LLK lehnt Haushalt ab: “Das wichtigste Projekt fehlt”

Autor | 15. Dezember 2018

Die Linke Liste Konstanz (LLK) hat den am Donnerstag mit großer Mehrheit verabschiedeten Doppelhaushalt 2019/2020 abgelehnt. Stadtrat Holger Reile begründete in seiner Haushaltsrede das Nein der LLK-Fraktion mit fehlendem Impulsen im Wohnungsbau, einer sozialpolitischen Schieflage und den Folgekosten für das desaströse Pleiteprojekt Bodenseeforum. Ablehnungsgrund war ferner die restriktive Stellenpolitik, die viele kommunale Beschäftigte enorm belastet und unter der zugleich die Wahrnehmung wichtiger Aufgaben leidet. Schon am 4.12. hatte LLK-Rätin Anke Schwede das in den Vorberatungen des Zahlenwerks im Haupt- und Finanzauschuss kritisiert und einen Antrag zur Stellenvermehrung eingebracht. Wir dokumentieren im Folgenden Schwedes Redebeitrag zur Personalsituation und die von Holger Reile gehaltene Haushaltsrede.


Anke Schwede: Beschäftigte geraten an Belastungsgrenzen

Die Stadt Konstanz hat durch die politische und gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre immer mehr öffentliche Aufgaben zu erfüllen und zwar nicht allein wegen des Zuzugs von neuen Bürgerinnen und Bürgern, die vor Krieg und Elend aus ihren Heimatländern flüchten mussten. Bund und Land haben den Kommunen immer mehr Aufgaben zugewiesen, gleichzeitig aber nicht im nötigen Umfang für finanziellen Ausgleich gesorgt. Dazu kommt, dass die Stadt aufgrund ihrer Attraktivität seit Jahren erheblich wächst.

Mit all dem hat die Personalentwicklung nicht Schritt gehalten. Die Folge: Die Beschäftigten geraten teilweise an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit. In der vorletzten Ausgabe des „Konstanzer Wegs“ konnten die Ergebnisse der diesjährigen Mitarbeitenden-Befragung nachgelesen werden, die größtenteils ein positives Bild dokumentieren. Stärken des Arbeitsgebers Stadt sind Arbeitsplatzsicherheit, die Zusammenarbeit mit den KollegInnen und Fortbildungsmöglichkeiten.

ABER: Zu den schwächsten Punkten der 16 genannten Felder gehören die Personalausstattung des jeweiligen Bereiches, Entwicklungschancen in der Stadtverwaltung und die Bezahlung. Um die Zufriedenheit bei der Personalausstattung zu erhöhen und vor allem die Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen zu reduzieren, haben wir eine umfassende Liste zum Stellenplan vorgelegt, über die wir im Folgenden abstimmen werden.


Holger Reile: Dieser Haushaltsentwurf überzeugt uns nicht

Sie erinnern sich: Von der hiesigen Lokalpresse wurden die Gemeinderatsfraktionen ja vor einigen Tagen gefragt, welche Projekte im vorliegenden Haushaltsentwurf für uns, also die politischen Mandatsträger, am wichtigsten seien. Die Frage ist eigentlich falsch gestellt, denn es sollte natürlich darum gehen, welche Projekte für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt von Bedeutung sind.

Zur Sache: Dieser Haushalt enthält keine tauglichen Konzepte für eines der drängendsten Probleme bereit, nämlich die grassierende Wohnungsnot die mittlerweile ein Ausmaß angenommen hat, wie man sich das schlimmer kaum vorstellen kann. Dazu: Das Handlungsprogramm Wohnen greift kaum, sowohl bei der Zahl der benötigten Wohnungen als auch der sozialen Ausgestaltung. Mit ein Grund: Sie setzen weiter hauptsächlich auf den Markt der fast schon kriminellen Geldvermehrung und dabei überwiegend auf profitorientierte Investoren, die das florierende Geschäft mit dem Betongold lockt. Das Beispiel Vincentius-Gelände, neuerdings verträumt Laubenhof genannt, ist nur eines von vielen.

Dabei, das müssten Sie doch längst erkannt haben, kommen aber nur wenige Wohnungen für Gering- und Normalverdiener heraus, sondern überwiegend Domizile für Gut- und Bestbetuchte. Das hat sogar der Südkurier gemerkt, und das will was heißen. Für das Rathaus ist es doch eine schallende Ohrfeige, wenn die aktuelle Erhebung eines bekannten Immobilien-Portals Konstanz erneut die Spitzenposition als teuerstes Pflaster der Republik in Sachen Wohnkosten in Mittelstädten verleiht. Eine bittere Auszeichnung, die für viele in unserer Stadt dramatische Folgen hat.
Obwohl es inzwischen auch dem hartleibigsten Verfechter klar geworden sein müsste, dass die Marktwirtschaft auf dem Wohnungssektor keine Entspannung bringen wird, verzichtet man stur auf eine aktive Rolle in der Wohnungspolitik. Die aber braucht es.

Wohnen muss dem Profitdiktat entzogen werden, und das erfordert mehr Mittel für die städtische Wohnungsbaugesellschaft, das erfordert Mittel für gemeinnützige Genossenschaften, das erfordert Mittel für die Förderung anderer Non-Profit-Projekte. Zudem müsste Geld in die Hand genommen werden, um zumindest für Wobak-Wohnungen einen Mietstopp sicherzustellen. Nur wenig davon sieht ihr Haushaltsentwurf vor. Er erschöpft sich im üblichen Trott: Will heißen: Die Wohnungsbauförderung beschränkt sich weitgehend auf vergünstigte Darlehen, wenigen Zuschüssen für die Wobak und das Studentenwerk. Und das, Kolleginnen und Kollegen, wird nicht reichen.

Dabei sitzt das Geld an anderer Stelle durchaus locker. Das Pleiteprojekt Bodenseeforum, vor dem wir von Anfang an gewarnt haben, kostete die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bis heute schon mehr als 20 Millionen Euro, und trotzdem scheuen sie die Konsequenzen. Wenn es nach einer Mehrheit hier geht, sollen auch weiterhin und Jahr für Jahr zwei Millionen plus X in eine der größten Fehlinvestitionen fließen, die eine Stadtspitze und eine ganz, ganz große Gemeinderatsmehrheit der Konstanzer Einwohnerschaft beschert hat.

Trotzdem planen sie, obwohl schon deutlich kleinlauter, weiter mit dem Eurograb, und schlagen dazu wieder einmal vor, für teures Geld externe Experten zu Rate zu ziehen. Da rollt ein neuer Rohrkrepierer an, haben sie sich doch von ähnlich kostspieligen Experten bereits mehrmals bestätigen lassen, dass die heutige Investitionsruine ein Bombenerfolg wird. Wir sagen: Für dieses völlig überflüssige Renommierprojekt, in dessen Glanz sich wohl Honoratioren aller Schattierungen gern gesonnt hätten, gilt angesichts der desaströsen Folgewirkungen die Weisheit, wonach ein Ende mit Schrecken besser ist als ein Schrecken ohne Ende. Sie bevorzugen leider Zweiteres und spülen weiterhin Millionen in den Seerhein. Im Klartext: Wir brauchen schleunigst und nicht erst kommenden Sommer ein Ausstiegsszenario, das den angerichteten Schaden zumindest nicht zur finanziellen Dauerbelastung macht und Mittel verschlingt, die an anderer Stelle angeblich immer fehlen.

Der vorliegende Haushalt wird auch den sozialen Herausforderungen nicht gerecht. Sie planen mit einer Erhöhung der Gebühren für die städtische Kinderbetreuung um 12 Prozent. Der HFA hat das zwar abgelehnt, mit der Vertagung auf März macht die Verwaltung aber deutlich, dass sie weiter an der Erhöhung festhalten will. Das ist für uns inakzeptabel, denn die frühkindliche Bildung, über deren Bedeutung sie ja auch gerne reden, darf keinesfalls teurer werden, im Gegenteil. Neben der Sicherstellung von Qualität ist die Gebührenfreiheit die zentrale Zielstellung, um allen Kindern von Anfang an den Weg zu guter Bildung zu ebnen. Auch wenn das gegenwärtig in Konstanz nicht umsetzbar ist, weil Bund und Land die Kommunen nicht ausreichend unterstützen, sollten wir doch zumindest in diese Richtung gehen. Heilbronn und unlängst Künzelsau machen vor, dass es geht. So würde auch Konstanz seine Kinder- und Familienfreundlichkeit unter Beweis stellen und zu einer spürbaren Entlastung vieler Eltern beitragen.

Auch in anderen Bereichen der sozialen Infrastruktur weist der Haushaltsentwurf Leerstellen auf. Wer den letzten Erfahrungsbericht zum Sozialpass aufmerksam liest, kommt zu dem Schluss, dass sich in der reichen Stadt Konstanz Armut auf hohem Niveau verfestigt. Danach haben offiziell 5000 Menschen Anspruch auf seine Leistungen, die Dunkelziffer dürfte noch höher sein. Gerade das macht es notwendig, darüber nachzudenken, wie Betroffenen das Leben wenigstens etwas leichter gemacht werden kann. Auch wenn beim Sozialpass einige Verbesserungen durchgesetzt wurden, gilt das für einen ganz wichtigen Bereich nur teilweise – die Mobilität. Wir bleiben dabei: Der ÖPNV sollte, allein schon aus klima- und verkehrspolitischen Gründen – eigentlich generell ticketfrei sein, zumindest aber müssten die Preise deutlich sinken, wie das andere Städte längst umgesetzt haben. Dies für sozial Bedürftige zu realisieren, die jeden Euro umdrehen müssen, ist aber das Mindeste. Die auch ökologisch kontraproduktive Praxis der Stadtwerke, immer wieder die Preise zu erhöhen und diese Verteuerung durchgängig auch an Leute weiterzugeben, die zum Monatsende hin bei Vielem sparen müssen, ist nicht hinnehmbar.

Ebensowenig hinnehmbar ist der Umgang mit den Beschäftigten in der Verwaltung. Denn eine interne Umfrage des Personalrats wirft kein gutes Licht auf die Stadt als Dienstherren. Diese Umfrage bestätigt nämlich, dass die städtischen Mitarbeiter oft am Limit sind. Die Aufgabenfülle hat in den letzten Jahren gewaltig zugenommen, aber die Zahl der Stellen leider nicht. Als öffentlicher Arbeitgeber sollte die Stadt Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern zeigen und für gute Arbeitsbedingungen sorgen. Befristungen von Verträgen stehen dem ebenso entgegen wie der Missbrauch von Auszubildenden als Lückenbüßer, wie in der sogenannten Liste A2 vorgesehen. Dass Sie die Einrichtung von mehr als 30 Stellen, die von den Fachämtern angefordert wurden, schlicht ablehnen, ist eine Fehlentscheidung, unter der auch die Qualität der kommunalen Leistungen leidet.

Denn immer wieder können wichtige Unterfangen nicht angepackt werden, weil die personellen Ressourcen fehlen. Es kann doch nicht sein, dass beispielsweise die schon beschlossenen und dringend nötigen städtebaulichen Maßnahmen am Zähringerplatz auf unbestimmte Zeit verschoben werden, weil kein Personal zur Verfügung steht. Wir von der Linken Liste haben deshalb Anträge zur Stellenvermehrung eingebracht, die Sie aber leider abgelehnt haben. Da stellt sich schon die Frage: Wie wollen sie denn, meine Damen und Herren, beispielsweise die Planungen für den neuen Stadtteil Hafner stemmen, wenn das entsprechende Fachpersonal fehlt? Wir ahnen es schon: Es wird wieder ein Fest für externe Experten werden. Sie sollten dringend darüber nachdenken, was diese Praxis unter dem Strich kostet und vor allem, was dabei herauskommt.

Zum Kapitel Personal gehört auch, dass völlig unverständlicher Weise in Ihrem ursprünglichen Plan die Stelle des Flüchtlingsbeauftragten gar nicht mehr vor kam. Wir und viele andere waren entsetzt, denn der Amtsinhaber hat in den vergangenen zwei Jahren einen guten Job gemacht. Dass in dieser Sache Anträge von uns und anderen nötig waren, spricht Bände über den Stellenwert, den sie der Integrationsarbeit offensichtlich zumessen, diesen Vorwurf kann ich Ihnen nicht ersparen. Moustapha Diop hat in den vergangenen drei Jahren besonders dazu beigetragen, dass Geflüchtete in unserer Stadt vergleichsweise anständig behandelt wurden. Er hat es insbesondere verstanden, als Ansprechpartner für Geflüchtete und Helferkreise gleichermaßen zu dienen. Vornehmlich seinem Beitrag ist es zu verdanken, dass die Integrationsarbeit in Konstanz auf ziemlich stabilen Füßen steht.

Kolleginnen und Kollegen, lassen sie mich abschließend einige Bemerkungen zur finanziellen Lage der Stadt machen. Denn natürlich heben Sie erneut warnend den Finger und mahnen zu finanzieller Zurückhaltung. Richtig ist, dass auch das boomende Konstanz wie fast alle Kommunen immer noch unter einem Investitionsstau leidet, obwohl die Steuereinnahmen bei Bund und Land sich auf Rekordhöhen bewegen. Mit dem Resultat, dass für den Bau oder Unterhalt von Kindergärten, Schulen, sozialen Einrichtungen oder Straßen Millionen fehlen, weil Bund und Land seit Jahren auf Kosten der Städte und Gemeinden sparen und es sträflich unterlassen, für einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu sorgen. So ist es – um nur ein Beispiel zu nennen – ein Armutszeugnis, dass die schon 2016 beschlossene Ausstattung der Hauptschulen mit digitaler Technik – Jahr um Jahr verschoben werden muss, weil versprochene Mittel von der grün-schwarzen Landesregierung nicht kommen.

Fakt ist aber auch: Unbenommen der Sparhysterie steht Konstanz nicht schlecht da. Die in den letzten Jahren regelmäßig erzielten, teils satten Haushaltsüberschüsse sprechen für sich, was ja grundsätzlich erfreulich ist. Aber die Unkenrufe aus dem Rathaus, wenn es um Verbesserungen im sozialen oder ökologischen Bereich geht, hören sich für uns deshalb oft vorgeschoben an. Sie sind auch deshalb wenig glaubwürdig, weil es bisher kein Problem war, Geld für Ihre Lieblingsprojekte locker zu machen. Das aufgeblähte Konziljubiläum etwa, das Bodenseeforum natürlich, oder für das Konstanzer Innovationsareal, KINA genannt – jenes Wirtschaftsförderungsprogramm, das schon im ersten Anlauf beim Land wegen diverser Mängel durchgefallen ist, an dem Sie aber weiterhin festhalten wollen. Schließlich ein Konzilpreis, den die Welt ungefähr so dringend braucht, wie Stuttgart einen Tiefbahnhof. Vorschlag in Güte: Setzen Sie doch bitteschön bei solchen Projekten den Rotstift an, bei Projekten also, die hauptsächlich den Ehrgeiz weniger befriedigen sollen und konträr zu einer sozial ausgewogenen Stadtentwicklung stehen. Tun Sie das, dann haben Sie uns zukünftig mit im Boot.

Nun, werte Damen und Herren, spätestens jetzt dürfte klar geworden sein, dass uns dieser Haushaltsentwurf nicht überzeugt. So wird es Sie auch nicht wundern, dass Sie dafür von uns keine Zustimmung erhalten.

Vielen Dank für Ihre Aufgeregtheit.


 

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