Fehlstart des neuen Rats: Stadt überlässt Geflüchtetenunterbringung Stiftung

Autor | 28. Juli 2019

Insgesamt 775 Geflüchtete warten in Konstanz derzeit vergeblich auf eine Unterbringung in einer Anschlußunterkunft. Eigentlich ist die Sache seit langem klar: Verwaltung und Gemeinderat waren dafür, unter Federführung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Wobak übers Stadtgebiet verteilt Wohnraum zur Verfügung zu stellen, um Ghettobildung vorzubeugen. Ein Vorhaben, das auch von der LLK vehement unterstützt wurde. Geschehen ist allerdings lange nichts. Nun drängt die Zeit: Einerseits kassiert der für die Erstunterbringung zuständige Landkreis viel Geld dafür, dass er die Anspruchsberechtigten weiter mehr schlecht als recht unterbringt. Zudem hat das Land Fördermittel gestrichen.

Derart unter Druck geraten, reagierte das Rathaus mit einem Schnellschuss: Bürgermeister Langensteiner-Schönborn legte dem gerade neu gewählten Gemeinderat eine Lösung vor, die nicht nur der Absicht zuwiderläuft, die Betroffenen dezentral unterzubringen, sondern erneut den Verkauf von zwei städtischen Grundstücken an einen privaten Akteur vorsieht, in diesem Fall eine Stiftung. Eine knappe Mehrheit des Rats folgte nach kontroverser Diskussion dem Verwaltungsantrag, obwohl in deren Verlauf herauskam, dass die Stadtspitze dabei die Wobak regelrecht ausgebootet hatte.

Die LLK lehnte den neuerlichen Grundstücksverkauf ab und verlangte, dass die Stadt die nötigen Maßnahmen in eigener Regie und unter Trägerschaft der Wobak in Angriff nimmt. Wir veröffentlichen den Redebeitrag, den LLK-Fraktionsvorsitzende Anke Schwede dazu gehalten hat. Außerdem einige Überlegungen, die Simon Pschorr, der neu für die Linke Liste in den Rat eingezogen ist, nach dem knapp ausgefallenen Abstimmung (18 zu 14) angestellt hat. – jüg


Anke Schwede: Wichtige gesellschaftliche Aufgabe nicht privatisieren

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, wertes Publikum,

Ein kurzer Rückblick: 2016 startete das Projekt „Anschlussunterbringung Geflüchteter“: sieben dezentrale, über die Stadt verteilte Standorte wurden ausgewählt. Drei wurden inzwischen von der städtischen WOBAK umgesetzt, Mühlenweg/Zergle in Wollmatingen, die Schottenstraße 10 sowie die Anschlussunterkunft im Egger Flurweg. Unserer Meinung nach sind dies angesichts der schwierigen Wohnraumsituation in Konstanz drei gelungene Projekte. Der Bau in der Schottenstraße wurde ja als Pilotprojekt bezeichnet, das Konzept vom Vorarlberger Architekturbüro Kaufmann, das zusammen mit der WOBAK entwickelt wurde, gilt als flexibel, nachhaltig und innovativ.

Aber leider wurden aber im April 2017 die Fördermöglichkeiten für diese Art der Wohnbebauung von der grün-schwarzen Landesregierung gestrichen – wie also weiter?

Ich halte eine Bebauung der jetzt anstehenden drei Grundstücke allein durch die WOBAK nach wie vor für die beste Lösung, vorzugsweise im Rahmen des Erbbaurechts. Ein Verkauf dieser städtischen Grundstücke käme für uns auch nur an die städtische Wohnbaugesellschaft in Frage, nicht aber an eine Stiftung, die die Erstellung der Unterkünfte in Erbpacht ausschließt. Die Forderung „kein Verkauf städtischer Grundstücke“ ist ein zentraler Bestandteil unserer Politik, auch bei diesem, etwas verzwickten, Fall. Wenn wir in Sachen Stadtentwicklung am Ruder bleiben wollen, dürfen wir das Kommando nicht abgeben, denn dann könnten wir nur hilflos zusehen, wenn die beiden Projekte nach 30 Jahren Bindung einen ganz anderen Zweck verfolgen.

Sie werden nun einwenden, dass ja nicht an einen gewinnorientiertes Unternehmen verkauft werden soll, sondern an eine gemeinnützige Stiftung. Möglicherweise ist das einigen nicht bekannt, aber der Einfluss von Stiftungen wächst seit Jahren. 1999 gab es rund 8.000 davon, heute sind es weit über 20.000 mit einem riesigen Gesamtvermögen von mehr als 100 Milliarden Euro. Diese Zahlen stehen für eine schleichende Aufgabenverschiebung – weg von Staat und Kommunen, hin zu Wohlhabenden und Unternehmen, die Einfluss nehmen auf Bildung, Wissenschaft, Kultur, Politik und Soziales. Viele Stiftungen werden von den Reichen und Superreichen der Republik ins Leben gerufen, die nicht zuletzt kräftig Steuern damit sparen können. Zudem ist auch die „Hoffnungsträger“-Stiftung intransparent, sie unterliegt nicht der Publizitätspflicht. Und eine gemeinnützige Stiftung darf bis zu einem Drittel ihrer Einnahmen verwenden, um – so das Gesetz – „in angemessener Weise den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu unterhalten“.

Wie bereits erwähnt, schließt die Stiftung eine Erbbau-Regelung grundsätzlich aus. Würde es in erster Linie darum gehen, Gutes zu tun, dürfte eine solche Regelung eigentlich kein ernstzunehmendes Hindernis darstellen. Zumal man über die Höhe der verlangten Zinsen durchaus verhandeln könnte, so dass ein solches Modell gegenüber dem Kauf auch nicht teurer kommen müsste.

Für mich wäre es also der falsche Weg, aufgrund der weggefallenen Landesförderung diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe zu privatisieren, denn die WOBAK kann sie – finanziell betrachtet – auch stemmen: Wir reden laut Geschäftsbericht 2017 von einer Gesellschaft mit einem Anlagevermögen von 235 Millionen, seit 2013 werden Bilanzgewinne jeweils in Millionenhöhe angehäuft. 2017 waren es 3,1 Millionen.

Fazit: Wir werden dieser Vorlage nicht zustimmen und stellen stattdessen den Antrag, eine neue Vorlage zu erarbeiten, die eine Trägerschaft der WOBAK für die Errichtung aller Anschlussunterkünfte vorsieht.


Simon Pschorr: Hoffnungsträger? Nur auf ein gutes Geschäft

Für mich ist „Hoffnungsträger“-Stiftung ein zynischer Name: Hoffnung auf ein gutes Geschäft ist die einzige, die sie haben. Leider hat die Stadt Konstanz den Fehler gemacht, zwei Grundstücke an die Stiftung, die aus dem Privatvermögen des Merckle-Familienclans hervorgegangen ist, verkauft. Nach einer erbitterten, fast vierstündigen Gemeinderatsdebatte hat sich eine knappe Mehrheit für den Verkauf ausgesprochen.

Die Entscheidung hat eine Geschichte von fast vier Jahren. Spätestens seit 2016 ist sich die Stadt Konstanz der Notwendigkeit der Errichtung von Anschlussunterbringungen für Geflüchtete gewahr. Seitdem wurden verschiedene Versuche unternommen, die notwendigen Wohnungen bereitzustellen. Eigentlich sollte der WOBAK dabei eine zentrale Rolle zukommen. Doch durch Nachlässigkeit und Verzögerungen in der Planung entfielen 2017 Fördergelder, die die WOBAK in Anspruch nehmen wollte. Seitdem herrscht de facto Stillstand. Da kam es der Stadt ganz recht, dass sich die „Hoffnungsträger“-Stiftung, eine dem Profil nach gemeinnützige Organisation, anbot, in Konstanz zwei Gebäude jn Holzbauweise zu errichten.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Dass Wohnungen für Geflüchtete, noch dazu geplant mit sozialer Durchmischung, gebaut werden, finde ich klasse! Noch besser finde ich, dass diese Gebäude in einer klimaneutralen Art und Weise errichtet werden, möglicherweise sogar einen negativen CO²-Footprint aufweisen. Stutzig bin ich allerdings geworden, als ich feststellen musste, dass sich die Stiftung vehement dagegen wehrt, die dafür vorgesehenen Grundstücke in Erbbau zu pachten.

Was heißt Erbbau? Nach diesem Modell der Grundstücksvergabe wird der Bauherr nicht zugleich Eigentümer des Grundstücks, sondern erhält das Grundstück auf lange Zeit zur Nutzung gegen Zahlung eines Pachtzinses. Ein Kaufpreis wird nicht fällig, aber monatliche Zahlungen. In Konstanz wird nach den Erbbaurichtlinien momentan 4% Erbbauzins verlangt – das liegt deutlich über den aktuellen Marktpreisen für Kredite und ist deshalb meiner Meinung nach zu teuer. Diese Höhe ist aber nicht gesetzlich festgeschrieben, da kann man deutlich nach unten gehen.

Das Erbbaumodell hat für die Stadt zwei große Vorteile: Sie verliert das Grundstück nicht und erhält statt auf einmal einen Kaufpreis regelmäßige monatliche Zahlungen über einen langen Zeitraum. Für den Bauherrn ergeben sich eigentlich keine Abweichungen vom „normalen Bauen“, außer: Er wird nicht Grundstückseigentümer. Jetzt sollte man meinen, dass das für eine gemeinnützige Organisation wie der „Hoffnungsträger“-Stiftung egal sein könnte. Dieser sollte es ja eigentlich nur um die Erfüllung des sozialen Zwecks gehen? Leider weit gefehlt.

Konfrontiert mit meiner Frage, ob sich die Stiftung die Errichtung der Gebäude auch dann vorstellen könnte, wenn die Grundstücke in Erbbau vergeben würden, antwortete der Geschäftsführer der Stiftung: Nein, denn dann erwerben wir nicht in 20 Jahren das Grundstück, wie das bei einem Kreditmodell möglich wäre. Das war ehrlich – dafür hat der Geschäftsführer meinen Respekt. Jedoch war für mich zu diesem Zeitpunkt klar, dass ich dem Verkauf nicht zustimmen könnte. Denn: Offensichtlich soll hier Grundstücksspekulation betrieben werden. Der Grund wird heute gekauft. Für 30 Jahre soll Geflüchtetenwohnen ermöglicht und dazu Fördergelder in Anspruch genommen werden. In derselben Zeit fließen Mieten. Danach ist man frei und kann das Grundstück an den Meistbietenden verkaufen.

Die Stadt wollte sich dagegen durch ein Vorkaufsrecht absichern. Ungeachtet der Tatsache, dass wir Gemeinderäte den Vertrag nicht zu Gesicht bekamen – weil er noch nicht ausgehandelt ist – hilft dieses Instrument nichts gegen Spekulation, sondern befeuert sie sogar noch! Der Rückkauf soll in 30 Jahren zu Gutachterpreisen möglich sein. Das heißt: Nicht zu dem heutigen Verkaufs-, sondern zu den zukünftigen Marktpreisen!

Diese dubiose Situation wurde für mich noch dadurch verstärkt, dass die Stadt Konstanz eines der Grundstücke eigentlich der WOBAK zur Entwicklung zur Verfügung stellen wollte. Diese hatte bereits konkrete Pläne, wie man dieses nutzen kann. Die ganze Planungsarbeit ist jetzt für die Tonne – hier wurde zusätzliches Geld verbrannt, weil Bürgermeister Langensteiner-Schönborn über den Kopf des WOBAK-Geschäftsführers Götsch hinweg entschied, der „Hoffnungsträger“-Stiftung den Vorrang einzuräumen. Die Bedenken der WOBAK bezüglich der Eignung des Grundstücks wurden dabei komplett ignoriert. Dabei offenbarte sich auch ein tiefer Bruch zwischen Stadtverwaltung und WOBAK-Geschäftsführung – und das obwohl die WOBAK das städtische Flaggschiff zur Bekämpfung der Wohnungsnot sein sollte!

Alles in Allem eine kapitale Fehlentscheidung. Auch wenn die Zeit drängt, Geflüchtete jetzt ein Recht auf Wohnungen haben: Die Stadt Konstanz den Immobilienhaien zum Fraß vorzuwerfen, das geht gar nicht. Deswegen plädiert die LINKE LISTE für ein striktes Verkaufsverbot für Grundstücke an Private und eine vorrangige Vergabe an die WOBAK.

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