Schöner Wohnen für Studierende: Fehlen nur noch Minibar und Whirlpool

Autor | 10. September 2015

Studiwohnheim-Cherisy-GrundrissEin Immobilienunternehmen lässt Online für ein “vollmöbliertes Zweizimmer-Apartment … im Studentenwohnhaus Campus Konstanz” werben, das zum Wintersemester 2015 “ausschließlich an Studierende der Konstanzer Hochschulen” vermietet werden soll. Der Mietpreis für 58 Quadratmeter – kein Witz: schlappe 1200 Euro. Ein Skandal in mehrerlei Hinsicht und mit Ansage, nicht nur wegen der in der Stadt herrschenden Wohnungsnot, unter der ja gerade Studierende, Leute mit niedrigen Einkommen und Flüchtlinge leiden.

Marco Radojevic, Linke-Mitglied mit Sitz im Studierendenparlament der Uni, ätzt angesichts dieses umwerfenden Angebots zutreffend: „1200 € für 58m². Tolle Wohnung für eine studentische Wohngemeinschaft. Ich muss sogar nur 45 € Aufpreis zahlen, um meine Limousine dort zu parken. Leider fehlt mir die eingebaute Minibar und der Whirlpool. Aber gut, man muss auch an die sozial Schwachen denken. Toll, dass in Konstanz so viel für Studierende mit kleinem Geldbeutel gemacht wird.“

Altersstammsitz für Pensionäre?

Bei der Immobilie, in der das hochpreisige Studidomizil angeboten wird, handelt es sich übrigens um das Gebäude in der Chérisy Straße 2, das schon mehrfach in der Kritik stand: Zunächst gab es Proteste der Anrainer_innen, die eine ungehörige Verdichtung ihres Areals vorhersagten – was jetzt auch eingetreten ist. Und die überdies davor warnten, dass hier Appartements nur für betuchte Studenten entstehen würden – was jetzt ja ebenfalls eingetreten ist. Die darüber hinaus schließlich befürchten, dass nach Ablauf einer Schamfrist die Wohnungen als Altersstammsitz für wohlhabende Pensionär_innen verscherbelt werden sollen – was noch abzuwarten bleibt.

Schuften für Hungerlöhne?

Und es ist das Gebäude, auf dem zumeist ausländische Bauarbeiter für Elendslöhne schufteten, die ihnen kriminelle Unternehmer dann oft wochenlang nicht auszahlten. Vor dem Arbeitsgericht in Radolfzell sind dazu noch zwei Verfahren anhängig – der nächste Verhandlungstermin ist am 7. Oktober um 14 Uhr. Dieser Skandal hatte übrigens auch zur Folge, dass das Richtfest von zahlreichen Honoratioren boykottiert wurde – der Uni-Rektor, der Baubürgermeister und Vertreter des Studentenwerks seezeit allerdings machten folgsam ihre Diener.

Kommentar von LLK-Stadträtin Anke Schwede dazu: “Wucherpreise in der Chérisy, wie vom gleichnamigen Bürgerprojekt vorhergesagt. Immer, wenn man denkt, dreister, gieriger und schamloser geht’s nicht mehr, wird man eines Besseren belehrt. Ich erinnere mich noch gut, wie Roland Jerusalem, ehemaliger Leiter des Konstanzer Amts für Stadtplanung und Umwelt, anno 2011 im Kula-Saal das Projekt anpries und alle Einwände (zu massiv, zu teuer, Verlust der Grünflächen, Verkehrsprobleme, später Seniorenresidenz für Gutbetuchte?) wortreich vom Tisch wischte. Die Linke Liste hat das umstrittene Projekt von Anfang an kritisch begleitet und bei der entscheidenden Abstimmung dagegen gestimmt.
Auf der diesjährigen Mai-Gemeinderatssitzung wurden meine Fragen: ‚Was will die Stadtverwaltung unternehmen, um die Lohnbetrug-Vorwürfe aufzuklären? Welche Konsequenzen zieht die Stadtverwaltung aus den skandalösen Vorgängen für die Zukunft? Können ähnliche Zustände für die städtischen (Groß-)Baustellen, zum Beispiel am Klinikum, sicher ausgeschlossen werden?‘ nur schmallippig beantwortet. Das beträfe die Stadtverwaltung nicht, das sei allein Sache des Zolls. Und: auf den städtischen Baustellen ginge alles mit ‚rechten Dingen‘ zu, Mindestlohn inklusive, hieß es.
Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube …”

Verantwortung – Fehlanzeige

Für die Stadtverwaltung und die bürgerliche Gemeinderatsmehrheit sind die Vorgänge um das Projekt und die Mietpreise, die für die schicken Domizile in der Chérisy verlangt sollen, eine schallende Ohrfeige. Versprochen hatte man die Linderung der studentischen Wohnungsnot, herausgekommen sind Buden für Gutbetuchte, die sich kaum ein Studierender wird leisten können. Dass durch die Vergabe der öffentlichen Aufgabe Wohnheimbau an private Profitgeier dazu noch Arbeitsverhältnisse in Kauf genommen wurden, die nur als moderne Sklavenarbeit bezeichnet werden können, macht das Neubauprojekt vollends zum Skandal. Unerträglich, dass sowohl die Stadt als auch die Universität und das Studentenwerk keine Konsequenzen aus diesen Umtrieben ziehen wollen, die bei der Vergabe eigentlich öffentlicher Aufgaben an Private gang und gäbe sind. In einer der letzten Sitzungen des Gemeinderates von Stadträten der Linken Liste Konstanz darauf angesprochen, wies die Verwaltung jede Verantwortung, zumindest für die Kontrolle solch miserabler Arbeitsbedingungen, weit von sich. – MR/hpk/jüg

 

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