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„Gottfriedstutz am Bodensee“

Am Freitag berichtete auch „nd“ ausführlich über die Ankündigung des OB, wegen einer Satire gegen LLK-Stadtrat Holger Reile vorgehen zu wollen. Wir dokumentieren den Beitrag:

Ein Stadtoberhaupt bezeichnet Kritik eines Kommunalparlamentariers an seiner Politik öffentlich als Verstoß gegen eine „Treuepflicht“: eine bedenkliche Provinzposse aus Südbaden.

Von Velten Schäfer

„Gottfried Stutz“ klingt wie ein Name, ist aber auch eine helveto-alemannische Redeweise, die in der Nordschweiz und Südbaden jeder kennt. „Gottfriedstutz!“ steht für ein verstimmt-erstauntes „ja leck’ mich doch …!“. So steht es in Dialektlexika. Zudem heißt „Stutz“ so viel wie „Kohle“ oder „Knete“: „Fünf Stutz“ sind fünf Franken oder Euro.

Das weiß auch Ulrich Burchardt, Oberbürgermeister von Konstanz am Bodensee. Immerhin ist der 1971 geborene CDU-Politiker ein „Frichtle“, also vor Ort geboren. 2012 wurde er als Unabhängiger gewählt – unmöglich, ohne das lokale Fasnacht- und Mundartwesen zumindest sprachlich zu verstehen. Doch nun hat Burchardt das Alemannische scheinbar über Nacht vergessen. Aus Ärger über Holger Reile, einen Stadtrat der „Linken Liste Konstanz“ (LLK).

Der engagierte Kritiker des OB ist Publizist. Als solcher veröffentlichte er jüngst im Bodenseeblog „Seemoz“ eine Satire. Darin ging es um einen angeblichen Verkauf des defizitären, vom OB protegierten Kongresszentrums „Bodenseeforum“ an einen „Schweizer Möbelgiganten“ namens „XXL Gottfried Stutz“.

Ortsansässigen erschließt sich sofort der satirische Charakter schon dieser Namensgebung: „XXL“ spielt auf das tatsächlich existierende Möbelhaus gleichen Namens an, „Gottfried Stutz“ nicht nur auf den Kraftausdruck, sondern auch auf den helvetischen Einkaufstourismus, der Konstanz seit Jahr und Tag in Atem hält. Zudem kommt ein „Ernesto Stronzo“ vor. Der Nachname ist ein italienisches Kraftwort. Und Italienisch ist in der Stadt, von der es nach Mailand nicht weiter ist als nach Mannheim, schon lange sehr präsent. Der Text erschien unter dem Rubrum „schräg und schrill“ – und war dort nicht die erste Satire zum „Bodenseeforum“. Zum 1. April wurde etwa eine Erdogan-Kundgebung angekündigt. Doch Burchardt will den Witz nicht verstehen. Bierernst erhob er jüngst in einer Gemeinderatssitzung juristische Drohungen gegen den Spötter. Der Text, der auch ihn selbst und andere Lokalgrößen fiktiv zitiert, sei nicht als Satire kenntlich. Er könne sich im Internet verbreiten und potenzielle Kunden verunsichern. Reile wolle dem „Bodenseeforum“ gezielt Schaden zufügen. Er habe die gegen „Treuepflicht“ eines Stadtrates verstoßen, alles zu unterlassen, „was den Gemeindeinteressen zuwiderläuft oder diese schädigen oder beeinträchtigen könnte“. Nun prüfe man ein Vorgehen gegen ihn. Näheres sagt Stadtsprecher Walter Rügert auch Tage später auf Nachfrage nicht. Er schickt nur einen Link zu einem Videomitschnitt des Statements des OB, der auf dem Stadtportal eingestellt ist.

Reile dagegen sieht seine Kritik am Bodenseeforum, dem erst kürzlich zusätzlich zum bereits eingepreisten Zuschuss von gut 900 000 Euro eine Finanzspritze von 1,7 Millionen Euro zugestanden wurde, umgekehrt gerade als ein Eintreten für das Gemeindeinteresse. Gegenüber „nd“ sagt er, man müsse „Wagenräder vor den Augen haben“, um die Glossenrubrik bei „Seemoz“ ernst zu nehmen. Der OB gebe sich gern locker. Doch „wenn man ihm kritisch kommt, schwillt ihm gleich der Kamm“.

Der Vorgang erinnert an eine Affäre aus dem Vorjahr. Damals war ein Redakteur des Regionalblattes „Südkurier“ gemaßregelt worden, nachdem er kritisch über Stadtentwicklung und OB geschrieben hatte. Es ging um das Traditionskino „Scala“, das derzeit tatsächlich dem „Stutz“ weicht: An seiner Stelle wird ein Drogeriemarkt eingerichtet, in dem sich absehbar vor allem Shoppingtouristen tummeln werden.

Der Journalist, so die Begründung für eine Abmahnung und die Versetzung in den Innendienst, habe gegen Sorgfaltspflichten verstoßen. Handfest beweisen ließen sich Zusammenhänge zwischen Kritik am Rathaus und dem Kaltstellen des Schreibers nie, inzwischen hat er einen anderen Job. Doch sorgte sich damals nicht nur die Landespresse in Gestalt etwa der „Stuttgarter Zeitung“ um die Presse am See. Einer der wahrnehmbarsten Kritiker war der nun im Fokus stehende Holger Reile in einer Reihe von Artikeln – auch in dieser Zeitung.

Dass des Bürgermeisters Dünnhäutigkeit in Sachen Bodenseeforum eine Retourkutsche sein könnte, lässt sich nur mutmaßen. Abzuzeichnen scheint sich aber, dass Burchardt lokalpolitisch ein Eigentor geschossen hat. Mit Reile solidarisiert haben sich die Journalistenverbände dju und djv. Die Gewerkschaft ver.di kündigt an, ihn gegebenenfalls juristisch zu unterstützen. Der örtliche SPD-Fraktionschef ist sich „sicher“, dass „der Oberbürgermeister bei einer rechtlichen Auseinandersetzung scheitern“ würde – und dies sei auch „gut so“. Ähnlich äußert sich die Freie Grüne Liste. Das „Junge Forum Konstanz“ rät, „öfters mal“ zu lachen. Die Freien Wähler fordern ein Treffen zwischen den Kontrahenten, um den Streit zu klären. Nur CDU und FDP schweigen bisher. Schwarz-Gelb stellt jedoch nur zwölf von 40 Stadträten.

Der OB braucht also Zustimmung aus anderen Listen – absehbar nicht zuletzt, um beispielsweise weitere finanzielle Zuschüsse für sein Lieblingsprojekt zu mobilisieren. Dieses hatte zunächst nur die Linke Liste rundheraus abgelehnt. Doch inzwischen macht sich auch in anderen Fraktionen Skepsis breit.

Am Samstag: Kundgebung in Konstanz gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Die Konstanzer Gruppe von Amnesty International und das Café Mondial rufen für kommenden Samstag zu einer Kundgebung auf, die sich gegen die Abschiebepolitik des deutschen Staats richtet. In organisierten Sammelabschiebungen schaffen die Behörden regelmäßig Geflüchtete zurück in ein vom Krieg geschundenes Land, der täglich Opfer unter der Zivilbevölkerung kostet. Wider besseres Wissen behauptet die Bundesregierung, es gäbe dort “sichere Zonen”, um diese unmenschliche Praxis zu rechtfertigen. Auch die baden-württembergische Landesregierung spielt dieses schmutzige Trauerspiel mit, obwohl selbst das Auswärtige Amt in einer aktuellen Lageeinschätzung einräumt, die Zivilbevölkerung sei “prinzipiell landesweit an Leib und Leben bedroht”.

Der Kreisverband der LINKEN und die Linke Liste (LLK) unterstützen die Kundgebung und fordern ihre Mitglieder und Unterstützer*innen dazu auf, sich an dem Protest zu beteiligen. Die LLK hat im Konstanzer Gemeinderat für eine Resolution gegen die Abschiebungen nach Afghanistan gekämpft, die am Ende von vielen Stadträt*innen und Mitgliedern des Internationalen Forums unterstützt wurde. Zeigen wir auch auf der Straße, was wir von einer Politik halten, die wissentlich den Tod von Menschen in Kauf nimmt. Öffentlicher Druck ist nötig, um den deutschen Staat zu einer Abkehr von seiner menschenverachtenden Abschiebepolitik zu zwingen.

Kundgebung: Samstag, 1. Juli, 15 Uhr, Konstanz, Augustinerplatz

Der Aufruf: Keine Abschiebungen nach Afghanistan

Im Jahr 2016 wurden in Afghanistan so viele Zivilisten wie noch nie zuvor Opfer von Gewalt und das Jahr 2017 hat schon jetzt zahlreiche Menschenleben gekostet. Nach jüngsten Entwicklungen hat sich die aktuelle Situation vor Ort sogar noch weiter verschlimmert.

Dennoch unterscheidet die Bundesregierung aktuell in sichere und unsichere Herkunftsregionen in Afghanistan. Das Auswärtige Amt skizziert eine völlig andere Situation als die Bundesregierung: “Bombenanschläge, bewaffnete Überfälle und Entführungen gehören seit Jahren in allen Teilen von Afghanistan zum Angriffsspektrum der regierungsfeindlichen Kräfte.” “Es herrscht Krieg in Afghanistan und die Zivilbevölkerung ist prinzipiell landesweit an Leib und Leben bedroht.”

Am 1.7. wollen wir, Amnesty International Gruppe Konstanz und das Café Mondial Konstanz e.V., gemeinsam und friedlich unsere Opposition gegen diese Politik kund tun. Ab 15 Uhr auf dem Augustinerplatz in Konstanz werden verschiedene Engagierte aus dem Landkreis Konstanz und betroffene afghanische Flüchtlinge über deren aktuelle Lage berichten. Alle, die ein Zeichen gegen Abschiebungen nach Afghanistan setzen wollen oder sich informieren möchten, sind aufgerufen, sich uns anzuschließen!

An die Landesregierung von Baden-Württemberg gerichtet fordern wir:
– Ein sofortiges Aussetzen der Abschiebungen nach Afghanistan auf der Landesebene.
– Dass der Ministerpräsident und die Landesregierung sich auch auf Bundesebene für dieses Ziel einsetzen, damit Abschiebungen nach Afghanistan (und in andere Kriegsgebiete) auch auf längere Sicht nicht mehr stattfinden.

Das Thema “Abschiebungen nach Afghanistan” ist ständig im Fluss und in den letzten Wochen und Monaten in den Medien auch sehr präsent. Wir sind deshalb zuversichtlich mit einer regen Teilnahme, öffentlichem Druck und Petitionen zu einer Politikänderung beitragen zu können.

jüg

Partnerstadt Lodi wählt rechtsextreme Bürgermeisterin – Linke Liste fordert Stellungnahme der Verwaltung

Heute verschickte das Pressebüro der Stadt Konstanz eine Pressemeldung an alle Medien, in der mitgeteilt wurde, dass in der Konstanzer Partnerstadt Lodi mit Sara Casanova von der „Lega Nord“ erstmals eine Frau zur Bürgermeisterin gewählt wurde. Dass die „Lega Nord“ eine fremdenfeindliche und rassistische Partei ist, findet die Pressestelle im Konstanzer Rathaus nicht erwähnenswert.

Die LLK-Fraktion weist darauf hin, dass der Konstanzer Rat und der Oberbürgermeister 2012 die Konstanzer Erklärung „Für eine Kultur der Anerkennung und gegen Rassismus“ verabschiedet hat, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ausgesprochen hat. Mit der Wahl in Lodi steht nach Meinung der LLK auch die gemeinsame Städtepartnerschaft auf dem Prüfstand. Die Partei „Lega Nord“ koopiert seit langer Zeit u.a. mit dem rechtsradikalen Front National in Frankreich, der österreichischen FPÖ und der niederländischen PVV von Geert Wilders.

Sie lehnt eine multikulturelle Gesellschaft ab und gilt als aggressiv-islamophob. Sie betreibt die Abschottung Italiens gegen Flüchtlinge und einige ihrer Mitglieder forderten auch mehrmals, mit Waffengewalt gegen Flüchtlinge aus Nordafrika vorzugehen. Noch nicht allzu lange ist es her, da trieben Anhänger der Lega Nord eine Herde Schweine auf ein noch unbebautes Grundstück in Lodi, um dort den Bau einer Moschee zu verhindern.

Die Wahl von Sara Casanova sollte zumindest dazu führen, dass die Konstanzer Verwaltungsspitze ihre italienische Partnerstadt wissen lässt, dass damit auch die Städtepartnerschaft beschädigt wird und man nicht gewillt ist, zur Tagesordnung überzugehen. Nach Auffassung der LLK sollte dieser Punkt auch in den zuständigen Gremien diskutiert werden. Des Weiteren hält es die LLK für angebracht, gemeinsame Aktionen mit Lodi vorerst einzustellen.

Anke Schwede, Holger Reile
Linke Liste Konstanz (LLK)

Unsere Erklärung zum Angriff auf Holger Reile

Der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt hat während der Gemeinderatssitzung am 22. Juni angekündigt, die Stadtverwaltung prüfe Möglichkeiten, gegen unseren Stadtrat Holger Reile vorzugehen. Burchardt warf ihm vor, seine „Treuepflicht“ verletzt zu haben, nach der alles zu unterlassen sei, was die Interessen der Gemeinde schädigen oder beeinträchtigen könne. Mit einer Textveröffentlichung habe Holger Reile dem Bodenseeforum und damit der Stadt „vorsätzlich“ geschadet. Burchardt bezog sich auf eine beim Onlinemagazin seemoz veröffentlichte Satire des für seine spitze Feder bekannten Journalisten Reile, die ein Lieblingsprojekt des OBs aufs Korn nimmt, das seit seiner Eröffnung rote Zahlen schreibt.

Die Linke Liste weist den Vorwurf des OB mit aller Schärfe zurück. Burchardt will mit seinem absurden Vorstoß offenbar einen der entschiedensten Kritiker seiner Politik mit juristischen Winkelzügen mundtot machen. Ein durchsichtiges Manöver, das nicht von den Fakten in Sachen Bodenseeforum ablenken kann. Nicht Holger Reile und die LLK sind schließlich für die finanziellen Schäden verantwortlich, die das Projekt den Bürger*innen der Stadt aufbürdet. Der Schädiger Konstanzer Interessen ist der Oberbürgermeister selbst, der 2014 sein von ihm zur „historischen Chance“ hochgejubeltes Kongresszentrum völlig übereilt im Rat durchgepeitscht hatte, obwohl belastbare Informationen zu Kosten und Wirtschaftlichkeit fehlten. Es war Burchardt, der auf Eile drängte und damit zu verantworten hat, dass bei Planung und Realisierung schwere handwerkliche Fehler gemacht wurden, die seit dem Start die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich Millionen kosten. Und es ist der OB, der immer noch kein schlüssiges Konzept vorlegen kann, um das drohende Dauerdefizit abzuwenden, das heute selbst Befürworter kleinlaut einräumen.

Die Linke Liste war es hingegen, die von Beginn an vor den Schäden gewarnt hat, die dieses Prestigeprojekt unserer Stadt zufügen könnte. Wir waren im Rat die einzigen, die sich gegen eine euphorisierte Mehrheit gestellt und auf schlüssige Informationen über die zu erwartenden Kosten sowie eine plausible strategische Konzeption gepocht haben. Die LLK schließlich war es, die vehement gefordert hatte, ein Unterfangen von solcher Tragweite dürfe nicht per Ratsbeschluss abgesegnet werden, sondern mache einen Bürgerentscheid nötig. All das haben der OB, der sich mit der Mehrzweckhalle am Seerhein offenbar auch ein persönliches Denkmal setzen wollte, und leider auch die meisten Stadträt*innen vom Tisch gewischt. Wer also schadet in dieser Sache den Interessen der Stadt Konstanz?

Nur am Rande sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass sich der OB mit seiner Drohung gegen Holger Reile auch an der Schwelle zur Pressezensur bewegt. Will Burchardt Stadträt*innen künftig vorschreiben, nur zu publizieren, was er – als den Interessen der Stadt vermeintlich dienlich – gutheißt?

Die Linke Liste betrachtet das Vorgehen des Oberbürgermeisters gegen unseren Stadtrat als einen Versuch, kritische Meinungsäußerungen zu unterdrücken und die Pressefreiheit einzuschränken. Er richtet sich nicht nur gegen die Person Holger Reile, sondern muss auch als Drohung an den gesamten Gemeinderat verstanden werden. Solidarität mit Stadtrat Reile ist deshalb das Gebot der Stunde.

Linke Liste Konstanz (LLK)

Fahrradstadt geht anders

Im Technischen und Umweltausschuss am 20. Juni war dies eigentlich ein unscheinbarer Tagesordnungs­punkt, doch der führte zu einer angeregten Debatte: Die Rede ist vom geplanten Ausbau der Bruder-Klaus-Straße von der Schneckenburgstraße bis kurz hinter die Einmündung der Alemannenstraße. Die Gretchenfrage wurde ganz einfach: Ist es der Verwaltung ernst mit dem Wandel zur fahrrad- und fußgängerInnenfreundlichen Stadt – oder ist das alles Propaganda?

Konstanz schmückt sich gern mit einem schönen bunten Logo als angehendes Radlerparadies, aber folgen den hehren Ankündigungen und schicken Werbeaktionen auch tatsächlich Taten, die ein Umdenken und Umlenken in Richtung auf verbesserte Bedingungen für Radfahrer, Fußgänger und ÖPNV beweisen?

  • Wenn man bedenkt, dass die kostspieligen Straßenarbeiten an der Reichenaustraße auf Höhe des Edeka die Bedingungen für Radfahrer und Fußgänger, die es stadteinwärts zieht, nicht nennenswert verbessert haben.

  • Wenn man sich vor Augen hält, dass an der Kreuzung zwischen Reichenaustraße, Opel- und Rudolf-Diesel-Straße weiterhin Rechtsabbiegerpfeile für Autos angebracht sind, die es zur Regel (und nicht zur Ausnahme!) machen, dass Autofahrer das Ampelgrün für querende Radfahrer und Fußgänger ignorieren und voll draufhalten.

  • Wenn man sich vergegenwärtigt, dass es bisher keine Regelung gibt, die dafür sorgt, dass BürgerInnen in ihren Wohnquartieren auf Wunsch mit ausreichend Fahrradbügeln versorgt werden.

Dann können einem Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Verwaltungsbemühungen kommen. Oder – mal sehr positiv ausgedrückt –, dann sieht man, dass noch ziemlich viel zu tun bleibt.

Nur Lippenbekenntnisse?

Ein wichtiges Indiz für die Ernsthaftigkeit der Verwaltung ist natürlich ihr Ansatz bei Neu- und Umbauten im Verkehrsraum. Berücksichtigt die Planung der Bruder-Klaus-Straße die Bedürfnisse von RadlerInnen, FußgängerInnen und ÖPNV überhaupt?

Stephan Kühnle (FGL) kritisierte die Pläne für den Ausbau der Bruder-Klaus-Straße ebenso scharf wie sachkundig. “Es ist eine politische Frage, wie wir den öffentlichen Raum nutzen wollen. Wollen wir wirklich mehr Raum für Radfahrer und Fußgänger schaffen? Diese Sitzungsvorlage sieht nicht danach aus, sie ist eine unverhohlene Kapitulation vor dem Autoverkehr!”

Und damit hat er recht. Die Vorlage sieht 101 öffentliche Stellplätze vor, in der Nähe des Alemannenplatzes sollen zwei davon als Stromtankstelle ausgerüstet werden, außerdem wird es einige neue Bäume geben, und Tempo 30 ist sowieso. Das war’s. Fahrradstadt Konstanz? O jemine!

Kühnle kritisierte an diesem Plan, dass überhaupt keine Freiräume vorgesehen seien, sondern jeder halbwegs freie Quadratmeter des (18 Meter breiten) Straßenraumes als Parkplatz verplant worden sei. Er bemängelte etwa das völlige Fehlen von Fahrradbügeln an der Südseite der Straße. Genauso schmerzt ihn, dass in der Planung keine Parkplätze fürs Carsharing vorgesehen sind, auf denen entsprechende Fahrzeuge öffentlichkeitswirksam abgestellt werden können. In der Alemannenstraße 20 gibt es zwar ein Carsharing-Angebot, das allerdings muss sich in einem Hinterhof verstecken. Außerdem vermisste Kühnle zusätzliche Plätze für das Lastenfahrradsystem TINK und das geplante Mietfahrradsystem, das die Stadtwerke demnächst aufziehen wollen.

Parkraumkonzept rechtsrheinisch

Kühnle regte an, ein Parkraumkonzept auch für das rechtsrheinische Konstanz zu entwickeln. Großen Wert legte er auch auf vernünftige Querungsmöglichkeiten für Fußgänger, insbesondere an der Einmündung zur Schneckenburgstraße, und die sind in der Planung bisher nicht zu erkennen. Nur in einem Nebensatz ließ er anklingen, dass bisher auch noch keine vernünftige Verkehrsführung für jene Radfahrer erkennbar ist, die vom Bodenseeradweg an der Bahn und von der Z-Brücke aus in die Innenstadt streben.

Wenn der Radweg an der Bahn nach der Fertigstellung der Z-Brücke im Oktober wiedereröffnet wird, ist in der Tat mit regem Radverkehr zwischen dem Bahnradweg und der Sankt-Gebhard-Straße zu rechnen, denn das ist die logische Verbindung zwischen Innenstadt, Fahrradbrücke und Bodenseeradweg. Menschen auf dieser Route, einer Hauptstraße des Konstanzer Radverkehrs, müssen die neuen Wohnbauten sowie die Bruder-Klaus-/Emmichstraße queren.

Es sieht zumindest für den Laien nicht so aus, als habe sich die Verwaltung bei ihren Planungen bisher allzu viele Gedanken über eine Lösung gemacht, die Fußgänger, spielende Kinder und den Radverkehr zwischen Bahnlinie und Sankt-Gebhard-Straße an den Brunnentischen konfliktfrei aneinander vorbeiführt. Von den aus RadfahrerInnensicht querenden Autos in der Bruder-Klaus-/Emmichstraße ganz zu schweigen. Die Querung der Markgrafenstraße, wo auch noch Busse hinzukommen, lassen wir mal ganz außen vor.

Tiefgaragenausfahrten als Risikozonen

Einen weiteren Punkt, der von täglicher Erfahrung als Radlerin zeugt, gab Gisela Kusche (FGL) zu bedenken. Laut Planung sollen die Autoparkplätze bis direkt an die Tiefgaragenausfahrten nördlich der Ausbauzone reichen. Das heißt, dass Autofahrer, die aus einer Tiefgarage kommend auf die Bruder-Klaus-Straße fahren wollen, wegen der direkt neben der Ausfahrt parkierenden Wagen nur wenig sehen können. Ebenso ist es für Radfahrer von der Straße aus schwierig zu erkennen, dass da hinter einem parkenden Auto gleich ein Auto aus der Tiefgaragenausfahrt herausschießen wird. Kusche regte an, beiderseits der Tiefgaragenausfahrten einfach Fahrradbügel aufzustellen und so die gegenseitige Sichtbarkeit der Verkehrsteilnehmer zu verbessern.

Weiter so – geht nicht

Wolfgang Seez, der Leiter des Tiefbau- und Vermessungsamtes und für diese Vorlage federführend verantwortlich, zeigte sich von dieser fundierten Kritik ziemlich überrascht. Der Planungsbeschluss sei schließlich schon vor geraumer Zeit in der vorliegenden Form gefasst worden. Eigentlich habe man doch nichts anderes getan, als die bereits duchgeführten Baumaßnahmen von der Von-Emmich-Straße nach Westen zu verlängern, und beim Ausbau der Von-Emmich-Straße habe es keine Kritik geben. Außerdem entsprächen die 101 vorgesehenen Parkplätze in etwa der Zahl der bisher vorhandenen Parkplätze. Ihm sprang Alfred Reichle (SPD), Polizist und daher von Natur aus Verteidiger der Autofahrerinteressen, beherzt bei: Es gebe sehr viele Menschen dort mit Autos, und die bräuchten einfach genug Parkplätze.

Immerhin gab Seez sich am Ende einsichtig und versprach, sich um die Tiefgaragenausfahrten zu kümmern; auch ein paar Parkplätze fürs Carsharing hält er für machbar. Sein Argument vom Typus “Wir haben’s doch schon immer so gemacht” ist aber einfach schwach: Wer wirklich eine fahrradfreundliche Stadt verwirklichen will, kann ganz sicher eins nicht tun: So weitermachen wie bisher. Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn zitiert gern den Kopenhagener Stadtplaner Jan Gehl: “Das Angebot schafft die Nachfrage.” Stephan Kühnle hat recht: Es ist an der Zeit, dass sich diese Erkenntnis in den Planungen endlich flächendeckend niederschlägt.

O. Pugliese

Gemeinderat: OB Burchardt droht LLK-Stadtrat

Die gestrige Gemeinderatssitzung war denkbar kurz und schmerzlos. Das Beste allerdings hatte sich der Oberbürgermeister bis zum Schluss aufgehoben: Er kündigte gegen 17:45 Uhr an, dass die Stadt gegen Holger Reile (LLK) wegen eines seemoz-Beitrages vorzugehen gedenkt. Weitere Themen: Ein erneuter Antrag auf Einrichtung eines Ordnungsdienstes für den Herosé-Park wurde in den Ausschuss verwiesen. Außerdem ging es u.a. um Wildtiere im Zirkus und die neue Auflage der städtischen Vorhabenliste.

Man kann es kurz machen: Die CDU, die Partei der gepflegten Nachtruhe für Immobilienbesitzer, hatte einen Antrag gestellt, der schon wieder einmal darauf abzielte, für Seerhein/Herosé-Park/Schänzle Ordnungskräfte anzuheuern. Ein Wiedergänger also. Da gleiche Anträge im Gemeinderat aber erst nach mindestens sechs Monaten wieder eingebracht werden dürfen, hatte die CDU dieses Mal eine etwas andere Stoßrichtung gewählt. Sie forderte: “1. Die sofortige Ausschreibung/Gewinnung von 5 Stellen auf Stundenbasis für die restliche Saison bis 30.9.2017 als reines Präventionsteam. Das Team ist bis 30.9.2017 bei der Stadt Konstanz angestellt und nimmt keinerlei hoheitliche Aufgaben wahr. 2. Die sofortige Einrichtung und Umsetzung eines Kommunalen Ordnungsdienstes (Stellenvolumen 5,5 Stellen). Nach erfolgter Ausbildung soll der KOD schnellstmöglich noch in der Saison 2018 von April bis September eingesetzt werden. In der Zeit von Oktober 2018 bis März 2019 verstärkt er den Gemeindevollzugsdienst mit Schwerpunkt Überwachung des ruhenden Verkehrs.” Im Sommer den Schlagstock schwingen, im Winter Strafzettel schreiben, von so viel Abwechslung im Beruf können die meisten von uns nur träumen.

Personalausgaben der Stadt sinken?

Vielen MitarbeiterInnen der Stadt dürfte allerdings der 3. Teil des CDU-Antrages sauer aufstoßen, der heißt nämlich: “2017 anfallende Personalkosten werden durch zu erwartende Minderausgaben im Personalbudget 2017 gedeckt.” In der Verwaltung herrscht ein erheblicher Personalmangel, der auch von den Verantwortlichen nicht bestritten wird, viele Ämter arbeiten täglich über der Leistungsgrenze. Und was passiert? 2017 gibt die Stadt weniger für Personal aus – und nicht mehr.

Die LLK beantragte die Absetzung dieses Antrages von der Tagesordnung, weil es derselbe Antrag wie neulich sei, scheiterte aber damit trotz der Zustimmung des JFK und zweier FGLer. Der Antrag der JFK hingegen, diesen Antrag zuerst im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) zu beraten, wurde von Heinrich Everke (FDP) kritisiert. Er erinnerte daran, dass der letzte Antrag zu diesem Thema neulich aus dem HFA in den Gemeinderat verschoben wurde, da sei jetzt eine Verweisung in umgekehrter Richtung geradezu absurd. Roger Tscheulin (CDU), der alte Fuchs, selbst um keinen Geschäftsordnungstrick verlegen, warf den Gegnern des Antrags gar pure Verzögerungstaktik vor. Es nützte ihm alles nichts. Das JFK erreichte das Quorum. Das Thema geht also in den nächsten HFA und ist damit vorläufig vom Tisch.

Die zweite Vorhabenliste der Stadt ist online

Als ein gelungenes Stück Bürgerbeteiligung hat sich die Vorhabenliste erwiesen. Martin Schröpel, der rührige Beauftragte der Stadt für Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement, berichtete, dass die erste Liste immerhin 2500 mal angeklickt wurde. Offensichtlich stößt dieses Verzeichnis, welches die wichtigsten (Bau-)Vorhaben der Stadt in der nächsten Zeit aufführt, auf reges Interesse. Unter www.konstanz.de/vorhabenliste lässt sich demnächst die überarbeitete zweite Version einsehen. Sie umfasst 17 neue Vorhaben. Verschiedene Gemeinderätinnen und -räte brachten Ideen ein, was noch alles in diese Liste aufgenommen werden solle und wo sie thematisch einseitig sei. BürgerInnen sind übrigens herzlich eingeladen, Martin Schröpel Vorschläge zu unterbreiten und Wünsche nach Bürgerbeteiligung anzumelden. Davon wird bisher praktisch kein Gebrauch gemacht.

Marx als Pate des Konzilspreises

Der Oberbürgermeister war sichtlich stolz, als er eine vertrauliche Information endlich öffentlich machen konnte. Reinhard Kardinal Marx, trotz seines den Unterdrückten dieser Welt heiligen Nachnamens Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, darf den Träger des nächsten Konstanzer Konzilspreises benennen und wird höchstselbst bei der Verleihung am 5. November in Konstanz die Laudatio dazu halten.

Zirkus mit Wildtieren

Auf diesen Schreck eine gute Nachricht: Hans-Rudi Fischer, Leiter des Konstanzer Bürgeramtes, berichtete auf eine Anfrage hin, dass in diesem Jahr nur ein Zirkus in Konstanz auftreten werde, der Wildtiere, in diesem Fall Elefanten, vorführe. Es sei Politik der Stadt, im Falle einer Konkurrenz zwischen zwei Zirkusunternehmen jenem Unternehmen den Vorzug geben, das keine Wildtiere mitbringe. Er selbst hege durchaus Zweifel am Unterhaltungswert von Tigern, die durch brennende Reifen springen, oder Elefanten, die einen Handstand machen. Oberbürgermeister Uli Burchardt, Chefdompteur der Konstanzer Verwaltung, schaute bei diesen Worten ziemlich wolkig.

Wo kauft die Stadt ihre Bücher?

Die Stadt Konstanz hat vor einiger Zeit europaweit eine Literaturverwaltung ausgeschrieben. Bisher lief es nach Angaben der Verwaltung so, dass jedes Amt seine Bücher, Loseblatt-Sammlungen usw. dezentral selbst bestellte, so dass ein erheblicher Wildwuchs entstand. Bisher kaufte die Stadt für 66 000 € pro Jahr beim örtlichen Buchhandel und für 104 000 € außerhalb. Andreas Thöni vom Personal- und Organisationsamt erläuterte, dass es jetzt eine Literaturverwaltung mit einem Online-Portal für sämtliche Ämter geben werde, so dass jeder sehe, wo was sei, und auf Ressourcen auch direkt zugreifen könne. Dieses System sei in Deutschland in 1200 Kommunen im Einsatz, unter anderem in Singen, Radolfzell und Lindau.

Auch Uli Burchardt ergriff das Wort und wandte sich direkt gegen Heinrich Riethmüller von Osiander, der als Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels mächtig Dampf gegen die Konstanzer Entscheidung gemacht hatte. Der deutsche Buchhandel solle endlich auf die Digitalisierung reagieren: Digitale Ressourcen seien in vielen Fällen viel praktischer, aber dazu habe der lokale Buchhandel nichts im Angebot. Diese Ausschreibung habe als EU-weite Ausschreibung selbstverständlich auch auf den Seiten der Stadt Konstanz gestanden, es sei aber kein einziges Angebot eines lokalen Buchhändlers eingegangen. Der lokale Buchhandel müsse sich endlich darauf einstellen, dass nichts so bleibt, wie es mal war.

Der Stadtfeind Nr. 1 wird gejagt

Oberbürgermeister Uli Burchardt war offenkundig vergrätzt wie selten und hatte sich – Rache ist bekanntlich süß – für den Schluss der Gemeinderatssitzung etwas Feines ausgedacht. Als Mitteilung der Verwaltung verlas er nach einem Moment weihevoller Stille mit sachlicher Stimme einen kurzen Text (aus dem “Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Baden-Württemberg”?, die akustischen Verhältnisse waren schwierig).

Dieser Text ging ungefähr so: “Gemeinderäte unterliegen den für die ehrenamtlich Tätigen geltenden Pflichten. Dazu zählt die allgemeine Treuepflicht als Grundpflicht. Der ehrenamtlich Tätige hat aus seinem Auftrag heraus die Pflicht, seine Tätigkeit uneigennützig und verantwortungsbewusst wahrzunehmen. Gemeinderäte haben die Interessen der Gemeinde zu vertreten und bei Interessenkollisionen alles zu unterlassen, was den Gemeindeinteressen zuwiderläuft oder diese schädigen oder beeinträchtigen könnte.” Darauf habe auch Stadtrat Holger Reile bei seiner Angelobung einen Eid abgelegt.

Nun sei aber am Tag zuvor auf seemoz der von Holger Reile unterzeichnete Beitrag “Kauft ein Möbelgigant das Bodenseeforum?” erschienen, der nicht als Satire zu erkennen sei. Darin schreibe Reile schlecht über das Bodenseeforum und arbeite mit erfundenen Zitaten. Dieser Text habe sich innerhalb kürzester Zeit per Google Alerts und auf ähnlichen Wegen weltweit verbreitet. Dieser Artikel habe so das Ansehen der Stadt über die Landesgrenzen hinaus beschädigt, wie Anrufe verunsicherter Kunden und Interessenten gezeigt hätten, die fragten, was jetzt aus ihrer Buchung im Bodenseeforum würde.

Damit habe Reile gegen seine Pflichten als Stadtrat verstoßen und der Stadt nachweislich enormen Schaden zugefügt. Die Stadt prüfe jetzt alle Mittel, um gegen Holger Reile vorzugehen. (Zwischenruf Reile: “Mein Anwalt freut sich schon!”). Der Oberbürgermeister fügte noch einige eher persönliche Bemerkungen hinzu: Nach seiner ganz privaten Meinung habe Reile vorsätzlich so gehandelt. Er habe ein Interesse an Negativnachrichten, weil er damit sein politisches Süppchen kochen wolle. Da der OB für sein eigenes politisches Süppchen als Hauptgewürz die Jubelarie bevorzugt, muss man ihm sein Bauchgrimmen wohl nachsehen.

Man darf gespannt sein, wie sich die Sache entwickelt und was sich die Verwaltung einfallen lässt (Ausschluss Reiles von Sitzungen, Ordnungsgeld etc.). Auf jeden Fall dürfte nach den Äußerungen des Oberbürgermeisters jetzt wohl definitiv klar sein: Anders als in Reiles Artikel geargwöhnt, versucht die Stadt derzeit ganz offensichtlich nicht, das Bodenseeforum zu verkaufen. Kaufinteressenten müssen sich also gedulden.

O. Pugliese (zuerst erschienen bei seemoz.de)

Stadt will gegen Holger Reile vorgehen

Oberbürgermeister Uli Burchardt kündigte am Ende der heutigen Gemeinderatssitzung an, die Stadtverwaltung prüfe derzeit sämtliche Möglichkeiten, gegen LLK-Stadtrat Holger Reile vorzugehen. Reile habe sich per Eid verpflichtet, Schaden von der Stadt Konstanz abzuwehren und unterliege als Stadtrat einer allgemeinen Treuepflicht. Reile habe mit seinem seemoz-Beitrag Kauft ein Möbelgigant das Bodenseeforum?, der als Satire nicht erkennbar sei, vorsätzlich und wissentlich gegen seine Pflichten als Stadtrat verstoßen. Dieser Artikel habe das Ansehen der Stadt weltweit beschädigt und der Stadt nachweislich Schaden zugefügt, wie Anrufe verunsicherter Kunden und Interessenten gezeigt hätten. – op

Geschwister-Scholl-Schule: Kommt in die Gänge!

In einer gemeinsamen Sitzung des Techni­schen und Umweltausschusses sowie des Ausschusses für Schulen, Bildung, Wissen­schaft und Sport gab es am Dienstag nur einen einzigen Tagesordnungspunkt: Die “Beratung des erforderlichen Sanierungs­bedarfs der Geschwister-Scholl-Schule und der dafür notwendigen Kostenansätze und der Zeitplanung”, wie es in der Vorlage der Verwaltung heißt. Die Sitzung dauerte doppelt so lange wie geplant und ließ teils ziemlich tief blicken.

Die Ausgangslage war eindeutig, am besten beschreibt sie ein Zitat aus der Vorlage der Verwaltung: “Bereits 2009 war ein Sanierungsbedarf größeren Maßes am Schulgebäude abzusehen und es wurde eine Kostenermittlung für eine Generalsanierung des Gebäudekomplexes einschließlich der Sporthalle erarbeitet. Das damit beauftragte Architekturbüro […] kam 2010 in einer detailliert erfassten Kostenschätzung auf eine Gesamtsumme von ca. 17,5 Millionen Euro für Schul- und Hallengebäude. Darin waren die Außenanlagen, Ausstattungen und elektrischen Installationen nicht enthalten.”

17,5 Millionen hatte die Stadt damals natürlich nicht und in den Folgejahren auch nicht. Die Entscheidung, eine etwa gleiche Summe in das Bodenseeforum zu investieren und blitzschnell zu verbauen, zeigt natürlich, wo die Politik in Konstanz ihre Prioritäten setzt – wenn sie eine Jahrhundertchance wittert, meint sie damit offensichtlich nicht die Pflege von Bildungseinrichtungen für die nächsten Generationen.

Bedarf seit bald 10 Jahren

Passiert ist seit dem Gutachten aus dem Sommer 2010 herzlich wenig, und wir schreiben mittlerweile das Jahr 2017. Natürlich ist der Zustand der Schule in dieser Zeit nicht besser geworden, hier und da regnet es durch, der Brandschutz muss laut Feuerwehr verbessert werden, die Fluchtwege sind nicht richtig sicher, die sanitären Anlagen – nun ja, da stinkt so manches, wenn auch nur zum Himmel. Gerade Mängel beim Brandschutz lassen natürlich ein paar Tage nach dem Feuer in London aufhorchen, zumal die Geschwister-Scholl-Schule etwa zur selben Zeit wie der Grenfell Tower, nämlich Mitte der siebziger Jahre, errichtet wurde. Aber solche Ängste sind irrational, denn so etwas kann in Deutschland dank besserer Vorschriften nicht passieren.

Die Verwaltung hat natürlich eine etwas andere Sicht auf die Bausubstanz: Ein Gebäude verursacht Jahr für Jahr bestimmte Instandsetzungskosten, und nach 30 bis 40 Jahren ist dann eine Generalsanierung fällig, und diese Jahre hat die Geschwister-Scholl-Schule jetzt auf dem Buckel. Natürlich gab es immer wieder mal Arbeiten, etwa an der Fassade und auch neue Anbauten, aber insgesamt ist der Bau in einem eher kläglichen Zustand.

Anja Rothöhler vom Haupt- und Liegenschaftsamt der Stadt berichtete, sie habe pro Jahr 113 000 € zur Verfügung, um etwa das Dach immer wieder zu flicken, wenn es reinregnet. Für vernünftige Heizungs- und Lüftungsbedingungen reiche das Geld natürlich nicht, hier bestehe ein erheblicher Investitionsbedarf ebenso wie bei der veralteten Verkabelung.

Das dauert

Ziel der Verwaltung war es, jetzt erst mal einen Plan zu machen. Und das geht so: Im letzten Quartal 2017 soll es eine europaweite Ausschreibung für ein Projektteam geben, das bis im Sommer 2018 einen Sanierungsfahrplan vorlegt. In den Nachtragshaushalt für 2018 sollen 1,5 Millionen € eingestellt werden, und dann sollen für die folgenden ca. acht Jahre jeweils drei Millionen pro Jahr verbaut werden. Im Doppelhaushalt 2019/2010 soll dann der Gesamtkostenrahmen festgezurrt werden. Martin Wichmann vom Amt für Stadtplanung und Umwelt verkündete einige Sofortmaßnahmen, etwa für die Fluchtwege und die Fahrradabstellanlagen. Er wies darauf hin, dass man bei den Außenanlagen auch immer die Folgekosten wie das Entfernen von Brennnesseln und Brombeeren bedenken müsse. Und in der Tat erweckten manche Fotos der Schuleanlagen den Eindruck, hier habe die Natur selbst für eine kräftige Renaturierung gesorgt – so gründlich wie in der verbotenen Zone um Tschernobyl.

Thomas Adam, Leiter der Geschwister-Scholl-Schule, hört so etwas natürlich gar nicht gern, weil er dadurch das Renommee seines Hauses gefährdet sieht. Man könnte sich allerdings auch fragen, warum er angesichts der Probleme mit dem Schulgebäude nicht schon vor Jahren erheblich lauter in der Öffentlichkeit um Hilfe gerufen hat.

Die Ehemaligen in der Bütt

So richtig ins Rollen gekommen ist die Schulsanierung durch die Alumni der Geschwister-Scholl-Schule, eine Vereinigung ehemaliger Schülerinnen und Schüler, die in den letzten Wochen erheblich Dampf gemacht hat. Bürgermeister Andreas Osner hatte deshalb Hansjörg Müller als Vertreter dieser Gruppe eingeladen, der zu einem der ersten Abschlussjahrgänge der Schule gehörte.

Osners Auftritt hatte allerdings etwas Gespentisches, denn er wies Müller – nachdem die Verwaltung ihren Standpunkt schlappe vierzig Minuten lang ausgebreitet hatte -, erst einmal öffentlich an, dass er sich kurz fassen solle und maximal fünf Minuten Redezeit bekomme. Woraufhin Osner allerdings selbst erbarmungslos weiterschwadronierte und Müller mit kritischen Fragen bombardierte: Was das überhaupt für ein Haufen sei, ob sie ein Verein seien, wie viele Mitglieder usw. Es gibt selten einen Moment, in dem Unwille und Misstrauen der Obrigkeit engagierten Bürgern derart offenkundig entgegenschlagen.

Zum Glück wies Müller den Herrn Osner gar nicht maulfaul darauf hin, dass dessen ellenlange Suada jetzt aber nicht von seiner, Müllers, knapper Redezeit abgehe – und hatte die zahlreich erschienenen Lacher damit sofort auf seiner Seite. Nach Müllers Angaben wurde die Ehemaligen-Vereinigung im April gegründet und hat bereits rund 200 Unterstützer, Tendenz steigend. Er erklärte, dass der Pflege- und bauliche Zustand der Schule nicht akzeptabel seien und dass es bei Fassaden, Toiletten- und Außenlagen sofortigen Behandlungsbedarf gebe. Ansonsten befand er den Plan der Verwaltung für gut.

Unterricht im Mantel

Eindrucksvoll auch der Beitrag von Gisela Kusche (FGL), die seit über einem Jahrzehnt an der Geschwister-Scholl-Schule arbeitet. Sie berichtete, dass man dort an kalten Wintertagen in der ersten Stunde im Mantel sitzen müsse und es im Sommer vor Hitze kaum aushalte. Lüftung und Heizung funktionierten nicht angemessen. Auch der Plan, sich acht Jahre Zeit für die Sanierung zu nehmen, stieß bei ihr auf Ablehnung: Das bedeute ein komplettes Schülerleben auf einer Schule unter Baustellenverhältnissen, und das sei nicht zumutbar. Vier Jahre seien das Maximum. In dem Ruf nach Beschleunigung der Sanierung wurde sie unter anderen von Anke Schwede (LLK) unterstützt.

Ist ein Neubau die Lösung?

Alexandra Bek vom Gesamtelternbeirat Konstanz schlug einen ganz anderen Ton an: Sie brachte angesichts von ca. 30 Millionen € Sanierungskosten einen Neubau neben dem Schwaketenbad ins Gespräch. Man solle die bisherige Schule irgendwie am Laufen halten, den Neubau schnell vorantreiben und diesen gleich groß genug für den künftigen Bedarf des Neubaugebietes Hafner auslegen. Dann könne man später die Geschwister-Scholl-Schule abreißen und das Gelände mit Wohnungen bebauen. Letztlich sagte Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn zu, die Möglichkeit eines Neubaus und eventuelle Fördermöglichkeiten bis zur nächsten Gemeinderatssitzung einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und auch eine Beschleunigung in Betracht zu ziehen. Er hält allerdings die Sanierung nach seinen Erfahrungen für günstiger als einen Neubau.

Thomas Stegmann, der Leiter des Hochbauamtes, steht einem Neubau und anschließendem Abriss des bisherigen Gebäudes kritisch gegenüber. Es sei schwer vermittelbar, dass man für den Hafner eine neue Schule benötige und gleichzeitig eine alte dem Erdboden gleich mache. Er erinnerte auch daran, dass die halb so große Gemeinschaftsschule ohne Außenanlagen und Inneneinrichtung allein schon 19 Millionen Euro gekostet habe, was die finanzielle Dimension eines Neubaus erahnen lässt. Er hatte das letzte Wort, und dem ist nichts hinzuzufügen: “Im Prinzip brauchen wir Geld!”

O. Pugliese (zuerst bei seemoz erschienen)

Informationen: http://alumni-gss.de/ und https://www.facebook.com/Alumni.GSS.Konstanz/

Warnstreiks bei Kaufland in Konstanz und Radolfzell

KundInnen, die heute und morgen bei den Niederlassungen des Kaufland-Konzerns in Konstanz oder Radolfzell einkaufen wollen, werden sich zuerst einmal mit streikenden Beschäftigten konfrontiert sehen. Die Gewerk­­schaft ver.di ruft an beiden Tagen zum Warnstreik auf, um in der Tarif­runde Druck auf die Handels-Unternehmer zu machen, die seit Anfang April bei wichtigen ver.di-For­de­run­gen beharrlich mauern.

Die Dienstleistungsgewerkschaft will das nach dem Brückentag erwartete höhere Kundenaufkommen nutzen, um auf schlechtbezahlte Jobs und miese Arbeitsbedingungen im Handel aufmerksam zu machen. “Immer längere Öffnungszeiten mit immer weniger Personal” führten zu zunehmender Hetze und Arbeitsdruck, heißt es im Streikaufruf. Dazu zahlten Einzelhandelsbetriebe häufig kein Tarifgehalt, was für viele Beschäftigte “Armut trotz Arbeit” bedeute. “Auch wir im Einzelhandel brauchen mehr Geld und sichere Tarifverträge. Die Konzernherren schwimmen im Geld – und wir ersaufen in Arbeit!”

Neben einer Einkommenserhöhung von 6 Prozent für alle Beschäftigte und 100 Euro mehr monatlich für Auszubildende will ver.di deshalb den Handels-Unternehmern einen tariflichen Mindestlohn von 1900 Euro abtrotzen, verbunden mit der Verpflichtung, Tarifverträge generell als verbindlich anzuerkennen. Vor allem gegen die Festlegung einer Mindestlohngrenze in Verbindung mit der Tarif-Verbindlichkeitserklärung wehren sich die Arbeitgeber seit Beginn der Verhandlungsrunden am 1. April mit Zähnen und Klauen.

Stattdessen boten sie nach langem Zögern eine “verstetigte Einmalzahlung” von 150 Euro jährlich an, die für die vielen Teilzeitbeschäftigten zudem nur anteilig gelten soll. Ansonsten will man die Belegschaften mit gerade mal 1,5 Prozent mehr Geld ab dem 1.6. abspeisen und 2018 den Einkommenszuwachs gar auf 1 Prozent deckeln. Ein Angebot, das angesichts der erwarteten Teuerungsraten allen Beschäftigten Reallohnsenkungen zumuten würde, Lohnuntergrenze und Tarifverbindlichkeit hätten sich die Unternehmer damit erneut vom Hals geschafft.

Eine Ohrfeige für die Lohnabhängigen im Einzelhandel also, die ver.di nicht hinnehmen will. Verhandlungsführer Bernhard Franke: „Die Arbeitgeber wollen eine Senkung der Reallöhne durchsetzen, obwohl im Einzelhandel immer mehr Beschäftigte kaum noch von ihren Löhnen leben können; das Prinzip arm trotz Arbeit mit programmierter Altersarmut breitet sich aus. Das werden sich die Beschäftigten nicht gefallen lassen, die Streiks werden mit Nachdruck fortgesetzt.“

Schon am 31. Mai, dem Brückentag nach “Himmelfahrt”, hatte die Gewerkschaft deshalb mit einer Warnstreikwelle Druck gemacht. Landesweit nutzten Einzelhandels-Belegschaften die umsatzstarken Tage, um mit Aktionen und Arbeitsniederlegungen dem Ärger über das schlechte Angebot der Arbeitgeber Luft zu machen. Rund 1300 baden-württembergische Handelsbeschäftigte traten ganztägig in den Ausstand, auch in den folgenden Wochen kam es landauf, landab immer wieder zu Streiks.

Jetzt haben die Proteste auch die Region erreicht. Am Freitagmorgen werden die Streikenden vom Radolfzeller Kaufland aus zum Bahnhof ziehen und den Zug nach Konstanz besteigen. Vor der dortigen Niederlassung wollen die Beschäftigten beider Standorte auf ihre Anliegen aufmerksam machen und mit Flugblättern PassantInnen und KundInnen informieren, bevor sie den ersten Tag ihres Arbeitskampfs um 11 Uhr mit einer Streikversammlung vor dem DGB-Haus in der Beyerlestraße beenden. “Wir arbeiten flexibel jeden Tag von frühmorgens bis spätabends und erarbeiten für unsere Läden beste Umsätze. Für diese gute Arbeit erwarten wir Respekt und eine entsprechend faire und gerechte Bezahlung”, fasst das Streikflugblatt das Anliegen der Beschäftigten zusammen. Sie haben unsere Unterstützung mehr als verdient.

J. Geiger

LINKE lädt ein: Alle Menschen werden Brüder und Schwestern?

Brexit, Griechenland, Rechts­extremismus und Flucht sind nur ein paar der Herausforderungen, vor die sich die Europäische Union im Moment gestellt sieht. Und auch für uns LINKE ist die Frage nach der Zukunft Europas eine drängende. Ist die EU nun ein Friedensprojekt oder eine Militarisierungsmaschine? Braucht sie einen “Neustart” oder ein “Weiter so!”? Müssen wir die Grenzen öffnen oder uns abschotten? Wir möchten mit euch darüber diskutieren. Daher laden wir alle Interessierten zu unserer offenen Diskussionsrunde am kommenden Mittwochabend in die Seekuh-Bar ein. Wir freuen uns auf euch!

Mittwoch, 21. Juni 2017, 19.00 Uhr, Konstanz, „Seekuhbar“ (Konzilstr. 1)