Der Traum vom barrierefreien Seezugang

Autor | 27. März 2015

99_Rampen_Logo_Variante2Themen aus dem Sozialbereich geraten im Konstanzer Gemeinderat gern auch einmal in den Hintergrund, wenn eine Pappelallee oder ein Kongresshaus die Gemüter verschatten. In der Sitzung am Donnerstag zeigte vor allem der Bericht des Behindertenbeauftragten Stephan Grumbt, was alles für Menschen mit Behinderung zu tun bleibt und wie die Arbeit für die Betreffenden besser in der Verwaltung verankert werden könnte.

Der Beauftragte für Menschen mit Behinderung sieht sich selbst als Schnittstelle zwischen Bürgern und Verwaltung und hat zudem die Aufgabe, die Verwaltung zu beraten und ihr gelegentlich auch kräftig auf die Füße zu treten, damit Menschen mit Einschränkungen nicht zu kurz kommen. Dabei geht es nicht immer nur um bauliche Maßnahmen, sondern oft werden an den Beauftragten auch soziale Anliegen oder Fragen zu Fördergeldern herangetragen, für die er einen Ansprechpartner in der Verwaltung finden muss. Eine verantwortungsvolle Aufgabe also, die oft Fingerspitzengefühl und meist einiges an Fachwissen voraussetzt. Es geht dabei um eine relativ große Bevölkerungsgruppe: In Konstanz leben 11.000 Menschen mit Behinderung, von denen 4.500 Menschen so eingeschränkt sind, dass sie Begleitung oder Hilfe benötigen.

Serviceseite des Behindertenbeauftragten

Stephan Grumbt zog eine positive Bilanz seiner Arbeit und attestierte der Stadtverwaltung Entgegenkommen und ein offenes Ohr für seine Anliegen. Er betreibt eher eine Politik der kleinen Schritte und verwies auf Erreichtes, das auf den ersten Blick klein erscheinen mag, aber Betroffenen den Alltag wesentlich erleichtere. So gibt es jetzt Zugang für Behinderte mit sieben entsprechend ausgestatteten Plätzen im Scala-Kino, und im Lago-Parkhaus wurde die Beschilderung verbessert. Außerdem richtete eine Aktion mit Aufklebern in den städtischen Bussen das Augenmerk auf die Rampen und der Behindertenbeauftragte hat eine engere Vernetzung mit anderen Behindertenbeauftragten in Gang gebracht

Ein gelungener Service ist natürlich auch eine Internetseite der Stadt, auf der es ausführliche Informationen und Links zu Beratungs- und Selbsthilfeangeboten wie Selfpedia und allen möglichen einschlägigen Serviceseiten gibt. Diese Seite ist denkbar einfach zu finden, man muss nur http://konstanz.de/handicap in die Adresszeile des Browsers eingeben. Es hat sich also einiges getan.

Zukunftsaufgaben

Die richtig dicken Brocken allerdings sind eher Zukunftsmusik. Für Stephan Grumbt wäre ein barrierefreier Seezugang ein Herzensanliegen, und er regte auch einen Generationen-Aktiv-Raum an, der kein Spielplatz für Kinder ist, sondern Menschen aller Altersgruppen und auch den Senioren etwas zu bieten hat. Sein wichtigstes Anliegen aber war die künftige Organisation seines eigenen Jobs als Behindertenbeauftragter. Er selbst erledigt diese Aufgabe ehrenamtlich, und nach seinen Angaben ist das kaum zu schaffen, sondern es bräuchte eine hauptamtliche Fachstelle, die mit einer entsprechend qualifizierten Kraft zu besetzen sei. Es ehrt ihn, dass er gleich darauf hinwies, dass er diese Stelle nicht ausfüllen könne, weil es ihm an der nötigen fachlichen Qualifikation dafür fehle.

Diese Idee wurde von den Gemeinderätinnen und -räten durchaus wohlwollend aufgenommen. Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) erinnerte allerdings daran, man habe den Behindertenbeauftragten damals bewusst nicht als Job in der Verwaltung platziert, weil er unabhängig bleiben und die Außensicht an die Verwaltung herantragen solle. Sie plädierte für ein Modell, in dem es weiterhin den ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten gibt und diesem zusätzlich ein hauptberuflicher, entsprechend qualifizierter Ansprechpartner in der Verwaltung zur Seite gestellt wird, so wie es ja auch eine Gleichstellungsstelle gebe. Hanna Binder (SPD) sprach sich dafür aus, auch beim Landkreis einen Behindertenbeauftragten zu etablieren, denn der fehle dort sehr deutlich. Auch Holger Reile (Linke Liste) ließ deutlich Sympathien für eine Fachstelle erkennen und fragte nach den Erfahrungen, die Menschen mit Behinderung in Konstanz als Touristen machten. Und da zeigte sich, dass Konstanz, das sonst keine Mühe scheut, auch noch das letzte Touristlein in seine Altstadtgassen und Hotelbetten zu locken, hier einigen Nachholbedarf hat. Grumbt verwies darauf, dass es in einer historischen Stadt wie Konstanz natürlich bauliche Grenzen für Barrierefreiheit gebe, aber abgesehen davon sei es vor allem der Mangel an behindertengerechten Hotelzimmern, der von Besuchern beklagt werde. Und hier wusste Grumbt durchaus an die Konstanzer Seele zu appellieren, als er darauf verwies, dass man im Kampf um die Touristen sein Markenprofil auch als behindertenfreundlicher Urlaubsort trefflich schärfen kann.

O. Pugliese

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