Flüchtlingsunterbringung – Pflichtaufgabe und Chance

Autor | 14. August 2015

RefugeesWelcomeWeltweit sind fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Bewaffnete Konflikte, militärische Auseinandersetzungen, Hunger, Armut und ein Leben ohne menschenwürdige Perspektiven zwingen Menschen in unvorstellbar großer Zahl zur Flucht. Ohne triftige Gründe macht sich niemand auf eine gefahrvolle Reise ins Ungewisse und verlässt sein Heimatland, Familie und FreundInnen. Die Reaktion der EU-Staaten darauf ist es, die eigenen Außengrenzen zur Festung zu machen. Mit Grenzzäunen und Kanonenbooten wollen die Eliten das Elend fernhalten.

Deutschland mitverantwortlich

Nach Angaben der UNO wagten seit Anfang des Jahres insgesamt etwa 224 000 Menschen den gefährlichen Weg übers Mittelmeer, mehr als 2100 Menschen überlebten die Reise nicht. Die reichen Industrienationen, an vorderer Front Deutschland, sind mitverantwortlich für die vielen Konflikte, Kriege und beklagenswerten Lebensbedingungen unzähliger Menschen. Deutsche Unternehmen gehören zu den Hauptprofiteuren einer zutiefst ungerechten Weltwirtschaftsordnung, die die Existenzgrundlagen vieler Menschen in den Entwicklungsländern vernichtet; deutsche Politik fördert in zahlreichen Regionen Konflikte, die – nicht selten mit aus Deutschland importierten Waffen – militärisch ausgetragen werden. Dass deutsche Interessen auch in fernen Ländern inzwischen auch mit kriegerischen Mitteln durchgesetzt werden, treibt Menschen ebenfalls zur Flucht.

Versäumnisse der Politik rächen sich

Nur ein geringer Prozentsatz der weltweit Flüchtenden schafft es überhaupt in unsere Gefilde – doch selbst damit will die offizielle Politik überfordert sein. Die Linke Liste hat immer wieder auf die Versäumnisse von Bund und Land bei der Flüchtlingsunterbringung hingewiesen, diese Untätigkeit rächt sich nun bitter. Auch wenn inzwischen zögerlich Landesmittel fließen, stehen Kreise und Gemeinden vor großen Problemen. Sie sind verpflichtet, ein gewisses Kontingent aufzunehmen. Für die Erstaufnahme ist der Kreis zuständig, für die anerkannten AsylbewerberInnen die Kommune. Die Stadt Konstanz wird bis Ende des Jahres 2015 voraussichtlich 695 Plätze für Flüchtlinge anbieten müssen, derzeit sind es 318. Inzwischen ist unübersehbar, dass sich in dieser Situation nicht nur erfreulich viele EinwohnerInnen für die Geflüchteten engagieren, aber es mehren sich leider auch rassistische Stimmen,die offen gegen diese Menschen hetzen.

Die Linke Liste bekräftigt in dieser Lage, dass sie jede Initiative bzw. jedes Bauvorhaben, das eine angemessene Unterbringung ermöglicht, begrüßt und unterstützt. Diese Menschen befinden sich in existenzieller Not, sie haben unsere solidarische Unterstützung nötig – das ist ein Grundsatz, der für die LLK uneingeschränkt gilt. Alles was diesem Ziel dient, findet unsere Unterstützung.

Ohne neue Unterkünfte geht es nicht

Auf der Gemeinderatssitzung im Juli wurden zwei Bauvorhaben zur Anschlussunterbrin­gung beschlossen und gehen nun in die Planung: Eines im Wollmatinger Zergle, wo 70 bis 80 Flüchtlinge unterkommen werden und ein weiteres Wohnhaus für ca. 40 Personen in Egg. Beide Standorte sind innerhalb der Anwohnerschaft der betroffenen Stadtteile umstritten und stoßen teilweise auf Ablehnung und die Befürchtung, dass das gewohnte Leben im Quartier und die Sicherheit gefährdet sein könnten.

Dabei bieten diese Projekte durchaus auch Chancen für die Ansässigen; insbesondere in Egg könnte die heute mangelhafte Infrastruktur ausgebaut und Orte der Begegnung, ein Café und ein Laden ins Leben gerufen werden. Auch eine verbesserte Verkehrsanbindung könnte für den gewachsenen Stadtteil konkrete Vorteile bringen. Wir können uns gut vorstellen, die Unterkunft auf der Egger Wiese zu bauen, mitten im Ort, wo Integration besser gelingen kann als am Rand – die Flüchtlinge wären dort quasi abgeschoben und dem Bewusstsein der neuen NachbarInnen entzogen.

So sieht das auch ein Teil der Egger Einwohnerschaft, die andere Menschen ausgrenzende Anwohnerinteressen nicht über das Wohl der NeubürgerInnen stellt und eine zentrale Unterbringung befürwortet. Auch wir sind der Ansicht, dass auf dem ehemaligen Planungsgebiet des Kindergartens genügend Platz bleiben kann, um den bestehenden Spielplatz zu erhalten und in das Konzept des geplanten Flüchtlingshauses miteinzubeziehen. Dieser neue Platz der Begegnung könnte wahre Integration ermöglichen. Eine Chance, die Begriffe „Willkommenskultur“ und „Integration“ mit Leben zu füllen und konkret umzusetzen.

Die gegenwärtige Lage macht es unumgänglich, große Wohneinheiten für Flüchtlinge bereitzustellen. Darüber hinaus treten wir aber auch dafür ein, kleinere, dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Als Sofortmaßnahme fordern wir deshalb, dass die Stadt gezielt leerstehende Häuser, Gewerberaum und Wohnungen ermittelt und für die Unterbringung von Flüchtlingen heranzieht.

Anke Schwede

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