Alles exzellent – oder was?

Autor | 20. Juli 2019

Am letzten Freitag fiel in Bonn die Entscheidung über die zweite Förderrunde der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern. Auch Konstanz wollte selbstredend den Klassenerhalt in der ersten Liga schaffen. Zwei Forschungscluster wurden der Universität in der ersten Auswahlrunde im vergangenen Herbst bereits zugesprochen. Jubeln konnte man auf dem Gießberg nun auch nach der finalen Urteilsverkündung: Die Bildungseinrichtung behält ihren Status. Doch was heißt das eigentlich für die Betroffenen und was bedeutet es für die Verlierer im Wettbewerb um Forschungsgelder?

Selbst mit viel Mühe war es in den letzten Monaten unmöglich, den Vorbereitungen für diesen einen Freitag aus dem Weg zu gehen. Spätestens mit den Maßnahmen zur Einstimmung auf die Vor-Ort-Begehung der GutachterInnen im vergangenen Frühjahr wurden auch die letzten ExzellenzverweigerInnen aus ihren Höhlen gefegt. Entlang des Begutachtungspfads wurde das Universitätsgebäude von Macken befreit, von denen es schien, dass sie bereits seit Dekaden zum festen Inventar gehören.

Informationsveranstaltung zur Begehung, Generalprobe der Begehung und schließlich das Event selbst. Kein Schritt wurde dem Zufall überlassen. Studierende und Angestellte waren detailliert über den Ablauf unterrichtet und dazu aufgerufen, zahlreich und möglichst forschungsenthusiastisch ihre Universität zu repräsentieren. „Die Spinnen, die Konstanzer!“ kommentierten folgerichtig erst kürzlich wieder in der Mensa ausliegende Postkarten, die immer wieder über den Bewerbungsfortschritt informierten.

„They Tried to Make Me Go to My Lab, I Sad No, No, No“

So skurril die Außenwirkungen dann auch manchmal wirken mögen, so ernst ist hingegen das, was hinter der Fassade der motivierten, sich von ihrer besten Seite zeigenden Uni steckt. In der Exzellenzstrategie spiegelt sich die Finanzierungskultur des deutschen Hochschulsystems wider. Die Hochschulen konkurrieren dabei um ausgeschriebene Projektmittel, um die längst nicht ausreichende Grundfinanzierung aufzustocken.

Problematisch ist dabei zum einen der bürokratische Aufwand, den die einzelnen Hochschulen betreiben müssen, um das Spiel mitzuspielen. Denn die Anträge und Bewerbungen wollen wohlvorbereitet sein und die Ausarbeitung von Projektanträgen nimmt damit einen immer größeren Anteil der Arbeit von WissenschaftlerInnen ein. Und andererseits lässt besagtes System nur wenig Planbarkeit zu. Weder für die Hochschulen, die bei jeder neuen Exzellenzrunde um den Verlust des Spitzenstatus fürchten müssen, noch beim wissenschaftlichen Nachwuchs, für den die Lebensgrundlage davon abhängt, und der vor lauter Antragschreiben auch nicht mehr zum Forschen kommt.

„Hier forsche ich. Ich kann nicht anders.“

So zeigt sich bei genauerem Hinsehen auch, dass die Exzellenzstrategie nicht der Heilsbringer für den Hochschulstandort Deutschland ist, für den sie gerne gehalten wird. Bereits das erklärte Ziel, die Förderung der Spitzenforschung, die zur Entstehung von international konkurrenzfähigen „Leuchttürmen“ in der deutschen Forschungslandschaft führen soll, zeigt das. Einerseits lässt sich daraus ablesen, dass die Konkurrenz um Mittel jenseits der Grundfinanzierung gewollt zugespitzt wird. Es geht für Hochschulen bei der Exzellenzstrategie folglich darum, entweder zu den beachteten Leuchttürmen oder zu den Hochschulen zweiter Klasse zu gehören. Während die einen sich also über den Geldsegen freuen können, bleiben die andren chronisch klamm.

Zweitens lassen sich aber auch hochschulinterne Konsequenzen aus der bereits erwähnten Zielsetzung ablesen. Das Ideal von der Einheit von Forschung und Lehre wird hier nicht nur gedanklich aufgelöst. Innerhalb der in den bisherigen Förderlinien erfolgreichen Hochschulen sind mit den geförderten Forschungsclustern Parallelstrukturen entstanden, die sich nahezu ausschließlich der Forschung widmen, während die Lehre in den klassischen Fachbereichen angesiedelt bleibt.

Die an den Clustern beteiligten Wissenschaftler verbleiben zwar weiterhin in ihren Fachbereichen und bereichern auch die Studierenden mit spannenden Forschungserkenntnissen, können sich für ihren Einsatz aber oft über Erleichterungen im Lehrdeputat freuen. Durch die Initiative neu geschaffene Professuren können das Betreuungsverhältnis dennoch nicht aufrechterhalten oder gar verbessern, da sie entsprechend der Kapazitätsverordnungen der Länder auch wieder zu mehr Studienplätzen führen.

„We don’t need no education“

Entsprechend kritisch wird die Exzellenzstrategie unter Studierenden, aber zum Teil auch von einer Vielzahl von WissenschaftlerInnen betrachtet. Anlässlich der heutigen Förderentscheidungen bekräftigen die Studierendenschaften mehrerer noch im Rennen befindlicher Universitäten etwa gemeinsam mit dem Dachverband der Studierendenschaften fzs ihre Ablehnung der Exzellenzstrategie und fordern, dem ressourcenzehrenden Wettbewerb endlich ein Ende zu setzen und den Hochschulstandort Deutschland stattdessen in der Breite zu unterstützen. Unter der langen Kapazitätsbindung während der Antragsphase seien Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre vernachlässigt worden, heißt es darin etwa. Kritisiert wird auch die unzureichende Grundfinanzierung herbeigeführten dauerhaften Befristungen der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen unter prekären Arbeitsbedingungen.

Nicht mitgezeichnet wurde die Erklärung übrigens von der Konstanzer Studierendenvertretung. Zwar finden sich auch dort vereinzelt kritische Stimmen gegenüber dem Förderprogramm, andere freuen sich stattdessen lieber über das Studium an einer Exzellenzuniversität als Bonus im Lebenslauf. Oder über Getränke und Häppchen, die es wie bei den vorherigen Entscheidungen auch am Freitag wieder gegeben hat. Der eingangs erwähnte Rummel ist jetzt jedenfalls endlich erst einmal wieder vorbei.

dsc (Text & Foto)

(Die Zwischenüberschriften sind der Postkartenkampagne der Universität zur Exzellenzstrategie entliehen. Diese stellte den regelmäßigen Informationen über den Verfahrensstand stets abgewandelte Zitate voran.)

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