Genehmigungspraxis der Stadt: Doppelmoral vom Feinsten

Autor | 30. Juli 2019

Wiederholt wurden UmweltaktivistInnen in Konstanz AdressatInnen von strengen Versammlungsauflagen oder Versammlungsverboten. Am 27.7.2019 hatte eine Gruppe engagierter BürgerInnen auf dem Stephansplatz eine Kundgebung angemeldet, die die Attraktivität des öffentlichen Stadtraums ohne Autos aufzeigen sollte. Dazu wollten sie einen kleinen Pavillon aufstellen und ihre Fahrräder abstellen – typische Hilfsmittel einer erfolgreichen Kundgebung. Die Antwort der Stadt: Verbot!

Die Fahrraddemo Ciclo, die durch ihre regelmäßige Präsenz und die Fahrtstrecke durch die größten Konstanzer Stadtteile große Wirkung erzielt, soll nach dem Willen des Ordnungsamtes auch zukünftig eine massiv verkürzte Strecke fahren und trotz der Fahrt im Verband auf den Fahrradweg gezwungen werden bzw. bei Rotphasen anhalten müssen. Das reißt die Demo auseinander und führt tatsächlich zu riskanten Situationen! Die Veranstalter mussten deswegen bereits eine Demonstration absagen, nachdem sie unter diesen Auflagen den Sinn der Versammlung gefährdet und ihre eigene Sicherheit bedroht sahen.

In beiden Fällen ist die vom Versammlungsgesetz geforderte unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung schwerlich zu erkennen. Auf eine gemeinderätliche Anfrage bezüglich der Fahrraddemo antwortete die Stadt, dass eine solche Gefahr sicherlich gegeben sei (!), ohne aufzuzeigen, auf welche Gefährdung mit welchen Auflagen konkret reagiert wurde. Es ist auffällig, dass hier gerade Umweltschutzaktivitäten betroffen sind: In Zeiten des Klimanotstands sollte die Stadt aktiven BürgerInnen doch mit offenen Armen begegnen.

Dementgegen genehmigte die Stadt ohne Schulterzucken einen Infostand der Identitären Bewegung (IB) auf der Marktstätte. Diese Gruppierung wird mittlerweile selbst vom Verfassungsschutz (VS) als „rechtsextremistisch“ eingestuft. Sie bekenne sich, so der VS, offen zum Konzept des Ethnopluralismus, wonach die Idealvorstellung einer staatlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Ordnung in einem ethnisch und kulturell homogenen Staat besteht.“ Die IB stelle die aktuelle Zuwanderungssituation als Verschwörung von Politik und Medien dar mit dem Ziel, die „angestammten Völker Europas vollständig durch außereuropäische Zuwanderer zu ersetzen und damit traditionelle europäische Kultur(en) zu zerstören.“ IB-Mitglieder unterhalten Kontakte in die Neonazi-Szene, „auch gehörten einige Führungsaktivisten zuvor rechtsextremistischen Organisationen an“, was für Mitglieder der Identitären Bewegung Bodensee ebenfalls zutrifft.

An Propagandaständen der Identitären Bewegung kam es in Konstanz wiederholt zu körperlichen Auseinandersetzungen, auch dieses Mal gab es Handgreiflichkeiten. Mitglieder der Vereinigung werden zudem in Verbindung mit gefälschten Wahlplakaten der Grünen im Kommunalwahlkampf gebracht. Unverständlich, warum die Stadtverwaltung bei dieser Ausgangslage die Stadtverwaltung keinen Spielraum sieht, gegen diese Rassisten einzuschreiten. Es ist Doppelmoral vom Feinsten, Fahrraddemos zu verbieten, aber Rechtsradikale gewähren zu lassen. Die Gefahr der Identitären Bewegung kann man nur dann nicht erkennen, wenn man auf dem rechten Auge blind ist. Und dabei ist nicht nur das Gedankengut gefährlich: Die Gewaltbereitschaft dieser Gruppierung ist eine Bedrohung für die Sicherheit der KonstanzerInnen. Ein erster Schritt wäre deshalb, sich zu informieren und das Propagandamaterial vorlegen zu lassen. Dann könnte man die Augen vor den klar erkennbaren Gefahren nicht mehr verschließen. Wir fordern die Stadt auf, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die fremdenfeindliche Propaganda der Identitären Bewegung zu verhindern!

Simon Pschorr

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