichnet werden.

Ihr Vorgehen ist deswegen von Rassismus gekennzeichnet und aus unserer Sicht eine reine Panik-Reaktion der Verwaltung, die es seit langem versäumt, die Sammelunterkünfte aufzulösen und die Geflüchteten anderweitig unterzubringen. Obwohl bekannt ist, dass dort, wo Menschen auf engstem Raum untergebracht sind, die Gefahr von Epidemien besonders groß ist. Und wer dies nicht vorausschauend verhindert, nimmt Gesundheitsrisiken für die Betroffenen bewusst in Kauf.

Gerade von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, fordern wir deswegen,

  • dass Sie die sofortige Entfernung des Zauns am Atrium anordnen, wie Sie sich ja auch für den Wegfall des Zauns zu Kreuzlingen einsetzen.
  • eine engagierte Unterstützung der von der Quarantäne Betroffenen durch städtische Mitarbeiter, statt wie aktuell Ehrenamtliche dazu aufzufordern.
  • die zeitnahe Unterbringung nicht nur der negativ Getesteten, sondern aller Geflüchteten in Hotels und Ferienwohnungen.

Schließlich können Sie so auch die von der Krise besonders betroffenen Touristiker unterstützen und zeigen, dass Konstanz in der Lage ist, eine umfassende und allen dienende Krisenpolitik zu betreiben.

Freundliche Grüße
Konstanzer Seebrücke


MM/jüg (Foto: Konstanzer Seebrücke)