Städtischer Boden: verpachten statt verhökern

Autor | 31. Juli 2017

Seit Jahren verkaufen deutsche Kommunen den eigenen Grundstücksbesitz meistbietend, wenn es darum geht, private Investoren für Bauprojekte anzulocken. Konstanz bildet dabei keine Ausnahme, auch hier veräußerte die Stadtspitze, gestützt von einer marktgläubigen Gemeinderatsmehrheit, verschiedentlich städtische oder spitälische Grundstücke an Investorengruppen aus der Privatwirtschaft. Gewollt oder ungewollt verzichtet man damit auf ein wichtiges wohnungspolitisches Steuerungsinstrument. Dabei gibt es eine Alternative.

Landauf, landab verscherbeln Städte und Gemeinden ohne Bedenken kommunales Tafelsilber, ganz dem neoliberalen Credo verpflichtet, dass es der Markt bei der Stadtentwicklung schon richten werde. Nicht selten veräußern klamme Kommunen eigenen Grund und Boden auch, um kurzfristig die Haushaltskasse aufzubessern – was sich, in Zeiten stetig steigender Grundstückspreise, schon mittelfristig dann häufig als fatales Minusgeschäft entpuppt, wenn die Flächen von der Kommunalpolitik wieder gebraucht werden.

Vincentius – ein böses Beispiel

Beispiele dafür finden sich auch in Konstanz genügend, so gab der Gemeinderat vor nicht langer Zeit mit satter Mehrheit grünes Licht für den Verkauf des spitälischen Vincentius-Areals an die Immobilienvermarktungsgesellschaft der LBBW, die dort nun gute Geschäfte mit 110 geplanten Wohnungen machen darf. Wohnungs- und sozialpolitische Notwendigkeiten, wie etwa die Beseitigung des eklatanten Mangels an Wohnraum für Geringverdiener*innen, opfert man dabei wie selbstverständlich den Renditewünschen der Anleger.

Dass die Hauptverursacher der Wohnungsnot in Stuttgart und Berlin sitzen, weil die politischen Eliten die Steuermilliarden – wenn überhaupt – lieber für das Florieren der Banken- und Konzernwirtschaft oder die Aufrüstung der Bundeswehr ausgeben, als für Sozialwohnungen, ist unbestritten. Auch ist wahr, dass gerade in Städten wie Konstanz gewünschter Wohnraum teilweise nur über Dritte zu realisieren ist. Diese Erkenntnis enthebt die lokale Politik jedoch nicht der Aufgabe, vorhandene Spielräume zu nutzen, um den Verkauf städtischen Eigentums zumindest zu bremsen, damit nicht die private Immobilienwirtschaft die Wohnungsbaupolitik dirigiert. Und solche Spielräume gibt es.

Erbbaurecht – eine Alternative

Mit dem bundesweit geltenden Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) steht den Kommunen nämlich ein Instrument zur Verfügung, das den Ausverkauf öffentlichen Grunds verhindern kann, auch wenn Bauvorhaben an Externe vergeben werden. Ziel des in den Anfangsjahren der Weimarer Republik erlassenen und in den bundesrepublikanischen Rechtekanon übernommenen Gesetzes war es, den Wohnungsbau zu fördern und Bodenspekulation zu bekämpfen – Aufgaben, die angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen im Immobiliensektor aktueller sind denn je.

Kern des Erbbaurechts ist die Trennung des Grundstücks von den darauf errichteten Bauten. Der Käufer (im sperrigen Juristendeutsch „Erbbaurechtsnehmer“ genannt) erwirbt nicht den Grund und Boden, sondern zahlt stattdessen an dessen Eigentümer („Erbbaurechtsgeber“) einen monatlichen Zins. Dafür darf er auf dem Grundstück eigene Gebäude errichten – oder bestehende kaufen. Die Attraktivität des Modells für den oder die Investor(en) liegen auf der Hand: Direkte Kosten für den Grundstückskauf, sonst ein erheblicher Faktor bei der Finanzierung, entfallen, stattdessen wird ein vertraglich ausgehandelter, monatlicher Zins für eine Laufzeit von maximal 99 Jahre gezahlt (auch kürzere Laufzeiten können jedoch ausgehandelt werden).

Zum Vorteil der Kommune – die Argumente

Und was hat der Grundstücksbesitzer, in unserem Fall die Kommune, davon? Matthias Nagel, der Geschäftsführer des Deutschen Erbbaurechtsverbands, in dem seit 2013 bundesweit wichtige öffentliche und kirchliche Erbbaurechtsgeber zusammenarbeiten, hat in einem Aufsatz einige gewichtige Argumente zusammengetragen:

► „Die Kommune bleibt Eigentümerin des Grundstückes und erhält somit ihr Vermögen auch für spätere Zeiten in sicherer Art und Weise.“ In der Regel vermehre es sich aufgrund steigender Grundstückspreise gar.

► Der regelmäßig zu entrichtende Erbbauzins generiere verlässlich Einnahmen für den kommunalen Haushalt – über die Laufzeit des Erbbauvertrags hinweg.

► Über eine Wertsicherungsklausel lassen sich die Einnahmen gegen inflationsbedingte Wertverluste absichern. Alle drei oder fünf Jahre könne der Erbbauzins so an den Verbraucherpreiskostenindex angepasst werden.

► Die Kommune kann als Eigentümerin „ungünstige Entwicklungen auf ihren Bauflächen verhindern“. Mithilfe des sogenannten Zustimmungsvorbehalts im ErbbauRG kann sie etwa die Ansiedlung unerwünschten Gewerbes unterbinden. „Diese Einflussmöglichkeit gibt es bei einem Verkauf von Wohnbauflächen nur noch in einem sehr eingeschränkten Maß“.

► Schließlich, so Nagel, könne mit dem Erbbaurecht Bodenpreisspekulationen entgegengewirkt werden. „Hier kann aktive Wohnungspolitik betrieben und über das Instrument des Erbbaurechts eine Ansiedlung auch für ,Normalverdiener‘ ermöglicht werden.“ Zudem wirke man beruhigend auf die Bodenpreise in der Kommune ein, „da es keinen ständigen Weiterverkauf des Grund und Bodens mit Spekulationsabsicht gibt.“

Für den Verbandsvertreter ist klar: Habe man es mit hohen hohen Bodenpreisen zu tun (wie in Konstanz der Fall) und wolle man bezahlbaren Wohnraum anbieten (wie in Konstanz dringend nötig), sei das „Instrument Erbbaurecht für Kommunen wohnungspolitisch von Interesse“.

Gute Gründe also für die Konstanzer Stadtverwaltung, sich in der Stadtentwicklungspolitik dieses Instruments nach Kräften zu bedienen, sollte man meinen. Zumal es im Rathaus nicht unbekannt sein kann, vergeben Stadt und Spitalstiftung doch heute schon einige Grundstücke in Erbbaurecht. Trotzdem setzt man unverdrossen weiter auf Verkauf, wenn es um neue Bauvorhaben geht.

Brückenkopf Nord – eine Chance

Aktuell steht wieder so ein Projekt im Fokus der Konstanzer Kommunalpolitik, für das der Technische und Umweltausschuss des Gemeinderats im Februar einen städtebaulichen Investorenwettbewerb beschlossen hatte. Im Stadtteil Petershausen soll auf einer Brachfläche am Brückenkopf Nord neben neuen Parkgelegenheiten ein Mix aus Gewerbe, Handel und Wohnen entstehen, die dafür vorgesehene, rund 35.000 Quadratmeter große Fläche, gehört der Stadt. Das Thema stand auf der Tagesordnung der letzten Gemeinderatssitzung, verhandelt wurde es wieder einmal hinter verschlossenen Türen – unverständlicherweise, ging es doch um die wichtige Frage, wie die Stadt mit einem nicht unbedeutenden Teil ihres Eigentums umzugehen gedenkt. Zu befürchten steht, dass man auch dieses Grundstück wieder an den Investor verhökern will, der im Wettbewerb obsiegt (vulgo: am meisten bietet).

Bei Debatten um solche Themen hört man aus Konstanzer Verwaltungskreisen immer wieder, eine Entwicklung von Flächen im Erbbaurecht sei aufgrund der Kapitalmarktsituation nicht umsetzbar, weil Banken Finanzierungen dieser Art generell ablehnten oder nur deutlich schlechtere Kreditbedingungen anböten. Warnende Stimmen fürchten gar, dass sich im Fall einer Erbbau-Vergabe überhaupt keine Investoren finden könnten.

Angst der Investoren – Mumpitz

Das ist, mit Verlaub gesagt, Mumpitz, wie allein schon der Blick auf die Praxis in anderen Städten des Landes zeigt. Denn bei Grundstücksgeschäften bundesdeutscher Kommunen deutet sich in den vergangenen Jahren fast schon so etwas wie eine Renaissance des Erbbaurechts an. Galt es lange in erster Linie als Instrument, auch dem einkommensschwächeren Mittelstand zum erträumten Eigenheim zu verhelfen, erkennen nun immer mehr Gemeinden, dass sich auf diesem Weg auch Mietwohnprojekte realisieren lassen. In zahlreichen deutschen Städten, darunter Frankfurt am Main, Hamburg und andere Großstädten, bedient sich die Kommunalpolitik schon länger dieses Instrumentariums – auch in Berlin oder Stuttgart wird seit einigen Jahren wieder verstärkt über Ansiedlungen im Erbbaurecht nachgedacht.

Behauptungen, solche Projekte ließen sich mangels Investitionswilliger nicht realisieren, blamieren sich also an der Realität. Auch ist keinesfalls richtig, Banken hätten pauschal Vorbehalte gegen die Finanzierung von Erbbaurechtsvorhaben. Benno Kirchhof, Bankmanager und Funktionär des Verbands deutscher Pfandbriefbanken – gerade die Kreditinstitute also, die ihre Geschäfte mit der Beleihung von Immobilien machen – erkannte schon 2009: „Die Trennung des Grundeigentums vom Eigentum an den Gebäuden hat Charme“. Er verweist in einem Beitrag für den Verband einerseits darauf, das Erbbaurecht könne „einkommensschwachen Familien den Zugang zum eigenen Heim“ ebnen, hebt aber auch die Vorteile für gewerbliche Investoren hervor: „Unternehmen können Erbbauzinsen auch steuerlich geltend machen“, während dagegen Grundstücke nach deutschem Steuerrecht nicht abgeschrieben werden dürften. Zudem seien Erbbaurechte sogenannte „grundstücksgleiche Rechte“, die „verkauft und grundpfandrechtlich belastet werden“ können. Kirchhof: „Das ermöglicht grundsätzlich eine preiswerte Finanzierung durch Pfandbriefbanken.“ Auch deshalb, so kann man hinzufügen, weil das Stück Land, auf dem gebaut werden soll, nicht gekauft werden muss.

Paradigmenwechsel ist nötig

Es mag trotzdem durchaus sein, dass sich manche Bank zurückhaltend gibt, weil ihr das Gebäude allein als Sicherheit zu wenig ist. Aus solchen Vorbehalten jedoch abzuleiten, die Entwicklung städtischer Bauflächen auf Basis des Erbbaurechts könne man sich generell schenken, wie das die hiesige Verwaltung tut, ist grob irreführend. Wer den Gemeinderat und die Öffentlichkeit mit solch nachweislich falschen Behauptungen auf die angebliche Alternativlosigkeit der praktizierten Bodenpolitik einschwören will, handelt verantwortungslos. Kurzfristig mag das Verscherbeln öffentlichen Grund und Bodens Geld in die Haushaltskasse schwemmen, einer vorausschauenden Stadtentwicklungspolitik, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert, erweist man damit jedoch einen Bärendienst.

Natürlich würde nicht alles gut, wenn der Ausverkauf kommunaler Grundstücke ein Ende fände; das Hauptproblem sind fehlende staatliche Mittel für Investitionen in den nicht profitorientierten Wohnungsbau. Richtig bleibt auch, dass alle, für die der Ruf nach mehr bezahlbaren Wohnungen nicht bloß rituelles Politikergeschwätz ist, sich stärker dafür einsetzen müssten, dass im städtischen Haushalt endlich deutlich mehr Mittel für den sozialen Wohnungsbau locker gemacht werden. Mit jedem Grundstück, das die Verwaltung veräußert, werden die Spielräume dafür jedoch enger. Voraussetzung für eine soziale Offensive im Wohnungsbau ist deshalb, dass bei der Grundstückspolitik der Stadt ein Paradigmenwechsel erzwungen wird: Wenn schon Überlassung an Dritte, dann nur im Erbbaurecht.

J. Geiger

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