Prozess um Lohndumping: Unternehmer entgehen Strafe

Autor | 8. Oktober 2015

Cherisy-BaustelleGestern endete der Arbeitsgerichtsprozess um Lohnbetrug auf einer Baustelle des Chérisy-Studierendenheims, vorläufig zumindest. Ein Arbeiter hatte gegen einen Subunternehmer geklagt, weil er ihn für einen Dumpinglohn schuften ließ, den er ihm dann noch über Monate vorenthalten haben soll. Gestern fand vor dem Arbeitsgericht Radolfzell der Prozess einen vorläufigen Abschluss. Die entscheidende Frage, ob ein Subunternehmen auf der Chérisy-Baustelle Lohn vorenthalten und Mindestlöhne nicht gezahlt hatte, wurde dabei leider nicht entschieden. Denn die eigentlich beklagte Firma hat inzwischen Insolvenz angemeldet – ein im Baugewerbe längst übliches Verfahren, um Regressansprüchen zu entgehen.

Der Kläger konnte auch zu diesem Gerichtstermin nicht erscheinen – er musste auf dem Bau schuften. Stattdessen vertrat Rechtsanwältin Reinke seine Position. Für die Gegenseite trat Assessor Gundacker vom Verband Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V., dem zuständigen Arbeitgeberverband, auf. Er vertrat die Willhelm Füssler Bau GmbH, die Generalunternehmerin hinter dem Bauvorhaben im Chérisy-Gelände (s. Foto). Die eigentliche Beklagte, die SEN Bau GmbH, hat inzwischen Insolvenz angemeldet. Für eine weitere Beklagte, die ZB Bau GmbH und eigentliche Vertragspartnerin der Willhelm Füssler Bau GmbH, war niemand zugegen. Ein wahrliches Gewirr an Beteiligten, wie häufig bei Streitigkeiten des Baugewerbes – Subunternehmerschaft ist hier mittlerweile mehr Regel denn Ausnahme, um gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen zu umgehen.

Gestritten wurde noch über Differenzvergütungen aus den Monaten November 2014 bis März 2015. Der Kläger machte geltend, mehr Stunden gearbeitet zu haben, als tatsächlich abgerechnet wurden. Die Arbeitgeberin, die SEN Bau GmbH, konnte (bzw. wollte) zur Frage, wieviele Stunden tatsächlich gearbeitet wurde, nichts beitragen, weil sie dank Insolvenz natürlich nicht auf dem Parkett erscheinen mußte. Übrig blieb die Generalunternehmerin, die schlicht alle Ansprüche mit Nicht-Wissen bestritt. Dies steht ihr nach wohl herrschender Rechtsprechung offen.

Im Ergebnis durfte deshalb ungeklärt bleiben, ob tatsächlich unbezahlte Arbeit geleistet wurde. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag des Baugewerbes (Mindestlohn-TV II Bau) und der damit verbundene Rahmentarifvertrag Bau sehen eine Ausschlussfrist vor. Beim Verstreichen der Ausschlussfrist ohne vorherige Geltendmachung möglicher Ansprüche verfallen diese. So war dies wohl auch im vorliegenden Fall. Auch § 3 MindestLohnGesetz konnte die Ansprüche nicht mehr retten. Danach sind Ausschlussfristen nur soweit unwirksam, soweit damit der gesetzliche Mindestlohn abbedungen wird. Der Kläger erhielt angeblich zumindest 8,50 €/Std., auch für die von ihm geltend gemachten Arbeitszeiten. Damit wurde gerade die interessante Frage des Prozesses nicht geklärt: Hat die SEN Bau GmbH Lohndumping betrieben?

Die Parteien verglichen sich widerruflich (Frist zwei Wochen) auf 500 € Abfindung – wobei Assessor Gundacker ausdrücklich darauf verwies, mit diesem Vergleich kein Schuldeingeständnis anzuerkennen. – (Simon Pschorr | red)

 

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