Warum ein autofreier Sonntag keinen Sinn macht

Autor | 6. Juli 2022

Auf der Gemeinderatssitzung vom  30. Juni sprach unser Stadtrat Hoger Reile zu den Tagesordnungspunkten „Autofreier Sonntag in der Konstanzer Innenstadt“ und „Urban Audit – Koordinierte Bürgerbefragung in deutschen Städten: Lebensqualität in Konstanz 2021 im deutschen Städtevergleich“:

 

Kolleginnen und Kollegen,

Herr Thiel hat von uns den den Auftrag erhalten, zum Thema „Autofreier Sonntag“ ein dementsprechendes Konzept vorzulegen. Das hat er auch gemacht, wie wir lesen können, dafür besten Dank. Allerdings halten wir das vorgestellte Vorhaben in diesem Umfang so nicht für sinnvoll. Wie Sie alle wissen, haben wir mehrmals dafür plädiert, einen „autofreien Samstag“ zu planen, denn dieser hätte Strahlkraft über die Stadtgrenze hinaus, vor allem dann, wenn man beispielsweise das benachbarte Kreuzlingen mit in diesen Aktionstag einbindet. Ein „autofreier Sonntag“ hingegen ist nichts anderes als seeallemannische Symbolpolitik – gut gemeint, aber im Endeffekt wohl eher ein Rohrkrepierer.

Warum, so unsere Frage, sollten wir mit immensem Aufwand und dementsprechenden Kosten für einen „autofreien Sonntag“ die Laube absperren lassen – denn an Sonntagen ist der motorisierte Individual-Verkehr in der Regel kaum ein Problem. Das könnte ziemlich peinlich werden. Also Finger weg davon.

In dem Konzept erkennen wir aber einige Vorschläge, die wir auch unterstützen können. Unsere Anregung: Planen wir vorgeschlagene Veranstaltungen – die ja fast alle sinnvoll sind – erstmal für den Stephansplatz und den Augustinerplatz ein, eventuell können wir auch die Marktstätte dazu nehmen und mit Informationsständen zum Thema Klimawandel und Verkehrswende bestücken. Sehen wir dann, dass der Zuspruch erkennbar ist, steht es uns ja frei, das Ganze für ein zweites oder drittes Mal etwas größer zu denken.

TOP Urban Audit – Städtevergleich

Wir nehmen die Vorlage dankend zur Kenntnis, mehr aber auch nicht. Die Gründe für unsere unterkühlte Begeisterung sind vielfacher Art. Dass Konstanz schon lange zu den teuersten Städten der Republik gehört, wissen wir seit Jahren. Ebenso wissen wir, dass bezahlbarer Wohnraum schon längst zu einer Konstanzer Rarität geworden ist und sich das in Kürze auch nicht ändern wird, denn die WOBAK alleine kann das beim besten Willen nicht lösen. Der neue Stadtteil Hafner liegt noch in weiter Ferne, und in der Vergangenheit wurden Fehler gemacht, die man auch ganz klar benennen kann: Nämlich den Verkauf des ehemaligen Vincentius-Geländes an einen privaten Investor, der dort nun seinen sündhaft teuren und potthässlich- modernen Wohnknast hochzieht,überwiegend für auswärtige Anleger.

Der vorliegende Städtevergleich ist zudem nicht repräsentativ und deswegen auch nur sehr bedingt aussagekräftig. Unter dem Strich fühlen sich die meisten wohl, leben gerne hier und sind im Großen und Ganzen zufrieden. So liest sich der Bericht. Aber ich befürchte, das wird der letzte sein, der auf einer Wohlfühlblase daher kommt – denn uns drohen Zeiten, die sich keiner wünscht. Da dürfen wir uns und unseren Bürgerinnen und Bürgern nichts vormachen, sondern sie frühzeitig informieren und vorbereiten.

Denn die apokalyptischen Reiter Klimawandel, Corona und Krieg fordern ihren Tribut. Die Schere zwischen Arm und Reich geht auch bei uns immer weiter auseinander – viele fürchten sich zu Recht vor den ständig steigenden Lebensmittel- und Energiekosten, weil sie schon jetzt nicht mehr wissen, wie sie in Zukunft ihr Leben finanzieren sollen. Kommt es im Herbst zum Energienotstand, dann drohen auch uns Verhältnisse, an die sich nur noch die Älteren erinnern werden.

Gut möglich, dass öffentliche Einrichtungen geschlossen werden müssen und auch bei uns die Arbeitslosigkeit steigt. Diese Prognosen lesen Sie auch seit geraumer Zeit in eher konservativen Wirtschaftsblättern – und wir müssen sie ernst nehmen. Sie dürfen mir glauben, dass ich mich gerne täuschen würde, befürchte aber, dem ist nicht so. Die von Bundeskanzler Scholz ausgerufene Zeitenwende betrifft nicht nur die internationale Sicherheitslage – sondern auch das gesellschaftliche Zusammenleben in unseren Städten zwischen Kiel und Konstanz. Darauf müssen wir vorbereitet sein, denn die Parole der kommenden Jahre wird leider wohl heißen: Adieu, Wohlstand – oder aber auch: Der ausufernde Spätkapitalismus frisst seine noch ahnungslosen Kinder.

Ein Letztes noch: Auch bei uns werden die Finanzen knapp und der Kämmerer läuft mit geschärfter Axt durch die einzelnen Dezernate, um Einsparungen in einer Größenordnung von bis zu 10 Millionen Euro einzufordern. Das ist sein Job. Aber es kann und darf nicht sein, dass wir vor allem in den Bereichen Kultur, Bildung und Sport die Gelder streichen – die größten Geldverbrenner aber – Sie wissen, was ich meine (Bodenseeforum) – ungeschoren lassen. Dieses finanzielle Ungleichgewicht werden zumindest wir von der Linken Liste nicht akzeptieren.

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