GVV-Wohnungen in Singen: Neuer Besitzer kündigt Mieterhöhungen an

Autor | 21. April 2015
Singen, Rathaus

Linke: Stadtverwaltung und Gemeinderat müssen über die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus in Singen reden (Foto: Frank Vincentz (Eigenes Werk), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons).

Das ging schnell: Kaum zwei Wochen, nachdem der GVV-Insolvenzverwalter den Verkauf der bankrotten städtischen Gesellschaft bekanntgegeben hat, lässt der neue Besitzer der 460 Mietwohnungen die Katze aus dem Sack. Nach Informationen des Mieterbunds Bodensee plant die Investorengruppe um den Bietigheimer Immobilienverwerter Oswa Mieterhöhungen für die BewohnerInnen der ehemals städtischen Wohnungen. Das geht aus einem Rundschreiben des Insolvenzverwalters an die betroffenen MieterInnen hervor, das dem Mieterbund vorliegt. Darin kündigt der Insolvenzverwalter an, der neue Besitzer werde die Wohnungsmieten nach einer Schamfrist von einem Jahr “marktgerecht und sozialverträglich” anheben. Eine solche Ankündigung ist natürlich ein Widerspruch in sich: Unter dem Aspekt sozialer Verträglichkeit müßten bei vielen der Betroffenen die Mietpreise eigentlich gesenkt werden, handelt es sich bei ihnen doch zu einem großen Teil um Menschen mit geringen Einkommen. Will der Neueigentümer den BewohnerInnen jetzt aber noch tiefer in die Tasche greifen, wäre das für nicht wenige womöglich existenzbedrohend – in keinem Fall jedoch sozial verträglich.

Völlig zu Recht weist der Mieterbund darauf hin, dass eine solche Aussage auch mietrechtlich unklar sei und dem Besitzer einen weiten Spielraum lasse. “Maßgeblich für eine Mieterhöhung”, so der Mieterbund-Vorsitzende Herbert Weber, sei die ortsübliche Vergleichsmiete, also das, was in Singen für “Wohnungen in vergleichbarem Alter, gleicher Größe, Lage, Ausstattung und Beschaffenheit” berappt werden muss. Solche Kenngrößen seien aber derzeit in der Hohentwiel-Stadt nur schwierig zu ermitteln, weil ein Mietspiegel fehle. Dies führe dazu, dass Mieter nicht nur die Kosten eines unausgeglichenen Wohnungsmarkts, sondern auch das Risiko der unvollständigen Information tragen müssen. „Wem es ernst damit ist, den GVV-Mietern nicht die Lasten der Insolvenz aufzubürden, muss ihnen und der gesamten Stadt ein transparentes Instrument zur Beurteilung der ortsüblichen Miete in die Hand geben“, schreibt Weber in einem Brief an den Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler.

Richtig ist, dass ein kommunaler Mietspiegel zumindest ein gewisses Maß an Transparenz auch für MieterInnen schaffen kann. Ein taugliches Instrument gegen Mietsteigerungen ist er jedoch nur sehr begrenzt, das zeigt nicht zuletzt die Erfahrung in Städten wie Konstanz, wo die Mieten trotz dieses Regulariums kräftig gestiegen sind. Nicht selten hat sich die mit dem Mietspiegel verbundene Absicht, Preissteigerungen zu limitieren, sogar ins Gegenteil verkehrt. Das liegt daran, dass Mietspiegel häufig nur Neuverträge der zurückliegenden vier Jahre berücksichtigen, nicht jedoch Bestands- und Sozialmieten. MieterInnen solcher Wohnungen können sich dann unversehens mit Forderungen ihrer Vermieter konfrontiert sehen, die sich, völlig legal, auf das städtische Vergleichsinstrument berufen. Sollten sich Stadt und Gemeinderat in Singen also dafür entscheiden, einen kommunalen Mietspiegel einzurichten, muss unbedingt darauf geachtet werden, dass alle örtlichen Mieten in das Zahlenwerk einfließen.

Der Partei DIE LINKE geht das angesichts der Zuspitzung der Lage auf dem Wohnungsmarkt in Singen durch den Verkauf der GVV-Wohnungen nicht weit genug. Der Kreisverband fordert eine Grundsatzdiskussion über die Zukunft der kommunalen Stadtentwicklungspolitik. Außer über einen tauglichen Mietspiegel müsse vor allem auch darüber geredet werden, wie dauerhaft preisgebundener Wohnraum in öffentlicher Hand geschaffen und erhalten werden kann. Dafür sei eine städtische Wohnungsbaugesellschaft unumgänglich, die sich, anders als die GVV, ganz auf ihre Kernaufgabe konzentrieren müsse. Auch die verstärkte Förderung genossenschaftlicher Wohnbauprojekte hält die Partei für wichtig. Denn klar ist: Ohne ein verbessertes Angebot an preisgünstigem Wohnraum, das den Verwertungszwängen des Marktes entzogen ist, droht eine weitere Verschärfung der prekären Lage.

Jürgen Geiger

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