Verwaltung zieht Antrag zur Lago-Brücke zurück

Autor | 29. Juni 2020

Der Gemeinderat hat am Donnerstag die Sanierung Stadelhofens in den zuständigen Ausschuss verwiesen. Auch andere Tages­ordnungspunkte wurden abgesetzt, so dass die Debatte über Sanierung oder gar Abriss der Lago-Brücke der augenfälligste – und unterhaltsamste – Sitzungspunkt wurde. Hat sich die damalige Stadtverwaltung von den Lago-Betreibern über den Tisch ziehen und eine Schrottbrücke liefern lassen? Darf Konstanz das Ding überhaupt abreißen oder gar sperren und als bröckelnden Garten begrünen?

Der Gemeinderat hat am Donnerstag die Debatte über die Sanierung Stadelhofens an die zuständigen Ausschüsse verwiesen, um mehr Zeit für ausgiebige Beratungen zu haben. Trotzdem soll über die Sanierung recht zeitnah debattiert und entschieden werden, da einige Förderanträge bis zum 1.10. gestellt werden müssen. Es ist abzusehen, dass insbesondere das Thema Verkehr noch intensiv debattiert werden dürfte, und es besteht damit auch weiterhin die Gelegenheit für AnwohnerInnen, sich zu Wort zu melden und ihre Vorstellungen einzubringen.

Bröckelbrücke

Die grundlegende Sanierung der Lago-Brücke nur anderthalb Jahrzehnte nach ihrer Errichtung droht teuer zu werden, sehr teuer sogar. Deshalb hatte die Linke Liste (LLK) deren Abriss vorgeschlagen, da es ja nur 130 Meter weiter nördlich eine zweite Brücke über die Bahngleise gibt. Die Idee des Abrisses hat natürlich Charme – und wurde im Vorfeld nach Angaben des Oberbürgermeisters auch innerhalb der Verwaltung debattiert. Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn erläuterte dem Gemeinderat die Rechtslage, die allerdings äußerst verwickelt ist und sich in etwa so darstellt: Es gibt ein eingetragenes Wegerecht für die KonstanzerInnen durch das Lago-Einkaufszentrum und über die Brücke in Richtung Hafen. Da aber die Deutsche Bahn Planungshoheit über die Gleise und den Luftraum darüber besitzt, musste damals für die Brücke ein separater Vertrag geschlossen werden.

In diesem Vertrag hat sich das Lago verpflichtet, auf seine eigenen Kosten diese barrierefreie Brücke zu planen und zu errichten. Die Stadt ihrerseits hat sich verpflichtet, diese Brücke nach deren Fertigstellung zu unterhalten, zu reparieren, in einem verkehrssicheren Zustand zu halten und dreimal wöchentlich zu reinigen. Die Stadt und der Rat wollten damals wohl unbedingt (so genau weiß das niemand mehr), dass man von der Otto-Raggenbass-Straße ohne nennenswerte Umwege barrierefrei an den See kommt – und das Lago wollte sich mit der Brücke vermutlich der schweizerischen Laufkundschaft andienen. Seit ihrer Fertigstellung ist die Brücke also Sache der Stadt, und das heißt: Brücke bröckelt – Stadt saniert. Und ein Abriss ist wohl aus vertraglichen Gründen nicht ganz einfach, abgesehen mal von den Kosten.

Karl Langensteiner-Schönborn behauptete zudem (ziemlich kühn), dass man nach dieser Sanierung erst einmal auf lange Zeit Ruhe haben werden, denn dieses Mal solle ein dauerhaftes System verwendet werden. Solche Äußerungen gaben natürlich der Vermutung Raum, dass die Lago-Betreiber damals der Stadt eine möglichst billige Schrottbrücke hingestellt haben, um ihren vertraglichen Verpflichtungen irgendwie zu genügen und so der Stadt gekonnt den schwarzen Peter zuzuschieben nach dem Motto: Wer die Musik hören will, soll sie auch bezahlen. Jan Welsch (SPD) stellte die Frage, ob man nicht eine Anpassung dieses Vertrages verlangen könne, weil die Brücke schon so schnell marode geworden sei und außerdem das Hauptinteresse an deren Instandhaltung nicht bei der Stadt, sondern beim Lago liege. Heinrich Fuchs (CDU) bekundete “leichte Schluckbeschwerden” seiner Fraktion beim Gedanken, Millionen in die Sanierung dieser Brücke zu stecken, wo es wenige Meter weiter eine zweite Brücke gibt. Er wollte deshalb wissen, ob die Stadt denn nicht irgendwie aus diesem Vertrag rauskommen könne.

Kunstwerk Lago-Brücke

Erhebliches Bauchgrimmen bekundete auch Ewald Weisschedel (FWK), denn hier sei seitens der Stadt damals nach dem Motto verfahren worden, “einem geschenkten Gaul schaut man nicht in s Maul”. Er hat aber auch eine Lösung parat, die das Herz jedes Kulturmenschen schneller bumpern lässt: Die Brücke zu sperren und als Kunstwerk stehen zu lassen. Was er nicht erwähnte, ist ein möglicher charmanter Nebeneffekt einer solchen Kunstbrücke: Mit ihr hätte man genug Kunst in diesem Revier und könnte endlich die lächerliche Kunstgrenze wenige Meter weiter abbauen, deren Anblick bei Mensch wie Tier unweigerlich Augenkrebs verursacht.

Holger Reile (LLK) schließlich verwies darauf, dass andere Projekte wie die Sanierung des Bürgersaals oder des Aufzugs im Stadttheater wesentlich wichtiger seien. Er erinnerte an die jüngere Geschichte des Konstanzer Brückenbaus: Die Z-Brücke am Bahnhof Petershausen wurde deutlich teurer als geplant, und die “Seufzerbrücke” am Bahnhof sei gar doppelt so teuer geworden wie veranschlagt, da niemand vorher gewusst haben wolle, “dass eine Lage am Wasser mit Feuchtigkeit verbunden sein” könne. Für die Sanierung der Lago-Brücke seien jetzt in der Kostenschätzung unter “Unvorhergesehenes”, nur 2,5% der Gesamtsumme vorgesehen, nach den jüngsten Erfahrungen werde das aber nie und nimmer reichen.

Viel Feind

Freunde hat diese Brücke nicht, zumindest nicht in Verwaltung und Politik, wo ihr viele Akteure nach dem Leben trachten, und selbst Uli Burchardt gab zu Protokoll, dass ihn die ganze Angelegenheit sehr verärgert habe. Aber es sei unbestreitbar, dass die Brücke sanierungsbedürftig sei und dass die Stadt Konstanz vertraglich verpflichtet sei, für diese Sanierung aufzukommen. Am Ende der Debatte sagte er zu, die Vorlage zurückzuziehen und um einen juristischen Teil zu ergänzen, in dem es auch um das Eisenbahnkreuzungsgesetz und ähnliches gehe. Außerdem wolle er die Abrisskosten schätzen lassen, damit man sehe, ob der Rückbau wirklich eine Option sei. Also wird das Thema die KonstanzerInnen wohl noch einige Zeit beschäftigen.

Das erinnert an die Geschichte anderer Konstanzer Brücken: Nachdem die traditionelle Rheinbrücke von der Rheingasse hinüber nach Petershausen 1856 wieder einmal abgebrannt war, wurde 1860 ein Neubau auch für die Eisenbahn eröffnet. Heute ist dieser Neubau die uns allen vertraute “Alte Rheinbrücke”. Mal abwarten, ob die Lago-Brücke lange genug steht, um dereinst als “Alte Schweizerbrücke” in die Stadtgeschichte einzugehen.

O. Pugliese (Text und Bild)

Zuerst erschienen bei seemoz.de

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