Kretschmann-Empfang: Das Beste waren die Häppchen …

Autor | 22. April 2015

Kretschmann-Empfang-1Am 20. April stattete Ministerpräsident Kretschmann mitsamt seinem Kabinett Konstanz einen Besuch ab. Zusammen mit OB Burchardt lud er zu einem sogenannten Bürgerempfang ins Konzil. Der Plan: Politik und ihre Akteure hautnah präsentieren.

Aber die Anmeldezahlen via Internet und Telefon blieben mäßig. Zu wenigen war bekannt, dass für den Einlass grundsätzlich eine persönliche Einlasskarte benötigt wurde, die nur unter Preisgabe aller persönlichen Daten, einschließlich E-Mail-Adresse, beim Land beantragt werden konnte. Weil die Veranstaltung ansonsten vermutlich äußerst mickrig ausgesehen hätte, wurden Passanten und sonstige wartende Gäste vor den Toren des Konzils mit Lichtbildausweis eingelassen. Auch so war der Konzilsaal nicht gefüllt. Was lernt man daraus: Wenn man die Bürgerinnen und Bürger einladen möchte, dann sollte man die Einladung auch medienwirksam verkünden, anstatt sie nur auf der eigenen Website zu posten.

Wer nun allerdings ein Podium mit Bürgerdiskussion und Bürgerdialog erwartete, wurde heftig enttäuscht. Nicht einmal die Gesprächsbereitschaft einer Ilse Aigner – reden lassen, dann anders entscheiden – zeigte unsere Landesregierung, stattdessen ergingen sich zuerst OB Burchardt, dann Winfried Kretschmann in Lobhudeleien ob ihrer eigenen Arbeit.

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Ganz ohne Störgeräusche ging der Empfang nicht über die Bühne: Protesaktion vor dem Konzil gegen TTIP …

Herr Burchardt betonte zum wiederholten Male die Bedeutung des Konzils und der Konzilsfeierlichkeiten für die nachbarschaftlichen Beziehungen. Er scheint dieses Jubiläums partout nicht müde zu werden …

Interessanterweise rekurrierte er nach dem Verweis auf das gemeinsame Wirtschaftskonzil mit Schweizer Unternehmern auf die EU-Außengrenze, die mitten durch die Konstanzer Altstadt verläuft. Man müsse ja auch einmal erwähnen, dass es sich ebenfalls um eine NATO-Außengrenze handele! Als unbedarfter Zuhörer mochte der Eindruck entstehen, Konstanz befände sich im konstanten militärischen Ausnahmezustand. Allein die passende Autobahn fehle noch, so dass Uli Burchardt noch einmal auf den Ausbau der B33 zwischen Konstanz und Markelfingen pochte.

Der Ministerpräsident knüpfte direkt an die Äußerungen des Oberbürgermeisters an. Mehrmals bezeichnete er Baden-Württemberg als zentralen Wirtschaftsstandort der Bundesrepublik. Diesen Status dürfe man nicht einbüßen, somit müsse alles für die Wirtschaft getan werden. Nach seinen Angaben konkurriere Baden-Württemberg ja nicht etwa mit Mecklenburg-Vorpommern, sondern mit international bedeutsamen Wirtschaftsstandorten – China, Singapur, Japan, Silicon Valley etc. Ich bin mir sicher, sein mecklenburgischer Amtskollege Sellering (SPD) wäre nicht gerade glücklich, wenn er hörte, sein Land sei kein bedeutsamer Wirtschaftsakteur.

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… und die Flüchtlingspolitik der Landesregierung (Fotos: Nico).

Daraufhin forderte er die Europäische Union auf, das Ertrinken von Flüchtlingen im Mittelmeer zu unterbinden. Dabei ließ er offen, wie er sich eine solche Rettungsaktion vorstellt. Kretschmann ist schließlich der grüne Ministerpräsident, der mehrmals im Bundesrat Mehrheiten für erhebliche Verschärfungen des Asylrechts gestützt hat. Der sogenannte Asylkompromiss, also die schutzlose Abschiebung von beispielsweise Sinti und Roma, die in den Balkan-Herkunftsstaaten Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien systematischen Verfolgungen ausgesetzt sind und gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren, ist nicht zuletzt wegen seiner Zustimmung zustande gekommen. Eine konsequente Flüchtlingspolitik, die Menschen in Not mit offenen Armen empfängt, anstatt Grenzen abzuriegeln und Flüchtlinge in ‚gute‘ Kriegsflüchtlinge und ‚schlechte‘ Wirtschaftsflüchtlinge zu klassifizieren, ist der einzige Weg, das Massensterben im nassen Grab Mittelmeer zu beenden. Mit Rigidität und inhaltlicher Verknappung der Asylverfahren wird ein menschliches und gerechtes Asyl nicht erreicht. Wieder einmal zeigt sich: Es ist einfach, den schwarzen Peter nach Brüssel abzuschieben. Selbst Verantwortung zu übernehmen, gestaltet sich im Gegensatz dazu äußerst schwierig.

Nach den langatmigen Redebeiträgen sollte eigentlich Gelegenheit zum Gespräch mit den Ministern und Ministerinnen sowie dem Ministerpräsidenten geboten werden. Leider positionierten sich diese am Rand der Bühne im Konzilsaal und verteilten sich nicht im Raum. Unweigerlich bildete sich eine gewaltige Traube, durch die kein Durchkommen möglich war. Ein vernünftiges, längeres Gespräch zu führen, war aussichtslos. Summa summarum: Das Einzige, was sich an diesem Abend wirklich gelohnt hat, das waren die Häppchen …

Simon Pschorr

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