Gemeinderat: Kirchen-Verein darf sich an städtischem Geld bedienen

Autor | 20. Dezember 2019

Gleich zu Beginn der Ratssitzung am vergangenen Dienstag stellte Holger Reile für die Linke Liste den Antrag, den Tagesordnungspunkt „Erwerb des Portals der ehemaligen Klosterkirche Petershausen“ abzusetzen. Grund: Sowohl im Kultur- als auch im Haupt-und-Finanzausschuss hatte CDU-Stadtrat Wolfgang Müller-Fehrenbach für das Projekt geworben. Ein klarer Fall von Befangenheit, ist er doch selbst Vorsitzender des antragstellenden Vereins „Petershauser Orgelkultur“ der Pfarrei Konstanz-Petershausen. Gemäß Gemeindeordnung hätte er an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen dürfen. Der klerikale Verein will mit der Nachbildung des Portals die ehemalige romanische Klosterkirche Petershausen quasi wiederauferstehen lassen. Eine weitere Planung sieht vor, die Grundmauern der Kirche samt Turm sowie den Altar nachzubauen. Da der Verein dies nicht nur für Gottes Lohn erschaffen will, ging er die Stadt um erkleckliche Fördergelder an. Der LLK-Antrag fand keine Mehrheit, also wurde der Tagesordnungspunkt im weiteren Verlauf der Sitzung beraten und abgestimmt.

Hier der Redebeitrag von LLK-Stadtrat Holger Reile, der unsere grundsätzliche Ablehnung begründete:

„Werte Gäste, Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,

wir werden dem Antrag aus mehreren Gründen nicht folgen. Erstens – und das ist für uns entscheidend: Es geht hier um ein Vorhaben, das überwiegend aus Steuergeldern finanziert werden soll. Wir denken, es wäre Sache des milliardenschweren Glaubenskonzerns Kirche, dieses Projekt mit dementsprechenden Geldmitteln auf den Weg zu bringen – doch von dieser Seite kommt wohl nichts – und das ist eindeutig zu wenig. Wenn ich mich recht erinnere, sind von Seiten der Stadt ja bereits 12.000 Euro für die Fundamentarbeiten geflossen.

Kolleginnen und Kollegen: Die Kirche ist hierzulande der größte private Grundstücksbesitzer und sitzt auf einem immensen Vermögen. Zudem werden über Steuergelder von über 500 Millionen Euro die jährlich üppigen Gehälter für Bischöfe, Kardinäle und höhere sogenannte Würdenträger finanziert. Eine gewaltige Summe, die der Konzern Kirche da einspart. Die Kirchensteuer, die übrigens der Staat eintreibt, bleibt davon unangetastet. Auch das ein Privileg, von dem andere nur träumen können und das längst abgeschafft gehört.

Andererseits: Wie Sie vielleicht der Presse entnommen haben, hat beispielsweise das Erzbistum Freiburg im großen Umfang über Jahre hinweg keine Rentenbeiträge an ihre Mitarbeiter abgeführt – und da traf es fast ausschließlich die geringfügig Beschäftigten und nicht die gut Versorgten ganz oben. So sieht wohl christliche Nächstenliebe im 21. Jahrhundert aus: Die gutgläubigen Ameisen dürfen schuften, damit es den hochgestellten Herren prächtig geht und die Kirchenkassen weiterhin prall gefüllt sind. Da lassen sich – auch das will ich nicht unerwähnt lassen – die durchweg bitteren Sonderausgaben gut verkraften, mit denen man die Opfer des sexuellen Missbrauchs abspeisen möchte – begangen von Kirchenvertretern vor allem an Kindern und Jugendlichen.

Zurück zur Debatte vor Ort: Im Kulturausschuss wurde uns das dafür vorgesehene Areal am Sternenplatz auch als „Aufenthaltsmöglichkeit für die Bevölkerung“ verkauft, an dem man auch Lesungen und Konzerte abhalten könne, dazu Gottesdienste unter freiem Himmel. Das klingt eher nach einem schlechten Witz, denn wer hat schon Interesse daran, an einem der verkehrsreichsten Plätze unserer Stadt einer Lesung zu lauschen oder das „Ave-Maria“ zu trällern?

Vorschlag in Güte: Wenden Sie sich doch, was die noch fehlenden Gelder angeht, an den Kämmerer des Erzbistums in Freiburg.“

Letztendlich wurde ein Zuschuss der von der Stadt in Rechnung gestellten Fundamentierungsarbeiten in Höhe von 18.660,87 € beschlossen. Die weiteren Vorhaben, nämlich die Initiative beim zweiten Schritt zur „Visualisierung“ der ehemaligen Klosterkirche grundsätzlich zu unterstützen sowie Kosten in Höhe von 10.500 € für ein Musterobjekt (Sitzelement) zu übernehmen, lehnte der Gemeinderat allerdings mehrheitlich ab.

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