Gedenktafel für Martin Katschker beschlossen

Autor | 30. Januar 2021

Im Juni 2020 stellten fünf Fraktionen des Konstanzer Gemeinderats (LLK, FGL, SPD, JFK und FDP) auf Initiative der Linken Liste einen gemeinsamen Antrag, in dem sie eine Mahntafel für den am 29. August 1970 ermordeten Lehrling Martin Katschker fordern (siehe auch hier). Auf der Gemeinderatssitzung letzten Donnerstag wurden nun der Antrag und das dazu­gehörige 37-seitige Gutachten von Prof. Dr. Jürgen Klöckler debattiert und darüber abgestimmt, ob eine offizielle Gedenktafel am Blätzleplatz aufgestellt werden soll. Eine große Mehrheit stimmte mit Ja, nur die CDU votierte dagegen oder enthielt sich.

Hier der Redebeitrag von unserem Stadtrat Holger Reile (es gilt das gesprochene Wort):

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,

ich will den von fünf Fraktionen formulierten Antrag, am Blätzleplatz eine Gedenktafel für Martin Katschker aufzustellen, kurz begründen. Herr Klöckler hat zu dem Vorfall vor rund 50 Jahren ein ausführliches Gutachten verfasst, das verdeutlicht, was dazu geführt hat, dass ein junger Mensch erschossen wurde. Ein Vorfall, der weit über unsere Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden ist und als „Konstanzer Gammlermord“, wie vielfach zu lesen war, in unsere Geschichte einging.

Ob es sich dabei um Mord, Totschlag oder fahrlässige Tötung gehandelt hat, spielt meines Erachtens in unserer aktuellen Betrachtung und Entscheidung eine eher untergeordnete Rolle. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass eine vergleichbare Tat heutzutage zu einem anderen Urteil führen würde, denn das damalige war ein vergleichsweise mildes, um es mal moderat zu formulieren. Das hing, und das ist nicht nur meine Meinung, auch damit zusammen, dass nach 1945 viele NS-Juristen wieder in Amt und Ehren kamen – und eine Aufarbeitung der Zusammenhänge entweder gar nicht oder nur schleppend vorankam.

Der Fall Martin Katschker, Kolleginnen und Kollegen, zeigt aber deutlich auf, dass es tödliche Folgen haben kann, wenn sich eine Stimmung gegen bestimmte Gruppen aufheizt, zu jener Zeit vorangetrieben von einem bekannten Kommunalpolitiker und schweigend mitgetragen oder sogar teilweise befördert und akzeptiert von einer damals völlig versagenden Stadtverwaltung, wie das uns vorliegende Gutachten in aller Deutlichkeit belegt.

Schon allein deswegen halten wir eine Gedenktafel, die auch Erinnerung und Mahnung sein soll, am Ort des Geschehens für wichtig. Denn gerade die aktuellen Ereignisse zeigen uns vor allem über die sozialen Hetzwerke auf, womit wir nahezu täglich konfrontiert werden, und zwar in einem Ausmaß, das kaum mehr zu ertragen ist: Hass, Drohungen und Einschüchterung gegenüber Andersdenkenden und Minderheiten – Verschwörungstheorien der absurdesten Art, verstärkter Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit –, vertreten und befeuert auch von einer nationalistisch-völkischen Partei, die in nahezu allen unseren Parlamenten sitzt und die Brücken längst gebaut hat bis weit hinein in das rechtsradikale Lager und der es in letzter Konsequenz nur um Eines geht: Abschaffung unserer demokratischen Verhältnisse. Und dagegen, Kolleginnen und Kollegen, müssen wir zusammen angehen – und zwar geschlossen und ohne Wenn und Aber.

Wir bitten also dieses Gremium, unseren Antrag zu unterstützen. Eine einstimmige Mehrheit wäre auch ein deutliches und wichtiges Zeichen nach außen, wie wir es in ähnlichen Fällen schon mehrmals abgegeben haben.

Über den Text auf der Gedenktafel für Martin Katschker werden sich die Herren Engelsing und Klöckler Gedanken machen. Auch das ist Inhalt unseres Antrags.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“

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