Die erhofften goldenen Berge für die BürgerInnen der Stadt sind bisher ausgeblieben. Vielmehr hat das gerade noch als “Jahrhundertchance” hochgejazzte Bodenseeforum am Seerhein innerhalb weniger Monate seine Qualitäten als das Millionengrab erwiesen, das KritikerInnen schon immer in ihm sahen. Der Gemeinderat bewilligte am Dienstag – wieder in seiner althergebrachten heimeligen Sitzordnung – einen (ersten?) Millionen-Nachschlag. Außerdem gab es Neuigkeiten aus dem Technologiezentrum.
Die Konzilstadt Konstanz verschickte am Mittwoch, dem Tag nach der Gemeinderatssitzung, einen Newsletter, unter anderem zum Thema Geld und Religion. Dort wurde der Sänger und Politiker Oswald von Wolkenstein zitiert:
“Denk ich an den Bodensee
tut mir gleich der Beutel weh.”
Was zur Zeit des Konzils für Reisende galt, trifft heute auch die KonstanzerInnen selbst: Für das gerade eröffnete Bodenseeforum werden schlappe 1,7 Millionen € außer der Reihe fällig. Für die paar Monate, die das Haus im Jahr 2016 in Betrieb war, wohlgemerkt. Die Debatte im Gemeinderat über diesen Zustupf bewies, dass Glaube und Geld auch heute noch viel miteinander zu tun haben.
Die erste Million
Geplant war eigentlich ein Betriebskostenzuschuss von 897 000 €, am Ende wurde es fast doppelt so viel – und es könnte noch schlimmer kommen, denn die Vorlage für den Gemeinderat warnt: “Der endgültige Jahresverlust kann erst im Rahmen der Erstellung des Abschlusses 2016 konkret beziffert werden”. Die jetzigen 1,7 Millionen € sind ein “Abschlag auf den Betriebskostenzuschuss 2016” zur “Sicherstellung der Liquidität des BFK”.
Als Hauptursachen für das Finanzproblem machte man in der Debatte ein unerwartetes Verhalten des Finanzamts in Sachen Vorsteuer, nachträgliche Verbesserungen am Betrieb sowie das Fehlen eines Geschäftsführers, der das Haus erfolgreich vermarktet, geltend. Der Gründungsgeschäftsführer war ja bereits kurz nach Betriebsbeginn ausgefallen, ein Nachfolger wurde gerade erst bestimmt. Anders als von manchen bürgerlichen Lokalschwärmern im Gemeinderat damals leuchtenden Auges prognostiziert, ist das Bodenseeforum offensichtlich alles andere als ein Selbstläufer, sondern eher der kranke Mann am Bodensee. Wunderheiler dringend gesucht.
Entsprechend deutlich fiel denn auch die Kritik von Holger Reile (LLK) aus, der das Nein seiner Fraktion begründete. Er sieht im Bodenseeforum ein Fass ohne Boden und erinnerte daran, “dass wir bei Schulen, Sport und Wohnungsbau um jeden Euro kämpfen”. Wer A sagt, muss nicht unbedingt auch B sagen, gab er zu bedenken. In dieselbe Kerbe hieb Günter Beyer-Köhler (FGL): Er nannte es einen Fehler, dass man damals den Beschluss für das Bodenseeforum übers Knie gebrochen habe und erwartet, dass das Kongresszentrum dauerhaft Verluste schreiben wird. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende ist seine Devise.
Eine glänzende Zukunft
Roger Tscheulin (CDU) warf vor allem Holger Reile vor, er rede das Haus schlecht und mache es runter, vielmehr brauche das Bodenseeforum eine Chance, und der jetzige Verlust sei ja nur eine Folge unvorhersehbarer einmaliger Sondereffekte. Woher er sein Gottvertrauen nimmt, dass da nichts nachkommt, sagte er allerdings nicht. Jürgen Faden (FWK) glaubt gar, das Haus werde der Stadt Konstanz das Geld für all die sozialen Projekte einspielen, die Reile immer wieder fordere. Seine Fans sehen im Bofo also trotz seiner schlechten Zahlen weiterhin den künftigen Goldesel und Jobmotor.
Dr. Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) schließlich machte ihrem Doktortitel alle Ehre, als sie eine intellektuell abgezirkelte sprachliche Differenzierung in die Debatte warf: Das Bodenseeforum habe – anders als von Reile behauptet – in Wirklichkeit keinen “schlechten”, sondern vielmehr einen “mäßigen” Start hingelegt. Die Grünen sprachen aber wieder einmal mit gespaltener Zunge, denn ein Teil der Fraktion stimmte am Ende gegen den Betriebskostenzuschuss.
Am griffigsten war aber wieder einmal der dialektisch gekonnte Redebeitrag von Jan Welsch (SPD): Er outete sich als erbitterter Gegner des Forums von Anfang an, will das Haus aber jetzt auf eine sichere finanzielle Basis stellen, weil alles andere die Stadt noch teurer käme.
Am Ende gab es ein deutliches Votum für den Nachschlag: 29 Ja- standen 6 Neinstimmen sowie 5 Enthaltungen gegenüber. Man darf gespannt sein, wann der nächste außerplanmäßige Millionenbetrag zum Ausgleich irgendwelcher “Sondereffekte” fällig wird. Bis dahin können die Gesundbeter landauf, landab voll der Inbrunst ihren Glauben an die geldspendende Kraft des Bodenseeforums verkünden. Ihr Herr hat ihnen nicht umsonst ein striktes Gebot auf den dornigen Bekehrungsweg mitgegeben: “Du sollst keinen Veranstaltungstempel außer diesem mieten!”
Wieder einmal externe Berater
Die Stadt Konstanz will, was einhellig als vernünftige Idee begrüßt wurde, die neue Marketing und Tourismus Konstanz GmbH (MTK) mit der Erarbeitung eines Veranstaltungskonzepts für Großveranstaltungen beauftragen, dabei allerdings zusätzlich 25 000€ für externe Berater hinblättern. Dies stieß der LLK bitter auf. Holger Reile geißelte die Mittelvergabe an irgendwelche Privaten: “Die Aufgaben bei der Erarbeitung eines solchen Konzepts zählen allesamt zum Kern der städtischen Aufgaben. Es geht um straßenrechtliche, verkehrsrechtliche und vergaberechtliche Fragen – die zu klären, dafür finanziert der Steuerzahler die städtischen Behörden. Und mit jeder externen Beratung wird das ‘interne’ Behörden- und Ämterwissen geschmälert, denn die Berater legen zwar ihre Ergebnisse vor, aber das grundlegende Wissen wird in der Verwaltung gar nicht erst erworben oder geht sogar verloren. Es ist auch beschämend, dass Sie diese Aufgabe zwar richtigerweise der MTK GmbH zuweisen, mit der Beauftragung des externen Büros aber gleichzeitig deutlich machen, dass Sie der MTK das gar nicht zutrauen.” Wesentlich vorausschauender und nachhaltiger wäre es seiner Meinung nach, mehr Stellen zu schaffen, um das nötige Fachwissen in der Verwaltung selbst zu verankern.
Platz fürs Technologiezentrum
Die Verwaltung teilte in der Sitzung auch mit, welche Pläne sie für das Technologiezentrum hegt. Wirtschaftsförderer Friedhelm Schaal berichtete, es sei nicht sinnvoll, noch mehr Millionen in das marode bisherige Areal an der Blarerstraße zu investieren. Inzwischen habe sich überraschend herausgestellt, dass es auf dem ehemaligen Siemens-Gelände an der Bücklestraße bestens renovierte Räumlichkeiten gebe, die für diesen Zweck geeignet seien. Die Stadt verhandele mit dem Eigentümer und sei ganz hoffnungsfroh. Allerdings sollte man dabei nicht vergessen, dass ein robuster Optimismus Schaals Markenkern ist.
Hufeisen wie gehabt
Die letzte Meldung aus dem Gemeinderat betrifft einen Programmpunkt, der nicht auf der Tagesordnung stand: Der Rat ist stillschweigend wieder zur alten Sitzordnung zurückgekehrt. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn Uli Burchardt nicht in der vorherigen Sitzung erklärt hätte, dass es, wie auch immer die künftige Sitzordnung aussehe, auf keinen Fall eine Rückkehr zur alten Sitzordnung geben werde, die sei nämlich die denkbar schlechteste. Ein frisch aufgeschminktes blaues Auge hätte ihm zu Sitzungsbeginn daher bestens zu Gesicht gestanden.
O. Pugliese