Shoppingmall am Bahnhof? Singen kann anders!

Autor | 30. Oktober 2015

Singen muss lebenIn Singen formiert sich Widerstand gegen die Pläne der Stadt, den Hamburger ECE-Konzern am Bahnhof ein gigantisches Einkaufszentrum errichten zu lassen. Während der Bau für Oberbürgermeister Bernd Häusler ausgemachte Sache zu sein scheint, und auch aus dem Gemeinderat bislang nur Zustimmung signalisiert wird, mehren sich nun zunehmend kritische Stimmen.

DIE LINKE hatte schon früh vor den Risiken für die Stadt, den Einzelhandel und die Beschäftigten gewarnt, die ein solcher Konsumtempel mit sich bringen würde. Inzwischen scheinen auch immer mehr Singener EinzelhändlerInnen die Gefahren zu erkennen, die ein solch übermächtiger Konkurrent für ihre Existenz bedeuten würde. Die im City-Ring zusammengeschlossenen Geschäfte haben jüngst in einem in großer Auflage verteilten Flyer ihre Ablehnung der ECE-Pläne bekräftigt. Und auch die Gewerkschaft ver.di warnt vor drohenden Arbeitsplatzverlusten und einer Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen. Der Steuerberater Peter Mannherz – LINKE-Mitglied und Ersatzkandidat für die Landtagswahl im Wahlkreis Singen – zu den Gefahren der ECE-Pläne, den Möglichkeiten, sie noch zu durchkreuzen, und denkbaren Alternativen. – jüg


Neben den Argumenten um Einzelhandel, Kaufkraft und Geld wird von den Befürwortern von immer mehr und ausufernden Einzelhandelsflächen suggeriert, dass Singens Innenstadt nur dann attraktiv ist und bleiben kann wenn möglichst viel Verkaufsfläche geschaffen wird.

OB Häusler erklärte, er wolle „auch weiterhin eine pulsierende Innenstadt mit Strahlkraft.“ Die Umlandstädte „schlafen nicht“, warnte Häusler. Das vergrößerte Radolfzeller Seemaxx sauge künftig verstärkt Singener Kunden ab.

Wieso sollen Singens Bürger nicht auch in Radolfzell und Konstanz einkaufen gehen? Beim militärischen Wettrüsten gab es – historisch gesehen – immer Krieg oder gigantische Pleiten. Das Wettrüsten der Verkaufsflächen geht auch zu Lasten der Bürger. So als ob urbanes Leben nur beim Einkaufen möglich wäre.

Gleichzeitig wird die Stadt ausschließlich autogerecht umgebaut. Shoppingmall und Parkhäuser fressen letzte frei verfügbare Flächen in der Innenstadt.

Ich kenne eine Menge Konstanzer, die genug davon haben, dass der Verkehr die Innenstadt immer wieder lahm legt. Auf der Strecke bleibt öffentlicher Raum für Leben, Kultur und Freizeit. Braucht das Singen wirklich? Singen kann anders!

Die demokratische Verfügung und Kontrolle über ein großes Areal des vormals öffentlichen Raumes wird dem privaten Betreiber der Einkaufsmall überlassen. Immerhin soll die Thurgauer Strasse dem Center einverleibt werden. Der Durchgang durch die Mall soll nur zu Öffnungszeiten möglich sein – kontrolliert durch das private Sicherheitspersonal. In einer Fußgängerzone gilt öffentliches Recht und nur in den Geschäften das Hausrecht. Demokratische Kontrolle im Öffentlichen Raum – ade!

Kann Singen anders?

Nach dem GVV-Desaster mit Hegau-Tower, Derivatspekulationen und sonstigen „Sünden“ sowie den skandalösen Vorgängen um den Kauf des Kunsthallenareals durch die GVV und letztlich ihrer Pleite meint die Stadtverwaltung wohl, jetzt endlich einen baupolitischen „Erfolg“ vorzeigen zu müssen. Ein wirklicher baupolitische Erfolg wären neue und bezahlbare Wohnungen in der Stadt!

Es soll nicht mehr über das „Ob“ (ob die vorgelegten Pläne überhaupt sinnvoll sind), sondern nur noch über das „Wie“ gesprochen werden, und das ganz transparent…

Diskutieren wir also nur noch über die Form der Fassade der Einkaufsmall ? Sind Singens Bürger wirklich so unmündig?

Die künftige Stadtentwicklung, es geht um 6.622 Quadratmeter im Besitz der Stadt, soll privaten Investoren, deren Geldvermehrungszielen und dem Profit geopfert werden.

So kommt die Globalisierung endgültig in Singens Innenstadt an. Eine Mall für Finanzinvestoren und noch mehr Konsumschrott in der Innenstadt, hauptsächlich produziert mit Billigstlöhnen in der sogenannten Dritten Welt, ohne Rücksicht auf soziale Belange und die Umwelt. Wohnen und Leben in einer pulsierenden Innenstadt? Fehlanzeige!

Vorteile von den völlig überdimensionierten Plänen à la Hegau-Tower werden nur wenige haben. Mögliche und nicht mehr umkehrbare Nachteile tragen dann viele, nämlich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt.

Die Erlöse aus dem Verkauf der städtischen Grundstücke (Zollareal) werden dann in eine – dem ECE-Investor genehme – Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes fließen. Kostenpunkt: mindestens 8 Millionen Euro.

Wollen die Singener wirklich 2.500 zusätzliche PKWs und 100 LKW täglich in der Innenstadt ? Und wo bleiben die Fahrradfahrer im Bahnhofsbereich?

Ist eine noch monströsere Kopie des Konstanzer LAGO in Singen wirklich erstrebenswert ? Der Singener Stadtsäckel wird davon kaum profitieren! Wo bleiben die vielen Singener Bürger mit Ihren Wohnraumbedürfnissen? Die städtischen Grundstücke würden sich doch hervorragend dafür eignen.

Wo bleibt der Ideenwettbewerb um die beste Bebauung dieses Geländes und des Bahnhofvorplatzes? Wurden die Singener Baugenossenschaften schon gefragt ob sie Interesse an einer Bebauung der städtischen Grundstücke am Bahnhof haben?

Alle Fragen, wieso die Stadt Singen das große Sperrgrundstück in ihrem Besitz nicht als Druckmittel in den Verhandlungen mit ECE benutzt, um dort wenigstens eine Mischbebauung durchzusetzen, also Handel mit Wohnen zu verbinden, wurden bisher nicht beantwortet.

Ja, ich weiß: Alle vom Investor und der Stadt vorgelegten Pläne sind alternativlos. So wird es auf jeden Fall dargestellt. Kleiner Bauen gehe nicht, weil ECE dann sofort abspringen würde. Na und, ich halte das für ein Gerücht. Käme doch auf den Versuch an!

Und dann natürlich der fürchterliche „Schandfleck Holzer-Bau“. Er ist nur durch unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen der Hauseigentümer so heruntergewirtschaftet, was sich im Falle des Verkaufes an die ECE noch vergolden ließe. Wenn ECE abspringt, kommen doch neue Investoren, wetten?

Ja, ich wünsche mir eine extern moderierte Bürgerbeteiligung, wo auch noch über das „Ob“ heftig gestritten werden kann und eine lernfähige Stadtverwaltung, die wirklich alles offen hält – und nicht nur über das „Wie“ informiert.

Ja, der Gemeinderat kann noch alles über den Haufen schmeißen. Will er das auch? Macht es Sinn gegen „alternativlose“ Planungen anzurennen? Ja, es macht Sinn. Immer noch besser als alle Pläne der Stadtverwaltung und ihres Chefs im Gemeinderat einfach abzunicken.

Kann Singen anders? Singen kann anders!

Peter Mannherz

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