Zaster, Kohle und Moneten: Der neue Haushalt

Autor | 15. Dezember 2018

Eine Haushaltsdebatte, wie sie gestern im Konstanzer Gemeinderat geführt wurde, ist die kommunalpolitische Königsdisziplin, denn in ihr geht es um richtig viel Geld. Im Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre werden rund 600 Millionen Euro verplant; rechnet man die städtischen Betriebe hinzu, kommt man gar auf 1,4 Milliarden Euro. Traditionell dient die Haushaltsdebatte einer Generalabrechnung mit der Verwaltung, doch die fiel gestern – von einer Ausnahme abgesehen – eher lustlos aus.

Der gedruckten Fassung seiner Haushaltsrede, mit der er die Debatte eröffnete, hat Oberbürgermeister Uli Burchardt ein Zitat von Henry Ford vorangestellt: „Es hängt von Dir selbst ab, ob du das neue Jahr als Bremse oder als Motor benutzen willst.“

Nun vermehren sich die Zitate von Henry Ford wöchentlich, ähnlich denen von Lao Zi, also muss man für ihre Echtheit seine Hand nicht unbedingt ins Feuer legen, weil man sie als eigene literarische Gattung betrachten kann, zu der jede/r, der/m danach ist, ihr/sein Scherflein beitragen mag. Aber Henry Ford überhaupt zu zitieren, einen Propagandisten des finstersten Antisemitismus und auch sonst ein Arschloch reinsten Wassers (Hitler 1931: „Ich betrachte Henry Ford als meine Inspiration“), steht einem OB, zumal einem deutschen, nicht unbedingt gut zu Gesicht.

Einige Eckpunkte

Der Haushalt ist ein höchst komplexes Zahlenwerk, und seiner Vorstellung im Gemeinderat gehen bereits zahlreiche Beratungen in den Ausschüssen, eine ganztägige Klausur und andere Aktivitäten voraus. Daher präsentierte Uli Burchardt in seiner Rede neben dem üblichen Eigenlob vor allem Eckdaten. Die Stadt Konstanz steht jedenfalls finanziell gut da, und auch für die nächsten beiden Jahre rechnet die Verwaltung mit einem ausgeglichenen Ergebnis, auch wenn sie dazu ein paar Rücklagen verwenden muss. „Eine Netto-Kreditaufnahme ist im Plan jedenfalls nicht vorgesehen,“ sagte Burchardt.

Ein paar Zahlen, die die Dimension dieses Werkes verdeutlichen mögen: 17 Millionen Euro werden in die Schulen investiert, 10 Millionen in den Tiefbau, 7 Millionen in den Städte- bzw. Wohnungsbau und 6,8 Millionen in die Kitas, insgesamt sollen in den nächsten beiden Jahren 67 Millionen Euro investiert werden. Der Ausbau der Radwege ist mit 0,8 Millionen ein Posten ganz weit hinten, wenn man an die 3,7 Millionen für die Oberstufe der Gemeinschaftsschule oder die 3,2 Millionen für den Kindergarten Jungerhalde denkt. Die 80.000 Euro für die neue Synagoge sind dagegen geradezu Peanuts.

Heftig wird im Vorfeld jeder Haushaltsdiskussion vor wie hinter den Kulissen um neue Stellen in der Verwaltung gerungen. 2020 werden Personalkosten von 64,6 Millionen Euro erwartet, damit machen sie ein Viertel des Gesamtaufwandes aus. Von den insgesamt 58 neuen Stellen gehen 13 an die Kitas und 10,5 an die Feuerwehr, die deutlich ausgebaut werden muss.

Dass der OB blutendem Herzens anmerkte, dass der Gemeinderat mehrheitlich die von der Verwaltung gewünschte („dringend notwendige“) Kita-Gebühren-Erhöhung abgelehnt hat, mag so manches Elternherz tiefer schlagen lassen.

Das größte Bauprojekt

Die Aufteilung der Mittel soll sich in den nächsten beiden Jahren nicht wesentlich ändern: mit jeweils rund 35 Millionen Euro gehen 25 Prozent der Haushaltsmittel an den Bereich Kinder- und Jugendhilfe, vor allem an die Kindergärten. Der Tiefbau bekommt mit 20 Millionen rund 15 Prozent, die Kultur ebenfalls, Schulen schlagen mit 10 Prozent zu Buche, damit ist schon mal die Hälfte weg.

Je nach ihrer politischen Ausrichtung beleuchteten RednerInnen der verschiedenen Fraktionen den Haushalt dann aus ihrer Perspektive. Gisela Kusche (FGL) etwa tadelte, dass die Sanierung des Zähringerplatzes bis 2024 auf sich warten lässt und dass es zwar ein Bürgerbudget, aber kein Jugendbudget für eigene Projekte geben soll. Außerdem forderte sie mehr Stellen in der Verwaltung, wo viele MitarbeiterInnen am Anschlag arbeiten, sowie bessere Radabstellanlagen. Roger Tscheulin (CDU) sprach sich vor allem gegen die Erhöhung von Steuern und Abgaben aus und forderte eine Vereinfachung der Vorschriften für den Bau, damit schneller und billiger gebaut werden könne. Er forderte mehr Wertschätzung für die Unternehmen, weil ja alles Geld zuvor von den Unternehmen und ihren Mitarbeitern erwirtschaftet werden müsse. Jürgen Faden, der für die Feien Wähler in die Bütt stieg, sah die 60 neuen Stellen wegen der Folgekosten kritisch und konstatierte resigniert, dass „man in guten Jahren noch nie einen Haushalt saniert“ habe. Er will, dass trotz der europäischen Vergaberichtlinien die regionalen Unternehmen bei Ausschreibungen bevorzugt werden und regte an, dass Ereignisse wie Seenachtfest oder Weihnachtsmarkt vor Ort zusammen mit den Vereinen organisiert und nicht an externe Veranstalter vergeben werden.

Jürgen Ruff kündigte für die SPD die Ablehnung des Haushalts an, da dieser zu viele Unwägbarkeiten enthalte. Der Haushalt basiere auf der Annahme eines weiteren Wirtschaftswachstums und werde bei einem Konjunktureinbruch sofort Makulatur, daher halte die SPD ihn für nicht zukunftsfähig. Die FDP tat, was sie am besten kann: Sie machte in Optimismus. Heinrich Everke pries den geplanten Panorama-Bau sowie das Hotel in Büdingen, das ebenso wie das Bauvorhaben in Zoffingen ein Grund zur Freude für alle sei (Gelächter auf der Linken). Um das Bodenseeforum attraktiv zu machen, schlug er vor, auf dem Rasen nebenan ein Hotel und Restaurant mit einem Saal errichten zu lassen, der auch für die Philharmonie groß genug sei. Auf dem Wege der Umwegrentabilität lohne sich das Bodenseeforum nämlich, wenn man nur mit einberechne, welchen Zaster Kongressteilnehmerinnen in der Stadt ließen.

Schwerpunkte von Matthias Schäfer (JFK) hingegen waren die schleppende Digitalisierung (kein WLAN in Bussen usf.) sowie die fehlende Ferien- und Ganztagsbetreuung für Kinder, die die Vereinbarkeit von Leben und Arbeit verbessern müsse. Für seine Behauptung allerdings, das Vertrauen des Rates in die Verwaltung werde oft auf eine harte Probe gestellt, erhielt er vom OB eine verbale Watschn der kräftigeren Sorte.

Zofft Euch endlich

Fundamental fiel die Kritik von Holger Reile aus, der sich konzentriert und wie gewohnt sachlich mit den Schwerpunkten dieses Zahlenwerks auseinandersetzte. Er erinnerte daran, wie locker das Geld beim Bodenseeforum gesessen habe, wie oft der OB aber knausern wolle, wenn es um soziale Anliegen aller BürgerInnen gehe. Er forderte, das Bodenseeforum, das bisher schon weit über 20 Millionen Euro gekostet habe, dichtzumachen, statt dort noch mehr Geld hineinzuschaufeln. Stattdessen solle es eine kostenlose Kinderbetreuung geben, auch wenn die Verwaltung im nächsten März einen neuen Vorstoß zur Erhöhung der Kita-Gebühren unternehmen wolle. Er erinnerte auch daran, auf welch hohem Niveau sich die Armut in Konstanz verfestigt habe und regte erneut einen kostenlosen ÖPNV an, wie ihn selbst Luxemburg jetzt einführt. Er kritisierte, dass es zu wenig Personal in der Verwaltung gebe und dass auch die Stelle des Flüchtlingsbeauftragten gestrichen werden sollte.

Ergo: „Die Unkenrufe aus dem Rathaus, wenn es um Verbesserungen im sozialen oder ökologischen Bereich geht, hören sich für uns oft vorgeschoben an. Sie sind auch deshalb wenig glaubwürdig, weil es nie ein Problem war, Geld für Ihre Lieblingsprojekte locker zu machen. Das aufgeblähte Konziljubiläum etwa, das Bodenseeforum natürlich und schließlich ein Konzilspreis, den die Welt ungefähr so dringend braucht wie Stuttgart einen Tiefbahnhof. Dieser Haushalt hält keine tauglichen Konzepte für eines der drängendsten Probleme bereit, nämlich die grassierende Wohnungsnot. Das Handlungsprogramm Wohnen greift kaum. Sie aber setzen trotzdem weiter hauptsächlich auf den Markt der fast schon kriminellen Geldvermehrung und dabei überwiegend auf profitorientierte Investoren, die das florierende Geschäft mit dem Betongold lockt. Das Beispiel Vincentius-Gelände, neuerdings verträumt Laubenhof genannt, ist nur eines von vielen.“

Am Ende obsiegten wie immer die bürgerlichen SchönwetterrednerInnen: 27 Ja-Stimmen standen sieben Nein-Stimmen von LLK und SPD gegenüber. Einzig die wackere Kämpin Gabriele Weiner enthielt sich lauthals ihrer Stimme, um gegen die Absägung des städtischen Flüchtlingsbeauftragten Mustapha Diop zu protestieren.

O. Pugliese (zuerst erschienen bei seemoz.de)

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