Kurzstreckentarif für alle!

Autor | 17. November 2019

Am kommenden Dienstag (19. November) tagt der Gemeinderat. Es wird wieder eine lange Sitzung werden, unter anderen Punkten steht unser Antrag „Kurzstreckentarif nicht nur für Smartphone-NutzerInnen“ auf der Tagesordnung. Die Stadtwerke Konstanz wollen unter TOP 20 Auskunft zu ihren Planungen und Strategien zum ÖPNV geben, danach wird über unseren Antrag entschieden. Wir wollen damit erreichen, dass alle Konstanzerinnen und Konstanzer den seit 1. Oktober 2019 geltenden Kurzstreckentarif nutzen können – nicht nur diejenigen, die ein Smartphone nutzen können oder wollen.

Unser seit Jahren vertretenes Ziel „Ticketfreies Busfahren“ bleibt davon freilich unberührt. Hier der Wortlaut des Antrags:

Die Linke Liste Konstanz beantragt, dass der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung Folgendes beschließt:

Antrag

Das seit 1. Oktober 2019 von den Stadtwerken angebotene Kurzstreckenticket im Konstanzer Stadtbusverkehr wird ab sofort auch bei Busfahrern zum Verkauf angeboten. Darüber hinaus wird das Angebot der Fahrscheinautomaten so schnell wie möglich um das Kurzstreckenticket erweitert. Die Verwaltung wird beauftragt, zusammen mit den Stadtwerken die nötigen organisatorischen und technischen Maßnahmen zu ergreifen.

Begründung

Die am 1. Oktober in Kraft gesetzte neue Tarifstruktur der Stadtwerke erweitert das bisherige Fahrscheinangebot um ein um bis zu 40 Prozent verbilligtes Kurzstreckenticket, mit dem die Stadtwerke auf die zunehmende Kritik an zu hohen Preisen im städtischen Nahverkehr reagierten. Die LLK-Fraktion begrüßt den Schritt, für kurze Wege einen verbilligten Fahrschein einzuführen, auch wenn er für die von uns seit langem aus sozialen und ökologischen Gründen geforderte Aufwertung des ÖPNV bei weitem nicht ausreicht. Völlig inakzeptabel ist es aber, dass dieses Ticket ausschließlich online über die Handy-App „Mein Konstanz“ zu kaufen ist, und damit alle ausschließt, die nicht über ein Smartphone oder einen Internetzugang verfügen. Mit dieser Regelung verstoßen die Stadtwerke gegen Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), namentlich gegen die §§ 39 Abs. 1 S. 2, 45 Abs. 2 PBefG in Verbindung mit Art. 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Danach sind von der zuständigen Behörde genehmigte Beförderungsentgelte allgemein verbindlich. Dies hat zur Folge, dass die Tarifgestaltung im Linienverkehr allgemeine Wirkung entfalten und für jedes Beförderungsverhältnis im Rahmen der Genehmigung gelten muss (Heinze/Fiedler/Fehling/Heinze/Fiedler § 39 Rn. 2). Das Gebot der Allgemeinverbindlichkeit hat dementsprechend Anforderungen an die Tarifgestaltung zur Folge: Diese muss den Grundsätzen der Transparenz und Gleichmäßigkeit Genüge tun, um den gleichen Zugang zu Leistungen im Interesse der Daseinsvorsorge sicherzustellen (Heinze/Fiedler/Fehling/Heinze/Fiedler § 39 Rn. 11). Dabei muss bei der Tarifgestaltung insbesondere der Gleichbehandlung wesentlich gleicher Fahrgäste Rechnung getragen werden (Heinze/Fiedler/Fehling/Heinze/Fiedler Vorbemerkungen II Rn. 29, Vorbemerkungen I Rn. 25). Diesen Anforderungen an die egalitäre Tarifgestaltung wird das vorliegende Kurzstreckenticket nicht gerecht. Beim Kurzstreckenticket der Stadtwerke wird unmittelbar zwischen Nutzern ohne und mit Smartphone differenziert. Letzteren wird ein deutlich kostengünstigeres Ticket zugänglich gemacht, das ersteren verwehrt bleibt. Mittelbar ist dies auch eine Diskriminierung nach Alter: Im Vergleich zu jungen Menschen (im Alter von 14–29 Jahren haben 95 %, im Alter von 30–49 Jahren sogar 97 % ein Smartphone1) nutzen Menschen im Alter von über 65 Jahren nur zu 41 %2 ein Smartphone. Es sind also überdurchschnittlich viele Senioren, die vom Kauf ausgeschlossen bleiben. Finanzielle und/oder logistische Gründe können eine solche Diskriminierung nicht rechtfertigen.

Das Kurzstreckenticket in seiner jetzigen Form hat deshalb aus gutem Grund massiven Unmut und Kritik in der Bevölkerung ausgelöst. Als besondere Instinktlosigkeit wird dabei wahrgenommen, dass die Regelung gerade die überproportional trifft, die oft am nötigsten auf einen kostengünstigen ÖPNV angewiesen sind. Insbesondere ältere Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt haben wiederholt über Leserbriefe ihren Unmut über diese Ungleichbehandlung artikuliert. Mittlerweile hat der Stadtseniorenrat ebenso Stellung gegen das exklusive Ticket genommen wie die Initiative „Lebendige Nachbarschaft“. Die LLK fordert, dass gerade Senioren und andere Menschen, die kurze Strecken mit dem Bus zurücklegen müssen, weil sie weniger mobil sind als andere Verkehrsteilnehmer, sämtliche Arten von Fahrkarten auch beim Busfahrer oder an Automaten kaufen können müssen. Das in die Wege zu leiten, hat die Stadt Konstanz als zuständige Genehmigungsbehörde (§ 11 PBefG) und zugleich Mehrheitsgesellschafterin der Stadtwerke Konstanz GmbH alle Möglichkeiten. Dass es auch ohne Smartphone und Standorterfassung geht, machen im Übrigen andere öffentliche Verkehrsbetriebe vor3.

Anke Schwede, Holger Reile, Simon Pschorr
Linke Liste Konstanz


1 Anteil der Smartphone-Nutzer in Deutschland nach Altersgruppe im Jahr 2017, abzurufen unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/459963/umfrage/anteil-der-smartphone-nutzer-in-deutschlandnach-altersgruppe/)
2 Ebd.
3 Vgl. www.vbb.de/Tickets/Einzelfahrausweise-Kurzstrecke; www.ssb-ag.de/Tickets/EinzelneFahrten/Kurzstreckenticket; www.mvv-muenchen.de/Tickets/Tarifstruktur/Kurzstrecke/Index.html; insbesondere mit der vorliegenden Gestaltung unmittelbar vergleichbar Stadt Frankfurt www.vgfffm.de/de/Tarife-Tickets-Plane/Fahrkarten/Einzelfahrkarten.

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