Das Gewerbe lässt im Gemeinderat murren

Autor | 26. September 2014

ParkverbotNachdem die Stadt Konstanz jahrelang großzügig Bewohnerparkgenehmigungen für Altstadt und Paradies nicht nur an Anwohner, sondern auch an Gewerbetreibende, Hotel- und Ferienwohnungsinhaber ausgab, will sie jetzt ihre Vergabepraxis restriktiver handhaben. Die CDU ließ diesen Punkt gestern von der Tagesordnung des Gemeinderates absetzen. Die geplante Debatte über den Synagogenneubau fiel hingegen dem jüdischen Neujahrsfest zum Opfer.

Manchmal ist auch durchaus interessant, was der Gemeinderat nicht debattiert. Dass es zwischen den beiden in Konstanz ansässigen jüdischen Gemeinden – der orthodoxen Israelitischen Kultusgemeinde Konstanz (IKG) und der liberalen Jüdischen Gemeinde Konstanz (JGK) – kracht, ist ein offenes Geheimnis. Dieser Streit verhindert seit rund einem Jahrzehnt die Übertragung eines städtischen Grundstückes an der Sigismundstraße an die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden (IRG) als Bauherr der seit langem geplanten neuen Konstanzer Synagoge (seemoz berichtete ausführlich), da beide Parteien sich nicht über ihren Anteil an der Synagoge einigen können.

Prost Neujahr!

In der Gemeinderatssitzung am gestrigen Donnerstag sollten der Sachstand geklärt und alle drei Seiten gehört werden, aber während Minia Joneck von der JGK in den Gemeinderat gekommen war, hatten sowohl die IRG als auch die IKG auf den letzten Drücker abgesagt, da der Feiertag Rosch ha-Schana, der jüdische Neujahrstag, heuer auf den 25. September fiel. So wird sich der geplante Synagogenneubau in ein weiteres Jahr hineinschleppen, aber trotz aller Beteuerungen des Konstanzer Gemeinderates, jetzt sei das Ende der Fahnenstange erreicht, wird die Stadt Konstanz sich wohl auch weiter auf geduldiges Setzen immer wieder letzter Fristen beschränken. Holger Reile (Linke Liste) zeigte sich bass erstaunt über das Nichterscheinen der Vertreter der orthodoxen Richtung und sprach von einem wilden „Absurdistan“. Immerhin hat nach seinen Angaben noch am Tag zuvor der vorgesehene Bauträger, die IRG Baden, in einer Pressemitteilung wissen lassen, dass sie sich auf die Gemeinderatssitzung freue. Reiles Fazit: „Entweder hat man bei der jüdischen Dachorganisation nicht gewusst, dass heute ein jüdischer Feiertag ansteht – was ich mir nicht vorstellen kann – oder aber, und das kommt der Wahrheit wohl eher näher: Man ging davon aus, dass das Vorhaben von uns Gemeinderätinnen und –räten einfach durchgewunken und abgesegnet wird. Ich bin nicht mehr gewillt, weitere Warteschleifen zu drehen und unter Umständen wieder jahrelang vertröstet zu werden. Das Maß ist voll und ich beantrage hiermit, dass die Verwaltung umgehend über eine andere Nutzung des Geländes in der Sigismundstraße 8 – Stichwort Wohnungsbau – nachdenkt.“

WORTLAUT: Reile zum Thema Synagogenbau

Langsam, Kolleginnen und Kollegen, gleitet die ganze Angelegenheit in Richtung Absurdistan ab.
Seit rund 10 Jahren beschäftigt uns dieses Langzeitprojekt und wir warten lammfromm und fast schon devot darauf, dass sich endlich etwas tut. Und nun erneut eine Verschiebung. Wir hätten heute gerne von den Parteien gehört, wie sie die vorliegenden Pläne einschätzen und ob sie darin ihre Ansprüche wiederfinden. Die liberale Gemeinde hat trotz des jüdischen Feiertags zugesagt, die orthodoxe aus Glaubensgründen nun doch nicht.
Das verwundert, denn gestern hat der vorgesehene Bauträger, die IRG Baden, noch vollmundig in einer Pressemitteilung wissen lassen, dass sie sich – Zitat – „auf die heutige Gemeinderatssitzung freut“. Zitat Ende. Entweder hat man bei der jüdischen Dachorganisation nicht gewusst, dass heute ein jüdischer Feiertag ansteht – was ich mir nicht vorstellen kann – oder aber, und das kommt der Wahrheit wohl eher näher: Man ging davon aus, dass das Vorhaben von uns ohne Diskussion einfach durchgewunken und abgesegnet wird. Dem ist natürlich nicht so. Diese Pressemitteilung der IRG empfinde nicht nur ich als Versuch, uns unter Druck zu setzen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie, Herr Oberbürgermeister bitten, die IRG aufzufordern, derlei Beeinflussungsversuche im Vorfeld einer Entscheidung zu unterlassen. Denn diese Entscheidung trifft einzig und allein unser Rat und sonst niemand.
Ich bin nicht mehr gewillt, weitere Warteschleifen zu drehen und unter Umständen wieder jahrelang vertröstet zu werden. Das Maß ist voll und ich beantrage hiermit die Verwaltung, umgehend über eine andere Nutzung des Geländes – Stichwort Wohnungsbau – in der Sigismundstraße 8 nachzudenken.

Das Gewerbe macht Druck

Wenn der alte Fuchs Roger Tscheulin (CDU) in seinem unnachahmlich entspannt-näselnden Tonfall zum Satzende hin immer leiser und etwas tiefer säuselt, bis sein Satz in einem dahingehauchten Flüstern à la Gebet einer Jungfrau akustisch erstirbt, sollte der geübte Gemeinderatsbesucher aufmerken, zumal wenn Tscheulin kurz vor der Unhörbarkeit noch Worte wie „in den Ausschuss verweisen“ über seine sanften Lippen säuseln lässt. Dann leitet der CDU-Grande nämlich wieder einmal eine Attacke ein, die einen durchaus menschenfreundlichen Antrag auf dem Umweg über angeblichen zusätzlichen Klärungsbedarf schließlich killt, ohne dass das der Öffentlichkeit allzu sehr auffiele. Meisterhaft hat er so erst jüngst maßgeblich mitgeholfen, die geplante Regelung gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum zur Strecke zu bringen.

Auch gestern bediente er wieder treu sein Klientel – er nannte ausdrücklich das Gewerbe – als er bei der Verschärfung der Vergaberegeln für Bewohnerparkplätze in Niederburg und Paradies an dort nicht wohnhafte Gewerbetreibende eine Verlängerung bestehender Erlaubnisse um noch ein paar Monate forderte und weiteren Klärungsbedarf sah. Es schloss sich eine hinreichende Mehrheit seinem Antrag, die Angelegenheit in den Ausschuss zurückzuverweisen und dort zu klären, an, und so darf man getrost davon ausgehen, dass das Gewerbe sich bald über wesentlich gelockerte Regeln für Park-Ausnahmegenehmigungen freuen kann.

O. Pugliese

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