Rathausvorschläge zum Verkehr: Mogelpackung

Autor | 9. Juli 2020

Eigens zu einer Sondersitzung hatte die Stadtverwaltung die Mitglieder des Technischen und Umweltausschusses zusammengetrommelt, die sich ganz dem Thema Verkehr widmen sollte. Wer sich auch nur etwas mit den Debatten beschäftigt hat, die in den vergangenen Jahren über nervende Blechlawinen geführt wurden, musste sich verwundert die Augen reiben. Denn im Rathaus schlägt man neuerdings ganz neue Töne an. Statt wie bisher den Autoverkehr mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, ist jetzt plötzlich von einer autofreien Innenstadt die Rede. Eine Weichenstellung in diese Richtung fordert die Linke Liste bekanntlich schon lange. Hat sich die Stadtspitze nun wirklich eines besseren besonnen oder will ihr um eine weitere Amtszeit buhlender Chef damit Wahlkampfpunkte sammeln? Dazu der Redebeitrag, den LLK-Stadtrat Holger Reile bei der Sitzung gehalten hat. (jüg)

Herr Bürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
wir haben zum Thema Verkehr und Mobilität umfangreiche Vorlagen erhalten, in denen – das will ich gar nicht in Abrede stellen – auch viel Arbeit steckt, dazu die ein und andere Idee, die durchaus Sinn macht.

Bevor wir uns mit den einzelnen Punkten beschäftigen, möchte ich aber eine grundsätzliche Anmerkung machen. Wer sich durch die über hundert Seiten quält, dem fällt auf, dass mehrmals die Rede davon ist, dass man vor allem daran arbeite, die Konstanzer Innenstadt autofrei zu gestalten. Dieser Anspruch zieht sich wie ein roter Faden durch die Vorlagen.

Aber das ist mitnichten der Fall und so erinnert mich dieses angebliche Vorhaben doch eher an eine leicht durchschaubare Mogelpackung oder auch an den Scheinriesen „Tur Tur“ aus dem wunderbaren Buch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ – je näher der Scheinriese kommt, desto deutlicher schrumpft er auch auf Normalmaß. In unserem Fall heißt das: je mehr wir in die Vorlagen eintauchen, desto deutlicher ist aus ihnen zu entnehmen, dass an eine autofreie Innenstadt gar nicht gedacht ist.

Deutlich wird das, wenn wir lesen, dass allen am Verkehr Beteiligten – also auch den Automobilisten aus nah und fern – der ungehinderte Zugang zur Innenstadt weiterhin möglich sein muss. Schon allein diese Formulierung zeigt, dass von einer autofreien Innenstadt nicht die Rede sein kann. Der motorisierte Individualverkehr bleibt weiterhin eine heilige Kuh, an deren Bestandsschutz nicht gekratzt werden soll, aus zum Teil unterschiedlichen Gründen.

Ich will nur drei davon benennen.

1. Das nicht nur meiner Meinung nach umstrittene C-Konzept wird vermutlich kaum zu einer deutlichen Reduzierung des MIV führen.
2. Das geplante öffentliche Parkhaus am Döbele – dem zumindest wir von der LLK keinesfalls zustimmen werden – schafft zusätzliche Anreize für den MIV, vor allem aus der benachbarten Schweiz.
3. Die Zufahrt für den MIV Richtung LAGO-Parkhaus bleibt bestehen, daran sei rein rechtlich nicht zu rütteln, heißt es zu diesem Punkt.

Fazit: Das sind genau die Bereiche, die uns schon in den vergangenen Jahren die größten Verkehrsprobleme bereitet haben – und daran scheint man auch nichts Entscheidendes ändern zu wollen.

Soweit in Kürze unsere grundsätzlichen Anmerkungen zum Thema. Von einem großen Wurf in Sachen autofreie Innenstadt kann also wirklich nicht die Rede sein. Eher schon von einem Etikettenschwindel, der uns kaum weiterbringt. Und dieser, Kolleginnen und Kollegen, hat mit einer sozial und ökologisch veränderten Gestaltung des Stadtraumes kaum etwas zu tun.

Holger Reile

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